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AbgabenverfahrenNorm
BAO §131 Abs1 Z5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Papierer, über die Beschwerde des EC in W, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien IV, Graf Starhemberggasse 39/17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Juli 1984, Zl. 6/3-1177/82, betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1979 und 1980, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.993,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Taxiunternehmer und ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmenüberschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Im Jahre 1981 wurde sein Betrieb einer abgabenbehördlichen Prüfung für den Zeitraum 1979 bis 1980 unterzogen, die im Ergebnis zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen unter Annahme einer Jahreskilometerleistung von 53.000 km führte. Die Schätzungsberechtigung wurde im Prüfungsbericht mit der Nichtaufbewahrung der täglichen Losungsaufzeichnungen (Urbelege) sowie damit begründet, daß berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der aus dem Treibstoffverbrauch errechneten Kilometerleistung von ca. 26.500 km jährlich bestünden. Durch Gegenüberstellung des auf einer Reparaturrechnung vom 21. Jänner 1980 ausgewiesenen Kilometerstandes von (geradeaus) 50.000 km und des durch den Prüfer am 5. August 1981 abgelesenen Standes von 133.785 km ergebe sich nach Umrechnung der in dieser Zeitspanne gefahrenen Kilometer auf das Kalenderjahr eine jährliche Kilometerleistung von 53.000 km. Unter Berücksichtigung von 8.500 Leer- bzw. Privatkilometern verbleibe daher eine unaufgeklärte Differenz von 18.000 km jährlich, die bei einem Kilometerertrag von S 7,-- (brutto) eine Hinzurechnung von S 117.000,-- netto zu Umsatz und Gewinn erforderlich mache. Durch die Kilometermehrleistung bedingte Treibstoffkosten setzte der Prüfer gewinnmindernd ab und erhöhte andererseits den bisher nur griffweise geschätzten Privatanteil.
Gegen die auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen erlassenen Wiederaufnahme- und Sachbescheide brachte der Beschwerdeführer Berufung ein, in der er die vom Prüfer angenommene Jahreskilometerleistung von 53.000 km bestritt. Unter der Annahme von 11 Monaten und 20 Fahrtagen pro Monat entspreche dies 241 km pro Tag. Zu einer derartigen Kilometerleistung sei er schon seines schlechten Gesundheitszustandes wegen (Zucker, hoher Blutdruck, Hüftluxation) nicht in der Lage. Er fahre als Alleinfahrer nur stundenweise, weil er krankheitsbedingt nicht lange sitzen könne. Auch die Kilometerstandsangabe auf der Reparaturrechung „von glatt 50.000“ zeige, daß eine genaue Ablesung seitens des Mechanikers nicht stattgefunden habe. Im übrigen enthalte die Rechnung auch noch eine andere Unrichtigkeit, nämlich die falsche Bezeichnung der Wagentype mit 200 D statt richtig 220 D. Der Kilometerertrag von S 7,-- sei weit überhöht und der Privatanteil mit 25 % statt mit 15 % anzunehmen, wobei allerdings die Treibstoffkosten für Privatfahrten selbst getragen und nicht in den Büchern aufgezeichnet worden seien.
Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise Folge, indem sie den Kilometerertrag für 1979 mit S 6,40 und für 1980 mit S 6,70 annahm und einen 25 %igen Privatanteil an den insgesamt gefahrenen Kilometern unterstellte. In ihren Entscheidungsgründen führte sie aus, daß von dem in der Rechnung vom 21. Jänner 1980 aufscheinenden Kilometerstand von 50.000 auszugehen sei, da dieser für die Reparaturwerkstätte wegen allfälliger Gewährleistungsverpflichtungen nicht ohne Bedeutung sein könne. Der Beschwerdeführer habe diesen Kilometerstand, möge er auch aus welchen Gründen immer unrichtig sein, so lange zu vertreten, bis er dessen Unrichtigkeit entweder schlüssig nachweise oder doch wenigstens glaubhaft mache. Der vom Beschwerdeführer behaupteten Jahreskilometerleistung von 26.500 km habe auch mit Rücksicht auf den Umstand, daß die täglichen Losungsaufzeichnungen (Urbelege) nicht aufbewahrt worden seien, kein Glauben geschenkt werden können. Der Entscheidung sei somit die von der Betriebsprüfung schlüssig ermittelte Jahreskilometerleistung von 53.000 km zugrunde zu legen gewesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 184 Abs. 3 BAO ist u.a. zu schätzen, wenn die vom Abgabepflichtigen zu führenden Aufzeichnungen solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Gemäß § 163 BAO haben Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 BAO entsprechen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich. Gemäß § 131 Abs. 1 Z. 5 BAO haben die zu Aufzeichnungen gehörigen Belege derart geordnet aufbewahrt zu werden, daß die Überprüfung der Eintragungen jederzeit möglich ist.
