TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 G305 2208152-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2208152-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX geboren am XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 19.09.2016 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte Beschwerdeführer (in der Folge so oder kurz: BF) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 20.09.2016 wurde er von Organen der LPD XXXX niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, die Terrormiliz IS habe die Absicht gehabt, seinen Heimatort zu stürmen und zu übernehmen. Auf Grund dessen habe ihm seine Familie geraten, das Land zu verlassen (Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 9, Pkt. 11).

Zur Reiseroute befragt, gab er an, dass er am XXXX .09.2015 legal und im Besitz eines Reisepasses mit dem Flugzeug von Irak in die Türkei ausgereist sei und sich bis zum 15.09.2015 in der Türkei aufgehalten habe. In der Türkei habe er an verschiedenen Baustellen als Bauarbeiter gearbeitet und im Monat etwa 400 US-Dollar verdient. Am 15.09.2016 sei er dann mit dem LKW eines Schleppers durch verschiedene Länder bis nach Österreich gefahren. Da er die gesamte Fahrt über auf der Ladefläche eingeschlossen gewesen sei, könne er die Länder, durch die er gereist war, nicht angeben (Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 4, Pkt. 9.6.1.).

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ (Ebda, S. 5 unten).

3. Am 23.05.2018 wurde er ab 09:00 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Zu den Gründen für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat gab er an, dass am XXXX .08.2015 ein Auto vor seinem Geschäft parkte, in dem vier Männer saßen. Sie hätten ihn angesprochen und von ihm gewollt, dass er ihnen helfe und ihnen seine Dienste zur Verfügung stelle, indem er ihre Fahrzeuge kugelsicher mache (panzert). Einer von ihnen, namens XXXX , habe ihm versprochen, dafür zu sorgen, dass er eine Frau bekomme. Als er antwortete, dass seine Eltern schon älter seien und er arbeiten müsse, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten, sei XXXX sehr wütend geworden und habe ihn geohrfeigt. Hierauf habe er den BF gefragt, ob ihm die Arbeit für die Eltern wichtiger sei, als die Arbeit für Gott. Hierauf habe er ihm gesagt, dass er keine Zeit habe und er (der BF) mit ihnen gehen solle. Daraufhin habe er Forderungen gestellt, darunter Geld für seine Eltern, eine Frau und die Mitnahme eines Helfers, um die Fahrzeuge bewehren zu können. Mit den Forderungen des BF seien sie einverstanden gewesen und hätten ihm mitgeteilt, dass sie ihn am nächsten Tag abholen würden. Am Ende habe der BF noch einmal die ihm versprochene Frau betont, um zu zeigen, dass er mitkommen werde. Sie hätten ihm gesagt, dass das schon erledigt sei und Gottes Männer niemals lügen würden. Beim Wegfahren habe XXXX den Kopf aus dem Fenster gestreckt und ihn gewarnt, zu fliehen, ansonsten sein Name auf eine schwarze Liste gelangen würde. Egal wohin er gehe, würden sie ihn ausfindig machen. Sie seien dann weggefahren und er habe große Angst gehabt, weil er fürchtete, unter Beobachtung zu stehen. Er sei bis zum späten Abend im Geschäft geblieben und dann zu Fuß ins kurdische Dorf „ XXXX “, zum Dorfvorsteher, namens XXXX , gegangen, um ihm die „ganze Geschichte“ zu erzählen. Dieser habe dem BF gegen Bezahlung angeboten, ihn in Sicherheit zu bringen. Darauf hin habe ihn XXXX unter dem Gestell seines Traktors bis zur Hauptstraße mitgenommen und ihn dort auf die Straße gestellt. In der Folge habe der BF Autos gestoppt, sei in ein Auto gestiegen und bis zum Checkpoint „ XXXX “ mitgefahren. Dort habe alles der Polizei erzählt. Letztere habe ihn nach XXXX geschickt und habe er dort die Nacht in einem Park verbracht. Von dort aus habe er seinen Vater angerufen und ihm erzählt, was vorgefallen war. Er sei im Park geblieben, bis der Mann seiner Tante kam und ihm Sachen und Geld gegeben habe. Als er am XXXX .09.2015 in die Türkei auswanderte, sei es ihm gut gegangen. Ein Kurde, den er in der Türkei getroffen habe, habe ihn mit nach XXXX genommen, wo er (der BF) bei der Gartenarbeit mitgeholfen habe. Dieser Kurde habe den BF sehr unterstützt. Ein Jahr lang sei er in der Türkei geblieben, bis sich die Verhältnisse zwischen den Kurden und den Türken verschlechtert hätten. Er habe den BF wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht länger bei sich lassen können, weshalb er nach Europa geflohen sei. Das seien seine Gründe (BF in Niederschrift des BFA vom 23.05.2018, S. 7f). Über weiteres Befragen durch die Organe der belangte Behörde gab der BF an, dass er weder im Herkunftsstaat, noch in einem anderen Land vorbestraft sei oder dass er von der Polizei, der Staatsanwaltschaft, den Gerichten oder einer sonstigen Behörde gesucht werde (Niederschrift des BFA vom 23.05.2018, S. 8 unten). Auch mit den staatlichen Behörden habe er nie ein Problem gehabt. Er sei auch nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei des Herkunftsstaates gewesen. Auch sei er in der Heimat nie von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Kurden oder aus religiösen Gründen oder wegen einer etwaigen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden (Niederschrift des BFA vom 23.05.2018, S. 9 oben). Auch habe es weder von staatlicher noch von privater Seite Übergriffe gegen ihn gegeben (Niederschrift des BFA vom 23.05.2018, S. 9 Mitte).

