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Baurecht - KrntNorm
ROG Krnt 1969 §14 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde der R B in S, vertreten durch Dr. Albin Ortner , Rechtsanwalt in Villach, Postgasse 6, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 11. Juni 1981, Zl. 8 BauR1-74/4/1981, betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung der Ersatzvornahmekosten in einer Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 4.876,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin war mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 30. März 1977, Zl. 147/76, die Baubewilligung zur Errichtung einer Stützmauer auf Grundstück Nr. 692/4, KG S, gemäß §§ 12 und 13 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, erteilt worden. Dabei wurden unter anderem nachstehende „Auflagen“ vorgeschrieben:
„5. Situation: lt. Plan gegeben. Es wird festgestellt, daß die geplante Mauer zum Teil auf der Parzelle 691, KG S, des Herrn Baumeisters H steht.
6. Wie der statische Nachweis des Ing. G. S vom 12.3.1977 beweist, ist die geplante Mauer für Hangsicherung zu nieder und zu schwach bemessen.
7. Die Mauer ist daher laut den vorgelegten statischen Berechnungen sowie dem geologischen Gutachten vom Amt der Kärntner Landesregierung vom 10. 3. 1977 herzustellen:
a. Die übersteile, abgerutschte und teilweise noch abrutschgefährdete Böschung ist so zu gestalten, daß sie eine Grenzneigung von 2 : 3 nirgends übersteigt,
b. Ist dies ohne Eingriffe in das Nachbargrundstück oder ohne Gefährdung der Baulichkeiten auf der oberen Parzelle nicht möglich, ist die Böschung durch eine Stützmauer abzusichern. Die Stützmauer ist auf Erddruck zu bemessen, wobei als Winkel der inneren Reibung des zu stützenden Bodens = 33° angesetzt werden kann. Als Raumgewicht = 2,0 t/m3, Kohäsion c = O. Eine Erhöhung der derzeitigen Fußmauer ist nur dann zulässig, wenn dies aus statischen Gründen möglich erscheint. Die Mauer ist ringweise aufzuführen und die einzelnen Ringe sind möglich rasch und sorgfältig zu hinterfüllen.
c. Es ist zu überprüfen, ob das oberliegende Wohnhaus so gegründet ist, daß es auf die zu errichtende Mauer Einfluß ausübt oder nicht.
d. Die geforderten Nachweise sind von einem befugten Techniker zu erbringen.
8. Das abgerutschte Erdmaterial ist wieder aufzubringen und eine Böschungsneigung im Verhältnis 2 : 3 herzustellen. Die ursprüngliche Bepflanzung ist wieder vorzunehmen.“
Auf Grund von Berufungen der Beschwerdeführerin und der Eigentümer der Nachbarliegenschaft wurde vom Gemeindevorstand der Gemeinde S am 4. August 1977 zu Bau-Zl. 47/1976 ein Bescheid mit folgendem Spruch erlassen:
„Gemäß § 83 Abs. 1 der AGO, LGBl. 1/1966, sowie § 66 Abs. 4 AVG 1950, im Zusammenhange mit § 12 Abs. 1 und § 18, wie auch § 22 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, wird der Einspruch der Bauwerberin, Frau R B vertreten durch den Vater H F (§ 9 AVG) abgewiesen und der Pkt. 7) des Baubescheides der ersten Instanz vom 30. 3. 1977 voll bestätigt, da die Sicherheit der anrainenden Grundstücke dies verlangt. Der Einspruch der Anrainer G und K M wird nur im Bezuge der Bestimmungen der herrschenden Verwaltungsgesetze anerkannt. Die Bauwerberin wird verhalten, die notwendigen und dringenden Sanierungsarbeiten an der Böschung gemäß dem geol. Gutachten bis 30.9.1977 auszuführen. Diese Maßnahme wird nach § 22 der KBO zeitlich bedingt auferlegt, um die Hintanhaltung von Gefahren für die Anrainer auszuschalten. Eine reine Bepflanzung der Steilböschung ist nicht zielführend. Außerdem wurde der Bau der Stützmauer vor Erteilung einer behördlichen Bewilligung begonnen und konnten Bauauflagen erst nach Erteilung der Baubewilligung vorgeschrieben werden.“
Am 7. Dezember 1977 brachte die Beschwerdeführerin beim Gemeindeamt der Gemeinde S einen Schriftsatz ein, welcher umfaßte:
