TE OGH 2020/9/22 4Ob157/20x

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Burgstaller und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die Beklagte d***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Dyck, Dr. Christine Monticelli, Rechtsanwälte in Salzburg, und die Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten 1. S***** GmbH, *****, 2. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR), Beseitigung (Streitwert 3.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Juni 2020, GZ 4 R 64/20i-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Drogeriefilialistin vertreibt unter anderem das von der Erstnebenintervenientin hergestellte Produkt „***** Ovulationstest Digital“. Für dieses Produkt ist eine CE-Kennzeichnung aufrecht.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, das Medizinprodukt ***** Ovulationstest Digital ohne ausreichende Information über eine sichere Anwendung dieses Medizinprodukts auf der Stückpackung und in der Gebrauchsanweisung in Verkehr zu bringen, insbesondere indem auf der Stückpackung keine Information über den Produktinhalt, die Verwechslungsgefahr mit ähnlichen Produkten, die In-Vitro-Anwendung, den Einmalgebrauch, über den maximalen Anwendungszeitraum ab der ersten Öffnung sowie die Lagerung gegeben werde und in der Gebrauchsanweisung nicht über die Verwechslungsgefahr mit ähnlichen Produkten, die IV-Anwendung, die Eigenanwendung sowie Angaben, um das bestimmungsgemäße Arbeiten kontrollieren zu können, den Einmalgebrauch sowie über den maximalen Anwendungszeitraum ab der ersten Öffnung informiert werde. Weiters sei die Beklagte schuldig zu erkennen, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtswidrigen Zustand (laut Urteilsbegehren) zu beseitigen, insbesondere durch Vernichtung oder Rückruf der inkriminierten Produkte oder dadurch, dass diese Produkte mit entsprechenden Informationen ausgestattet werden. Schließlich wird die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung beantragt.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, sie sei weder Herstellerin noch Bevollmächtigte des Herstellers oder Importeurin des Produkts, weshalb sie keine Pflicht oder Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der erforderlichen Kennzeichnung und Information nach den gesetzlichen Bestimmungen treffe. Sie dürfe aufgrund der angebrachten CE-Kennzeichnung darauf vertrauen, dass das Produkt den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vollinhaltlich entspreche und habe daher nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Die Beklagte habe als reiner Handelsbetrieb keine Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung und Kennzeichnung des Produkts und die Informationsangaben dazu, weshalb ihr Verhalten den Wettbewerb nicht beeinflussen könne.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen. Gemäß § 22 Abs 1 MPG sei bei Medizinprodukten, die mit der CE-Kennzeichnung gemäß § 15 MPG versehen seien, grundsätzlich anzunehmen, dass sie den Voraussetzungen des § 15 Abs 2 MPG entsprechen, sofern diese Annahme nicht widerlegt werde. Werde ein Produkt als Medizinprodukt eingestuft und erhalte es ein CE-Kennzeichen zugeteilt, so sei die Auffassung, das Produkt dürfe in Verkehr gebracht werden, mit guten Gründen vertretbar. Dass der ***** Ovulationstest Digital über ein solches CE-Kennzeichen verfüge, sei unstrittig, womit kein lauterkeitswidriges Handeln der Beklagten im Sinne des § 1 UWG vorliege.

Das Berufungsgericht bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin beantragt mit ihrer außerordentlichen Revision, der Klage stattzugeben und regt die Einholung einer EuGH-Vorabentscheidung an.

Die außerordentliche Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nämlich dann nicht vor, wenn die aufgezeigte Frage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet wurde (vgl RIS-Justiz RS0112921, RS0112769).

Das vorliegende Verfahren behandelt – ebenso wie der bereits in der Sache entschiedene Parallelfall zu 4 Ob 135/20m – die Frage, ob die Rechtsansicht vertretbar ist, dass die Konformitätsvermutung bei CE-zertifizierten Medizinprodukten nicht außerhalb eines Verfahrens nach Art 8 RL 98/79/EG widerlegt werden kann. Der Senat hat diese Frage in der Entscheidung 4 Ob 135/20m bejaht. Der Unterschied im Sachverhalt besteht nur darin, dass im Anlassfall ein Händler und zu 4 Ob 135/20m die (hier als Erstnebenintervenientin einschreitende) Herstellerin beklagt ist.

Dieser Unterschied ist allerdings irrelevant. In beiden Fällen gilt, dass der Rechtsstandpunkt eines Händlers oder Herstellers eines CE-gekennzeichneten Medizinprodukts, er dürfe im Hinblick auf die Vermutung der aufrechten CE-Kennzeichnung für die Dauer deren Bestehens davon ausgehen, dieses Produkt entspreche den Anforderungen des MPG, in einem auf § 1 UWG gestützten Verfahren vertretbar ist.

Da somit die auch hier relevanten Rechtsfragen bereits vom Obersten Gerichtshof beantwortet wurden, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen und von der Befassung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch hier Abstand zu nehmen.

Textnummer

E129500

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00157.20X.0922.000

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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