TE Vfgh Erkenntnis 1995/11/28 V107/95

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs4
Verordnung der Marktgemeinde Rankweil vom 07.10.93 über die Festlegung von Baunutzungszahlen
Vlbg GdG 1985 §84 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Verordnung über die Festlegung von Baunutzungszahlen mangels Durchführung eines Ermittlungsverfahrens

Spruch

Die Verordnung der Marktgemeinde Rankweil vom 7. Oktober 1993 über die Festlegung von Baunutzungszahlen war gesetzwidrig.

Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B838/94 protokollierte Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch anhängig, mit dem der gegen den Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde Rankweil betreffend Um- und Ausbau eines bestehenden Wohnhauses erhobenen Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft als Nachbarin keine Folge gegeben wurde.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich durch diesen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Die Marktgemeinde Rankweil und der Beteiligte haben im verfassungsgerichtlichen Verfahren ebenfalls Äußerungen erstattet.

3. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Beschluß vom 13. Juni 1995, B838/94-16, von der Präjudizialität der Verordnung der Marktgemeinde Rankweil vom 7. Oktober 1993 über die Festlegung von Baunutzungszahlen bei seiner Entscheidung über die angeführte Beschwerde aus.

Er beschloß, die genannte Verordnung gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen. In seinem Prüfungsbeschluß schloß sich der Verfassungsgerichtshof den Erwägungen der Aufsichtsbehörde an, welche die angeführte Verordnung - im wesentlichen mangels Durchführung eines Ermittlungsverfahrens - von Amts wegen gemäß §84 Abs2 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl. 40/1984, (GG), durch Verordnung vom 18. Jänner 1994, kundgemacht im Amtsblatt für das Land Vorarlberg vom 29. Jänner 1994, aufgehoben hat.

4. Die Marktgemeinde Rankweil verzichtete, ebenso wie die Vorarlberger Landesregierung, auf die Erstattung einer Äußerung, "da die Sachlage - Aufhebung - eindeutig ist".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 18. Januar 1994, kundgemacht im Amtsblatt für das Land Vorarlberg am 29. Jänner 1994, wurde die Verordnung der Marktgemeinde Rankweil vom 7. Oktober 1993 über die Festlegung von Baunutzungszahlen als gesetzwidrig aufgehoben. Gemäß §84 Abs3 GG trat die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag (30. Jänner 1994) in Wirksamkeit und die in Prüfung gezogene Verordnung der Marktgemeinde Rankweil außer Kraft.

Im - maßgeblichen - Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides vom 17. Jänner 1994 (zugestellt am 21. Jänner 1994) stand also die genannte Verordnung über die Festlegung von Baunutzungszahlen noch in Rechtswirksamkeit. Die Baubehörde hatte diese Verordnung bei der Entscheidung über den Bauantrag somit anzuwenden. Daher hatte dies auch die Vorstellungsbehörde zu tun, welche im angefochtenen Bescheid ausführte, durch den geplanten Um- und Ausbau werde auch die von der Marktgemeinde Rankweil im Verordnungswege festgesetzte Baunutzungszahl nicht überschritten. Die genannte Verordnung ist folglich im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof präjudiziell.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 8280/1978 uvam.) kommt bei Erlassung von Planungsnormen den Vorschriften des Gesetzes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen besondere Bedeutung zu. Zum einen müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sein, zum anderen muß der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise einhalten. Ergibt sich, daß die erkennbaren Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft sind, daß eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich erscheint, ist eine solche Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

Dies ist hier der Fall. In Übereinstimmung mit der zu B838/94 von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch angeforderten Stellungnahme über die maßgeblichen Gründe für die amtswegige Aufhebung der gegenständlichen Verordnung hat das nunmehrige Prüfungsverfahren ergeben, "daß ein entsprechendes Ermittlungsverfahren vor Erlassung der gegenständlichen Verordnung nicht durchgeführt wurde und die Entscheidungsschritte nicht nachvollziehbar waren".

Insbesondere hat es die verordnungserlassende Behörde verabsäumt, die in §7 der Baubemessungsverordnung der Vorarlberger Landesregierung, LGBl. 32/1976, umschriebenen Tatbestandsmerkmale zu beachten.

3. Da die Verordnung der Marktgemeinde Rankweil vom 7. Oktober 1993 über die Festlegung von Baunutzungszahlen mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch von Amts wegen aufgehoben wurde, hatte der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, daß die in Prüfung gezogene Verordnung gesetzwidrig war.

4. Die Verpflichtung zur Kundmachung dieser Feststellung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

5. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Planungsakte Verfahren (Bebauungsplan), Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V107.1995

Dokumentnummer

JFT_10048872_95V00107_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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