TE Vwgh Beschluss 2020/10/13 Ra 2019/15/0134

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2020
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §41
EStG 1988 §82
EStG 1988 §83
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2019/15/0150 B 13.10.2020
Ra 2019/15/0151 B 13.10.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des S E in I, vertreten durch Mag. Harald Houdek, Steuerberater in 6020 Innsbruck, Sillgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. August 2019, Zl. RV/3100393/2016, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist Mitglied einer Berufsfeuerwehr und bezieht als solches Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Auf Grund einer im März 2013 elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2012 erging ein Einkommensteuerbescheid vom 11. Juni 2013.

2        Mit Bescheid vom 24. September 2014 verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens und setzte die Einkommensteuer 2012 mit 1.290 € fest (bisher Gutschrift in Höhe von 1.032 €). Begründend wurde ausgeführt, dass der Revisionswerber bisher nicht erklärte und versteuerte Einkünfte aus Feuerwachen bezogen habe, welche als „Gelder von dritter Seite“ im Wege der Veranlagung steuerlich zu erfassen seien. Der Arbeitgeber sei in diesem Fall nicht zum Lohnsteuerabzug verhalten.

3        In seiner dagegen erhobenen Beschwerde wendete der Revisionswerber ein, es sei nicht nachvollziehbar, woher die „Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug“ herrührten. Er sei für seinen Arbeitgeber und im Auftrag seines Arbeitgebers (der Berufsfeuerwehr der Stadt X) tätig gewesen und habe nie einen „Arbeitslohn von dritter Seite“ erhalten. Bei den angeführten Brandsicherheitswachen sei er in seiner Eigenschaft als Berufsfeuerwehrmann auf Anweisung und Einteilung durch seinen Dienstgeber tätig geworden.

4        In einer Beschwerdeergänzung wendete der mittlerweile steuerlich vertretene Revisionswerber hinsichtlich der verfügten Wiederaufnahme weiters ein, dass die Behörde ihre Ermessensentscheidung unzureichend mit einem bloßen Standardsatz (dem Vorrang der Rechtsrichtigkeit, keine bloß geringfügigen Auswirkungen) begründet habe. Zudem sei davon auszugehen, dass dem Finanzamt die durch den Stadtmagistrat ausbezahlten Beträge bekannt gewesen seien. Es lägen keine neue Tatsachen oder Beweismittel vor. In der Sache selbst vertrat der Revisionswerber weiterhin den Standpunkt, dass die Zahlungen für die Feuerwache dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen gewesen wären. Auch die Stadt X sehe dies mittlerweile so, indem nunmehr sämtliche Sozialversicherungsbeiträge an die Beamtenversicherungsanstalt bzw. die zuständige Gebietskrankenkasse entrichtet worden seien. Die Finanzbehörde wäre verpflichtet gewesen, die Lohnabgaben nicht beim Dienstnehmer, sondern beim für den Lohnsteuerabzug zuständigen Arbeitgeber einzufordern. Die Stadt X habe auch die entsprechenden Fakturen an die Auftraggeber der Feuerwachen verschickt und die zu Grunde liegenden Werkverträge mit den Auftraggebern geschlossen.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht - nach Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt und Vorlageantrag des Revisionswerbers - die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet ab und gab der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2012 im Sinne der Beschwerdevorentscheidung teilweise Folge, indem Zahlungen für Brandsicherheitsdienste, die nicht mit Sicherheit hätten nachvollzogen werden können, außer Ansatz blieben. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Der Revisionswerber habe im Jahr 2012 für die von ihm übernommenen und in einem Prüfbericht der Kontrollabteilung aufgelisteten Brandsicherheitswachen 3.990 € erhalten. Dieser Betrag sei ihm von einem Organ der Personalvertretung der Berufsfeuerwehr bar (brutto für netto) ausbezahlt worden. Das Personalamt habe von diesen Zahlungen keine Kenntnis gehabt. Die Rechnungen an die privaten Auftraggeber der Brandsicherheitswachen (während Umbauarbeiten in einem Einkaufszentrum) seien namens des Stadtmagistrats - Berufsfeuerwehr ausgestellt worden und wiesen eine Bankverbindung auf, dessen Kontoinhaber ein Organwalter der Personalvertretung der Berufsfeuerwehr gewesen sei. Über die Vorgangsweise bei der Abrechnung der Brandsicherheitswachen habe Einvernehmen zwischendem Leiter des Amtes der Berufsfeuerwehr, dem verantwortlichen Offizier der Berufsfeuerwehr und der Personalvertretung bestanden. Den Mitarbeitern der Berufsfeuerwehr seien dazu schriftliche Dienstinformationen übermittelt worden, in denen u.a. darauf hingewiesen werde, dass die Diensteinteilung grundsätzlich durch eigenständige Eintragung in eine Dienstliste erfolgen solle und die Versteuerung der erhaltenen Gelder von den Feuerwehrmännern selbst eigenverantwortlich vorzunehmen sei. Nachdem diese Vorgangsweise durch einen Bericht der Kontrollabteilung bekannt geworden sei, habe das Personalamt des Stadtmagistrats die auf die vereinnahmten Gelder entfallenden Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialversicherungsträger überwiesen. Das Finanzamt habe den Feuerwehrleuten Einkommensteuer im Wege der Veranlagung vorgeschrieben.

