TE Vwgh Beschluss 2020/10/19 Ra 2020/01/0362

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Veröffentlicht am 19.10.2020
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Index

19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §45 Abs2
MRK Art3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des S K in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2019, Zl. G309 2176581-1/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines irakischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Weiters erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2        Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 14. Juli 2020, E 2252/2020-5, die Behandlung der vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 28. Juli 2020, E 2252/2020-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

6        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für vieleVwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN).

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).

8        Das BVwG hat - unter Berücksichtigung der vom Revisionswerber vorgelegten ärztlichen Befunde - festgestellt, dass der Revisionswerber Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und Spannungskopfschmerzen unbestimmten Grades aufweist.

9        Ausgehend davon hat es sich mit seinem Vorbringen auseinander gesetzt und ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beweiswürdigend zu dem Schluss gekommen, dem Fluchtvorbringen keinen Glauben zu schenken.

10       Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang mit seinen Narben und einer Schusswunde argumentiert, ist er darauf zu verweisen, dass deren Existenz allein nicht geeignet ist, die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens zu belegen (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/01/0344, mwN).

11       Es ist auch nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 20.7.2020, Ra 2020/01/0210, mwN).

12       Insofern das Unterbleiben der in der mündlichen Verhandlung beantragten Einholung eines (weiteren) Fachgutachtens aus dem Gebiet der Neuropsychiatrie gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob eine Beweisaufnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig ist, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unterliegt (vgl. VwGH 30.9.2019, Ra 2019/01/0329).

Ausgehend von der dargestellten Rechtsprechung zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen eine krasse, die Rechtssicherheit beeinträchtigende Fehlbeurteilung durch das BVwG nicht auf.

Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

13       Die Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative, nicht aber bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz zu prüfen (vgl. VwGH 5.11.2019, Ra 2018/01/0188, mwN). Liegt keine Verletzung des Art. 3 EMRK vor, so kommt es auf die Frage der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr an (vgl. VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243, mwN).

14       Soweit sich die Revision gegen die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative (in Basra oder Erbil) wendet und dazu vorbringt, das BVwG habe sich nicht mit näher genannten UNHCR-Richtlinien zum Irak vom Mai 2019 auseinandergesetzt, ist ihr entgegenzuhalten, dass das BVwG (erkennbar) von Bagdad als Heimatprovinz des Revisionswerbers ausgegangen ist und die Möglichkeit seiner Rückkehr dorthin unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK bejaht hat. Es ist dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung der Heimatregion im Falle mehrerer Aufenthaltsorte nicht abgewichen (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192).

15       Auf die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt es somit nicht an.

Ergebnis:

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 19. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010362.L00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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