1. Antrag um baupolizeiliche Genehmigung einer Bauführung.
2. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Bau-Zl. 147/76,
3. Ersuchen um Unterbrechung der Vollstreckungsmaßnahmen.
In diesem Schriftsatz hieß es:
„In der umseits bezeichneten Rechtssache legt die Antragstellerin den Ausführungsplan der Baufirma -B-Bau mit Lageplan vor. Hinsichtlich der Baubeschreibung bezieht sich die Antragstellerin auf die Baubeschreibung im Akt Bau-Zl. 147/76. Gegenüber dem im bezogenen Bauakt vorgelegten Einreichplan ergibt der Ausführungsplan, daß die hergestellte Betonstützmauer im Bereiche B eine Stärke von 1,30 m und eine Sockelstärke von 1,50 m (gegenüber 0,9 m und Sockelstärke 1,3 m) aufweist. Lediglich im Bereiche der Mauerkrone ist die Mauerstarke bei 90 cm geblieben. Durch die Herstellung der im Ausführungsplan bestätigten Mauer wurden die Auflagen gemäß Pkt. 7 b des Baubescheides vom 30.3.1977 der Gemeinde S erfüllt und eine wirksame und ausreichende Absicherung des Hanges gegen Rutschgefahr errichtet. Demzufolge sind auch die Grundlagen des Bescheides vom 30.3.1977 und die in diesem Verfahren eingeholten statischen Berechnungen hinfällig geworden und insbesondere auch den bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen die Grundlage entzogen. ... Die Antragstellerin hat von dem Umstand, daß die Mauer entgegen dem Einreichplan wesentlich massiver ausgeführt wurde, durch eine Bohrung erfahren, die am Freitag, den 29.11.1977 durchgeführt wurde. Daraufhin hat sie von der Firma -B-Bau auch den Ausführungsplan gemäß den tatsächlich durchgeführten Maßnahmen herstellen lassen. ...“
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde S vom 23. Jänner 1979, Zl. Bau 147/1976, wurde der Wiederaufnahmeantrag nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 „zurückgewiesen“. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung an die Aufsichtsbehörde gemäß § 84 der Allgemeinen Gemeindeordnung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 27. September 1979, Zl. 8 BauR1-70/3/1979, abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem: „... Die von der Vorstellungswerberin durch die Firma -B-Bau errichtete Hangstützmauer weicht offenbar vom Lösungsvorschlag des Baumeisters Ing. Gerhard S ab. ... Es wird ... Aufgabe der Vorstellungswerberin sein, eine Hangstützmauer zu errichten, die, wenn auch abweichend vom Ausführungsvorschlag des Ing. S jedenfalls die in den statischen Berechnungen aufgezeigten Erfordernisse zu erfüllen haben wird. ... Eine eventuelle Bewilligung der bestehenden Hangstützmauer im Falle eines geänderten Sachverhaltes kann nur einem neuen Baubewilligungsverfahren vorbehalten bleiben ... Mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens will die Vorstellungswerberin erreichen, daß ihre von der Baubewilligung wesentlich abweichend ausgeführte Mauer genehmigt werde. Diese andere und somit nicht bewilligte Mauer kann aber nicht Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens sein. Über das neuerlich gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiederaufnahme gestellte Bauansuchen auf nachträgliche Bewilligung der errichteten Stützmauer wird die Baubehörde zu entscheiden haben. …“
Die von der Beschwerdeführerin gegen den Vorstellungsbescheid vom 27. September 1979, Zl. 8 BauR1-70/3/1979, eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit dessen Erkenntnis von 22. Oktober 1981, Zl. 06/3129/79, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Erkenntnisses hieß es unter anderem: Die Beschwerdeführerin verkenne das Wesen der Wiederaufnahme eines Baubewilligungsverfahrens, wenn sie die Wiederaufnahme darauf stützen zu können glaube, daß die tatsächliche Ausführung des Bauvorhabens nicht mit dem bewilligten Bauprojekt übereinstimme und deshalb seinerzeit vorgeschriebene Auflagen entbehrlich waren. Das Baubewilligungsverfahren sei nach §§ 4 ff der Kärntner