TE OGH 2020/9/16 7Ob126/20k

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei M***** Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, *****, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Mai 2020, GZ 4 R 46/20a-19, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. Februar 2020, GZ 14 Cg 56/19h-12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr lautet:

„1. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden Partei als Versicherungsnehmerin und der beklagten Partei als Versicherer abgeschlossenen Privat-Haftpflichtversicherungsvertrags zur Pol. Nr. ***** hinsichtlich des Schadensfalls aus dem Jahr 2018, anlässlich welchem es in der Wohnung der klagenden Partei im ersten Obergeschoss an der Adresse *****, aufgrund von Umbau- und Sanierungsarbeiten zu einem Schaden gekommen ist, welcher dazu geführt hat, dass es in der Ordination des Mag. M***** S***** im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses *****, zu einem Wasserschaden gekommen ist und hinsichtlich welchem die klagende Partei von Mag. M***** S***** auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, Deckungsschutz zu gewähren.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.876,96 EUR (darin enthalten 855,66 EUR an USt und 743,-- EUR an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.507,90 EUR (darin enthalten 655,65 EUR an USt und 2.574 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Versicherungsvertrag der Sparte Haushaltsversicherung, welcher auch eine Privat-Haftpflichtversicherung beinhaltet. Diesem Versicherungsvertrag liegen ua die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung in der Fassung 9/2014 (ABH) zugrunde.

Sie lauten auszugsweise wie folgt:

Artikel 11

Versicherungsfall und Versicherungsschutz

1. Versicherungsfall

Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich (siehe Artikel 12, Punkt 1.) entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Punkt 2.) erwachsen oder erwachsen könnten.

2. Versicherungsschutz

2.1. Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

2.1.1. die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (in der Folge kurz 'Schadenersatzverpflichtungen' genannt) erwachsen;

2.1.2. die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Artikel 16, Punkt 3.

[...]

Artikel 12

Sachlicher Umfang des Versicherungsschutzes

1. Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere

1.1. als Wohnungsinhaber (nicht aber als Haus- und/oder Grundbesitzer) und als Arbeitgeber von Hauspersonal; ...

Artikel 17

Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

Nicht versichert sind:

...

3. Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde.

[...]

7. Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

7.1. Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person gemäß Artikel 13 entliehen, gemietet, geleast, gepachtet oder in Verwahrung genommen haben, sei es auch im Zuge der Verwahrung als Nebenverpflichtung (ausgenommen Sachen der Logiergäste gemäß Artikel 12, Punkt 1.2.);

[...]

7.4. jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind.

[...]“

Der Kläger ist Mieter der im Eigentum seiner Schwiegermutter stehenden und im ersten Obergeschoss des Wohngebäudes situierten Wohnung Top W*****. Im Jahr 2018 beauftragte er die T*****-Bau GmbH (in Hinkunft: Baufirma) mit der Durchführung von Umbauarbeiten. Für den Einbau einer neuen Küche wurden die Wände durch die Montage von Rigipsplatten begradigt. Die Rigipsplatten wurden dabei in Aluminiumrahmen eingesetzt, welche an den Wänden sowie am Boden angeschraubt wurden. Im Zuge des Anschraubens eines Aluminiumrahmens am Fußboden beschädigte ein Mitarbeiter der Baufirma ein Heizungsrohr. Das in der Folge aus der Heizungsanlage ausgetretene Wasser verursachte einen erheblichen Wasserschaden in der im Erdgeschoss des Hauses von einem Tierarzt betriebenen Praxis.

Aufgrund dieses Wasserschadens wurden vom – anwaltlich vertretenen – geschädigten Tierarzt Schadenersatzforderungen an den Kläger, gegründet auf § 1318 ABGB, herangetragen. Laut einem übermittelten Mahnklagekonzept hafte der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes, aber auch aus jedem sonstigen erdenklichen Rechtsgrund für den dem Tierarzt entstandenen Schaden, welcher sich mit insgesamt 10.515,82 EUR beziffere und sich aus Verdienstentgang durch die Praxissperre und entfallenen Wochenenddiensten in Höhe von insgesamt 8.475,82 EUR sowie Kosten für Ausräum-, Aufräum- und Sanierungsarbeiten in Höhe von insgesamt 2.040 EUR zusammensetze.

