TE Vwgh Beschluss 2020/10/6 Ra 2020/21/0384

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Veröffentlicht am 06.10.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §54 Abs5 Z4
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/21/0385
Ra 2020/21/0386

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision von 1. S M, 2. N M und 3. A M, alle in W und vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Babenbergerstraße 9/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. August 2020, 1. W282 2231451-1/3E, 2. W282 2231449-1/3E, und 3. W282 2233872-1/3E, jeweils betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber ist der Vater und der allein Obsorgeberechtigte der jeweils am 27. Juli 2005 geborenen Zweit- und Drittrevisionswerber; alle sind serbische Staatsangehörige.

2        Der Erstrevisionswerber heiratete am 3. Oktober 2016 in Bulgarien eine bulgarische Staatsangehörige, die sich ihren Angaben zufolge seit 2004 in Österreich aufhält und hier berufstätig ist. Er befindet sich seit Ende Oktober 2016 durchgehend in Österreich und ihm wurde am 4. November 2016 eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Im April 2017 kamen auch die Kinder nach Österreich; sie erhielten am 24. April 2017 ebenfalls Aufenthaltskarten. Nachdem sie in ihr Heimatland zurückgekehrt waren, um das laufende Schuljahr zu beenden, leben sie seit Sommer 2017 in Österreich. Hier besuchten sie beginnend mit dem Schuljahr 2017/18 eine Neue Mittelschule.

3        Die erwähnte Ehe wurde im Einvernehmen mit Wirksamkeit vom 23. Februar 2018 rechtskräftig geschieden. Hierauf leitete das mit Schreiben der Niederlassungsbehörde vom 19. Juni 2019 befasste Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung ein. Nachdem der Erstrevisionswerber dazu am 30. Oktober 2019 eine schriftliche Stellungnahme erstattet hatte und er am 12. Dezember 2019 niederschriftlich befragt worden war, verfügte das BFA mit Bescheiden vom 31. März 2020 - jeweils unter Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs von einem Monat - gestützt auf § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG die Ausweisung der Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet.

4        Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. August 2020 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7        In der Revision wird nicht in Frage gestellt, dass das den Revisionswerbern aufgrund der Ehe des Erstrevisionswerbers mit einer EWR-Bürgerin zugekommene Aufenthaltsrecht nach § 54 Abs. 1 NAG iVm § 52 Abs. 1 Z 1 bzw. Z 2 NAG im Hinblick auf die Scheidung dieser Ehe nach einer Dauer von weniger als drei Jahren nicht mehr besteht (vgl. § 54 Abs. 5 Z 1 NAG) und daher der Ausweisungstatbestand nach § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG verwirklicht wurde. In der Revision wird zwar noch die Ausnahmebestimmung des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG angesprochen. Danach bleibt das Aufenthaltsrecht bei Scheidung der Ehe erhalten, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann. Für das Vorliegen des damit erfassten Härtefalles bestehen aber hier keine ausreichenden Anhaltspunkte (siehe zum unionsrechtlichen Hintergrund dieser Bestimmung VwGH 15.3.2018, Ro 2018/21/0002, Rn. 13/14). Der ins Treffen geführte Umstand, dass der Erstrevisionswerber an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Morbus Crohn) leidet und seine Ehefrau „mit dieser Krankheit nicht umzugehen wusste“, weshalb es unter anderem zur Zerrüttung der Ehe gekommen sei, genügt für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 54 Abs. 5 Z 4 NAG jedenfalls nicht.

8        Im Übrigen wird in der Revision noch die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung als „falsch“ angesehen und in diesem Zusammenhang die Unterlassung der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerügt. Aber auch damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan, weil das BVwG - es setzte sich bei der Interessenabwägung ausreichend mit allen maßgeblichen Gesichtspunkten auseinander - insoweit der Sache nach von einem „eindeutigen Fall“ ausgehen durfte, der es (ausnahmsweise) erlaubte, von einer Verhandlung samt Verschaffung eines persönlichen Eindrucks abzusehen (vgl. zuletzt VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0260, Rn. 12).

9        Angesichts der erst kurzen Dauer des Inlandsaufenthalts des Erstrevisionswerbers von etwas mehr als dreieinhalb Jahren, wobei ihm die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger nur für knapp eineinhalb Jahre zukam, vermögen der Umstand, dass er während dieser Zeit weitgehend berufstätig war und aktuell über eine Einstellungszusage verfügt, sowie der Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A2 an diesem Ergebnis nichts zu ändern (vgl. neuerlich VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0260, nunmehr Rn. 13). Gleiches gilt für den in der Revision besonders ins Treffen geführten Schulbesuch der Kinder und die dadurch bewirkte Integration, sind sie doch erst im Alter von zwölf Jahren nach Österreich gekommen und halten sich hier erst drei Jahre durchgehend auf, wobei ihnen nur für etwa zehn Monate die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zukam. Auch wenn sich den mit der Revision vorgelegten, vom BVwG mangels ihrer Vorlage im Beschwerdeverfahren noch nicht berücksichtigten Abschlusszeugnissen für das Schuljahr 2019/2020 sehr gute Noten entnehmen lassen, führt das selbst bei deren Einbeziehung noch nicht dazu, dass den Kindern eine Rückkehr nach Serbien, wo sich im Übrigen ihre Mutter, die frühere Lebensgefährtin des Erstrevisionswerbers, aufhält, nicht zumutbar wäre. Schließlich ist zur Vollständigkeit noch anzumerken, dass die Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, die derzeit medikamentös behandelte Krankheit des Erstrevisionswerbers sei auch in seinem Heimatstaat behandelbar, in der Revision unbekämpft bleibt.

10       Der Revision gelingt es somit insgesamt nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 6. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210384.L00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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