Bauordnung von 1969 ein Projektsgenehmigungsverfahren, sodaß die spätere Bauausführung auf den Baubewilligungsbescheid keinen Einfluß haben könne. Ein vom bewilligten Bauprojekt abweichender, geänderter Bauwille bedinge einen Antrag auf Abänderung der Baubewilligung im Sinne des § 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung. Ein solcher Antrag könne, wie sich aus § 29 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung ergebe, auch nachträglich in den Fällen einer von der Baubewilligung abweichenden Bauausführung gestellt werden. Dabei handle es sich aber um ein neues baubehördliches Bewilligungsverfahren und nicht um eine Wiederaufnahme des seinerzeitigen Baubewilligungsverfahrens. Einem solchen späteren Antrag könne wegen mangelnder Identität auch nicht die Rechtskraft des seinerzeitigen Baubewilligungsbescheides oder einer in diesem vorgeschriebenen Auflage entgegengehalten werden. Ergänzend wies der Gerichtshof im zitierten Erkenntnis noch darauf hin, daß in Fällen, in denen anstelle des - und sei es auch nachträglich - bewilligten Bauvorhabens in Wahrheit ein - konsensloses - anderes Bauvorhaben verwirklicht worden sei, eine Vollstreckung von Auflagen des Baubewilligungsbescheides nicht in Betracht komme, da die Auflagen in einer unlösbaren Verbindung mit der erteilten Bewilligung stünden; in solchen Fällen sei vielmehr nach § 29 der Kärntner Bauordnung vorzugehen. Handle es sich bei der konsenswidrig ausgeführten baulichen Anlage jedoch um eine solche, welche zur Behebung eines Baugebrechens erforderlich sei, komme überdies die Anwendung des § 39 der Kärntner Bauordnung in Betracht.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 8. November 1977, Zl. 3838/77-2, wurde der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Paritionsfrist bis 30. November 1977 in Vollstreckung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde S von 30. März 1977, GZ Bau 147/76, wegen Nichterfüllung folgender „Arbeits- und Naturalleistungen“ die Ersatzvornahme angedroht. „1. Die Mauer (Stützmauer für Hangsicherung) ist lt. den vorgelegten statischen Berechnungen sowie dem geologischen Gutachten vom Amt der Kärntner Landesregierung vom 10. März 1977 herzustellen: a) Die übersteile, abgerutschte und teilweise noch abrutschgefährdete Böschung ist so zu gestalten, daß sie eine Grenzneigung von 2 : 3 nirgends übersteigt. b) Ist dies ohne Eingriff in das Nachbargrundstück oder ohne Gefährdung der Baulichkeiten auf der oberen Parzelle nicht möglich, ist die Böschung durch eine Stützmauer abzusichern. Die Stützmauer ist auf Erddruck zu bemessen, wobei als Winkel an Reibung des stützenden Bodens = 33 ° angesetzt werden kann. Als Raumgewicht = 2,0 t/m3, Kohäsion c = 0. Eine Erhöhung der derzeitigen Fußmauer ist nur dann zulässig, wenn dies aus statischen Gründen möglich erscheint. Die Mauer ist ringweise aufzuführen und die einzelnen Ringe sind möglich rasch und sorgfältig zu hinterfüllen. c) Es ist zu überprüfen, ob das oberliegende Wohnhaus so gegründet ist, daß es auf die zu errichtende Mauer Einfluß ausübt oder nicht. d) Die geforderten Nachweise sind von einem befugten Techniker zu erbringen. 2. Das abgerutschte Erdmaterial ist wieder aufzubringen und eine Böschungsneigung im Verhältnis 2 : 3 herzustellen. Die ursprüngliche Bepflanzung ist wieder vorzunehmen.“