4. Mit Bescheid vom XXXX .09.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.09.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen gem. § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt VII.).

5. Gegen diesen, dem BF am 27.09.2018 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob dieser am 18.10.2018 (sohin innert offener Frist) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die er auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ und „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ stützte und mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht möge, falls nicht alle zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, amtswegig aufgreifen, den angefochtenen Bescheid aufheben und ihm den Status eines Asylberechtigten iSd § 3 AsylG zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit im angefochtenen Umfang beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen, für den Fall der Abweisung des Beschwerdeantrages gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass ihm der Satus des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukomme, und feststellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gem. § 55 AsylG vorliegen und dem BF daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung plus von Amts wegen erteilen sowie in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und ihm eine solche von Amts wegen zu erteilen sei, und eine mündliche Verhandlung durchführen.

6. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 22.08.2019 erging eine Accord-Anfrage zur Lage der Kurden im Irak und zu allfälligen innerstaatlichen Fluchtalternativen von Angehörigen dieser Ethnie im Irak.

7. Am 02.10.2019 langte die eingeforderte Accord-Anfragebeantwortung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität XXXX , geboren am XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Er ist ledig und ohne Sorgepflichten. Er gehört der Ethnie der irakischen Kurden an. Er ist Moslem sunnitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist Kurdisch-Sorani [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 4f]. Er spricht auch ein wenig Englisch und - nach eigenen Angaben - ein wenig Deutsch [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 5 Mitte].

Der BF hat seinen Hauptwohnsitz seit dem XXXX .09.2016 im Bundesgebiet (seit dem XXXX .07.2017 an der Anschrift XXXX ) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Der BF lebte bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX [Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 4, Pkt. 9.6.1.].

Er ist am am XXXX .09.2015 legal (sohin unter Mitnahme eines Reisepasses) mit dem Flugzeug in die Türkei geflogen, wo er sich bis zum 15.09.2016 aufhielt. Seinen Lebensunterhalt in der Türkei verdiente er sich als Bauarbeiter und brachte er als solcher ca. 400 US-Dollar pro Monat ins Verdienen.

Ab dem 15.09.2016 fuhr er - ausgehend von der Türkei - mit dem LKW bis nach Österreich. Mit dem Schlepper wäre sogar vereinbart gewesen, dass ihn dieser bis nach Deutschland mitnimmt, doch setzte er den BF in Österreich aus [Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 4, Pkt. 9.6.1.].

Bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat hatte er kein Problem, als er am Flughafen den irakischen Reisepass vorwies [Niederschrift des BFA vom 23.05.2018, S. 6].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ [Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 5 unten; Ergebnisbericht zum EURODAC-Abgleich AS 13].

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF von 2004 bis 2009 die Grundschule in XXXX , die er jedoch abbrach. In der Folge legte er beim Dienstgeber XXXX eine Lehre als XXXX ab und war in diesem Beruf von 2011 bis zu seiner im Jahr 2015 stattgehabten Ausreise als XXXX selbständig erwerbstätig [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 5].

Einen Militärdienst leistete er nicht ab [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 5].

