TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/10 96/02/0483

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Veröffentlicht am 10.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/02/0591 E 10. Oktober 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des W B und der I B in S, Deutschland, sowie des J in P, alle vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 3. Oktober 1996, Zl. LGv-470/4, betreffend Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 12. März 1996 wurde einem näher angeführten, zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin einerseits und dem Drittbeschwerdeführer andererseits am 3. August 1995 abgeschlossenen Kaufvertrag unter Berufung auf (näher zitierte) Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes LGBl. Nr. 82/1993 (im folgenden kurz: GVG 1993) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Oktober 1996 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich dieser auf (näher zitierte) Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (LGBl. Nr. 61, im folgenden kurz: GVG 1996) zu stützen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Rechtsansicht der Beschwerdeführer, im gegenständlichen Fall sei das GVG 1993 und nicht das GVG 1996 anzuwenden, nicht zu teilen: Das GVG 1996 trat nach seinem § 41 am 1. Oktober 1996 in Kraft, wobei das GVG 1993 (in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 4/1996) gleichzeitig außer Kraft trat.

Die im vorliegenden Beschwerdefall interessierenden Übergangsbestimmungen des § 40 des GVG 1996 lauten:

"(2) In jenen grundverkehrsbehördlichen Verfahren, die am 1. Jänner 1994 anhängig waren, ist in materiellrechtlicher Hinsicht weiterhin das Grundverkehrsgesetz 1983 anzuwenden. Hinsichtlich der Behörden und des Verfahrens gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes.

(3) Auf Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die vor dem 1. Jänner 1994 abgeschlossen wurden, ist in materiellrechtlicher Hinsicht weiterhin das Grundverkehrsgesetz 1983 anzuwenden. Hinsichtlich der Behörden und des Verfahrens gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes."

Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer gegen diese, von der belangten Behörde in Verbindung mit § 41 GVG 1996 anzuwendenden Vorschriften nicht zu teilen; insbesondere kann eine solche Verfassungswidrigkeit selbst dann nicht erblickt werden, wenn - so die Beschwerdeführer - die belangte Behörde durch Zuwarten mit ihrer Entscheidung eine "Rechtswahl" getroffen hätte.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A) hat die Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war.

Für die beiden letztangeführten Betrachtungsweisen ist im gegenständlichen Beschwerdefall kein Raum. Insbesondere kommen die erwähnten Übergangsbestimmungen des § 40 Abs. 2 und 3 GVG 1996 nicht zur Anwendung, zumal der gegenständliche Kaufvertrag erst am 3. August 1995 abgeschlossen wurde (wobei angemerkt sei, daß selbst bei Anwendbarkeit der zitierten Vorschriften des § 40 Abs. 2 und 3 GVG 1996 nicht das GVG 1993, sondern das Grundverkehrsgesetz 1983 anzuwenden gewesen wäre).

Der Beschwerde ist dennoch Erfolg beschieden: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0195, und die dort zitierte Vorjudikatur) dargetan, daß, wenn auch Gegenstand des Parteiengehörs der durch die Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung sein kann, so doch im Falle einer während des Verfahrens eingetretenen Änderung der Rechtslage (im Beschwerdefall das Inkrafttreten des GVG 1996), Sachverhaltselemente in den Vordergrund treten und rechtliche Bedeutung erlangen können, von denen die Behörde, will sie nicht das Parteiengehör verletzen, nicht von vornherein annehmen darf, daß die Parteien des Verfahrens nicht zu ihrer Klärung beitragen können.

Ein solcher Fall liegt hier vor, hat doch die belangte Behörde den mit 3. Oktober 1996 datierten Berufungsbescheid erlassen, ohne den Beschwerdeführern, die die Anwendbarkeit des GVG 1996 schlechthin verneinen (wenn auch zu Unrecht - vgl. die obigen Ausführungen), Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt unter dem Blickwinkel der neuen Rechtslage darzulegen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, da der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Schlagworte

Parteiengehör Rechtliche Würdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020483.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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