In der Folge holte die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau einen Kostenvoranschlag einer Bauunternehmung vom 10. September 1979 ein, in welchem für „Herstellung der Hangstützmauer“ eine Anbotsumme von S 304.341,52 mit dem Bemerken ausgewiesen wurde, die vorgesehenen Massenansätze seien geschätzt, der Abrechnung würden die tatsächlich ausgeführten Massen zugrundegelegt und die Einheitspreise seien Nettopreise ohne Mehrwertsteuer. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1979 gab die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau der Beschwerdeführerin die voraussichtlichen Ersatzvornahmekosten in Höhe von „ca. 305.000,-- S“ mit dem Bemerken bekannt, daß dann, wenn sie der bescheidmäßigen Verpflichtung zur Errichtung der Mauer nicht bis 1. November 1979 nachkomme, das Vollstreckungsverfahren mit der Erlassung eines Vorauszahlungsbescheides fortgesetzt werden müßte.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 13. November 1979, Zl. 3838/77-16, wurde der Beschwerdeführerin zur Vollstreckung der in der Androhung der Ersatzvornahme angeführten Verpflichtungen gemäß § 4 VVG 1950 die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von S 305.000,-- gegen nachträgliche Verrechnung aufgetragen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin die Berufung, dies im wesentlichen mit folgender Begründung: Der erstinstanzliche Bescheid stehe mit dem Titelbescheid vom 30. März 1977 in Widerspruch und dieser sei außerdem gemäß § 16 der Kärntner Bauordnung erloschen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 30. März 1977 sei der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der von ihr vorgelegten Baubeschreibung und Baupläne die Herstellung einer horizontalen Böschungsmauer vorgeschrieben worden, wobei Planänderungen ohne vorherige Genehmigung ausdrücklich verboten worden seien. Diese Mauer bestehe in der Natur und habe schon im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 30. März 1977 bestanden; sie sei von der Gemeinde S, bewilligt worden. Die nunmehr aufgetragene Leistung beinhalte die Beseitigung dieser bewilligten Mauer und die Neuherstellung einer ringförmigen Mauer samt einigen im Bescheid näher genannten Nebenleistungen. Es werde daher die Herstellung einer anderen Mauer gefordert, als dies Gegenstand der Baubewilligung gewesen sei. Dieser Widerspruch im Bescheid vom 30. März 1977 schließe es aus, daß ihm Rechtswirkungen zukämen. Die Gemeinde S und mit ihr die Vollstreckungsbehörde erster Instanz scheine die Auffassung zu vertreten, daß die bewilligte Mauer nicht Gegenstand des Baubescheides sei. Abgesehen davon, daß diese Auffassung dem Inhalt des Bescheides vom 30. März 1977 widerspräche, würde sie bedeuten, daß die Baubewilligung gemäß § 16 der Kärntner Bauordnung nach Ablauf der Zweijahresfrist mit allen Rechten, aber auch mit allen Pflichten erloschen wäre. Das Gutachten über die Höhe der Vollstreckungskosten sei im übrigen der Beschwerdeführerin nicht bekanntgegeben worden, sie sei auch der Beweisaufnahme nicht zugezogen gewesen und habe erstmalig durch den angefochtenen Bescheid davon erfahren, was eine Verletzung des Parteiengehörs bedeute. Die Vorschreibung eines Betrages von S 305.000,-- würde die wirtschaftliche Existenz der Beschwerdeführerin vernichten. Wie sich aus dem baubehördlichen Verfahren der Gemeinde S, Zl. 147/76, ergebe, sei die Beschwerdeführerin von allem Anfang an bestrebt gewesen, die Böschung so abzusichern, daß keinerlei Gefahr für die anrainenden Grundstücke bestehe. Demgemäß habe sie die Firma F beauftragt, gemäß ihren jahrzehntelangen Erfahrungen im Straßenbau eine Böschungsmauer fachgerecht und ordnungsgemäß herzustellen. Diesem Auftrag habe die genannte Firma entsprochen. In der Natur bestehe eine völlig ausreichende Böschungsmauer, die jegliches Abgleiten und jede Rutschgefahr verhindere. Diesbezüglich werde auf das Verfahren betreffend die Erteilung einer neuen Baubewilligung bzw. die Wiederaufnahme des seinerzeitigen Baubewilligungsverfahrens verwiesen. Schließlich wurde in der Berufung der Standpunkt vertreten, der Bescheid vom 30. März 1977 sei zwar formell rechtskräftig, nicht aber materiell, weil im Wiederaufnahmeverfahren eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ergriffen und der Antrag gestellt worden sei, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Solange über diesen Antrag nicht entschieden und das Verfahren nicht formell rechtskräftig abgeschlossen sei, entbehre der Bescheid vom 30. März 1977 der Rechtskraft.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 1981 wurde die Berufung gemäß § 10 VVG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen. In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verfahrensverlaufes im wesentlichen ausgeführt: Bei der Beurteilung sei von der Tatsache auszugehen, daß die Verpflichtete eine nachträgliche Bewilligung für die bereits errichtete Mauer erhalten habe, mit der Verpflichtung, diese entsprechend den Auflagen des Baubewilligungsbescheides zu errichten. Eine andere Auslegung lasse der Wortlaut des Punktes 5 des Baubewilligungsbescheides, „... daß die geplante Mauer zum Teil auf der Parzelle 691, KG S des Herrn Baumeisters H steht“, nicht zu. Somit sei die Baubewilligung nicht als erloschen anzusehen. Der Hinweis, daß die Mauer plangemäß zu errichten sei, ändere nichts daran, daß die übrigen Auflagen des Baubewilligungsbescheides zum Tragen kämen. Der Titelbescheid sei rechtskräftig, denn eine Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 4. August 1977 sei nicht erhoben worden. Zur Erlassung einer Vollstreckungsverfügung bedürfe es nicht eines vorhergehenden Ermittlungsverfahrens und daher auch nicht einer Anhörung einer Partei. Daß die vorgeschriebenen Kosten preislich unangemessen wären, habe die Verpflichtete gar nicht behauptet. Im übrigen hätte sie für eine derartige Behauptung den Beweis zu erbringen. Der Einwand der Unmöglichkeit der Leistung sei nur in Ansehung unvertretbarer Leistungen ein Berufungsgrund nach § 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950. Bei der Vollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 4 VVG 1950 könne die Unmöglichkeit der Leistung nicht eingewendet werden (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1956, Slg. N.F. Nr. 4095/A). Der Einwand, die Firma habe die Mauer auftragsgemäß fachgerecht und ordnungsgemäß errichtet, richte sich gegen den Titelbescheid. Einwendungen gegen den Titelbescheid seien im Vollstreckungsverfahren unzulässig. Das gleiche gelte auch für den Einwand, der sich auf den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beziehe. Im übrigen dürfe nicht übersehen werden, daß sich das gegenständliche Verfahren letzten Endes als eine Folge der konsenslosen Bauführung der Verpflichteten darstelle, deren Nachteile sie nunmehr zu tragen habe.
In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird vorerst der Standpunkt vertreten, der nunmehr in Vollstreckung gezogene Bescheid vom 30. März 1977, Bau-Zl. 147/76, enthalte in sich einen gedanklichen Widerspruch. Einerseits werde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung zur plangemäßen Herstellung der Böschungsmauer erteilt, anderseits heiße es aber in den Punkten 5 und 6 des Bescheides, daß die Mauer zum Teil auf der Nachbarparzelle stünde sowie zu schwach und zu nieder bemessen wäre. Letzterer Mangel werde in Punkt 7 lit. a dieses Bescheides damit saniert, daß die Ausstattung der Böschung mit einer Grenzneigung von maximal 2 : 3 verlangt werde. Es erhebe sich die Frage, ob nun die Bauwerberin den Bau plangemäß ausführen müsse, ob sie Planänderungen durchführen dürfe oder ob sie sogar im Sinne der Punkte 7 lit. b bis d des Bescheides einen völlig anderen Baukörper herstellen müsse. Der Bescheid verweise auf ein Sachverständigengutachten, aus welchem jedoch weder die Situierung der dort vorgeschlagenen ringweisen Verbauung noch die genaue Dimensionierung und Detailgestaltung ersichtlich sei. Somit fehle von vornherein auch die vom Gesetz geforderte Bestimmtheit der Verpflichtung als Voraussetzung der zwangsweisen Durchsetzung. Mit der Vorschreibung, „daß die Stützmauer auf Erddruck zu bemessen und ringweise aufzuführen und möglich rasch und sorgfältig zu hinterfüllen sei“, sei noch keine plangemäße Konkretisierung gegeben. Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdefahrerin im Ergebnis im Recht; dies aus folgenden Gründen:
Grundlage der nunmehr angefochtenen Vollstreckungsverfügung nach § 4 Abs. 2 VVG 1950 ist der Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde S vom 4. August 1977, Bau-Zl. 47/1976/ wodurch der Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 30. März 1977, Bau-Zl. 147/76, mit der Abänderung bestätigt wurde, daß die Böschung gemäß dem geologischen Gutachten bis 30. September 1977 auszuführen sei. Dieser Titelbescheid ist eine Baubewilligung gemäß §§ 12 und 13 der Kärntner Bauordnung, welche unter einer Reihe von „Auflagen und Bedingungen“ erteilt wurde. Es handelt sich somit um einen primär rechtebegründenden Bescheid. Den in einem rechtebegründenden Bescheid enthaltenen Bedingungen und Auflagen kommt die Rechtswirkung zu, daß von der Bewilligung nur unter deren Einhaltung Gebrauch gemacht werden darf. Vom Boden der früheren Rechtslage bzw. der Rechtslage in anderen Bundesländern aus hat der Verwaltungsgerichtshof unter Auflagen nur solche Nebenbestimmungen eines rechtebegründenden Verwaltungsaktes angesehen, welche nicht projektgestaltend waren (siehe etwa das Erkenntnis vom 29. März 1977, Zlen. 2745, 2746/76); er wertete solche Auflagen in einem Bewilligungsbescheid als einen bedingten Polizeibefehl, der sich erst dann in einen unbedingten wandelt, wenn von der Bewilligung Gebrauch gemacht wird (siehe Erkenntnis vom 12. September 1978, Zl. 2621/77). In letzter Zeit haben jedoch in die Rechtsordnung auch projektsändernde „Auflagen“ Eingang gefunden. So besagt § 14 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung: „Entspricht das Vorhaben den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 nicht, sind diese durch Auflagen herzustellen. Durch solche Auflagen darf das Vorhaben in seinem Wesen nicht verändert werden.“ Dementsprechend heißt es in § 15 der Kärntner Bauordnung: „Sind die Voraussetzungen für die Baubewilligung nicht gegeben und können sie durch Auflagen nach § 14 Abs. 1 nicht hergestellt oder können die Auflagen nach § 14 Abs. 3 nicht erfüllt werden, ist die Baubewilligung zu versagen.“ Solche projektsändernde „Auflagen“ können nicht als bedingte Polizeibefehle gewertet werden, welche bei Gebrauchnahme von der Bewilligung zu unbedingten werden. Sie stellen vielmehr in untrennbarer Einheit mit den durch sie modifizierten Plänen und Beschreibungen den Gegenstand der Bewilligung dar. Eine von solchen projektsändernden „Auflagen“ abweichende Bauausführung stellt daher keine Gebrauchnahme von der Baubewilligung dar, sondern ist als konsenswidrige Bauführung anzusehen. Daraus folgt, daß in solchen Fällen nicht die Erfüllung projektsändernder „Auflagen“ unmittelbar auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung im Wege der Verwaltungsvollstreckung erzwungen werden kann, sondern vorerst lediglich ein baupolizeiliches Auftragsverfahren gemäß § 29 der Kärntner Bauordnung - bzw. dann, wenn die konsenswidrig ausgeführte bauliche Anlage zur Behebung eines Baugebrechens erforderlich ist, auch nach § 39 der Kärntner Bauordnung - in Betracht kommt. Der in einem solchen Verfahren rechtskräftig ergangene baupolizeiliche Auftrag ist sodann im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbar. Im vorliegenden Fall stellen nun alle der durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Vollstreckungsverfügung vom 13. November 1979 zugrunde liegenden „Auflagen“ Projektsänderungen dar. Schon aus diesem Grunde kommt nach den vorstehenden Ausführungen ihre Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme nicht in Betracht. Überdies aber hat sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht damit auseinandergesetzt, ob die tatsächlich errichtete Mauer überhaupt den der nachträglichen Baubewilligung zugrundeliegenden Unterlagen entspricht; Zweifel daran