TE Vwgh Beschluss 2020/10/13 Ra 2020/16/0148

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der A GmbH in Liquidation in W, vertreten durch die Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kohlmarkt 5/3, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Oktober 2019, RV/7100257/2017, betreffend Zurückweisung einer Beitrittserklärung gemäß § 258 BAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Unbestritten ist, dass die Revisionswerberin als Vermieterin mit der I GmbH als Mieterin einen Bestandvertrag abgeschlossen hat.

2        Betreffend die Vorschreibung von Rechtsgeschäftsgebühr gegenüber der Mieterin wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den Beschluss vom 9. April 2020, Ro 2020/16/0004, verwiesen.

3        Mit Schriftsatz vom 1. September 2016 erklärte die Revisionswerberin, der Beschwerde der Mieterin gegen die Vorschreibung von Rechtsgeschäftsgebühr beizutreten, weil sie nach den Abgabenvorschriften als Vermieterin als Gesamtschuldnerin bzw. Haftende in Betracht komme. Darüber hinaus wären die Kosten der Vergebührung vereinbarungsgemäß je zur Hälfte von den Vertragsparteien getragen.

4        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beitrittserklärung gemäß § 258 lit. b iVm § 2a und § 269 Abs. 1 BAO zurück und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere jenes vor dem Verwaltungsgericht, führte dieses zunächst zur Beschwerde der Mieterin aus, diese enthalte nur die Angabe, dass der endgültige Bescheid des Finanzamtes vom 25. Juli 2016 am 29. d.M. der Beschwerdeführerin in Deutschland zugestellt worden wäre. Die beschwerdeführende Mieterin habe vor dem Verwaltungsgericht kein konkretes Vorbringen erstattet oder jemals behauptet, dass tatsächlich eine Weiterleitung der Erledigung, des endgültigen Bescheides vom 25. Juli 2016, im Original an ihre Vertreterin erfolgt wäre. Im Beschwerdeverfahren lasse sich die Mieterin von einem Rechtsanwalt in Wien vertreten und dies spreche auch gegen die Annahme, dass die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes im Original an die Vertreterin der Mieterin weitergeleitet worden sei. Es werde daher bei der rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, dass die Erledigung nie im Original bei der Vertreterin der Beschwerdeführerin eingelangt sei. Allein durch die Einbringung eines Rechtsmittels durch den Vertreter werde der Zustellmangel nicht saniert (keine „Heilung durch Einlassung“). Die Erledigung des Finanzamtes vom 25. Juli 2016 habe daher mangels Wirksamkeit keine Bescheidqualität und sei daher dagegen keine Bescheidbeschwerde zulässig.

Zur Zulässigkeit der Beitrittserklärung erwog das Verwaltungsgericht weiter, wie näher dargestellt, sei die Bescheidbeschwerde der Mieterin, der I GmbH, unzulässig und daher auch die Beitrittserklärung der Revisionswerberin unzulässig. Dazu komme noch, dass das Verwaltungsgericht von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen habe. Die Revisionswerberin sei nach Durchführung eines Abwicklungsverfahrens am 13. September 2017 im Firmenbuch gelöscht worden. Der Verlust der Rechts- und Handlungsfähigkeit im Sinn des § 79 BAO bewirke, dass die Revisionswerberin keine Prozesshandlungen mehr setzen könne und dass ihr gegenüber keine rechtswirksamen Erledigungen mehr erlassen werden könnten, weil die mit der „Personenumschreibung“ getroffene Wahl des Normadressaten wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides sei. Eine Inanspruchnahme der Revisionswerberin durch Erlassung eines Abgabenbescheides dieser gegenüber sei somit mangels Parteifähigkeit nicht mehr möglich und sie komme für die gegenständliche Abgabenschuld nicht mehr als Gesamtschuldnerin in Betracht. Da eine wirksame Erlassung eines Zurückweisungsbeschlusses gegenüber der Revisionswerberin nicht möglich sei, werde der gegenständliche Beschluss nur der Amtspartei zugestellt. Der bisherige rechtsfreundliche Vertreter der Revisionswerberin werde lediglich durch Übermittlung einer Ausfertigung dieses Beschlusses darüber informiert, dass keine formelle Erledigung gegenüber der Revisionswerberin ergehe.

5        Gegen diesen Beschluss erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichthof, der mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 4349/2019-6, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        Gegen den Beschluss vom 16. Oktober 2019 richtet sich die vorliegende Revision, in der sich die Revisionswerberin in ihrem Recht auf inhaltliche Entscheidung zu ihrem Beschwerdebeitritt vom 1. September 2016 verletzt erachtet.

Die Revisionswerberin legt die Zulässigkeit ihrer Revision darin dar, im vorliegenden Verfahren sei die Rechtsfrage von (allgemeiner) Relevanz, ob die Löschung einer Gesellschaft im Firmenbuch selbst dann deren (weitere) Parteifähigkeit in einem Verwaltungsverfahren zu beeinträchtigen vermöge, wenn in einem behördlichen Verfahren noch eine Abgabenschuld dieser gelöschten Gesellschaft festgestellt bzw. festgesetzt werden könne. Gegenüber der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung stehe jene des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber, wonach die Löschung einer Gesellschaft jedenfalls so lange deren Parteifähigkeit nicht beeinträchtige, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zähle auch der Bund als Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt seien. Die Rechtsfrage sei schon deshalb von grundsätzlicher Bedeutung für diese Revision, als mangels Parteifähigkeit die Revisionswerberin nicht zur Erbringung dieser Revision berechtigt sei.

7        Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß Abs. 9 leg.cit. sinngemäß anzuwenden.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

8        Die Zulässigkeit einer Revision setzt neben einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage „abhängt“, davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz der Rechtsfrage für den Verfahrensausgang begründet wird (VwGH 25.4.2016, Ra 2016/16/0015).

9        Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht die Beitrittserklärung der Revisionswerberin schon deshalb für unzulässig erachtet, weil die Bescheidbeschwerde der Mieterin - mangels Zustellung der Erledigung vom 25. Juli 2016 - unzulässig sei. Die vorliegende Revision der Beitrittswerberin zieht weder die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Feststellungen noch die rechtlichen Schlussfolgerungen in Zweifel; solche fanden zudem bereits im eingangs zitierten Beschluss vom 9. April 2020 eine Bestätigung.

10       Damit hängt das Schicksal der vorliegenden Revision nicht von der Beantwortung der relevierten Rechtsfrage einer möglichen fortdauernden Parteifähigkeit ab, weshalb sich die in der Revision für deren Zulässigkeit erhobene Rechtsfrage als nicht relevant erweist.

11       Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160148.L00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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