TE OGH 2020/9/16 6Ob64/20k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN * eingetragenen W* GmbH, *, wegen Eintragung einer Änderung des Gesellschaftsvertrags, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 24. Februar 2020, GZ 6 R 19/20m-7, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. Jänner 2020, GZ 32 Fr 8685/19y-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Nach der Neufassung des Gesellschaftsvertrags soll die rechtskräftige Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters ein Aufgriffsrecht der übrigen Gesellschafter zur Folge haben. Dabei soll der Kaufpreis unter Vornahme eines Abschlags von 20 % vom begutachteten Wert ermittelt werden.

Das Erstgericht lehnte die Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrags im Firmenbuch ab. Dies begründete es mit einem Verweis auf § 26 Abs 3 IO und die hierzu ergangene Rekursentscheidung 6 R 95/19m des Oberlandesgerichts Linz. Der vorgesehene Abschlag vom Aufgriffspreis sei sittenwidrig.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen auf die Vorentscheidung des Rekursgerichts zu 6 R 95/19m. Der vorgesehene Abschlag von 20 % stelle eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung dar.

Schon deshalb sei der angefochtene Beschluss zu bestätigen. Im Übrigen gebe es in der Insolvenz keine Immunisierung von Vermögen des Gemeinschuldners gegenüber dem Zugriff der Gläubiger. Dass dies beim GmbH-Geschäftsanteil als Vermögensobjekt anders sein sollte, bedürfte einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Hätte der Gesetzgeber dieses Ergebnis gewollt, hätte er dies hinreichend deutlich anordnen müssen. Der gesetzliche Schutz der Gläubiger, insbesondere solcher mit titulierten Forderungen, sei höherwertig als das bloß wirtschaftliche Interesse der Gesellschafter, sich vor lästigen Eindringlingen zu schützen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher die Frage offen gelassen habe, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters vereinbart werden könnten oder ob einer solchen Regelung in der Satzung § 26 Abs 3 IO entgegenstehe. Da das Landesgericht Linz Aufgriffsrechte an einem GmbH-Geschäftsanteil im Insolvenzfall – auch bei Abfindung der Insolvenzmasse zum vollen Verkehrswert – seit der Rekursentscheidung des Rekursgerichts zu 6 R 95/19m nicht mehr akzeptiere und demnach solche Neugründungen auch nicht mehr eintrage, liege eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von der Qualifikation des § 62 Abs 1 AußStrG vor. Im Sinne einer einheitlichen Firmenbuchpraxis sei eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof wünschenswert.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1.1. Vorweg ist die von den Vorinstanzen nicht näher geprüfte Frage zu klären, ob bereits §§ 25a, 25b IO der Eintragung der gegenständlichen Satzungsbestimmung entgegenstehen. Nach § 25a Abs 1 IO können Vertragspartner des Schuldners mit dem Schuldner geschlossene Verträge bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aus wichtigem Grund auflösen, wenn die Vertragsauflösung die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte. § 25a Abs 2 IO nennt die Ausnahmen von dieser Beschränkung. Nach § 25b IO können sich die Vertragsteile auf Vereinbarungen, wodurch die Anwendung der §§ 21 bis 25a IO im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, nicht berufen. Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist – außer bei Verträgen nach § 20 Abs 4 IO – unzulässig (§ 25b Abs 2 IO).

1.2. In der Literatur ist umstritten, ob diese Bestimmungen auf mehrseitige Verträge, vor allem auf Gesellschaftsverträge, zur Anwendung kommen (bejahend Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, Die Zulässigkeit von Lösungsklauseln für den Insolvenzfall nach dem IRÄG 2010, insbesondere bei Kreditgeschäften, ÖBA 2010, 818 [821]; Konecny, Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, ZIK 2010, 82 [86]; Spitzer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Vermögensordnung und Insolvenz – Ein vertikaler Rechtsvergleich vor und nach der GesbR-Reform 2015,FS Nowotny [2015] 413 [417 f]; Richter, ZIK 2018, 46; verneinend Fellner, Auswirkungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 auf gesellschaftsvertraglich verankerte Aufgriffsrechte, RdW 2010, 259 [261]; Widhalm-Budak, Verhinderung der Vertragsauflösung und unwirksame Vereinbarungen, in Konecny, ZIK-Spezial IRÄG 2010 [2010] 23 [26 f]; Eckert, Insolvenz von Gesellschaftern, in Konecny, Insolvenz-Forum 2010 [2011] 59 [63 ff]; Taufner, Gesellschaftsvertragliche Ausschluss- und Aufgriffsrechte nach dem IRÄG 2010, GesRZ 2011, 157 [158]; Trenker, JBl 2012, 287). Auch nach Schopper (in Gruber/Harrer, GmbHG2 § 76 Rz 33) sind die §§ 25a, 25b IO nicht auf Gesellschaftsverträge (wohl aber auf syndikatsvertragliche Vereinbarungen) anwendbar und stehen derartigen Klauseln insoweit nicht entgegen, als sie gesellschaftsvertraglich verankert und damit mit absoluter Wirkung ausgestattet sind.

1.3. Der Oberste Gerichtshof hat § 25b Abs 2 IO bei einem Vertrag über die Organisation einer Fußballmeisterschaft für unanwendbar gehalten, der den Zwangsabstieg eines insolventen Fußballvereins in eine untere Spielklasse und den Ausschluss aus UEFA-Bewerben vorsah (1 Ob 153/17g = EvBl 2018/65 [ablehnend Anzenberger]). Demnach ist diese Bestimmung nur auf zweiseitige Rechtsgeschäfte anwendbar. In der Literatur wird betont, dass diese Entscheidung sich inhaltlich auch auf § 25a IO übertragen lässt (Perner in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 25a Rz 9 FN 18).

1.4. Wortlaut und systematische Einordnung der genannten Bestimmungen liefern keine sicheren Ergebnisse (Eckert in Konecny, Insolvenz-Forum 2010, 59 [63]; Fellner, RdW 2010, 259 [261]; Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818 [821]; Widhalm-Budak in Konecny, IRÄG 2010, 26 f; Perner in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 25a Rz 10). Die Gesetzesmaterialien (612 BlgNR 24. GP 13) weisen darauf hin, dass Spezialbestimmungen, die die Auflösung im Insolvenzfall betreffen, nicht berührt werden. Dabei wird als Beispiel auf § 1210 ABGB (idF vor der GesbR-Reform) verwiesen. Weitere Beispiele sind § 1208 Z 3 ABGB (Auflösung der GesbR durch Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters) und § 131 Z 5 UGB (Eröffnung des Konkursverfahrens über OG-Gesellschafter).

1.5. Aus diesem Hinweis der Materialien folgern manche Autoren (Konecny, ZIK 2010, 82 ff; Leupold, IRÄ-BG – Überblick und ausgewählte Fragen, ZIK 2010, 167 [171]; Umlauft, Gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte in der Insolvenz des Gesellschafters, NZ 2012, 289 ff) den Schluss, dass § 25a IO, aber offenbar auch § 25b IO, grundsätzlich auch Gesellschaftsverträge erfasst. Die zitierte Formulierung lässt jedoch – wie im Schrifttum aufgezeigt wurde (Eckert in Konecny, Insolvenz-Forum 2010, 56 f [64]; Perner aaO § 25a Rz 10), verschiedene Deutungen offen.

1.6. § 25b IO geht auf die seinerzeitige Regelung des § 20e Abs 2 AO zurück. Diese Norm wurde durch das IRÄG 1997 eingeführt. Als Zweck führen die Materialien (ErläutRV IRÄG 1997, 734 BlgNR 20. GP 55) an, ein Ausgleich ziele auf die Sanierung von Unternehmen, die aber konterkariert werde, wenn „sämtliche Geschäftsbeziehungen von den Vertragspartnern abgebrochen“ würden. Diese Bestimmung wurde mit dem IRÄG 2010 inhaltlich unverändert als § 25b Abs 2 IO übernommen.

1.7. Mit der in den Gesetzesmaterialien angesprochenen Situation ist jedoch der Aufgriff eines Geschäftsanteils nicht zu vergleichen, weil er nur dazu dient, dass die Gesellschafter „unter sich“ bleiben können. Ob ein Mitgesellschafter oder ein Dritter den Geschäftsanteil des Insolventen erhält, hat mit der Frage, ob ein Unternehmen, das der Gesellschafter allenfalls (abseits der GmbH) betreibt, fortgeführt werden kann, nichts zu tun. Eher könnte für diese Frage – wenn überhaupt – die Höhe der Abfindung eine Rolle spielen, nicht aber, wer den Geschäftsanteil bekommt.

1.8. Ausschlaggebend ist letztlich die Überlegung, dass teleologische Argumente gegen die Anwendung der §§ 25a, 25b IO auf mehrseitige Verträge sprechen (Eckert in Konecny, Insolvenz-Forum 2010, 65 f; vgl auch Trenker, JBl 2012, 287; aA Konecny, ZIK 2010, 86). Die vom Gesetzgeber vorgenommene Interessenabwägung ist eindeutig auf zweiseitige Verträge zugeschnitten (Perner aaO). Außerdem ist unklar, wie die Anwendung der §§ 25a, 25b IO zur Unternehmensfortführung beitragen sollte (Eckert in Konecny, Insolvenz-Forum 2010, 65). Schließlich ist auch der Hinweis in der Literatur nachvollziehbar, die Anwendung der Auflösungsbeschränkungen führte zu einem Wertungswiderspruch zwischen Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht (Taufner, GesRZ 2011, 159). Während nämlich ein insolventer Gesellschafter aus der GesbR ausgeschlossen werden könnte (Spitzer, FS Nowotny 420 f), wäre man an ihn in der GmbH gebunden (Taufner, GesRZ 2011, 159). Aus diesem Grund hat Leupold (ZIK 2010, 167 [171]) vorgeschlagen, die personengesellschaftsrechtlichen Bestimmungen analog im GmbH-Recht anzuwenden.

1.9. Zusammenfassend schließt sich der Oberste Gerichtshof somit den dargelegten Auffassungen im Schrifttum an, dass die §§ 25a, 25b IO nicht auf gesellschaftsrechtliche Verträge zugeschnitten sind. Aus diesen Gründen ist an der in der Entscheidung 1 Ob 153/17g ausgesprochenen Rechtsansicht festzuhalten, wonach die §§ 25a, 25b IO nicht auf mehrseitige Verträge anwendbar sind.

2.1. Nach § 26 Abs 3 IO ist der Insolvenzverwalter an „Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden sind“, nicht gebunden. Ob auch ein Aufgriffsrecht der anderen Gesellschafter einen solchen „Antrag des Schuldners“ darstellt, ist umstritten. Nach der Judikatur ist Ziel des § 26 Abs 3 IO, dem Masseverwalter eine möglichst umfassende Befugnis zur Verwaltung und Verwertung der Masse zu schaffen (4 Ob 163/06h).

2.2. In der Entscheidung 2 Ob 278/97i wurde ein Wiederkaufsrecht nicht nach § 26 Abs 3 KO, sondern nach § 21 KO behandelt. Auf Gesellschaftsverträge kann § 21 KO mangels Synallagmas jedoch nicht angewendet werden (7 Ob 2097/96z), sodass der Masseverwalter vom Gesellschaftsvertrag und den mit dem Geschäftsanteil verbundenen Mitgliedschaftsrechten und -pflichten nicht gemäß § 21 KO zurücktreten kann (Höller, ZIK 2004/188 Punkt 4.).

2.3. Die Entscheidung 6 Ob 21/79 NZ 1981, 8 betraf einen Gesellschaftsvertrag, nach dem der Gesellschafter im Fall seines Konkurses verpflichtet war, seinen Geschäftsanteil den übrigen Gesellschaftern zur Übernahme anzubieten. Das Oberlandesgericht Wien beanstandete diese Verpflichtung als unzulässig, weil eine Erschwerung der Übertragung des Geschäftsanteils, die im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sei, nicht für die Verwertung durch den Masseverwalter gelte, gebe es doch keine Immunisierung des Geschäftsanteils gegen den Zugriff der Gläubiger im Konkurs des Gesellschafters. Der Oberste Gerichtshof wies den dagegen erhobenen Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG aF zurück, weil keine „offenbare Gesetzwidrigkeit“ vorlag.

2.4. Auch das Oberlandesgericht Graz vertritt offenbar die Auffassung, im Fall der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters könne weder ein Aufgriffsrecht zugunsten der Mitgesellschafter noch eine Abtretungsverpflichtung zu Lasten des Masseverwalters gültig vereinbart werden (vgl das Referat der Rekursentscheidung 4 R 64/05x in 6 Ob 142/05h).

2.5. Gegenteilig entschied das Oberlandesgericht Innsbruck zu 5 R 288/86 NZ 1987, 321: Demnach sei es unbedenklich, wenn im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werde, dass aus wichtigem Grund, auch bei Konkurseröffnung, anderen Gesellschaftern ein Aufgriffsrecht zustehe. Daran hielt das Oberlandesgericht Innsbruck in der zu 6 Ob 271/03a referierten Entscheidung 3 R 136/03d fest.

2.6. In den Entscheidungen 8 Ob 4/92, 6 Ob 241/98d und 6 Ob 142/05h war die Frage nach § 26 Abs 3 KO bzw IO nicht ausschlaggebend. 8 Ob 4/92 subsumierte eine „gewöhnliche“ Kaufoption unter § 26 Abs 3 KO, woraus für ein gesellschaftsrechtliches Aufgriffsrecht wenig gewonnen werden kann. Zu 6 Ob 180/17i wurde die Frage ebenfalls offengelassen, weil das Aufgriffsrecht schon aus anderen Gründen nicht ausgeübt werden konnte. Nebenher wurde jedoch zu ErwGr 3.4 ausgeführt, in Hinblick auf die im Anlassfall vorgesehene Bewertung des Gesellschaftsanteils nach einem Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder bestünde jedoch wohl keine Gefahr der Benachteiligung der Gläubiger des insolventen Gesellschafters durch das Aufgriffsrecht.

2.7. Nach der Entscheidung 6 Ob 150/08i (dazu Temmel, GeS 2009, 58) kann ein Aufgriffsrecht vorgesehen werden. Eine derartige Regelung im Gesellschaftsvertrag könne wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig sein, was insbesondere dann naheliege, wenn der für den Fall des Konkurses oder der Zwangsvollstreckung vorgesehene Preis sich von demjenigen in vergleichbaren Fällen unterscheide.

2.8. In der Entscheidung 6 Ob 35/16i wurde die Frage nach der Geltung von § 26 Abs 3 IO offengelassen. Das Aufgriffsrecht wurde schon deshalb für sittenwidrig angesehen, weil der Gesellschaftsvertrag für den Fall der Insolvenz des Gesellschafters einen Abschlag von 50 % auf den Verkehrswert des Anteils vorsah; dass dieser Abschlag auch für den Fall der Kündigung durch den Gesellschafter oder seinen Ausschluss aus der Gesellschaft vorgesehen war, änderte daran nichts. Überzeugend erschien dem Senat ausdrücklich (ErwGr 4.5) der Hinweis auf die aus § 76 Abs 4 GmbHG, der die exekutive Verwertung eines vinkulierten Gesellschaftsanteils regelt, zu entnehmende Wertung. Daraus ergebe sich zweifelsfrei die Wertung des Gesetzes, dass die Gläubigerbefriedigung den Interessen der Gesellschaft vorgehe und die Gläubiger jedenfalls den Schätzwert des Anteils erhalten sollten.

2.9. Das Oberlandesgericht Linz hat zu 6 R 95/19m auch Aufgriffsrechte der GmbH-Gesellschafter unter § 26 Abs 3 IO subsumiert. Es gebe keine Immunisierung des GmbH-Geschäftsanteils gegenüber dem Zugriff der Gläubiger in der Insolvenz des Gesellschafters; ein Aufgriffsrecht im Insolvenzfall zu einem um 50 % reduzierten Aufgriffspreis sei daher wegen Gläubigerbenachteiligung nicht in das Firmenbuch einzutragen.

3.1. In der Literatur werden verschiedene Auffassungen vertreten. Nitsche, Insolvenzvorsorge in Gesellschaftsverträgen, in FS Jelinek 187, tritt für die Anwendbarkeit des § 26 Abs 3 IO auf Aufgriffsrechte ein. Das Übertragungsgebot sei bis zur Annahme durch die Mitgesellschafter als „Versprechen“ iSd § 862 ABGB zu qualifizieren; bis zum Zugang der Annahmeerklärung liege bloß die einseitige Willenserklärung vor, die eine Bindung des Offerenten an sein „Versprechen“ erzeuge. Für derartige Anträge sei § 26 KO einschlägig, weil auch eine Kaufoption durch Konkurseröffnung über das Vermögen des Optionsgebers erlösche. Der Geschäftsanteil stelle ein Exekutionsobjekt dar und falle in die Masse; die damit verbundene Rechtsausübung stehe dem Masseverwalter zu, eine Immunisierung durch bevorzugten Zugriff der Mitgesellschafter sei ausgeschlossen.

3.2. Zum selben Ergebnis gelangen Duursma-Kepplinger/Duursma, Gesellschaftsvertragliche Aufgriffs- und Andienungsrechte im Konkursfall, in BeitrZPR VI 177. § 26 Abs 3 KO sei eine Schutznorm für die Masse, die weit zu verstehen sei. Die Bestimmung sei sowohl auf Optionen als auch auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, mit denen sich jemand verpflichte, einem anderen ein Angebot zu machen, wodurch ein Gestaltungsrecht eingeräumt werde. Auch bei einem Aufgriffsrecht handle es sich um einen Antrag iSd § 26 Abs 3 KO.

3.3. Höller, Übertragungsbeschränkungen für Geschäftsanteile im Konkurs des GmbH-Gesellschafters, ZIK 2004/188, schließt sich den Ausführungen von Nitsche an. Verkaufs- und Andienungspflichten liege ein konkretes Austauschverhältnis zugrunde (Geschäftsanteil gegen Kaufpreis), das auch durch die Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag nicht beseitigt werde. Verkaufs- und Anbietungspflichten seien Anträge (Versprechen) iSd § 26 Abs 3 KO. Werde über das Vermögen des Gesellschafters der Konkurs eröffnet, so sei der Masseverwalter an die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Verkaufs- und Anbietungspflichten nicht gebunden.

3.4. Auch Brugger, Aufgriffsrecht und Abfindungsklauseln bei einer GmbH, GesRZ 2016, 289 aE, vertritt, dass Options- oder Aufgriffsrechte letztlich bedingte Abtretungsanbote und somit „Anträge des Schuldners“ seien. Im Ergebnis gleichlautend führt bereits Reich-Rohrwig, GmbH-Recht (1983) 619 (jedoch ohne nähere Begründung) aus, eine Übertragungs- oder Anbietungspflicht zugunsten der übrigen Gesellschafter für den Fall der Pfändung oder des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters sei dem Pfändungsgläubiger bzw dem Masseverwalter gegenüber unwirksam.

3.5. Nach Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 26 KO Rz 1, sind unter den in § 26 Abs 3 IO erwähnten Anträgen Offerte und Angebote iSd § 862 ABGB zu verstehen, also einseitige Willenserklärungen, die auf den Abschluss eines Vertrags mit dem Empfänger des Antrags gerichtet seien; damit sei auch jede Art von Optionen unter diese Vorschrift zu subsumieren (Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 26 KO Rz 73). Auch Vorkaufsrechte sollten unter § 26 Abs 3 IO fallen, da diese bis zur wirksamen Einlösung als (durch den Vorkaufsfall bedingte) Option anzusehen seien (Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 26 KO Rz 91).

3.6. Demgegenüber wird nach Perner in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 26 Rz 19, „überwiegend“ „ganz zu Recht“ davon ausgegangen, dass § 26 Abs 3 IO bei Aufgriffsrechten nicht einschlägig sei.

3.7. Einen Überblick über den Meinungsstand bietet neben Rauter (in Straube/Ratka/Rauter, WK-GmbHG § 76 Rz 138) insbesondere Umlauft (Die Auswirkungen des Insolvenzrechts auf gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte, GesRZ 2009, 4). Bei dieser Frage könne in der Literatur quasi für jede Meinung eine Belegstelle gefunden werden. Unstrittig sei, dass eine einseitige Benachteiligung des Masseverwalters dergestalt, dass der Übernahmspreis bei Ausübung eines Aufgriffsrechts anlässlich des konkursbedingten Ausscheidens eines Gesellschafters niedriger sei als in sonstigen Fällen der Geltendmachung des Aufgriffsrechts, sittenwidrig und daher gemäß § 879 ABGB unwirksam sei. Strittig sei jedoch die Beziehung einer solchen Aufgriffsregelung (allenfalls mit Bestimmung des Übernahmspreises) zu § 26 KO. Bei seiner eigenen Untersuchung hebt Umlauft die Wertung des § 76 Abs 4 GmbHG hervor. Eine Reduktion des Aufgriffspreises unter den Schätzwert sei zulässig, wenn dies auch für „einen vergleichbaren Fall wie zB Selbstkündigung, Ausschluss oder Tod“ vorgesehen sei, weil dann keine Gläubigerbenachteiligung zu erkennen sei.

3.8. In seinem späteren Aufsatz (Gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte in der Insolvenz des Gesellschafters, NZ 2012/110) führt Umlauft aus, § 76 Abs 4 GmbHG sage nicht, dass der Abschichtungsbetrag bzw Übernahmspreis nicht gesellschaftsvertraglich unter den „gewöhnlichen“ Verkehrswert reduziert werden könne; vielmehr sei zu betonen, dass der Geschäftsanteil durch den Gesellschaftsvertrag ausgeformt werde und in dieser Prägung ins Vermögen des Schuldners trete; in dieser Ausgestaltung sei er Verwertungsobjekt. Freilich sei die Sittenwidrigkeitsgrenze zu beachten: Die Reduktion des Übernahmspreises müsse neben dem Konkurs- bzw Exekutionsfall für mindestens einen weiteren vergleichbaren Fall des Ausscheidens des Gesellschafters vorgesehen werden. Somit sei insbesondere die Aufgriffsregelung im Falle der Selbstkündigung durch einen Gesellschafter, aber auch das Aufgriffsrecht bei Tod oder Ausschluss eines Gesellschafters vergleichbar mit dem Aufgriffsrecht bei Konkurs eines Gesellschafters. Es genüge, wenn der Aufgriffspreis für einen (einzigen) vergleichbaren Fall in gleicher Weise reduziert sei.

3.9. Auch Hager-Rosenkranz (Beschränkungen der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in Exekution und Insolvenz, wbl 2006, 253) vertritt die Auffassung, § 26 Abs 3 IO sei nicht einschlägig; allerdings sei § 76 Abs 4 GmbHG anzuwenden. Warum Gläubiger im Konkurs besser geschützt sein sollten als Einzelzwangsvollstreckungsgläubiger, sei nicht einzusehen.

3.10. Koppensteiner/Rüffler (GmbHG³ § 76 Rz 10) sprechen sich deutlich gegen die Anwendung von § 26 Abs 3 IO aus. Die Gesellschafterstellung werde durch ein im Gesellschaftsvertrag festgelegtes Bündel von Rechten und Pflichten konstituiert, die nicht isoliert voneinander betrachtet werden könnten. Daher könnte nicht die Pflicht zur Übertragung im Insolvenzfall abgetrennt und § 26 Abs 3 KO unterstellt werden. Vielmehr ergebe sich der Inhalt des Mitgliedschaftsrechts (des Anteils) erst aus dem Gesellschaftsvertrag, der für den Fall der Insolvenz daher auch ein Übertragungsgebot enthalten könne. Allerdings könne eine Beschränkung des Abfindungspreises insbesondere dann wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig und damit für den Masseverwalter nicht verbindlich sein, wenn sie nur für den Fall des Konkurses (oder der Zwangsvollstreckung), nicht aber in vergleichbaren Fällen wie dem Ausschluss aus wichtigem Grund zur Anwendung komme.

3.11. Auch nach Schopper (in Gruber/Harrer, GmbHG² § 76 Rz 33) ist § 26 Abs 3 IO nach „mittlerweile wohl hM“ nicht auf satzungsmäßige Aufgriffsrechte anwendbar. Unzulässig und unwirksam (§ 879 ABGB) sei jedoch eine Regelung, wonach der Übernahmspreis bei insolvenzbedingtem Ausscheiden eines Gesellschafters (oder bei Zwangsvollstreckung) niedriger sei als in vergleichbaren Fällen der Geltendmachung des Aufgriffsrechts (Veräußerung des Geschäftsanteils an Dritte). Eine Beschränkung sei in dem Zusammenhang nur insoweit zulässig, als kein anderer Ausscheidensfall eine höhere Abfindung vorsehe.

3.12. Rüffler (Zweifelsfragen zu gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsrechten für den Fall des Konkurses eines GmbH-Gesellschafters, wbl 2008, 353) sieht den Geschäftsanteil ebenfalls als Bündel von Rechten und Pflichten, aus dem das Aufgriffsrecht nicht isoliert herausgegriffen und § 26 Abs 3 IO unterstellt werden könne. Was den Abfindungspreis betrifft, so folge daraus, dass es auf eine Gläubigerbenachteiligung ankomme, „natürlich“, dass eine Abfindungsbeschränkung zulässig sei, wenn sie auch für einen oder mehrere vergleichbare Ausscheidens- bzw Aufgriffsfälle angeordnet sei. Denn dann lasse sich der Zweck einer Klausel nicht als gezielte Gläubigerbeeinträchtigung deuten, welche die Sittenwidrigkeit begründe, sondern als legitimer Versuch, Vergleichbares gleich zu behandeln. Vergleichbare Fälle seien insbesondere der Ausschlusses des Gesellschafters aus wichtigem Grund sowie die Selbstkündigung eines Gesellschafters.

3.13. Nach Fantur (GeS 2007, 188) ist „keinesfalls einzusehen“, warum eine Abtretungsverpflichtung für den Konkursfall nicht zulässig sein sollte, jedenfalls solange der Masseverwalter für den Geschäftsanteil den Verkehrswert erhalte.

3.14. Klete?ka (Aufgriffsrechte, Optionsrechte und Anbote im Konkurs, GesRZ 2009, 82) widerspricht der Geltung von § 26 Abs 3 IO unter anderem unter Hinweis auf § 1076 ABGB. In Bezug auf Aufgriffsrechte kommt er nach ausführlicher Untersuchung zum Ergebnis, diese seien grundsätzlich „konkursfest“; allerdings sei § 76 Abs 4 GmbHG zu beachten, sodass eine Verwertung des Anteils jedenfalls nur zumindest zum Schätzwert erfolgen könne und die Vereinbarung eines darunter liegenden Aufgriffspreises im Gesellschaftsvertrag gesetzwidrig sei.

3.15. Nach Trenker (GmbH-Geschäftsanteile in Exekution und Insolvenz, JBl 2012, 281) begegnet die Zulässigkeit des Aufgriffsrechts keinen Bedenken, weil der Geschäftsanteil „erst durch die Satzung und notwendigerweise in der Ausgestaltung, wie sie ihm die Satzung vorgibt“ entstehe. Der Geschäftsanteil falle somit mit allen in der Satzung vorgesehenen Modifikationen in die Insolvenzmasse, also auch mit den vereinbarten Verfügungsbeschränkungen. Die Anwendung von § 26 Abs 3 IO sei auch deshalb nicht überzeugend, weil dies auf ein „Rosinenpicken“ des Insolvenzverwalters hinausliefe, weil er zwar an den Gesellschaftsvertrag, nicht jedoch an für ihn ungünstige Klauseln gebunden wäre, die jedoch Bestandteil der subjektiven Austauschgerechtigkeit der Parteien beim Vertragsabschluss gewesen seien. Schließlich sei auch keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich, warum die Exekutionsgläubiger derartige Klauseln gegen sich gelten lassen müssten, dies für Insolvenzgläubiger aber nicht gelten solle. Was die Festsetzung des Aufgriffspreises im Gesellschaftsvertrag betrifft, so sei eine Herabsetzung unter den Verkehrswert zulässig, solange auch dem Gesellschafter im Ergebnis keine Möglichkeit verbleibe, aus der Gesellschaft auszutreten, ohne gleich starke Einbußen in Kauf nehmen zu müssen wie seine Gläubiger.

3.16. Auch Kalss/Eckert (Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, in Kodek/Konecny, Insolvenz-Forum 2007, 94 ff) erachten Aufgriffsrechte im Konkursfall für wirksam, weil sie Teil des Geschäftsanteils seien. Allerdings dürfe die Abfindungsklausel die Gläubiger nicht sittenwidrig benachteiligen. Es sollte entscheidend sein, ob auch im Fall des Ausschlusses oder Tod des Gesellschafters sowie bei der Anteilsübertragung eine entsprechende Reduktion vorgesehen sei.

3.17. Nach Umfahrer (Übertragung und Abfindung von GmbH-Anteilen, GesRZ 2010, 320) müssen nicht alle Gründe des Ausscheidens eines Gesellschafters betreffend Abfindungsbeschränkungen gleich behandelt werden; diese seien grundsätzlich als konkursfest zu beurteilen, weil sie dem Geschäftsanteil durch die sie begründende materielle Satzungsbestimmung selbst anhafteten. Damit würden sie weder von den Konkurswirkungen des § 3 IO erfasst, noch könne man sie als gemäß § 26 Abs 3 IO mit der Insolvenzeröffnung erlöschende Anträge qualifizieren. Würden Abfindungsbeschränkungen jedoch einzig für den Konkursfall des Gesellschafters vereinbart, so verstoße diese Bestimmung gegen das Verbot der Gläubigerbenachteiligung und sei aus diesem Grund sittenwidrig und folglich nichtig.

3.18. Mit der Frage, welche Fälle mit dem Gesellschafterkonkurs „vergleichbar“ sind, hat sich insbesondere Artmann (Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag. Gestaltungsmöglichkeiten, Inhalts- und Ausübungskontrolle, in Artmann/Rüffler/Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht [2014] 77) näher auseinandergesetzt. Sehe eine Abfindungsklausel für alle Ausscheidensfälle die gleichen Vorgaben und Berechnungsmaßstäbe für die Abfindung vor, so spreche viel für ihre Zulässigkeit. Ansonsten sei Voraussetzung, dass zumindest in einem vergleichbaren Fall, insbesonders bei Tod oder Ausschluss aus wichtigem Grund, die gleichen Regelungen getroffen würden wie für den Fall des Konkurses bzw der exekutiven Pfändung. Jedenfalls dürfte ein vergleichbarer Fall genügen, um die Sittenwidrigkeit der Regelung abzuwenden, es sei denn, es handle sich um Anwendungsfälle, die die Gesellschafter im praktischen Rechtsleben kaum träfen. Eine Erstreckung auf alle Fälle des Ausscheidens des Gesellschafters sei nicht erforderlich, weil Fälle der Gläubigerbenachteiligung über die Anfechtungstatbestände erfasst würden; für das Sittenwidrigkeitsverdikt bedürfe es eines zusätzlichen Elements. Aus § 76 Abs 4 GmbHG sei jedenfalls nichts zu gewinnen: Diese Bestimmung regle den Fall der Vinkulierung ohne die Frage des Veräußerungspreises anzusprechen. Das Erfordernis einer Preisfestsetzung ergebe sich erst durch die exekutive Verwertung. Enthalte hingegen der Gesellschaftsvertrag eine Abfindungsregelung, so stehe der Preis von vornherein fest.

3.19. Auch Weichselbaumer gelangt in seiner Dissertation „Aufgriffsrechte für die GmbH-Gesellschafterinsolvenz“ (2016) zu der Einschätzung (S 101 ff), „der überwiegende Teil der Literatur“ vertrete die Ansicht, dass § 26 Abs 3 IO der Wirksamkeit statutarischer Aufgriffsrechte im Insolvenzverfahren nicht entgegenstehe; Aufgriffsrechte seien nicht als Anträge iSd § 26 Abs 3 IO zu qualifizieren. Nach Weichselbaumer dürften Aufgriffsrechte nicht isoliert betrachtet werden, sondern seien Teil des Recht- und Pflichtenbündels „Geschäftsanteil“. Dementsprechend handle es sich bei den mit Bedingungseintritt (Insolvenzfall) verbindlich werdenden, den Aufgriffsregelungen zugrunde liegenden Erklärungen auch nicht (mehr) um „Anträge“ iSd § 26 Abs 3 IO. Zur Höhe der Abfindung vertritt Weichselbaumer (aaO S 135 ff), der Oberste Gerichtshof erkläre Abfindungsbeschränkungen für den Insolvenzfall überhaupt für sittenwidrig. Es sei allerdings höchst fragwürdig, ob die in § 76 Abs 4 GmbHG vorgenommene Wertung derart verallgemeinerungsfähig sei. Unter der Prämisse, dass es zu keiner einseitigen Gläubigerbenachteiligung komme, sprächen gute Gründe dafür, bei gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln für den Konkursfall geringfügige Abschläge vom Verkehrswert für zulässig zu erachten. Eine Geringfügigkeitsgrenze von maximal 25 % erscheine dabei vertretbar. Der Abschlag vom Verkehrswert müsse daher (i) nicht nur für den Konkursfall, sondern zumindest auch für einen weiteren vergleichbaren Fall gelten, und er dürfe (ii) im Zeitpunkt der Vereinbarung die Geringfügigkeitsgrenze von 25 % des Verkehrswerts nicht überschreiten.

4.1. Zur Entscheidung 6 Ob 35/16i sind mehrere Glossen erschienen: Brugger (Aufgriffsrecht und Abfindungsklauseln bei einer GmbH, GesRZ 2016, 289) resümiert, in der Entscheidung seien zwei Fälle vorgesehen gewesen, in denen nicht der volle Unternehmenswert abzugelten sei. Aber dies bedeute im Umkehrschluss, dass der Gesellschafter in allen anderen Fällen, also im normalen Gang der Dinge (zB Verkaufsabsicht, die das Aufgriffsrecht auslöst, oder auch im ebenfalls vertraglich vorgesehenen Vorkaufsrechtsfall oder bei normalem Verkauf an Dritte), sehr wohl den vollen Wert des Geschäftsanteils lukrieren könne. Mit der Reduktion auf 50 % des Werts würden nur die Fälle der Kündigung und des Ausschlusses aus wichtigem Grund – und gemäß der geplanten Vertragsanpassung auch die Gläubigerbefriedigungsfälle (Insolvenz, Zwangsvollstreckung) – „bestraft“. Eine Gläubigerbenachteiligung wäre nach Brugger nur dann nicht vorgelegen, wenn für zumindest mehrere vergleichbare Veräußerungs- oder Ausscheidensfälle die gleiche Preisreduktion vorgesehen gewesen wäre, insbesonders bei Veräußerung an Dritte (Vorkaufsfall) und bei Zwangsvollstreckung. Dies sei in der Praxis aber kaum vorstellbar. Für zu streng halte er aber die Ansicht, dass eine Preisbeschränkung im Insolvenzfall nur dann zulässig sei, wenn überhaupt kein (!) anderer Ausscheidensfall eine höhere Abfindung vorsehe.

4.2. Nach Trenker (JBl 2016, 446) ist der Oberste Gerichtshof mit dieser Entscheidung über das mit der Entscheidung 6 Ob 142/05h etablierte Schutzniveau hinausgegangen. Dort habe der Oberste Gerichtshof eine Abfindungsbeschränkung (gemeint: unter den Verkehrswert) für sittenwidrig erachtet, wenn sie „im Wesentlichen nur für den Fall des durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens des Gesellschafters, nicht aber in einem vergleichbaren Fall“ gelte. Im Klartext sage die nunmehrige Entscheidung hingegen, dass eine Beschränkung der Abfindung unter den Verkehrs- oder Schätzwert im Insolvenz- und Exekutionsfall stets unzulässig sein solle. Dies sei als zu weitgehend abzulehnen. Es dürfe nur darauf ankommen, ob die Verwertungsmöglichkeiten des Gesellschafters besser seien als jene des Gläubigers. Der Oberste Gerichtshof gelange hingegen zum weitergehenden Ergebnis, dass Abfindungsbeschränkungen zulasten der Gläubiger selbst dann unzulässig wären, wenn sie der Gesellschafter effektiv, das heißt für sämtliche Konstellationen seines Ausscheidens, ebenfalls in Kauf nehme. Das erscheine insofern systemwidrig, als der Geschäftsanteil nun umgekehrt für den Gläubiger mehr wert sei als für seinen Schuldner. Einen Nachweis, dass § 76 Abs 4 GmbHG auch hinsichtlich der Garantie des Schätzwerts zwingend sei und dass diese Norm von einem uneingeschränkten Vorrang der Gläubiger gegenüber den Gesellschaftsinteressen ausgehe, bleibe der Oberste Gerichtshof schuldig. Richtigerweise erlaube § 76 Abs 4 GmbHG eine Abfindungsbeschränkung auch im Insolvenz- und Exekutionsfall, solange sie unterschiedslos für alle „Exit-Szenarien“ gelte. Es bleibe zu hoffen, dass der Oberste Gerichtshof seine Sichtweise nochmals überdenke, wonach § 76 Abs 4 GmbHG die Wertung zu entnehmen sei, eine Abfindung der Gläubiger eines ausscheidenden Gesellschafters müsse zwingend in Höhe des Schätzwerts garantiert bleiben. Dasselbe Ergebnis hätte in systematisch kohärenterer Weise erzielt werden können, wenn dem ungeschriebenen Prinzip der Haftung des Schuldners mit seinem gesamten Vermögen dadurch zum Durchbruch verholfen worden wäre, dass eine Abfindungsbeschränkung nicht nur im Fall der Exekution/Insolvenz des Gesellschafters, sondern für jede Konstellation des freiwilligen und unfreiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters greifen muss.

4.3. Auch Schopper (in Gruber/Harrer, GmbHG² § 76 Rz 33 insbesondere in FN 166) äußert Kritik an der Entscheidung 6 Ob 35/16i und meint, die Entscheidung sei nicht eindeutig: Pkt 4.5–4.8 sprächen dafür, dass eine Abfindung unter dem Schätzwert im Insolvenzfall jedenfalls unzulässig sei. In Pkt 4.3 stelle der Oberste Gerichtshof hingegen noch darauf ab, dass Buchwertklauseln im Einzelfall sachlich gerechtfertigt sein könnten, weil dadurch die Berechnung der Abfindung erleichtert werde. In Pkt 4.7 werde betont, dass die Sittenwidrigkeit im Rahmen einer Gesamtabwägung zu beurteilen sei. Unzulässig und unwirksam (§ 879 ABGB) sei eine Regelung, wonach der Übernahmspreis bei insolvenzbedingtem Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei Zwangsvollstreckung niedriger ist als in vergleichbaren Fällen der Geltendmachung des Aufgriffsrechts (Veräußerung des Geschäftsanteils an Dritte). Eine Beschränkung sei in dem Zusammenhang nur insoweit zulässig, als kein anderer Ausscheidensfall eine höhere Abfindung vorsehe (Schopper aaO § 76 Rz 33).

4.4. Auch nach Told (Aufgriffspreis – Gestaltungsgrenzen, ecolex 2016/339) ist der Oberste Gerichtshof damit von der bisherigen Judikatur, insbesondere von der Entscheidung 6 Ob 142/05h abgewichen: Dass die Abfindungsklausel im Anlassfall auch für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters aus wichtigem Grund vorgesehen gewesen sei, sei nach den Wertungen von BGH und 6 Ob 142/05h nicht sittenwidrig. Überdies weiche der Oberste Gerichtshof von 3 Ob 223/11g ab, wonach § 76 Abs 4 GmbHG auf Aufgriffsrechte nicht anzuwenden sei. Da Vinkulierungsklauseln keinen Übernahmepreis festlegen, sei eine entsprechende Vorgabe in § 76 Abs 4 GmbHG erforderlich. Das bedeute jedoch nicht, dass im Falle der Exekution oder der Insolvenz nicht auch ein anderer Aufgriffspreis vereinbart werden könne, solange die Regelung nicht aufgrund Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig sei. Das Exekutionsrecht diene nicht dazu, den Haftungsfonds eines Schuldners zu erhalten; es setze grundsätzlich voraus, dass ein Vermögenswert im Vermögen des Schuldners vorhanden sei, und regle die Verwertung. Dementsprechend stehe § 76 Abs 4 GmbHG selbst der Schenkung eines Geschäftsanteils vor Bewilligung der Exekution oder Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht entgegen. § 76 Abs 4 GmbHG könne zur Zulässigkeit des Aufgriffspreises daher nichts entnommen werden.

4.5. Auch nach Schopper/Walch (Aufgriffsrechte in der Insolvenz eines GmbH-Gesellschafters, NZ 2019/155) ist die Entscheidung 6 Ob 35/16i, obwohl der Oberste Gerichtshof gleich am Anfang der Entscheidungsbegründung betone, dass er von der in 6 Ob 142/05h zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht gar nicht abweichen wolle, womöglich weitaus strenger: Nach dieser Entscheidung müssten die Gläubiger im Insolvenz- und Exekutionsfall jedenfalls den Schätzwert des Anteils im Zeitpunkt des Aufgriffs erhalten. Nach zutreffender Ansicht sei eine Beschränkung der Abfindungshöhe im Konkurs und in der Zwangsvollstreckung jedoch zulässig, sofern nur kein anderer Ausscheidensfall eine höhere Abfindung vorsehe. Die Gläubiger würden dadurch nicht sittenwidrig benachteiligt, aber auch nicht unverhältnismäßig bevorzugt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz 6 R 95/19m ziehe sich auf die schlichte Behauptung zurück, Kaufoptionen seien Aufgriffsrechten wirtschaftlich gleichzuhalten. Schopper/Walch vertreten hingegen die Ansicht, § 26 Abs 3 IO sei nicht anwendbar und verweisen dabei insbesondere auf das oben bereits dargestellte Argument des sonst möglichen „Rosinenpickens“ durch den Insolvenzverwalter.

Sowohl für § 76 Abs 4 GmbHG als auch bei Aufgriffsrechten sei die allgemeine Schranke der Sittenwidrigkeit zu beachten. Werde nur für den Fall des § 76 Abs 4 GmbHG eine niedrige Abfindung vorgesehen, liege darin eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung. Fraglich sei, ob ein weitergehender Schutz der Gläubiger erforderlich sei und diese zwingend den Schätzpreis erhalten müssten. Nach Schopper/Walch griffen hier allgemeine Prinzipien ein, wonach Gläubiger einerseits nicht „diskriminiert“ werden dürften, andererseits aber auch kein Recht auf eine bessere Behandlung als der Schuldner selbst hätten. Sehe der Gesellschaftsvertrag für alle Fälle des Ausscheidens eine gleich niedrige Abfindung vor, wäre es wertungswidersprüchlich, diese in den Fällen des § 76 Abs 4 GmbHG nicht zuzulassen. Eine Beschränkung der Abfindungshöhe in Konkurs- und Zwangsvollstreckung sei zulässig, sofern nur kein anderer Ausscheidensfall eine höhere Abfindung vorsieht. In dem vom Oberlandesgericht Linz entschiedenen Fall wäre das Aufgriffsrecht nach diesem Ansatz ebenfalls unzulässig gewesen, weil der herabgesetzte Aufgriffspreis nicht für sämtliche Aufgriffsfälle vorgesehen gewesen sei.

5.1. Auch zu der im Vorigen dargestellten Judikaturlinie des Rekursgerichts liegen bereits mehrere Stellungnahmen aus der Literatur vor. Nach Schmidsberger/Chalupsky/Duursma (Unwirksamkeit von gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsrechten im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters? GeS 2020, 3) handle es sich bei einem Aufgriffsrecht nicht allein um ein einseitiges Angebot iSd § 26 Abs 3 IO, sondern um einen Teilbereich der gesamten Gesellschafterstellung, die sich aus einem Bündel von Rechten und Pflichten zusammensetze. Die mit dem Aufgriffsrecht verbundene Verkaufsverpflichtung sei somit Teil der Gesellschafterstellung wie andere Rechte und Pflichten des Gesellschafters, über die nicht abgesondert verfügt werden könne. Ausreichend sei vielmehr eine Sittenwidrigkeits- und Gleichbehandlungskontrolle des vorgesehenen Aufgriffspreises.

5.2. Auch für Huemer/Haglmüller (Aus für das Aufgriffsrecht der Gesellschafter im Falle eines insolventen Mitgesellschafters? RdW 2019/587) stellt der Geschäftsanteil ein zusammenhängendes Bündel von Rechten und Pflichten dar. Die im Gesellschaftsvertrag verankerten Aufgriffsrechte seien ein Teil dieses Rechte- und Pflichtenbündels „Geschäftsanteil“ und konstituierten diesen. Folglich könnten daraus nicht – für Zwecke des § 26 Abs 3 IO – einzelne Rechte oder Pflichten des Geschäftsanteils isoliert herausgelöst und abgeändert werden mit dem Ergebnis, dass die Pflicht zur Abgabe des Geschäftsanteils an die Mitgesellschafter nicht mehr gelten solle. Vielmehr sei der Geschäftsanteil nicht in Einzelteile zerlegbar und daher auch nicht je nach Situation (zB Insolvenz eines Gesellschafters, keine Insolvenz eines Gesellschafters) unterschiedlich ausgestaltet. Der Geschäftsanteil sei wie er „liegt und steht“, „as it is“.

6.1. Der Vollständigkeit halber ist schließlich noch auf die exekutionsrechtliche Judikatur zu § 76 Abs 4 GmbHG einzugehen: In der Entscheidung 3 Ob 83/08i wurde ausgeführt, dass der Anteil gemäß § 76 Abs 4 GmbHG geschätzt werden müsse, habe den Sinn, den Übernahmspreis für den Fall zu fixieren, dass die Gesellschaft einen Käufer benenne oder sich mit einem solchen einverstanden erkläre. Das satzungsmäßige Zustimmungsrecht der Gesellschaft sei hingegen kein absolutes Recht, das einer Verwertung entgegenstünde; wenn keine Einigung über den Übernahmspreis zustande komme, habe die nach der Satzung in Ansehung der Übertragung des Geschäftsanteils zustimmungsberechtigte GmbH nur das Recht auf Bekanntgabe des Schätzwerts und das Recht, einen Käufer zu präsentieren, der den Geschäftsanteil um den Schätzwert innerhalb von 14 Tagen ab Benachrichtigung erwerbe.

6.2. Die Entscheidung 3 Ob 223/11g legte zunächst den Zweck einer Vinkulierung dar, nämlich, dass die restlichen Gesellschafter für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters weiter „unter sich“ bleiben können; es könne also verhindert werden, dass die Gesellschaft mit einem neuen Gesellschafter, der den Geschäftsanteil erwerbe, fortzusetzen wäre. Dieses Anliegen kollidiere im Fall der exekutiven Veräußerung des Geschäftsanteils mit dem Interesse der Gläubiger an einem hohen Verkaufserlös. Dem trage der Gesetzgeber mit der „Exekutionsbeschränkung“ des § 76 Abs 4 GmbHG zur Erreichung des Normzwecks eines Interessenausgleichs dahin Rechnung, dass der exekutive Verkauf dann unterbleiben könne, wenn ein von der zustimmungsberechtigten Gesellschaft zugelassener (nominierter) Käufer den Geschäftsanteil gegen Bezahlung eines den Schätzwert erreichenden Kaufpreises übernehme. Sei dies der Fall, werde der Gesellschaft (den Gesellschaftern) kein unerwünschter neuer Gesellschafter aufgedrängt, der betreibende Gläubiger erhalte aber immerhin zumindest den Schätzwert. Der 3. Senat führte in der Entscheidung anschließend aus, § 76 Abs 4 GmbHG sei auf das in der Satzung der GmbH normierte Aufgriffsrecht zu vorbestimmten Bedingungen nicht analog anzuwenden, weil dieses einem Zustimmungsrecht der Gesellschaft nicht gleichzuhalten sei.

6.3. Nach Frauenberger (GesRZ 2008, 301, und GesRZ 2012, 304) besteht der Inhalt von § 76 Abs 4 GmbHG darin, im Interesse des betreibenden Gläubigers die exekutive Verwertung von Geschäftsanteilen zu ermöglichen, deren Veräußerung nach dem Gesellschaftsvertrag an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden sei. Die Entscheidung 3 Ob 223/11g sei uneingeschränkt zu begrüßen. § 76 Abs 4 GmbHG sei allerdings keine Exekutionsbeschränkung, sondern mache eine Exekution in GmbH-Anteile, deren Veräußerung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist, überhaupt erst möglich. Somit sei eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen das Zustimmungsrecht nicht der Gesellschaft, sondern allen oder einzelnen Gesellschafter oder gar dritten Personen zukomme, jedenfalls zu befürworten. Ein bloßer Vorkaufsberechtigter habe hingegen keinen Anspruch darauf, den Geschäftsanteil zum Schätzwert zu erwerben. Die Handhabung des zwischen dem Vorkaufsrecht und der echten Zustimmung liegenden Aufgriffsrechts lege der Oberste Gerichtshof mit der genannten Entscheidung letztlich zur Gänze in die Hände des Gesellschaftsvertrags.

7.1. Der erkennende Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung an, wonach gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte nicht unter § 26 Abs 3 IO zu subsumieren sind. Das grundsätzliche Interesse der Gesellschafter, im Fall der Insolvenz eines anderen Gesellschafters das Eindringen eines Gesellschaftsfremden verhindern zu wollen, ist auch durchaus legitim; danach besteht – gerade bei personalistisch geprägten Gesellschaften mit beschränkter Haftung – auch evident ein massives praktisches Bedürfnis.

7.2. Zutreffend ist insbesondere das Argument, dass das Aufgriffsrecht nicht im Sinn eines „Rosinenpickens“ isoliert betrachtet werden sollte, sondern wirtschaftlich im Gesamtzusammenhang zu sehen ist und einen (untrennbaren) Teil des Geschäftsanteils als solchen bildet. Dem entspricht der Rechtssatz, wonach der Geschäftsanteil des Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der „Inbegriff der Rechte und Pflichten“ oder die „Gesamtheit der Rechte“ ist, die dem GmbH-Gesellschafter zukommen (RS0004168). Bei einem Geschäftsanteil an einer GmbH handelt es sich um eine Summe von Rechten und Pflichten des Gesellschafters (RS0004168 [T3]). Diesem Argument wurde bisher noch nichts Überzeugendes entgegengesetzt.

7.3. Die Gegenauffassung wird im Wesentlichen lediglich von Nitsche, Duursma-Kepplinger/Duursma und Höller vertreten, wobei Duursma in GeS 2020, 3 inzwischen allerdings den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hat. Die weiteren, im Ergebnis ebenfalls die Unzulässigkeit vertretenden Stellungnahmen von Brugger und Reich-Rohrwig sind jeweils sehr kurz und enthalten keine nähere Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand.

8.1. Dies führt zur Frage des Abfindungspreises. Satzungsmäßige Abfindungsregelungen verfolgen im Allgemeinen zwei Ziele (BGH II ZR 58/91 = NJW 1992, 892 [894]; Strohn in MüKo GmbHG3 [2018] § 34 Rz 221): Zum einen dienen sie dem Bestandsschutz der Gesellschaft. Die Gesellschaft soll davor geschützt werden, dass in den häufig nicht voraussehbaren Fällen einer Einziehung oder eines sonstigen Ausscheidens eines Gesellschafters erhebliche Teile des Gesellschaftsvermögens für die Abfindung verwendet werden müssen und dadurch die Fortführung des Gesellschaftsunternehmens gefährdet werde.

8.2. Zum anderen geht es um die Streitvermeidung. Nach Strohn (aaO) soll den oft langwierigen und komplizierten Streitigkeiten über die richtige Höhe der Abfindung von vornherein der Boden entzogen werden. Das Bedürfnis für einen Bestandschutz sei groß. Andererseits seien auch die Interessen des ausscheidenden Gesellschafters zu berücksichtigen. Für ihn gehe es um die Frage, ob er sein in der Gesellschaft gebundenes Vermögen realisieren könne oder ob er Teile dieses Vermögens entschädigungslos verliere.

8.3. Schließlich sind auch die Interessen der Gesellschaftergläubiger berührt. Werde der Geschäftsanteil aus Anlass einer Pfändung oder Gesellschafterinsolvenz eingezogen, hänge der Erfolg der Zwangsvollstreckung von der Höhe und Fälligkeit des Abfindungsanspruchs ab. Dieser Interessenwiderstreit ist bei der Beurteilung der einzelnen Abfindungsklauseln zu berücksichtigen (vgl Ulmer in FS Quack [1991] 477 [478 f]; Strohn aaO § 34 Rz 221).

8.4. Die Abfindungsklausel kann zum einen – etwa wegen sittenwidriger Benachteiligung des abzufindenden Gesellschafters – nichtig sein. Zum anderen kann durch die Entwicklung des Gesellschaftsunternehmens im Laufe der Zeit ein grobes Missverhältnis zwischen der vertraglich geschuldeten Abfindung und dem tatsächlichen Anteilswert entstanden sein, sodass eine Korrektur der Abfindungsregelung nötig werde (dazu Strohn aaO § 34 Rz 240 ff). Durch eine Abfindungsbeschränkung werden die Gläubiger des Gesellschafters benachteiligt, wenn der Geschäftsanteil ihres Schuldners – wie häufig – aus Anlass einer Pfändung des Geschäftsanteils oder der Insolvenz des Gesellschafters eingezogen oder aufgegriffen werden kann (Strohn aaO § 34 Rz 234). Die Nachteile können in der Beschränkung der Abfindungshöhe, aber auch in ungünstigen Auszahlungsregelungen bestehen.

8.5. Diese Ausführungen lassen sich im Grundsatz auch auf das österreichische Recht übertragen. Nur in den von § 879 ABGB gezogenen Grenzen trifft zu, dass die Gläubiger das mit Insolvenzbeschlag belegte Vermögen in dem Zustand hinnehmen, in dem es in der Person des Schuldners besteht (vgl dazu Strohn aaO § 34 Rz 234).

8.6. Auch außerhalb des Gesellschaftsrechts widerspricht es nach herrschender Auffassung den guten Sitten, wenn sich ein Gläubiger des beim Schuldner vorhandenen Befriedigungssubstrats in eigennütziger Weise bemächtigt und dadurch die anderen Gläubiger leerlaufen lässt (8 Ob 558/91; Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 Rz 143). Ähnliche Bedenken stellen sich, wenn der Gesellschafter zwar bei freiwilligem Ausscheiden aus der Gesellschaft in der Lage ist, den gesamten Verkehrswert für seinen Anteil zu lukrieren, den Gläubigern des Gesellschafters dies aber im Wege der Exekution oder Insolvenz nicht möglich ist.

8.7. Hierzu hat der erkennende Senat schon in den Entscheidungen 6 Ob 142/05h und 6 Ob 35/16i Stellung genommen. Zutreffend hat bereits das Rekursgericht hervorgehoben, dass die in der letzteren Entscheidung enthaltene Formulierung, wonach der erkennende Senat nicht von der Entscheidung 6 Ob 142/05h abgehen wollte, dahin zu verstehen ist, dass damit eine über die Entscheidung 6 Ob 142/05h hinausgehende Liberalisierung, die zu einem Erfolg des Revisionsrekurses geführt hätte, abgelehnt wurde.

8.8. Die in der Literatur mehrfach hervorgehobene (Sonder-)Konstellation, dass unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes der Gesellschafter in allen Fällen des Ausscheidens nicht den Verkehrswert erhalte, war dort nicht zu beurteilen, sodass auf diese Frage auch nicht einzugehen war. Dies gilt auch für die Entscheidung 6 Ob 180/17i, wonach bei einer Bewertung zum Verkehrswert „keine Gefahr der Benachteiligung der Gläubiger des insolventen Gesellschafters durch das Aufgriffsrecht“ (ErwGr 3.4) bestünde.

8.9. Die Insolvenzanfechtung (darauf abstellend etwa Artmann in Artmann/Rüffler/Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht [2014] 77) ist kein geeignetes Korrektiv. Zunächst kommt eine Anfechtung von vornherein nicht in Betracht, wenn die Abfindungsbeschränkung durch mehrheitlich gefassten satzungsändernden Beschluss gegen die Stimme des später von der Insolvenz oder Exekution betroffenen Gesellschafters eingeführt wurde (Strohn aaO § 34 Rz 234). Im Übrigen wird die zehnjährige Anfechtungsfrist des § 28 IO häufig ber

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten