Index
L40013 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung Polizeistrafen NiederösterreichNorm
AHK 2005 §6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der V M in S, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in 3170 Hainfeld, Hauptstraße 28, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. April 2020, Zl. LVwG-S-497/001-2019, betreffend eine Übertretung des NÖ Polizeistrafgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld; mitbeteiligte Parteien: 1. F B und 2. M S beide in S und vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Dörflstraße 2),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird in Bezug auf den Ausspruch über die Kostenersatzpflicht der Revisionswerberin gegenüber den Mitbeteiligten (Spruchpunkt 2.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 erhoben die rechtsfreundlich vertretenen Mitbeteiligten bei der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld eine Privatanklage gegen die Revisionswerberin und brachten vor, die Revisionswerberin habe sie am 8. Juli 2018 abwechselnd als „blade Sau“, „schiache Sau“, „fette Sau“, „Arschlöcher“ und „Asoziale“ beschimpft. Durch diese Beschimpfungen habe die Revisionswerberin den Tatbestand der Ehrenkränkung des § 3 lit. c NÖ Polizeistrafgesetz erfüllt. Es werde daher beantragt, über die Revisionswerberin eine Geld- oder Arreststrafe gemäß § 4 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz zu verhängen und sie zum Kostenersatz gemäß § 5 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz zu verpflichten.
2 Mit Bescheid vom 29. Jänner 2019 stellte die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Revisionswerberin gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, erkannte die Revisionswerberin einer Übertretung des § 3 lit. c NÖ Polizeistrafgesetz schuldig, verhängte über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 170,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) und verpflichtete sie zu einem Kostenbeitrag von EUR 17,-- (Spruchpunkt 1.). Gleichzeitig erkannte es die Revisionswerberin für schuldig, den Mitbeteiligten zuhanden ihres Rechtsvertreters einen Kostenersatz von EUR 10.522,31 binnen zwei Wochen zu leisten (Spruchpunkt 2.). Die Revision erklärte das VwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).
4 Begründend führte das VwG im Wesentlichen aus, es folge zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt den deckungsgleichen Angaben der Mitbeteiligten, während den Aussagen der Revisionswerberin und ihrer Mutter (der Zeugin M.) kein Glauben geschenkt werden könne. Insbesondere seien die Angaben der Zeugin M. in mehrfacher - näher dargestellter - Hinsicht derart widersprüchlich gewesen, dass sie für die Wahrheitsfindung nicht hilfreich gewesen seien. Rechtlich folge daraus, dass die Revisionswerberin durch ihre nicht öffentlich (nicht vor mehr als zwei außenstehenden Personen) getätigte verbale Beschimpfung und Herabwürdigung eine Ehrenkränkung im Sinne des § 3 lit. c NÖ Polizeistrafgesetz zulasten der Mitbeteiligten begangen habe und deshalb zu bestrafen sei. Den Ausspruch zum Kostenersatz begründete das VwG unter Hinweis auf § 5 NÖ Polizeistrafgesetz damit, dass der Rechtsvertreter der Mitbeteiligten bei Einbringung der Privatanklage einen allgemeinen Antrag auf Kostenersatz gestellt und nach Abschluss der Verhandlung eine aufgeschlüsselte Kostennote gelegt habe. Das NÖ Polizeistrafgesetz kenne keine Bestimmung, die eine derartige Vorgangsweise untersagen würde. Die Kostennote beinhalte lediglich den Privatanklageschriftsatz (zuzüglich 50 % Einheitssatz und 10 % Streitgenossenzuschlag), die schriftliche Äußerung vom 28. Jänner 2019 (ebenfalls zuzüglich 50 % Einheitssatz und 10 % Streitgenossenzuschlag), die beiden Verhandlungen (jeweils TP3A sowie 50 % Einheitssatz und 10 % Streitgenossenzuschlag) sowie die Beschwerde (TP3B sowie 50 % Einheitssatz und 10 % Streitgenossenzuschlag). Als Bemessungsgrundlage sei gemäß § 13 Abs. 1 lit. d iVm § 9 Abs. 1 Z 4 iVm § 10 Abs. 1 Autonome Honorar-Kriterien der Betrag von EUR 26.200,- herangezogen worden.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit und in der Sache geltend gemacht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob eine betragsmäßige Determinierung der Kostennote erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem VwG zulässig gewesen sei. Nach Rechtsansicht der Revisionswerberin hätte in Analogie zu den Regelungen der Privatanklage im Strafprozess bzw. unter Anwendung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen vor Schluss der mündlichen Verhandlung eine betragsmäßig bestimmte Kostennote gelegt werden müssen, dies bei sonstigem Verlust des Kostenersatzanspruches. Ausgehend davon wäre den Mitbeteiligten kein Kostenersatz zuzusprechen gewesen.