Mit E-Mail vom 13. 11. 2018 wurde der Beklagten dieser Schadensfall zur Kenntnis gebracht und um Gewährung der Deckungszusage aus der Privat-Haftpflichtversicherung ersucht. Mit E-Mail vom 22. 11. 2018, bekräftigt mit E-Mail vom 24. 4. 2019, lehnte die Beklagte die Deckung unter Hinweis darauf ab, dass das verwirklichte Risiko vom Deckungsumfang des Haushaltsversicherungsvertrags nicht umfasst sei.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten die Deckung hinsichtlich des Schadensfalls im Umfang des zwischen ihnen abgeschlossenen Privat-Haftpflichtversicherungsvertrags. Der Tierarzt mache seine Ansprüche aus dem Wasserschaden unter Berufung auf § 1318 ABGB gegenüber dem Kläger als Mieter bzw Wohnungsinhaber geltend. Mit diesem Schaden habe sich eine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht, zumal der Umbau einer Küche durch einen Mieter nichts Ungewöhnliches sei. Es handle sich bei der Befestigung einer Rigipsplatte auch um eine ungefährliche Tätigkeit, für die keine besondere Ausbildung oder Qualifikation erforderlich sei. Die behaupteten Risikoausschlüsse lägen nicht vor.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Das Umbaurisiko von substanzändernden Maßnahmen in einer gemieteten Wohnung entspreche dem Haus- bzw dem Grundbesitzrisiko und nicht der Gefahr des täglichen Lebens. Vom Versicherungsschutz sei das Eigentumsrisiko nicht umfasst, sodass keine Deckungspflicht gegeben sei. Die anspruchsbegründenden Behauptungen des Tierarztes gründeten darauf, dass der Schaden am Heizungsrohr, welches unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung gewesen sei, eingetreten sei. Damit seien die vom Tierarzt geltend gemachten Vermögensschäden auf einen nicht versicherten Sachschaden zurückzuführen, weshalb der Risikoausschluss nach Art 17.7.4 ABH greife. Weiters sei auch der Risikoausschluss gemäß Art 17.7.1 ABH verwirklicht, nach dem der Schaden in der gemieteten Wohnung eingetreten sei. Schließlich greife auch der Ausschluss gemäß Art 17.3 ABH. Das Anbohren von Wänden, ohne zu überprüfen, ob in diesen Wänden wasserführende Leitungen vorhanden seien, stelle eine Handlung dar, die dem Vorsatz gleichgehalten werde. Da bislang keine Klagsführung gegen den Kläger seitens des Tierarztes erfolge, liege auch keine ernsthafte Anspruchsverfolgung vor, sodass dem Kläger auch das rechtliche Interesse an der begehrten Deckungsgewährung fehle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruchsteller stütze sich insbesondere auf § 1318 ABGB. Der Schaden sei im Zuge der Arbeiten eines vom Kläger beauftragten Professionisten, dessen Tätigkeiten nicht mehr unter den versicherungsrechtlichen Begriff der Gefahr des täglichen Lebens subsumiert werden könnten, erfolgt. Dies führe dazu, dass die an den Kläger herangetragenen Schadenersatzforderungen nicht vom sachlichen Umfang des Versicherungsschutzes umfasst seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der geschädigte Tierarzt stütze seinen Anspruch auf § 1318 ABGB. Der Wohnungsinhaber hafte auch für das Verhalten eines von ihm beauftragten Professionisten, wenn dieser einen Schaden an einer Wasserleitung verursache, der zur Schädigung Dritter führe. Bei der Errichtung der Rigipswand in der vom Kläger gemieteten Wohnung sei der Kläger als Bauherr aufgetreten. Der Versicherungsfall sei in der von der Haushaltsversicherung mitumfassten Privat-Haftpflicht nicht gedeckt.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Tätigkeit als Bauherr unter die Gefahr des täglichen Lebens falle.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1.1 Bei der Beurteilung des Wesens des Anspruchs des Versicherungsnehmers aus der Haftpflichtversicherung sind das Deckungs- und das Haftpflichtverhältnis zu unterscheiden. Der Versicherungsanspruch in der Haftpflichtversicherung ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Unbeschadet dieser beiden Komponenten (Befreiungs- und Rechtsschutzanspruch) handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers. Er wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses oder einer sonstigen Eigenschaft in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist, weil Versicherungsschutz auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt (RS0080384; RS0081228; RS0080013; RS0080086).

1.2 Ab der Inanspruchnahme durch den Dritten steht dem Versicherungsnehmer (vorerst nur) ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Versicherungsschutzes (der Deckungspflicht) zu, wenn der Versicherer die Deckung – wie hier – ablehnt (RS0038928).

2.1 Grundsätzlich ist nach bisheriger Rechtsprechung der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig (RS0081015).

2.2 Im vorliegenden Fall gründet der geschädigte Tierarzt seinen Anspruch auf Schadenersatz insbesondere auf § 1318 ABGB.

Gemäß § 1318 ABGB haftet der Wohnungsinhaber für jeden Schaden, der dadurch entsteht, dass aus der Wohnung etwas hinausgeworfen oder hinausgegossen wird. Die Haftung betrifft nur den Wohnungsinhaber (RS0029570). Unter diese Gesetzesbestimmung wird auch die Haftung für gefährlich verwahrtes Wasser – in Analogie – subsumiert. Der Grund dieser Haftung liegt darin, dass nur der Wohnungsinhaber für die Ordnung im Haushalt verantwortlich ist und ihm auch faktisch die Möglichkeit entsprechender Einflussnahme offensteht. Haftbar ist derjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Wohnraum zusteht (8 Ob 133/04y, RS0029570 [T1]).