Die Familie des BF besitzt im Herkunftsstaat ein Haus. Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat wohnte er - gemeinsam mit seinen Eltern, dem ca. XXXX Jahre alten XXXX , und der ca. XXXX Jahre alten XXXX - in diesem, in XXXX an der Anschrift XXXX gelegenen Haus der Familie [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 5f].

Das Haus, in dem er wohnte, befindet sich im Eigentum der Familie. Mit seiner Mutter hat der BF ein- bis zweimal pro Monat telefonisch Kontakt [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 6 oben].

Neben seinen Eltern hat der BF noch weitere, in XXXX lebende Familienangehörige, und zwar den ca. XXXX Jahre alten Bruder XXXX und seine beiden Schwestern, die ca. XXXX Jahre alte XXXX und die ca. XXXX Jahre alte XXXX [Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 2 unten].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Er hatte weder mit der Polizei noch mit den Verwaltungsbehörden noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Zu keinem Zeitpunkt wurde er von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten oder aus politischen Gründen, etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates, verfolgt oder bedroht. Im Herkunftsstaat war er auch nie Adressat einer gegen ihn gerichtet gewesen strafgerichtlichen Verfolgung bzw. einer allfälligen strafgerichtlichen Verurteilung. Im Herkunftsstaat unterlag er weder von staatlicher noch von dritter Seite einer Verfolgung oder Bedrohung ob seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der irakischen Kurden. Auch wegen einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe unterlag er keiner Verfolgung oder Bedrohung [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 8f].

Der BF ist nicht, wie behauptet, wegen einer Bedrohung durch den IS oder durch eine andere, dort tätige Miliz aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Er war im Herkunftsstaat zu keiner Zeit einer asylrelevanten Bedrohungs- oder Verfolgungssituation ausgesetzt.

Vielmehr verließ er den Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen, da es seiner Ansicht nach nicht möglich gewesen sei, „im Irak eine Arbeit zu finden“ und dass es sehr schwierig gewesen sei, „dort zu arbeiten“. So gebe es „zu wenige Arbeitsplätze und Möglichkeiten, einer Arbeit nachzugehen“ [Eingabe des BF vom 04.06.2018, AS 187].

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:

Der BF hat an einem Sprachkurs „Deutsch für Asylwerber“, sowie an einem Deutschkurs A1 und an einem Deutschkurs A2 teilgenommen und eine ÖSD-Prüfung auf dem Niveau A2 abgelegt [Teilnahmebestätigungen AS 165; AS 169; Bestätigung der ÖSD A2 Prüfung AS 213].

Da er sich gegenüber der belangten Behörde mit einem irakischen Personalausweis auswies, wurde dieser auf Grund von aufgekommenen Zweifeln bezüglich seiner Echtheit einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen. Dabei stellte es sich heraus, dass es sich bei dem vorgezeigten Personalausweis um eine Totalfälschung handelte [Untersuchungsbericht des BMI vom 31.07.2018, AS 219ff].

Der BF ist bislang strafrechtlich unbescholten, weist im Bundesgebiet eine Hauptwohnsitzmeldung auf und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung [Strafregisterauszug; ZMR-Auszug; Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister-IZR; GVS-Auszug].

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste des früheren Herrschaftsgebiets dieser Organisation im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Der Beschwerdeführer war weder durch den IS, noch durch die im Herkunftsstaat tätigen Milizen, noch durch die Polizei des Herkunftsstaates einer asylrelevanten Bedrohung oder gar Verfolgung ausgesetzt. Er war auch nie Adressat einer strafgerichtlichen Verfolgung durch die irakischen Strafverfolgungsbehörden oder einer Verurteilung durch ein irakisches Strafgericht.

1.6.1. Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, durchlief er drei Phasen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern, sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018).

Quellen:

-        Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq,

-        https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/. Zugriff 30.10.2018

-        CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf. Zugriff 29.10.2018

-        ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS‘s Second Resurgence,

-        https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html. Zugriff 30.10.2018

-        Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://iamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/. Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding- in.html, Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state- returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

-        Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/securitv/5951/. Zugriff 30.10.2018

-        WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback- in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-

-        9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018

Der BF konnte sein Vorbringen, deshalb aus dem Herkunftsstaat ausgereist zu sein, weil er große Angst davor hatte, wegen seiner Flucht, als er im August 2015 vom IS dazu aufgefordert wurde, mit ihnen zu gehen und ihre Kraftfahrzeuge kugelsicher zu machen, unter der Beobachtung des IS zu stehen, nicht glaubhaft machen. Dass er persönlich vom IS aus asylrelevanten Motiven bedroht oder verfolgt worden wäre, hat er weder behauptet, noch dargetan.

