TE Vwgh Beschluss 2020/10/13 Ra 2020/15/0099

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Y E in M, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in 4707 Schlüßlberg, Marktplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. Juli 2020, Zl. RV/5101840/2018, betreffend Umsatzsteuer 2011 und 2012, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Beim Revisionswerber, einem KFZ-Händler, der in den Streitjahren von einem KFZ-Händler mit Sitz in Deutschland Gebrauchtfahrzeuge angekauft und diese Fahrzeuge unter Inanspruchnahme der Differenzbesteuerung (§ 24 UStG 1994) an Endkunden in Österreich weiterverkauft hat, fand eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte u.a. fest, dass der Revisionswerber die Differenzbesteuerung zu Unrecht in Anspruch genommen habe.

2        Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ für die Jahre 2011 und 2012 entsprechende Umsatzsteuerbescheide.

3        Der Revisionswerber brachte gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide Beschwerden ein.

4        Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte zur Begründung aus, der Revisionswerber habe Gebrauchtwagen eines deutschen KFZ-Händlers erworben. Vom Prüfer sei für einige Fahrzeuge nachgewiesen worden, dass diese als Leasingfahrzeuge verwendet und über ein französisches Auktionshaus versteigert worden seien. Die Fahrzeuge seien von rumänischen Unternehmen - als innergemeinschaftliche Erwerbe - ersteigert und über den deutschen KFZ-Händler an den Revisionswerber verkauft worden. Sie hätten die Unternehmerkette demnach niemals verlassen, weshalb die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung fehlten. Der deutsche KFZ-Händler habe zur Verschleierung dieses Umstandes seine Eingangsrechnungen manipuliert und gegenüber der deutschen Finanzverwaltung den Ankauf der Fahrzeuge von deutschen Privatpersonen vorgetäuscht. Dass dies nicht der Wahrheit entsprochen habe, sei den Fahrzeugpapieren zu entnehmen gewesen, in denen als letzte Zulassungsbesitzer die französischen Leasingunternehmen und nicht deutsche Privatpersonen, ausgewiesen seien. Diese Fahrzeugpapiere seien dem Revisionswerber zur Verfügung gestanden.

5        Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis - in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt worden ist - gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge. Es stellte fest, der Revisionswerber habe im Streitzeitraum von einem deutschen KFZ-Händler, der über keine Betriebsstätte in Österreich verfüge, Fahrzeuge angekauft und diese in Österreich unter Anwendung der Differenzbesteuerung weiterverkauft, obwohl den dem Revisionswerber zur Verfügung stehenden Fahrzeugpapieren zu entnehmen gewesen sei, „dass die angekauften Fahrzeuge aufgrund ihrer Herkunft (bereits im Vorfeld der Umsatzsteuerkette) nicht für eine Differenzbesteuerung geeignet sind“.

7        Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Differenzbesteuerung iSd § 24 UStG 1994 durch den Revisionswerber sei, dass der deutsche KFZ-Händler für die Lieferung der gegenständlichen Gebrauchtwagen an den Revisionswerber keine Umsatzsteuer geschuldet bzw. die Differenzbesteuerung zu Recht in Anspruch genommen habe. Anderes gälte nur, wenn der Revisionswerber trotz Prüfung des Sachverhaltes mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht habe erkennen können, dass die Voraussetzungen des § 24 UStG 1994 bei der Lieferung an ihn nicht vorgelegen seien. Diesfalls könne er sich auf den Schutz von Treu und Glauben berufen. Dazu sei zunächst festzuhalten, dass die beschwerdegegenständliche Thematik bereits anlässlich einer die Jahre 2006 bis 2009 umfassenden Außenprüfung (Vor-BP) angesprochen worden sei. Schon damals habe der Revisionswerber Fahrzeuge des deutschen KFZ-Händlers unter Inanspruchnahme der Differenzbesteuerung weiterverkauft, ohne für die dafür erforderlichen Nachweise zu sorgen. Auch im Rahmen dieser Prüfung sei festgestellt worden, dass es sich bei den Fahrzeugen, die der Revisionswerber erworben habe, fast ausschließlich um französische Leasingfahrzeuge gehandelt habe. Die Verbringung der Fahrzeuge aus Frankreich und der Umstand, dass die für eine Differenzbesteuerung erforderlichen Voraussetzungen nachgewiesen werden müssten, seien dem Revisionswerber daher seit längerem bekannt. Der Prüfer habe bei der die Jahre 2010 bis 2012 umfassenden Außenprüfung festgestellt, dass die von ihm aufgedeckten Umstände den Lieferpapieren hätten entnommen werden können. Dem habe der Revisionswerber im Vorlageantrag nicht widersprochen.

