TE OGH 2020/9/16 6Ob165/20p

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S.p.A. in liquidazione, *****, Italien, vertreten durch Tischler & Tischler Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. A*****, vertreten durch K-B-K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Salzburg, wegen 1.355.990,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision (richtig: außerordentliche Revision und Rekurs) der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. März 2020, GZ 2 R 16/20s-146, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen den Zuspruch von 553.250,30 EUR wendet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit sich die „außerordentliche Revision“ (richtig: Rekurs) gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts wendet, wird sie zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nach Auffassung der Revisionswerberin wandte das Berufungsgericht zwar zutreffend materielles liechtensteinisches Recht an. Allerdings liege Rechtserheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bei unrichtiger Lösung einer Rechtsfrage nach ausländischem Recht vor, wenn sich ein Berufungsgericht mit seiner Entscheidung über eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hinwegsetze, bei der Urteilsfällung schwerwiegende Subsumtionsfehler unterlaufen seien oder das Berufungsgericht von der ausländischen Entscheidungspraxis bzw der Lehre abweiche.

Mit ihren Ausführungen zeigt die Revisionswerberin jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Schlussfolgerungen von erwiesenen Tatsachen auf andere Tatsachen, die als solche den Denkgesetzen nicht widersprechen, vermögen keine Aktenwidrigkeit zu begründen (Lovrek in Fasching/Konecny3 § 503 ZPO Rz 121 mwN). Gleiches gilt für eine vom Berufungsgericht vorgenommene Wertung (RS0043277) sowie eine Interpretation eines Beweisergebnisses (8 Ob 30/14s; RS0043418).

1.2. Dass der vom Erstgericht unstrittig festgestellte Stiftungszweck „Bestreitung der Kosten der Erziehung und Bildung, der Ausstattung und Unterstützung hinsichtlich des allgemeinen Lebensunterhalts von Angehörigen einer oder mehrerer bestimmter Familien sowie der Verfolgung ähnlicher Zwecke“ gerade auch den Erhalt der Wohnmöglichkeit der Begünstigten umfasst, kann keinem Zweifel unterliegen. Der Stifter beabsichtigte, seiner damaligen Ehefrau und den gemeinsamen minderjährigen Kindern, von denen eines an einem Down-Syndrom leidet, Wohnraum zu verschaffen und zu sichern sowie jeglichen Zugriff der gegenwärtigen und künftigen Gläubiger des Schuldners, insbesondere seiner Geschäftspartner, auf die Liegenschaftsanteile zu verhindern, dies auch für den Fall, dass er in ernstliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sollte. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die mit einem Pfandrecht belastete Liegenschaft im Grunde das einzige Vermögen der Stiftung darstellte, weil ansonsten nur unregelmäßige Zahlungen des Stifters erfolgten.

2.1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, für die Delegation der Stiftungsratsfunktion sei erforderlich, dass der delegierenden Prokurations-Anstalt ihrerseits Stiftungsratsfunktion zukam, ist nicht zu beanstanden. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ist eine Bindung der Beklagten an den zwischen dem Stifter, der Prokurations-Anstalt und der Stiftung im Jahr 1998 abgeschlossenen Mandatsvertrag nicht zu entnehmen.

2.2. Die nunmehr erhobene Behauptung, das „mandatsvertragliche Instruktionsrecht“ sei zwischen dem Stifter und der Beklagten „konkludent vereinbart“ worden und der Mandatsvertrag sei „konkludent auf die Beklagte übergegangen“, verstößt gegen das Neuerungsverbot. Auf Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln vorläge, eine derartige Vereinbarung bzw ein derartiger Vertragsübergang sei von den Parteien gewollt gewesen (§ 863 ABGB; vgl dazu allgemein Wiebe in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 863 Rz 17; 10 Ob 26/08h).

3. Im vorliegenden Fall sind Fragen der Geschäftsführung und Verwaltung nicht nach dem am 1. 4. 2009 in Kraft getretenen neuen liechtensteinischen Stiftungsrecht zu beurteilen (LGBl 2008/220), sondern aufgrund der Übergangsbestimmung (Art 4.1 leg cit) nach den bis dahin geltenden Bestimmungen vom 20. 1. 1926 (LGBl 1926/4) des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR; vgl dazu bereits 3 Ob 1/10h).

4. Zutreffend bejahten die Vorinstanzen eine Haftung der Beklagten, weil sie stiftungszweckwidrig die Kreditannahmeerklärung und die Verpfändungserklärung betreffend die Liegenschaftsanteile der Stiftung unterfertigte und damit einen Schaden in Höhe von 553.250,30 EUR verursachte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte durch neuerliche Verpfändung der Liegenschaftsanteile den vor allem auch auf den Erhalt der Wohnmöglichkeit der Kinder und der Ehefrau gerichteten Stiftungszweck gefährdete, ist nicht zu beanstanden.

5.1. Selbst das Bestehen eines Mandatsvertrags oder eines sonstigen Weisungsrechts durch den Stifter änderte an der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten nichts. Der liechtensteinische Oberste Gerichtshof (FL OGH) hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass derartige Weisungsrechte nichts an der Letztverantwortung der Stiftungsorgane und ihrer Bindung an das Gesetz ändern (vgl LES 2002, 162, 8 C 285/88; 10 HG 2002.58-39, LES 2005, 174, insbesondere Leitsatz 1d; dazu V. Hügel, Stifterrechte in Österreich und Liechtenstein [2008] 163 ff; vgl auch schon Bösch, Die liechtensteinische Treuhänderschaft zwischen Trust und Treuhand – eine rechtsdogmatische und -vergleichende Untersuchung aufgrund der Weisungsbestimmung des Art 918 liecht PGR [1995] 470 f; Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht [2005] 770).

5.2. Ein Widerspruch zur Entscheidung des FL OGH LES 2011, 76, liegt – den Revisionsausführungen zuwider – nicht vor. Diese Entscheidung betraf vielmehr einen Sachverhalt, in dem der beklagte Stiftungsrat den Mandatsvertrag mitunterfertigt hatte. Zudem war der Stiftungszweck dort wesentlich weiter gefasst und erlaubte explizit Ausschüttungen an Personen außerhalb des Familienkreises. In beiden Punkten unterscheidet sich der vorliegende Fall ganz wesentlich.

6. Auch von einem Verstoß gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen kann keine Rede sein. Wie das Berufungsgericht bereits ausführlich dargelegt hat, waren die Frage des Instruktionsrechts, die Bindung der Beklagten an einen Mandatsvertrag und (daher) ihre Weisungsgebundenheit durchgehend Thema im erstinstanzlichen Verfahren (vgl auch RS0042963).

7. Zusammenfassend bringt die Beklagte sohin keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

8. Soweit sich das Rechtsmittel der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluss richtet, handelt es sich nicht um eine Revision, sondern einen Rekurs. Dieser ist gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil das Berufungsgericht den Rekurs nicht zugelassen hat.

Textnummer

E129451

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00165.20P.0916.000

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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