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF hat nach seinen eigenen Angaben bis zu seiner im Jahr 2015 stattgehabten Ausreise aus dem Irak als XXXX gearbeitet und gehörte er damit keiner Berufsgruppe an, die nach den Länderberichten zum Herkunftsstaat als besonders gefährdet angesehen wäre.

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 26.08.2020

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff am 26.08.2020

1.6.3. Medizinische Versorgung:

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosozialen Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Der BF hat sowohl bei seiner Erstbefragung als auch bei der Befragung vor der belangten Behörde angegeben, dass er an keiner Krankheit leiden würde [Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 3, Pkt. 7; Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 3 unten]. Da er grundsätzlich gesund ist, stehen einer Rückschiebung in den Herkunftsstaat keine gesundheitlich motivierten Gründe entgegen.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 26.08.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff am 26.08.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff am 26.08.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff am 26.08.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff am 26.08.2020

1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates - etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Ethnie der irakischen Kurden oder aus politischen Gründen - Probleme gehabt hätte. Vor der belangten Behörde hat er sich in religiöser Hinsicht zu den sunnitischen Muslimen bekannt und überdies angegeben, im Herkunftsstaat weder von staatlicher noch von dritter Seite wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden verfolgt oder bedroht worden zu sein oder dass er aus politischen Gründen verfolgt oder bedroht worden wäre. Vor der belangten Behörde hat er angegeben, dass er zu keinem Zeitpunkt einer politischen Gruppierung oder einer politischen Partei des Herkunftsstaates angehört hätte. Seinen Angaben zufolge gab es auf ihn persönlich weder von staatlicher noch von dritter Seite einen Übergriff [Niederschrift BFA vom 23.05.2018, S. 9].

Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie jemals politisch aktiv gewesen wären oder die Genannten einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates als Mitglieder angehört hätten.

Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung bzw. mit den Angehörigen einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte er ebenfalls keine Probleme.

Den Herkunftsstaat verließ der BF aus wirtschaftlichen Motiven [Stellungnahme des BF vom 04.06.2018, AS 187].

Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird der Beschwerdeführer keiner - aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort - realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt sein.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.


2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden, sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten persönlichen Dokumente und Urkunden.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen - diesbezüglich - glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte er angegeben, den Herkunftsstaat deshalb verlassen zu haben, weil die Terrormiliz IS die Absicht gehabt hätte, den Heimatort zu stürmen und zu übernehmen. Deshalb habe ihm seine Familie zum Verlassen des Landes geraten [Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 5].

Zu seinen Fluchtgründen befragt, hatte der BF anlässlich seiner niederschriftlich dokumentierten Einvernahme durch die belangte Behörde angegeben, deshalb aus dem Irak ausgereist zu sein, weil er Angst davor gehabt hatte, unter der Beobachtung des IS zu stehen, weil er der Aufforderung von vier Männern, sich ihnen anzuschließen und ihnen dabei zu helfen, ihre Fahrzeuge kugelsicher zu machen, nicht gefolgt war [Niederschrift des BFA vom 23.05.2018, S. 7f]. In einer nachgeschobenen Stellungnahme vom 04.06.2018 gab er an, dass man im Irak keinen polizeilichen Schutz erwarten könne und man, wenn man Hilfe brauche, nicht geschützt werde. Darüber hinaus gab er an, dass es schlichtweg nicht möglich sei, derzeit im Irak eine Arbeit zu finden bzw. dass es sehr schwierig sei, dort zu arbeiten und dass es zu wenig Arbeitsplätze und Möglichkeiten gebe, dort einer Arbeit nachzugehen [Stellungnahme vom 04.06.2018, AS 185ff].

Die Angaben des BF, die er anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gemacht hatte, und die vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben haben zwar einen Bezug zum IS gemeinsam, doch weisen sie grundlegende Unterschiede und teils eklatante Widersprüche auf.

So behauptete der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, unter dem Eindruck eines bevorstehenden Angriffs des IS auf seine Heimtatstadt XXXX geflohen zu sein, während er ein derartiges - kriegerisch motiviertes - Szenario bei seiner Befragung durch die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise zeichnete.