8        Ergänzend wies das Bundesfinanzgericht darauf hin, dass der unabhängige Finanzsenat, das Bundesfinanzgericht und die deutschen Finanzgerichte (u.a. das Finanzgericht Saarland) davon ausgingen, dass der Handel bei bestimmten Branchen - zu denen auch der KFZ-Handel zähle - sehr häufig in Karussellkonstruktionen oder durch betrügerische Vorlieferanten abgewickelt werde, weshalb in diesen Bereichen eine erhöhte Sorgfaltsverpflichtung des ordentlichen Kaufmanns bestehe, zu der auch die Einsichtnahme in die Fahrzeugpapiere gehöre. „Es ist aber nach den unbekämpften Feststellungen im Beschwerdeverfahren davon auszugehen, dass der [Revisionswerber] die Fahrzeugpapiere und damit die Historie der gekauften Fahrzeuge gekannt hat und dementsprechend hätte reagieren müssen.“ Die Bestätigung der Differenzbesteuerung auf den Rechnungen des deutschen KFZ-Händlers, die im Übrigen vom Revisionswerber selbst angebracht worden sei, genüge in jedem Fall nicht, um die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht auszugleichen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die Revision führt zu deren Zulässigkeit aus, im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber die Bestätigung der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung selbst auf die Rechnung geschrieben und diese im Anschluss an den deutschen Geschäftspartner übermittelt. Dies sei widerspruchslos zur Kenntnis genommen worden. Weil diese Praxis in Absprache mit dem Geschäftspartner geschehen sei, sei davon auszugehen, dass durch die widerspruchslose Annahme der übermittelten Kaufverträge durch den Geschäftspartner in Deutschland das Vertrauen des Revisionswerbers in die Richtigkeit der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung gestärkt worden sei. Es stelle sich daher die „von erheblicher praktischer Bedeutung getragene Frage, ob die bloße Erkennbarkeit, wie vom Bundesfinanzgericht angenommen, aufgrund der verschiedenen vorliegenden Urkunden hinsichtlich der Fahrzeuge möglicherweise den guten Glauben des Revisionswerbers zu zerstören vermochte“.

14       Dieses Vorbringen ist schon deswegen nicht geeignet, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, weil es an dem vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt, der im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht bekämpft wird, vorbeigeht. Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis davon aus, „dass der [Revisionswerber] die Fahrzeugpapiere und damit die Historie der gekauften Fahrzeuge gekannt hat und dementsprechend hätte reagieren müssen“. Abgesehen davon kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein KFZ-Händler nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung vertrauen kann, wenn deren Nichtvorliegen bereits anhand der in seiner Gewahrsame befindlichen Fahrzeugpapiere erkennbar ist. Der im angefochtenen Erkenntnis angesprochenen erhöhten Sorgfaltspflicht bedarf es in einem solchen Fall nicht.

15       Soweit die Revision - unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften - rügt, das Bundesfinanzgericht habe es in seinem Erkenntnis unterlassen, Feststellungen zu der Vollmacht des deutschen KFZ-Händlers „hinsichtlich Kaufverträge des Revisionswerbers zu treffen“, genügt es darauf zu verweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen (vgl. z.B. VwGH 1.6.2017, Ra 2016/15/0051). Die Revision zeigt die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht auf.

16       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150099.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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