3.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen, dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

3.2 Der Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren erfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb wird die Privat-Haftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276 [T1]). Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren geradezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt.

Der sachliche Umfang des Versicherungsschutzes wird für den Wohnungsinhaber besonders geregelt.

3.3 Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird die allgemeine Risikobeschreibung in Art 12.1.1 ABH „Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens (mit Ausnahme einer betrieblichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit) insbesondere als Wohnungsinhaber (nicht als Haus- und/oder Landbesitzer)“ nämlich einerseits als Abgrenzung zur Privat-Haftpflichtversicherung eines Haus- und Grundbesitzers und andererseits dahin verstehen, dass die typischen Risiken eines Wohnungsinhabers an sich nach den Versicherungsbedingungen den Gefahren des täglichen Lebens unterstellt werden und ihnen damit Versicherungsschutz zuerkannt wird. Die Gefahr der Inanspruchnahme nach § 1318 ABGB stellt ein solches typisches Risiko ausschließlich des Wohnungsinhabers dar, der – wie ausgeführt – nach dieser Bestimmung allein haftbar gemacht werden kann.

3.4 Damit wird der Kläger im vorliegenden Fall wegen eines Schadenereignisses, das nach der allgemeinen Risikobeschreibung der ABH unter das versicherte Risiko fällt, in Anspruch genommen.

4.1 Die Beklagte meint weiters, in Ermangelung eines versicherten Sachschadens stünden die vom geschädigten Tierarzt geforderten „reinen“ Vermögensschaden nicht unter Versicherungsschutz.

4.2 Das Leistungsversprechen des Versicherers in Art 11.2.1.1 ABH bezieht sich nicht auf den Gesamtbereich des Schadensbegriffs des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personenschäden und Sachschäden sowie solche Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personenschaden oder Sachschaden zurückzuführen sind. Demgegenüber sind sogenannte „reine“ Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen versicherten Personenschaden noch durch einen versicherten Sachschaden entstanden sind, nach dieser Klausel nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an. Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem versicherten Personenschaden oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinn der Lehre der Adhäsionstheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als „unechter“ Vermögensschaden regelmäßig gedeckt (RS0081414 zum wortgleichen Art 1.2.1 AHVB 1978).

4.Eine Beschädigung liegt vor, wenn auf die Substanz einer Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird (7 Ob 69/15w mwN). Sachbeschädigung im aufgezeigten Sinn ist die Wertminderung einer Sache als Folge einer Einwirkung, durch die deren Brauchbarkeit zur Erfüllung des ihr eigentümlichen Zwecks wirtschaftlich betrachtet, beeinträchtigt wird (RS0081367).

4.4 Die Beklagte übersieht hier, dass der geschädigte Tierarzt die Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit seiner Ordinationsräume durch das Eindringen des Wassers und der Überflutung der Praxisräumlichkeiten und eine damit zweifellos einhergehende Durchfeuchtung der Ordinationsräumlichkeiten behauptet. Die aus dieser behaupteten Unbrauchbarkeit der Praxisräume gegründeten Forderungen des geschädigten Tierarztes sind damit Folge eines versicherten Sachschadens.

5. Auch die von der Beklagten behaupteten Ausschlüsse nach Art 17.3, 17.7.1 und 17.7.4 ABH liegen nicht vor:

5.1 Der Ausschluss nach Art 17.3 ABH ist schon deshalb nicht gegeben, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat. Die in Deutschland entwickelte Repräsentantenhaftung kann aus dem VersVG nicht abgeleitet werden (RS0080407). Das Verhalten eines Dritten kann daher nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen (7 Ob 30/13g mwN). Damit kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten auf Vorsatz oder grobes Verschulden der Mitarbeiter der Baufirma nicht an.

5.2 Der Risikoausschluss des Art 17.7.1 ABH liegt schon deshalb nicht vor, weil gegen den Kläger keine Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an der von ihm gemieteten Wohnung geltend gemacht werden.

5.3 Der Risikoausschluss des Art 17.7.4 ABH scheidet aus, weil der Kläger nicht die Deckung von Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an der von ihm „bearbeiteten Wohnung“ oder auch dem „beschädigten Heizungsrohr“ geltend macht.

6. Der Revision ist daher Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

7. Die Kostenentscheidung gründet betreffend die Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens auf § 41 ZPO. Die Replik vom 18. 10. 2019 war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, replizierte die Klägerin doch erstmals auf die von der Beklagten in ihrem Schriftsatz geltend gemachten Ausschlussgründe. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E129554

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00126.20K.0916.000

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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