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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des S M M in L, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1/4/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2020, W259 2207405-1/39E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, zum Christentum konvertiert zu sein und deshalb im Iran verfolgt zu werden.
2 Mit Bescheid vom 10. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 20. März 2019 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 neunter Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, wobei der unbedingte Strafteil mit drei Monaten festgesetzt wurde.
4 Die gegen den Bescheid vom 10. August 2018 erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 AsylG 2005 abgewiesen werde, und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Nach der Rechtsprechung erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der gesonderten Zulassungsbegründung, in der konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 15.4.2020, Ra 2020/20/0017, mwN).
9 Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers und bringt unter Verweis auf die diesbezügliche Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes vor, die Beweiswürdigung sei unschlüssig und entspreche nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut. Das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, alle in Betracht kommenden Umstände - konkret die Einschätzung des Behördenvertreters betreffend das Allgemeinwissen des Revisionswerbers zum christlichen Glauben - vollständig zu berücksichtigen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2020/20/0161, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte und einen näher genannten Pfarrassistenten einvernahm, umfassend mit den vom Revisionswerber vorgebrachten fluchtauslösenden Ereignissen sowie mit den für die Beurteilung einer Konversion maßgeblichen Aspekten - insbesondere auch mit dem Wissen des Revisionswerbers in Bezug auf das Christentum - auseinander und gelangte mit ausführlicher Begründung zu dem Schluss, dass weder eine (Vor-)Verfolgung im Herkunftsstaat noch eine aus innerer Überzeugung vollzogene Hinwendung zum christlichen Glauben glaubhaft gemacht werden konnten. Ausgehend von den Länderfeststellungen drohe dem Revisionswerber auch im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat infolge der als Formalakte zu qualifizierenden Taufe, der Firmung, dem Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und den Kirchenbesuchen - wobei auch nicht ersichtlich sei, wie iranische Behörden Kenntnis von den religiösen Aktivitäten des Revisionswerbers in Österreich erlangen sollten - keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat.
12 Dass das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hätte bzw. diese einer Schlüssigkeitskontrolle nicht standhielte, wird mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht dargelegt. Darüber hinaus übersieht die Revision, dass es sich bei dem Wissen über die neue Religion lediglich um eines von mehreren Indizien handelt, das vom Bundesverwaltungsgericht bei seiner im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durchzuführenden Beurteilung eines aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsels zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 30.7.2020, Ra 2019/20/0383, mwN).
13 Im Übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung betreffend die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit näherer Begründung (sh. angefochtenes Erkenntnis S. 44 bis 49) auch auf das Bestehen eines Asylausschlussgrundes gestützt (§ 3 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005). Dazu enthält die Revision nichts. Im Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz beanstandet die Revision die unzureichende Auseinandersetzung mit der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie sowie ihren Auswirkungen auf die Wirtschaftslage und die medizinische Versorgung. Insbesondere hätten die aktuellen UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan „aufgrund einer ähnlichen Situation im Iran“ sowie die aktuellen Daten der WHO berücksichtigt werden müssen.
14 Damit macht der Revisionswerber Verfahrensfehler geltend, deren Relevanz für den Verfahrensausgang schon in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan hätte werden müssen (vgl. VwGH 1.7.2020, Ra 2020/20/0221, mwN). Eine entsprechende Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen, zumal die Revision nicht aufzeigt, mit welchen konkreten Auswirkungen, die zu einem günstigeren Verfahrensausgang hätten führen können, sich der gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt konfrontiert sehen würde, sondern sich in kursorischen Ausführungen und dem pauschalen Verweis auf näher genannte Berichte erschöpft, ohne einen Fallbezug herzustellen. Exzeptionelle und konkret auf den Revisionswerber Bezug nehmende Umstände, welche die Annahme einer realen Gefahr einer drohenden Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat rechtfertigen würden, werden nicht dargetan (vgl. dazu VwGH 7.7.2020, Ra 2020/20/0231; 23.6.2020, Ra 2020/20/0188).
15 Soweit ein weiterer Verfahrensmangel hinsichtlich der Verwertung nicht aktueller Länderberichte geltend gemacht wird, ist neuerlich darauf zu verweisen, dass es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 5.8.2020, Ra 2020/14/0302). Diesen Anforderungen entspricht die Revision nicht.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 7. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200337.L00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020