6 Die Revision führt in der Zulassungsbegründung weiters aus, der Schuldspruch sei durch das VwG damit begründet worden, dass die Zeugenaussage der Zeugin M. nicht hilfreich gewesen sei. Der Ansicht des Gerichts sei aber klar zu widersprechen, weil die Zeugin im Zeitpunkt der Einvernahme eine schwere depressive Episode gehabt habe und deshalb Medikamente habe einnehmen müssen. Zwischen der Einvernahme dieser Zeugin durch die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld und jener vor dem VwG sei eine lange Zeit gelegen. Bei der Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft sei der Sachverhalt wesentlich genauer und detailgetreuer wiedergegeben worden.
7 Die belangte Behörde vor dem VwG und die Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen jeweils die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
11 Gemäß § 3 lit. c NÖ Polizeistrafgesetz begeht eine Ehrenkränkung, wer einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, sofern dies nicht öffentlich oder vor mehreren Leute erfolgt oder auf andere Weise gerichtlich strafbar ist.
12 Ehrenkränkungen sind gemäß § 4 Abs. 2 NÖ Polizeistrafgesetz Privatanklagesachen im Sinne des VStG und gemäß § 4 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz als Verwaltungsübertretungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 220,-- oder mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen.
13 Im gegenständlichen Fall wurde die Revisionswerberin mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses einer Ehrenkränkung nach § 3 lit. c NÖ Polizeistrafgesetz zulasten der Mitbeteiligten für schuldig erkannt, mit einer Geldstrafe von EUR 170,-- bestraft und zur Bezahlung eines Kostenbeitrags verpflichtet.
14 Gegen diesen Spruchpunkt bringt die Revision in ihrer Zulassungsbegründung lediglich vor, das VwG habe der Aussage der Zeugin M. zu Unrecht keinen Glauben geschenkt. Sie zeigt mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen aber nicht auf, dass die Beweiswürdigung des VwG am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes unvertretbar gewesen wäre (vgl. dazu etwa VwGH 5.5.2020, Ra 2018/06/0283, mwN). Das VwG hatte die Aussage der von der Revision angesprochenen Zeugin zutreffend als in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich bezeichnet. Wenn die Revision (ohne nähere Befassung mit diesen Widersprüchen) erstmals geltend macht, die Zeugin sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in schlechter psychischen Verfassung gewesen und unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden, verstößt sie gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) und zeigt schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. dazu etwa VwGH 29.6.2020, Ra 2020/16/0066, mwN).
15 Die Revision war daher in Bezug auf den - in der gegenständlichen Fallkonstellation von Spruchpunkt 2. trennbaren - Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 1 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Zu II.
16 Hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Erkenntnisses (Ausspruch über den Kostenersatz nach § 5 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz) zeigt die Revision eine grundsätzliche Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärt wurde und deren Lösung aus dem Gesetz auch nicht so klar und eindeutig möglich ist, dass es höchstgerichtlicher Leitlinien nicht bedürfte. Die Revision erweist sich daher insoweit als zulässig und zumindest im Ergebnis als begründet.
17 Wird jemand - wie im vorliegenden Fall - der Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung für schuldig erkannt, hat er dem Privatankläger gemäß § 5 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz auf dessen Antrag die zur Verfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen.
18 Die Revision macht geltend, dass die Mitbeteiligten ihren Kostenersatzantrag zu spät gestellt hätten, weil sie zunächst nur einen allgemeinen Antrag auf Kostenersatz eingebracht hatten und eine ziffernmäßig präzise Verzeichnung der Kosten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem VwG stattgefunden habe.
19 Richtig ist, dass der Rechtsvertreter der Mitbeteiligten in der Privatanklage lediglich einen allgemeinen Antrag auf Ersatz der Kosten des Verfahrens gemäß § 5 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz gestellt hatte. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem VwG verwies er auf diesen Antrag und behielt die betragsmäßige Konkretisierung seiner Kosten einem gesonderten Schriftsatz vor, den er am 6. März 2020 gemeinsam mit einer aufgeschlüsselten Kostennote beim VwG einbrachte. Erst nach diesem Zeitpunkt erging das angefochtene Erkenntnis, das die Kosten antragsgemäß bestimmte.
