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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §51c;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. W und Dr. E, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. November 1997, Zl. UVS-03/P/24/03387/95, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 wies die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Liesing, den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Übertretung der StVO (über den Beschwerdeführer war eine Geldstrafe von S 12.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage, verhängt worden) gemäß § 69 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ab. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. November 1995, welcher durch eine Kammer der belangten Behörde beschlossen wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 11. Juni 1996, B 258/96, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 51c VStG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.
Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinen Erkenntnissen vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0175, und vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0402, ausgesprochen hat, sind Berufungen über verfahrensrechtliche Bescheide (wie hier gegen die Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages) durch Einzelmitglieder zu erledigen.
Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in seinem - von der belangten Behörde in der erstatteten Gegenschrift zitierten - Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/02/0225, in anderem Zusammenhang hinsichtlich des § 51c VStG festgestellt hat, diese Vorschrift stelle "lediglich eine Zuständigkeitsregelung innerhalb derselben Behörde" dar, wurde damit keine Aussage der Zulässigkeit einer Berufungsentscheidung in einer verfahrensrechtlichen Angelegenheit betreffend ein Verwaltungsstrafverfahren durch eine Kammer eines unabhängigen Verwaltungssenates getroffen; vielmehr handelte es sich dabei um eine Aussage im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 MRK. Unbeschadet der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Ansicht, daß das nach der Geschäftsverteilung der belangten Behörde zuständige Einzelmitglied auch im Rahmen der Kammer mitentschieden habe, und daß es sich bei der Kammer gleichsam um ein "Organ höherer Ordnung" handle, war - gemessen an der dargelegten Spezialvorschrift des § 51c VStG - keine Zuständigkeit der Kammer für die Entscheidung im Beschwerdefall gegeben. Diese Unzuständigkeit der belangten Behörde war vom Verwaltungsgerichtshof - unabhängig von der von der belangten Behörde etwa zur Frage einer möglichen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs. 2 B-VG unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z. 1 StPO und § 477 Abs. 3 ZPO angestellten Überlegungen, wonach durchaus eine Entscheidung durch ein Gericht höherer Ordnung nicht zur Nichtigkeit führe - im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 51c VStG - ungeachtet allfälliger rechtspolitischer Aspekte - zu beachten, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung lediglich eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde (S 120,--) und drei Ausfertigungen der ergänzten Beschwerde (S 360,--) erforderlich waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996020352.X00Im RIS seit
20.11.2000