Hier soll der IS bereits vor Ort gewesen sein. Das vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde allgemein dargestellte, kriegerisch motivierte Bedrohung versuchte er vor der belangten Behörde in eine individuelle Bedrohung seiner Person umzudeuten, indem er angab, deshalb vom IS (individuell) bedroht zu sein, weil er geflohen war, nachdem er von vier Männern angesprochen worden war, sich ihnen anzuschließen und ihnen bei der Bewehrung ihrer Fahrzeuge behilflich zu sein. Zwei Tage nach dem Vorfall seien „diese Leute“ zu ihm nach Hause gekommen und hätten sie seinen Vater aufgefordert, den Beschwerdeführer anzurufen. Als ihnen der Vater sagte, dass er kein Telefon dabeihabe und auch nicht wisse, wo sich der BF aufhalte, hätten sie gesagt, dass sie ihn schon finden würden. Dass diese Männer ihn explizit bedroht hätten, gab der BF jedoch zu keiner Zeit an.

Obwohl der BF diese vier Männer in die Nähe des IS zu rücken versuchte, gelang ihm dies nicht, zumal keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine etwaige Nähe dieser Männer zum IS nahelegen würden. So sollen sich die Männer als Mitglieder der Gruppe AL-QAIDA und nicht des IS vorgestellt haben. Dabei hat der BF übersehen, dass der IS seit Mitte des Jahres 2013 mit der Organisation AL-QAIDA nichts mehr gemein hat und es sich dabei um zwei verschiedene Organisationen handelt, die zumindest im August 2015, als sich der angebliche Vorfall ereignet haben soll, nichts mehr miteinander zu tun hatten. Zwar bekannte sich der IS anfangs zu AL-QAIDA, doch kam es in der Folge zu einem eklatanten Bruch der beiden Organisationen, der seinen Ausgang um die Jahresmitte 2013 nahm (www. https://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_(Organisation)).

Selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben vor der belangten Behörde konnten die vier Männer, die den BF am 04.08.2015 vor seinem Geschäft in XXXX aufgesucht haben sollen, nur der Organisation AL-QAIDA und nicht dem IS angehört haben. Das müsste dem mit den örtlichen und politischen Gegebenheiten im Herkunftsstaat vertrauten BF auch bewusst sein.

Dass er sich bei der Schilderung seiner Fluchtgründe derart bei den angeblich darin involvierten Organisationen vertat, legt aus der Sicht des erkennenden Gerichtes nahe, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den für das Verlassen des Herkunftsstaates relevanten Gründen lediglich ein den Tatsachen nicht entsprechendes Gedankenkonstrukt sind. Daran ändert auch nichts, wenn der BF vor dem BFA angab, dass seine Angaben bei der Erstbefragung wegen angeblicher Verständigungsschwierigkeiten nicht korrekt wiedergegeben worden sein sollen. Hier ist ihm zu entgegnen, dass er nach seiner Erstbefragung die Frage „Haben sie alles verstanden?“ mit „ja“ beantwortete. Bei Wahrunterstellung seiner späteren Angaben hätte er zumindest die Antwort „nein“ geben müssen bzw. auf diese angeblichen Verständigungsprobleme hinzuweisen gehabt. Ein derartiger Hinweis wäre in der Niederschrift über die Erstbefragung auch dokumentiert worden, so es einen solchen gegeben hätte. Da ein Hinweis auf Verständigungsprobleme in der Erstbefragungsniederschrift fehlt, ist von einem strategischen Einwand des BF auszugehen, der seine persönliche Glaubwürdigkeit insgesamt untergräbt [Niederschrift über die Erstbefragung vom 20.09.2016, S. 6].

Es gibt auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es exakt dieselben Männer waren, die zunächst (am 04.08.2015) den BF rekrutiert und zwei Tage später den Vater aufgefordert haben sollen, den BF anzurufen. Am 04.08.2015 soll der Vater des BF nicht dabei gewesen sein; zwei Tage später will der BF nicht zu Hause gewesen sein. In Anbetracht dessen verschließt sich dem erkennenden Gericht, wie der BF zum Schluss gelangte, dass es sich bei den Männern, die am 06.08.2015 bei seinem Elternhaus gewesen sei sollen, exakt um dieselben handelt, die ihn zwei Tage vorher für die Bewehrung ihrer Fahrzeuge rekrutieren wollten.

Dass er, wenn auch nur indirekt, von diesen Männern in seiner körperlichen Integrität bedroht worden wäre, lässt sich den Angaben des BF nicht entnehmen. So hatte der BF vor dem BFA angegeben, dass ihm diese Männer gesagt hätten, dass sie den BF finden würden und sie überall in den Städten Geheimzellen hätten. Eine etwaig gegen ihn ausgesprochene Drohung behauptete der BF zu keinem Zeitpunkt. Selbst bei Wahrunterstellung seiner vor dem BFA gemachten Angaben ist hervorzuheben, dass er zu keinem Zeitpunkt behauptete, auch nach dem behaupteten Vorfall vom 06.08.2015 noch gesucht worden zu sein.

Da er insgesamt zu sehr detailreichen Erzählungen neigt, hätte er, wäre nach dem 06.08.2015 noch weiter nach ihm gesucht worden, dies auch der belangten Behörde mitgeteilt. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt zu seiner Mutter und ist davon auszugehen, dass sie ihm dies auch mitgeteilt hätte.

Insgesamt ist es dem BF daher nicht gelungen, glaubhaft zu machen, deshalb aus dem Irak ausgereist zu sein, weil der IS die Absicht gehabt hätte, seinen Heimatort anzugreifen bzw. weil er sich vor dieser Organisation fürchtete, weil vier Männer (die vorgaben, der AL-QAIDA anzugehören) ihn nun suchen würden, weil er ihrer Aufforderung, sich ihnen anzuschließen und sie bei der Bewehrung ihrer Fahrzeuge zu unterstützen, keine Folge leistete.

Die Fluchtgeschichten des BF erweisen sich infolge der aufgezeigten Widersprüche und Inkonsistenzen als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt, weshalb die Feststellungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen waren.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich:

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuche) gründen auf den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen der Grundversorgung gründet auf dem eingeholten GVS-Auszug, zum Hauptwohnsitz im Bundesgebiet auf amtswegig eingeholten Auszug aus dem Melderegister und zur bisherigen Unbescholtenheit auf den eingeholten Auszügen aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .09.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und brachte die belangte Behörde die Beschwerde und die Akten des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

Die von ihm behauptete Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Terrormiliz vermochte er dem erkennenden Gericht gegenüber, wie in der Beweiswürdigung dargelegt, nicht glaubhaft zu machen und erweist sich diese als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben hätte dem BF schon bei der Vorstellung der Männer, die sich als Mitglieder der AL-QAIDA ausgaben, auffallen müssen, dass es sich dabei nicht um Angehörige der Terrormiliz IS handelte. Darüber hinaus hat er eine persönliche, gegen ihn gerichtete Bedrohung bzw. Verfolgung im Sinne fortgesetzter Versuche, ihn zu finden bzw. zu fassen, durch eine Miliz, welcher Herkunft immer, weder behauptet noch dargetan.

Doch selbst wenn er tatsächlich einer Bedrohung bzw. Verfolgung durch den IS oder durch die AL-QAIDA ausgesetzt gewesen wäre, wäre in einem solchen Fall von einer nichtstaatlichen Bedrohung auszugehen.

Wenn der BF in seiner Stellungnahme vom 04.06.2018 unsubstantiiert und völlig losgelöst von den Länderinformationsberichten des Irak, der von bestehenden und funktionierenden Sicherheitskräften im Herkunftsstaat des BF ausgeht, davon spricht, dass „man im Irak keinen polizeilichen Schutz erwarten“ könne und dass man, wenn man Hilfe braucht, nicht geschützt werde [AS 185], ist ihm zu entgegnen, dass in seinem Herkunftsstaat sehr wohl eine funktionierende Polizei existiert und keinerlei Anzeichen bestehen, die für eine Schutzunfähigkeit bzw. Schutzunwilligkeit des Herkunftsstaat sprechen. Würde man den Ausführungen des BF auch nur ansatzweise folgen, müsste man mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch die Existenz des Staates Irak in Zweifel ziehen.

Ob der bereits im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgten Ausführungen, den Angaben des BF und der in der Folge unmöglichen Subsumption unter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention und des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ergibt sich, dass anlassbezogen eine gegenwärtige, asylrelevante Verfolgung nicht vorliegt. Aus diesen Gründen erübrigt sich daher auch das Prüfen einer Fluchtalternative.

3.2.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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