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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, in der Revisionssache der R P in W, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 2019, W213 2204210-1/6E, betreffend Nachzahlung der sich aus der Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung ergebenden Bezüge (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht als Fachoberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und beantragte mit Eingabe vom 30. April 2010 die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages und ihrer daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung sowie allenfalls die Nachzahlung von Bezügen, wobei sie darauf hinwies, dass die nach Beendigung der Schulpflicht vor ihrem 18. Geburtstag gelegenen Zeiten als Lehrerin, Erzieherin sowie Studentin für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages im Hinblick auf die unionsrechtlichen Erfordernisse der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zu berücksichtigen seien.
2 Hinsichtlich der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages wurde dieser Antrag rechtskräftig mit Bescheid der Bundesministerin für Unterricht Kunst und Kultur vom 28. Oktober 2013 dahingehend erledigt, dass der 1. Juli 1973 als Vorrückungsstichtag der Revisionswerberin festgesetzt wurde. Hinsichtlich der besoldungsrechtlichen Stellung erledigte das im Säumnisweg angerufene Bundesverwaltungsgericht den Antrag mit Erkenntnis vom 18. Oktober 2016, in dem es aussprach, dass der Revisionswerberin zum 1. Jänner 2004 ein Gehalt der Verwendungsgruppe L2b1, Gehaltsstufe 16, mit nächster Vorrückung 1. Juli 2005 gebührte. Im Gefolge einer weiteren Eingabe (vom 27. Februar 2017) und Säumnisbeschwerde der Revisionswerberin erging am 3. Mai 2018 ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, in dem dieses der bei ihm belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG in Überbindung der darin geäußerten Rechtsanschauung die Bescheidnachholung auftrug. Diesem Auftrag kam die Behörde mit Bescheid vom 28. Juni 2018 dahingehend nach, dass sie den Antrag für die Zeit vom 1. Jänner 2004 bis 31. Juli 2005 wegen entschiedener Sache zurückwies (Spruchpunkt 1.a.), die der Revisionswerberin für den Zeitraum August 2005 bis Juni 2016 gebührenden Bezüge in näher aufgeschlüsselter Form der Höhe nach feststellte (Spruchpunkte 1.b und 2.) und in Spruchpunkt 3. des Bescheides die folgende Feststellung traf: „Ansprüche, die sich aus Differenzen zwischen den gemäß Spruchpunkt 1 b) gebührlichen Monatsbezügen und den tatsächlich ausbezahlten Monatsbezügen ergeben, sind hinsichtlich der vor dem 1. Juli 2006 liegenden Zeiträumen [sic] verjährt (§ 13b GehG in Verbindung mit § 113 Abs. 13 GehG; die zuletzt genannte Bestimmung in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 1, Art. 9 und 16 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000)“.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht den Spruchpunkt 1.a) dieses Bescheides ersatzlos auf und wies die Beschwerde im Umfang der Anfechtung des Spruchpunktes 3. des Bescheides ab.
4 Zur Begründung des beschwerdeabweisenden Teils seines Erkenntnisses führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Wortlautes des § 13b GehG Folgendes aus:
5 Die Revisionswerberin wende gegen den Eintritt der Verjährung ein, dass ihre Bezugsansprüche für den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 1. Juli 2006 nicht verjährt seien, da für diesen Zeitraum von einer Hemmung der Verjährung auszugehen sei. Darüber hinaus sei es unmöglich, dass ein Anspruch schon verjähre, bevor er in einem gesetzlich wirksamen Sinne überhaupt entstanden sei. Nach dem Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin komme der Entscheidung Hütter des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Verein mit der Gesetzesnovellierung eine konstitutive, „rechtschaffende Bedeutung“ zu, sodass es gemäß dem Wesen der Verjährung nicht in Frage komme, dass diese als schon vorher eingetreten angenommen werde.
6 Dieser Argumentation hielt das Bundesverwaltungsgericht entgegen, dass keine Rede davon sein könne, dass durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hütter (C-88/08) eine neue Rechtslage geschaffen worden sei. Vielmehr sei festgestellt worden, dass die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen seien, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstünden, die, um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufe von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaats die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs liegenden Dienstzeiten ausschließe.
7 Bei unmittelbar auf Gesetz beruhenden Ansprüchen (hier: Anspruch auf Gehalt) beginne die Verjährungsfrist des § 13b Abs. 1 GehG mit dem Tag der Entstehung des Anspruches. Die anspruchsbegründende Leistung sei als im Sinne des § 13b Abs. 1 GehG erbracht anzusehen, sobald durch sie der Tatbestand für das Entstehen des Gehaltsanspruches verwirklicht werde. Für die in Ansehung des Zeitraums vom 1. Jänner 2004 bis 1. Juli 2006 gebührenden Monatsbezüge liege die „anspruchsbegründende Leistung“ im Sinne des § 13b Abs. 1 GehG somit schon im aufrechten Bestand des Aktivdienstverhältnisses der Revisionswerberin in diesem Zeitraum. Damit sei der Anspruch auf Monatsbezug für den Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 1. Juli 2006 entstanden, und zwar unabhängig davon, ob sich in der Folge die für die Bemessung des Gehalts maßgeblichen Verhältnisse geändert hätten oder nicht.
8 Die Verjährungsbestimmung des § 13b Abs. 1 GehG sei auch dann anzuwenden, wenn ein Antrag nach § 113 Abs. 10 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2010 auf Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung und Nachzahlung der sich daraus ergebenden Bezüge gestellt werde: Wenn § 113 Abs. 13 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2010 ausdrücklich anordne, dass für besoldungs- und pensionsrechtliche Ansprüche, die sich aus einer Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages ergeben, der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis zum Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 (30. August 2010) nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 13b GehG anzurechnen sei, komme darin unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Verjährungsbestimmung des § 13b GehG auch für diese Ansprüche gelten soll. § 113 Abs. 13 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2010 sehe nur insofern eine Abweichung von der allgemeinen Verjährungsregelung vor, als die Zeit zwischen dem Bekanntwerden des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-88/08 (Hütter) und dem Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 (30. August 2010) in die Verjährungszeit nicht einzurechnen sei und diese daher hemme (Hinweis auf VwGH 30.6.2010, 2010/12/0082).
9 Im vorliegenden Fall habe die Revisionsweberin mit Schreiben vom 30. April 2010, verbessert mit Formularantrag vom 14. Dezember 2010, die Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung und die sich daraus ergebende Nachzahlung von Bezügen beantragt. Es sei daher davon auszugehen, dass mit diesem Schreiben eine Geltendmachung der Ansprüche im Sinne des § 13b Abs. 4 GehG erfolgt sei. Gemäß § 113 Abs. 13 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2010 sei der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis 30. August 2010 nicht in die Verjährungsfrist des § 13b Abs. 1 leg. cit. einzurechnen. Die belangte Behörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass alle Bezugsansprüche der Beschwerdeführerin vor dem 1. Juli 2006 verjährt seien.
10 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Begründung der Revisionszulässigkeit führt die Revisionswerberin ins Treffen, sie stimme zwar dem Standpunkt zu, dass ihr Antrag vom 30. April 2010 die Verjährung unterbrochen habe, jedoch habe die Verjährung erst mit Kundmachung der Dienstrechtsnovelle (BGBl. I Nr. 82/2010) begonnen. Erst durch diese sei eine „eigene österreichisch-gesetzliche“ Rechtsgrundlage für die Anrechnung der zusätzlichen (vor Vollendung des 18. Lebensjahres gelegenen) Vordienstzeiten geschaffen worden, mit der Maßgabe, dass durch sie dem § 175 GehG ein Absatz 66 des Inhalts angefügt worden sei, dass die neue Vordienstzeitenregelung rückwirkend mit 1. Jänner 2004 in Kraft getreten sei. Es sei klar, dass eine solche Rückwirkung nicht gleichzeitig auch einen rückwirkenden Verjährungsbeginn herbeiführen könne, sondern der Lauf der Verjährungszeit erst mit Kundmachung der Novelle einsetze. Damit sei dem Formularantrag der Revisionswerberin Unterbrechungswirkung bis zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2016 zugekommen. Auch ausgehend davon, dass dadurch eine neuerliche Verjährungsfrist von drei Jahren in Gang gesetzt worden sei, sei die Verjährung im Hinblick auf den Antrag vom 27. Februar 2017 bis dato nicht eingetreten. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es zu dieser Frage keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG müssen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen (vgl. etwa VwGH 12.9.2016, Ro 2015/12/0021).
16 Das angefochtene Erkenntnis beruht auf der Rechtsauffassung, dass die Geltendmachung der Ansprüche im Fall der Revisionswerberin mit Antrag vom 30. April 2010 erfolgt sei, gemäß § 113 Abs. 13 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2010 der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis 30. August 2010 nicht in die Verjährungsfrist des § 13b Abs. 1 GehG einzurechnen sei und die beim Verwaltungsgericht belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen sei, dass gemäß § 13b GehG die Ansprüche der Revisionswerberin vor dem 1. Juli 2006 verjährt seien.
17 Dem darauf bezogenen Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Oktober 2020, Ra 2020/12/0039, festgehalten hat, dass keine Rechtsgrundlage für die Ansicht bestehe, wonach im Hinblick auf die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 82/2010 rückwirkend mit 1. Jänner 2004 getroffenen Bestimmungen die (im genannten Revisionsfall maßgebliche) Verjährungsfrist ausgehend vom 1. Jänner 2004 zu berechnen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies näher damit begründet, dass der innerstaatliche Gesetzgeber der Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 rückwirkend (zum 1. Jänner 2004) Ansprüche eingeräumt habe, auf diese jedoch grundsätzlich § 13b GehG angewendet wissen wollte, wie sich schon aus dem „Verjährungsverzicht“ des § 113 Abs. 13 GehG in der Fassung der zuletzt zitierten Novelle ergebe, welcher auf Basis der gegenteiligen Rechtsauffassung des Revisionswerbers (im angeführten Revisionsverfahren) überflüssig gewesen wäre.
18 Da die Revision im Hinblick darauf nicht aufzeigt, dass zu der in ihr formulierten Rechtsfrage keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht oder das Bundesverwaltungsgericht von dieser abgewichen wäre, wird in ihr keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019120035.L00Im RIS seit
09.12.2020Zuletzt aktualisiert am
09.12.2020