Werden Bareinnahmen nicht einzeln, sondern nach Ermittlung einer Tageslosung aufgezeichnet, so sind die Ermittlungsunterlagen („Urbelege“) Bestandteil der zu führenden Aufzeichnungen und damit aufbewahrungspflichtig. Da der Beschwerdeführer dieser Verpflichtung unbestritten nicht nachgekommen ist, kann er die Rechtsvermutung des § 163 BAO nicht für sich in Anspruch nehmen; seine Aufzeichnungen wiesen formelle Mängel auf, die geeignet waren, Zweifel an ihrer sachlichen Richtigkeit aufkommen zu lassen und die die Abgabenbehörde zur Schätzung berechtigten bzw. verpflichteten.
Bei dieser Sachlage ist lediglich zu prüfen, ob die von der belangten Behörde in freier Beweiswürdigung als erwiesen angenommenen Tatsachen in einem mängelfreien Verfahren gewonnen wurden und ob sie auf schlüssigen Überlegungen beruhen.
Das ist jedoch nicht der Fall. Ein auf einer Reparaturrechnung ausgewiesener Kilometerstand unterliegt als Beweismittel der Beweiswürdigung durch die Abgabenbehörde. Gemäß § 115 Abs. 3 BAO haben die Abgabenbehörden Angaben des Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten des Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen. Der Beschwerdeführer hat unter Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand - er könne nicht lange sitzen - vorgebracht, nur stundenweise zu fahren und Alleinfahrer zu sein, d.h. keine Chauffeure (auch nicht aushilfsweise) zu beschäftigen. Es sei ihm daher unmöglich, im Durchschnitt eine tägliche Kilometerleistung von 241 km zu erbringen. Der auf der Reparaturrechnung ausgewiesene Kilometerstand sei von ihm seinerzeit nicht überprüft worden und könne auf einem Hörfehler beruhen, weil es bei der betreffenden Firma üblich sei, „daß irgendein Arbeiter irgendeinen Kilometerstand bei einem Fenster hineinruft“; aber auch ein Tippfehler der Fakturistin sei denkbar. Dafür spreche auch, daß bei Angabe der Wagentype ein offenkundiger Fehler unterlaufen sei.
Die belangte Behörde hat diesen Vorbringen lediglich entgegengehalten, der Beschwerdeführer habe „den auf der Rechnung aufscheinenden Kilometerstand, der aus welchen Gründen immer unrichtig sein mag, so lange zu vertreten, bis er dessen Unrichtigkeit entweder schlüssig nachweist oder doch wenigstens glaubhaft macht. Damit hat aber die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zu amtswegigen Wahrheitsfindung und schlüssigen Beweiswürdigung nicht entsprochen. Insbesondere hat sie sich in keiner wie immer gearteten Weise mit dem behaupteten schlechten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der objektiven Möglichkeit einer durchschnittlichen Kilometerleistung von täglich 241 km (im Stadtbereich) als Alleinfahrer auseinandergesetzt. Eine Beweiswürdigung ist aber nur dann als mängelfrei anzusehen, wenn beweistaugliche Gegenargumente der Partei entkräftet werden.
Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand auch allfällige Kopierkosten abgegolten sind.
Wien, 24. September 1986
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1984130212.X00Im RIS seit
03.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.11.2020