rechtfertigen die eingangs zitierten Ausführungen im Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 27. September 1979, Zl. 8 BauR1-70/3/1979, betreffend den Antrag der Beschwerdeführerin auf die Erteilung einer weiteren nachträglichen Baubewilligung und auf Wiederaufnahme des seinerzeitigen Baubewilligungsverfahrens, worin unter anderem davon die Rede ist, daß „sich auch durch die geänderte Bauführung nichts an der geologischen Beschaffenheit des Hanges geändert hat“ und daß eine „eventuelle Bewilligung der bestehenden Hangstützmauer im Falle eines geänderten Sachverhaltes nur einem neuen Baubewilligungsverfahren vorbehalten bleiben kann“, weiters, es wolle „die Vorstellungswerberin jedoch erreichen, daß ihre von der Baubewilligung wesentlich abweichend ausgeführte Mauer genehmigt werde, diese andere und somit nicht bewilligte Mauer könne aber nicht Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens sein“. Falls dies zutrifft, wäre die Baubewilligung vom 30. März 1977, in der Fassung des Berufungsbescheides vom 4. August 1977, gar nicht ausgenützt worden und schon aus diesem Grund eine Vollstreckung jeglicher Auflagen ausgeschlossen. In einem solchen Fall läge auch kein konsenswidriges, sondern ein konsensloses Bauwerk vor.
Im übrigen ist die der Vollstreckung zugrundegelegte Verpflichtung inhaltlich nicht eindeutig bestimmt. In den „Auflagen und Bedingungen“ des Bescheides vom 30. März 1977 ist teilweise nämlich die zu treffende Maßnahme von Umständen abhängig gemacht, deren Vorliegen im baubehördlichen Verfahren nicht geklärt wurde. Dies gilt etwa für die Frage, ob die Ausgestaltung der Böschung mit einer Grenzneigung von 2 : 3 ohne Eingriffe in das Nachbargrundstück und ohne Gefährdung der Baulichkeiten auf der oberen Parzelle möglich ist, wobei verneinendenfalls die Böschung durch eine Stützmauer abzusichern ist, eine Erhöhung der derzeitigen Fußmauer aber nur dann zulässig ist, wenn dies aus statischen Gründen möglich erscheint, und zusätzlich zu überprüfen ist, ob das oberliegende Wohnhaus so gegründet ist, daß es auf die zu errichtende Mauer Einfluß ausübt oder nicht. Aus einer solchen Fassung des Titelbescheides kann der Verpflichtete nicht eindeutig erkennen, welche Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtung geeignet sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof aber in seinen Erkenntnissen vom 25. Oktober 1977, Slg. N.F. Nr. 9414/A, und vom 28. November 1978, Zl. 2069/76, ausgesprochen hat, ist die Vorschreibung der Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme dann unzulässig, wenn der Abspruch, dessen Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme erfolgen soll, infolge Unbestimmtheit als Vollstreckungstitel ungeeignet ist. Der Gerichtshof hält an dieser Rechtsprechung weiterhin fest.
Schon durch die vorbezeichneten Mängel des angefochtenen Bescheides wurde demnach die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt. Es ist daher entbehrlich, auf das übrige Vorbringen, insbesondere auf die Verfahrensrüge, näher einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Soweit in diesem Erkenntnis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wurde, die in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlicht sind, wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGB1. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965, in der vorzitierten Fassung, und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221, dies unter Berücksichtigung des gestellten Antrages; dabei konnten nur die notwendigen Stempelgebühren (für zwei Beschwerdeausfertigungen je S 100,--, für eine Vollmacht S 100,-- und für zwei Beilagen je S 20,--, das sind zusammen S 340,--) zuerkannt werden.
Wien, am 10. Dezember 1981
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1981:1981060134.X00Im RIS seit
03.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.11.2020