7        In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, dem Finanzamt sei - wie im Einzelnen dargestellt - erst lange nach Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 2012 zur Kenntnis gelangt, dass der Revisionswerber neben seinen Bezügen vom Stadtmagistrat weitere Einkünfte aus der Übernahme von Brandschutzwachen erzielt habe. Es lägen daher neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO vor. Das Vorliegen eines tragfähigen Wiederaufnahmegrundes sei in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten worden. Der Revisionswerber habe den Wiederaufnahmebescheid vielmehr deswegen weiterhin für rechtswidrig erachtet, weil das Finanzamt das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt habe. Soweit der Revisionswerber eine gesetzwidrige Ermessensübung darin erblicke, dass das Finanzamt den Arbeitgeber nicht zur Haftung für die Lohnsteuer in Anspruch genommen habe, sei dem zu entgegnen, dass die Zahlungen ohne Wissen und Zutun des Arbeitgebers erfolgt seien. Dieser Umstand sei auch den betroffenen Feuerwehrleuten bekannt gewesen, seien sie doch mittels schriftlicher Dienstinformation darauf hingewiesen worden, dass sie für die Versteuerung selbst Sorge zu tragen hätten. Das Finanzamt habe die Zahlungen zutreffend als Vergütung von dritter Seite beurteilt. Die in § 78 Abs. 1 EStG 1988 (idF vor BGBl. I Nr. 105/2014) normierte Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einbehaltung der Lohnsteuer habe sich nicht auf diese Zahlungen erstrecken können, weshalb auch eine Inanspruchnahme im Haftungswege nicht in Betracht komme. Davon abgesehen wäre vor dem geschilderten Hintergrund die Abstandnahme von der Erlassung eines Haftungsbescheides nicht als gesetzwidrige Ermessensübung zu sehen.

8        Zum Sachbescheid führte das Bundesfinanzgericht aus, dass im Revisionsfall eine Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 durchzuführen gewesen sei. Im Rahmen der Antragsveranlagung seien in die Bemessungsgrundlage auch jene Einkünfte des Revisionswerbers aus nichtselbständiger Arbeit einzubeziehen, von denen kein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden sei. Ob ein Lohnsteuerabzug fälschlicherweise unterlassen worden sei oder ob der Arbeitgeber - im Fall eines von dritter Seite ausbezahlten Arbeitslohnes - nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet gewesen wäre, sei dabei unerheblich. Das Finanzamt habe die Entgelte für Brandsicherheitswachen als Arbeitslohn von dritter Seite beurteilt, weil sie außerhalb der Lohnverrechnung ohne Kenntnis (und somit auch nicht über Veranlassung) des Personalamtes ausbezahlt worden seien. Selbst wenn - dem Beschwerdevorbringen zufolge - lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn vorläge, würde dies auf die Höhe des im angefochtenen Bescheid ausgewiesenen Einkommens und der festgesetzten Einkommensteuer keine Auswirkung haben.