20 Wenn die Revision geltend macht, diese Vorgangsweise habe nicht dem Gesetz entsprochen, so ist ihr zunächst zu erwidern, dass das NÖ Polizeistrafgesetz keine Regelungen darüber trifft, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise die Kosten verzeichnet werden müssen.
21 § 4 Abs. 2 NÖ Polizeistrafgesetz qualifiziert Ehrenkränkungen nach diesem Gesetz als Privatanklagedelikte nach dem VStG. Allerdings enthält auch § 56 VStG, der sich mit Privatanklagesachen beschäftigt, keine Vorgaben, die im gegenständlichen Fall nutzbar gemacht werden könnten.
22 Im VwGVG, das für das Beschwerdeverfahren vor dem VwG galt, finden sich in § 52 VwGVG spezielle Regelungen für die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor dem Verwaltungsgericht, die - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt hat - in ihrem Regelungsbereich abschließend sind und eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des VStG iSd § 38 VwGVG ausschließen (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2014/17/0034, VwSlg. 19.155 A/2015).
23 Allerdings setzt sich auch § 52 VwGVG mit der Frage der korrekten und zeitgerechten Verzeichnung von Kosten des Privatanklägers nicht auseinander. Insoweit schließt diese Norm eine sinngemäße Anwendung des VStG iSd § 38 VwGVG nicht aus. Das VStG verweist wiederum - in Ermangelung einer eigenen einschlägigen Regelung (vgl. Rn. 21) - gemäß § 24 VStG auf das AVG.
24 In § 74 Abs. 2 AVG wird zunächst festgelegt, dass sich das Bestehen eines Kostenersatzanspruches gegen einen anderen Verfahrensbeteiligten - wie im vorliegenden Fall - nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften bestimmt. Zur Verzeichnung der Kosten sieht die Norm vor, dass der Kostenersatzanspruch so zeitgerecht zu stellen ist, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann.
25 In sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift im verwaltungsgerichtlichen Verfahren muss der Kostenersatzanspruch in einem Fall wie dem vorliegenden also so rechtzeitig gestellt werden, dass der Ausspruch über die Kosten in die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache aufgenommen werden kann.
26 Sofern sich aus der Regelung, welche die Kostenersatzpflicht begründet, wie im vorliegenden Fall nichts anderes ergibt, sind die Kosten im Antrag zu spezifizieren und zu beziffern (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 74 Rn. 15, mwN).
27 Wird die Entscheidung des VwG nach Schluss der Verhandlung gemäß § 47 Abs. 4 VwGVG verkündet, können demnach nur solche Kostenersatzanträge berücksichtigt werden, die vor diesem Zeitpunkt in entsprechender Art und Weise gestellt worden sind. Unterbleibt die Verkündung der Entscheidung jedoch, ist ein nach Schluss der Verhandlung gestellter Kostenbestimmungsantrag noch solange möglich, als der Ausspruch über die Kosten noch in die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache aufgenommen werden kann. Der Antrag und die Kostennote sind in diesem Fall dem Parteiengehör durch den Verfahrensgegner zu unterziehen, was, wie die Revision zutreffend geltend macht, im vorliegenden Fall zu Unrecht unterblieben ist.
28 Da sich diese rechtlichen Schlussfolgerungen schon aus den dargestellten verwaltungsrechtlichen Normen ergeben, braucht auf die Überlegungen der Revision zu einer Lückenfüllung aus anderen Rechtsbereichen nicht weiter eingegangen zu werden.
29 Im vorliegenden Fall unterblieb die Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses und die Mitbeteiligten stellten noch so zeitgerecht einen betragsmäßig präzisierten Kostenersatzantrag, dass die Entscheidung über die Kosten in das Erkenntnis in der Hauptsache aufgenommen werden konnte. Der Einwand der Revision, die Verzeichnung der Kosten sei verspätet erfolgt, trifft daher nicht zu. Dass die Verkündung rechtswidriger Weise unterblieben wäre, wird in der Revision nicht geltend gemacht.
30 Ungeachtet dessen erweist sich die Kostenentscheidung des VwG im Ergebnis als rechtswidrig:
31 § 5 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz sieht die Kostenersatzpflicht nur für die zur Verfolgung des Deliktes notwendigen Kosten vor. Das VwG ging ohne nähere Begründung davon aus, dass die von den Mitbeteiligten geltend gemachten Kosten von EUR 10.522,31 notwendig und gerechtfertigt gewesen seien. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten:
32 Der Hinweis des Gesetzes auf die Notwendigkeit der Kosten zur Verfolgung des Deliktes erfordert eine Prüfung, ob die Schwere des Delikts und die Komplexität seiner Verfolgung, insbesondere allfällige besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage, die rechtsfreundliche Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich machten. Dabei sind - insoweit vergleichbar mit den Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 40 VwGVG (vgl. etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0227) - auch die persönlichen Umstände und die besondere Bedeutung des Rechtsfalls für die in ihrer Ehre gekränkten Personen zu berücksichtigen, während die Schwere der drohenden Sanktion, die als Prüfkriterium für den Beschuldigten von wesentlicher Bedeutung wäre, für die Opfer der Tat nicht so sehr ins Gewicht fällt.
33 Werden diese rechtlichen Überlegungen auf den gegenständlichen Fall angewandt, so lässt sich nicht ohne Weiteres erkennen, dass die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Verfolgung der vorliegenden Tat, bei der es sich um eine bloß verbale Beleidigung in Anwesenheit weniger Personen handelte und nur wenige Zeugen zur Ermittlung des Sachverhalts in Betracht kamen, erforderlich war. Auch die Rechtslage warf fallbezogen keine solchen Schwierigkeiten auf, dass unter diesem Aspekt eine rechtskundige Vertretung angezeigt erscheinen musste. Besondere persönliche Umstände der Betroffenen, die eine andere Sichtweise rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch sind sie auf der Grundlage des Akteninhalts ersichtlich.
34 Da das VwG diese rechtlichen Aspekte bei seiner Entscheidung über den Kostenersatz außer Acht ließ und keine Erwägungen zur Notwendigkeit der Kosten anstellte, hat es Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
35 Selbst wenn die Beiziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet würde, erwiesen sich die geltend gemachten und zugesprochenen Kosten aber aus folgenden Gründen als zu hoch:
Gegenstand des Kostenersatzes können jedenfalls nur angemessene Kosten sein.
Im gegenständlichen Fall errechnete der Rechtsvertreter der Mitbeteiligten seine Kosten auf der Grundlage der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK), die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wie auch des Obersten Gerichtshofes) als kodifiziertes Gutachten über die Angemessenheit der im Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) nicht näher geregelten anwaltlichen Leistung für die Honorarabrechnung anzusehen sind, denen jedoch kein normativer Charakter zukommt (vgl. etwa VwGH 17.12.2009, 2009/06/0144; RIS-Justiz RS0038369).
Dabei wurde zur Berechnung des Honorars gemäß § 13 Abs. 1 lit. d AHK die (höchste) Bemessungsgrundlage nach § 9 Abs. 1 Z 4 AHK herangezogen. Schon diese Vorgangsweise erweist sich als unzutreffend, weil die - nach der Höhe der Strafsanktion ansteigenden - Bemessungsgrundlagen im Sinne der genannten Regelungen erkennbar nur auf die Bedeutung einer Verteidigung für den Beschuldigten zur Abwehr der drohenden Strafsanktion abstellen. Für den Privatankläger kommt der drohenden Sanktion jedoch, wie zuvor dargestellt (Rn. 32), keine entscheidende Bedeutung zu. Als ein Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit des Honorars könnte daher im vorliegenden Fall die sinngemäße Anwendung des RATG (§ 6 AHK) für eine Privatanklage im bezirksgerichtlichen Strafverfahren dienen.
36 Das angefochtene Erkenntnis war daher in Bezug auf Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
37 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen, zumal eine Verhandlung bereits vor dem VwG stattgefunden hat und die mündliche Erörterung vor dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
38 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der in der Revision vorrangig beantragte Kostenersatz durch die Mitbeteiligten findet in diesen gesetzlichen Vorgaben keine Deckung, weil der Aufwandersatz gemäß § 47 Abs. 5 VwGG von jenem Rechtsträge zu tragen ist, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem VwG vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat.
Wien, am 8. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030056.L00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020