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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §13 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, in der Beschwerdesache des J in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über eine Beschwerde betreffend Schubhaft, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz vom 22. Jänner 1995 eine Beschwerde nach den §§ 51 ff FrG bei der belangten Behörde ein, welche bei dieser am 24. Jänner 1995 einlangte. Er wurde hierbei durch R.H. vertreten.
In der Folge findet sich im Verwaltungsakt ein Aktenvermerk
vom 15. Mai 1995 mit folgendem Wortlaut:
"AV vom 15.5.1995
Herr H. teilte über Anfrage telefonisch mit, daß der Antrag betr. Beschwerde nach § 51 vom 22.1.1995 zurückgezogen wird."
(Es folgt die Unterschrift des Organwalters des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland.)
Mit Eingabe vom 12. März 1996 erhob der Beschwerdeführer, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nunmehr vertreten durch Dr. R., eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Nach Einleitung des Vorverfahrens beantragte die belangte Behörde in der Gegenschrift unter Hinweis auf die Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde die kostenpflichtige Zurückweisung der Säumnisbeschwerde, da die behauptete Säumnis mangels aufrechten Antrages nicht vorliege.
Mit Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof vom 9. Mai 1996 bestritt der Beschwerdeführer die Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde durch R.H. am 15. Mai 1995, dies unter gleichzeitiger Vorlage eines Faxes von R.H. an den nunmehrigen Beschwerdevertreter Dr. R., ebenfalls vom 9. Mai 1996, welches bestätigt, daß tatsächlich ein Telefongespräch zwischen R.H. und dem zuständigen Mitglied der belangten Behörde am 15. Mai 1995 stattgefunden hat.
Wie sich jedoch - so der wesentliche Inhalt des Faxes - nach Durchsicht seiner (R. H"s) Unterlagen ergebe, sei seitens des R.H. lediglich die Zusage getätigt worden, eine allfällige Beschwerdezurückziehung werde in schriftlicher Form erfolgen, worüber er aber erst mit seinem Mandanten Rücksprache halten müsse.
Vorauszuschicken ist, daß das AVG für die Zurückziehung eines Rechtsmittels keine besonderen Formerfordernisse vorsieht. Sie muß nur ausdrücklich ausgesprochen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Februar 1992, Zl. 89/07/0077). Die Zurücknahme eines Rechtsmittels ist eine (unwiderrufliche) einseitige prozessuale Erklärung, die mit dem Einlangen der Zurücknahmeerklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne daß es hier einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte (vgl. das Erkenntnis vom 8. März 1991, Zl. 90/17/0328).
Unter diesen Gesichtspunkten begegnet die Rechtswirksamkeit einer telefonischen Zurückziehung einer Schubhaftbeschwerde keinen Bedenken. Dem steht auch § 13 Abs. 2 AVG (wonach Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, schriftlich einzubringen sind) nicht entgegen, geht es doch bei der Zurückziehung eines Rechtsmittels oder eines solchen Anbringens nicht um die Wahrung einer Frist.
Im gegenständlichen Fall ist die Rechtsmacht des R.H. zur Abgabe dieser prozessualen Erklärung unstrittig. Strittig ist jedoch der Inhalt des Telefongespräches vom 15. Mai 1995, sohin die Frage, ob es tatsächlich zur Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde gekommen ist.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Aktenvermerk eine öffentliche Urkunde, die über ihren Inhalt vollen Beweis macht, wenngleich der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig ist, ebenso der Beweis der Unvollständigkeit (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1990, Zl. 87/17/0260).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, welches sich in der Behauptung erschöpft, die Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde sei lediglich in Aussicht gestellt worden, dies verbunden mit der Vorlage des oben erwähnten Faxes des R.H. vom 9. Mai 1996, in welchem sich dieser auf die Durchsicht "seiner Unterlagen" beruft, ohne daß diese etwa vorgelegt worden wären, ist jedoch nicht geeignet, einen Gegenbeweis zum Aktenvermerk vom 15. Mai 1995 zu erbringen, zumal auch aus diesem Fax immerhin ersichtlich ist, daß von einer Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde die Rede war. Die Aufnahme weiterer Beweise wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, eine "formlose" Einstellung des Schubhaftverfahrens entspreche nicht dem Gesetz, geht ins Leere, weil die belangte Behörde mit der Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde keine Entscheidungspflicht mehr traf.
Da der vorliegenden Beschwerde nach dem Gesagten mangels Säumnis der belangten Behörde die Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegenstand, war die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996020144.X00Im RIS seit
20.11.2000