9        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, indem das Bundesfinanzgericht bestätigt habe, dass es rechtens sei, die Lohnsteuer für die „Dienstverrichtungen im Auftrag des Dienstgebers direkt beim Dienstnehmer einzufordern und den Dienstgeber aus der Haftung zu befreien“, weiche es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (Hinweis auf VwGH 20.6.1995, 92/13/0061, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1980 und 1981, sowie zwei weitere 1954 bzw. 1957 ergangene Judikate).

14       Im Revisionsfall ist das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen, dass der Revisionswerber durch Abgabe einer elektronischen Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung selbst eine Veranlagung seiner Einkünfte gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 beantragt hat. In der Revision wird nicht behauptet, dass dieser Antrag in Ansehung der durch Einbeziehung der Einnahmen aus den Brandschutzwachen zustande gekommenen Nachforderung an Einkommensteuer zurückgezogen worden wäre, was auch noch im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht möglich gewesen wäre (vgl. Atzmüller in Doralt et al, EStG20, § 41 Tz 35). Dass ein - (nach Ansicht des Revisionswerbers gegenständlich) fehlerhafter - Lohnsteuerabzug im Rahmen der Veranlagung korrigiert werden kann, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 29.4.2010, 2007/15/0227, mit weiteren Nachweisen).

15       Die vom Revisionswerber angeführten Judikate sind zu einer anderen Rechtslage (Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften nur bei Vorliegen erschöpfend aufgezählter Gründe) ergangen.

16       Die Haftungsinanspruchnahme des Dienstgebers würde nichts daran ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung in tatsächlich festgestellter Höhe (also unter Einbeziehung der gegenständlich strittigen Zahlungen für die Brandschutzwachen) anzusetzen wären. Im Übrigen könnten allfällige Lohnsteuernachforderungen auf Grund der Haftung des Arbeitgebers, für die er seine Arbeitnehmer nicht in Anspruch nimmt, gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 letzter Satz EStG 1988 idF vor 1. StabG 2012 (nunmehr Z 3) nicht auf die Einkommensteuerschuld des veranlagten Arbeitnehmers (des Revisionswerbers) angerechnet werden, weil sie der Arbeitnehmer (Revisionswerber) nicht selbst getragen hat.

17       Wird der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt, entspricht es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes überdies der Verfahrensökonomie, einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug nicht gegenüber dem Arbeitgeber (also über einen Umweg) geltend zu machen, sondern im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers zu korrigieren (vgl. VfGH 30.9.1997, B2/96, VfSlg 14.919, wobei das Erkenntnis auch Ausführungen zur amtswegigen Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens enthält).

18       Soweit der Revisionswerber im Rahmen seines Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision die Ermessensentscheidung zur Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens rügt und erneut die unterlassene Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers tadelt, bleibt zu dem bereits Gesagten zu ergänzen, dass die Revision keine die Zulässigkeit der Revision begründende Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts darlegt. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass - wie vom Revisionswerber behauptet - „diese sogenannte Ermessensentscheidung ... im eindeutigen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Begründung von Ermessensentscheidungen“ stehen sollte. Die pauschale, nicht - durch Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - näher konkretisierte Behauptung, wonach das Gericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, genügt dem Konkretisierungsgebot des § 28 Abs. 3 VwGG nicht (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2017/13/0071, mit weiteren Nachweisen).

19       Auch eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln - es sei zu einer unvertretbaren Beweiswürdigung gekommen, indem das Vorbringen des Revisionswerbers vollkommen missachtet und zudem der Sachverhalt unzureichend ermittelt worden „bzw. in weiterer Folge faktenwidrig“ dargestellt worden sei - reicht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2016/15/0033, mit weiteren Nachweisen).

20       Soweit der Revisionswerber vorbringt, das angefochtene Erkenntnis widerspreche einzelnen Randziffern der Lohnsteuerrichtlinien, ist darauf hinzuwiesen, dass Erlässe oder Richtlinien des Bundesministers für Finanzen keine für den Verwaltungsgerichtshof maßgebende Rechtsquelle bilden (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0066, mit weiteren Nachweisen).

21       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2020

Schlagworte

Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150134.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten