TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/16 G312 2235008-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G312 2235008-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Anhaltung des XXXX , geb. XXXX , StA.: Indien, Zl. XXXX , im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD XXXX ., vom XXXX wurde gegen XXXX (im Folgenden: JR), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 14.09.2020 wurde vom BFA, RD Wien., der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung vorgelegt.

2. JR reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, spätestens jedoch am XXXX , nicht rechtmäßig in Österreich ein. Am XXXX wurde er aufgrund bei einer Personenkontrolle aufgegriffen, dabei hat er sich mit einer grünen Asylkarte, welche nicht ihm gehört, ausgewiesen und gab an, XXXX zu sein. Bei einer Überprüfung wurde festgestellt, dass es sich dabei um eine andere Person handelt. JR verfügt über kein gültiges Reisedokument. Er wurde festgenommen und in das PAZ HG überstellt. JR verfügt über keinen Aufenthaltstitel, ist mittellos und geht keiner legalen Beschäftigung in Österreich nach. Er verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich.

3. Mit Bescheid vom des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom XXXX wurde festgestellt, dass JR ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird (Spruchpunkt I), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen wird (Spruchpunkt II), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt wird (Spruchpunkt IV), eine Frist für die Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt wird (Spruchpunkt V) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen ihn ein auf Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wird. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

JR verweigerte bis dato die Kooperation, er füllte zwar vor der indischen Botschaft das Formular zur Feststellung seiner Identität aus, erklärte jedoch gleichzeitig nicht in seinen Herkunftsstaat zurückzuwollen.

4. Die belangte Behörde hat zeitgerecht ein Verfahren zum Erhalt eines HRZ bei der indischen Botschaft eingeleitet und fand am XXXX eine Vorführung des JR bei der indischen Botschaft statt, zuletzt wurde am XXXX die Ausstellung eines HRZ urgiert.

Mittlerweile wurde trotz der bestehenden Corona Pandemie der Flugverkehr wiederaufgenommen und finden Flüge nach Indien statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird, dass JR seit XXXX durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des JR in Schubhaft erwecken.

JR reiste illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein, er verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung. JR hatte bis dato keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (er nächtigte im XXXX ) und ist nicht bereit in seinen Heimatstaat zurückzukehren.

Vor der indischen Botschaft gab JR an XXXX zu heißen, sein Vater sei XXXX und seine Mutter XXXX , er sei am XXXX in XXXX geboren. Er lebe in XXXX , Indien; seine Muttersprache sei Punjabi.

Die Behörde hat das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats rechtzeitig und zielführend geführt. JR wies sich bei der Personenkontrolle mit einer grünen Asylkarte, welche nicht seine war, aus und gab an XXXX , geb. XXXX , zu sein. Ungeachtet dessen fand bereits vor der indischen Botschaft eine Vorführung statt und kann seine Abschiebung – nach Erhalt eines HRZ - zeitnah erfolgen.

JR verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Bindungen in Österreich und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig.

2. Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des SL ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund der eigenen Angaben des JR sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte, nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Er reiste illegal und schlepperunterstützt nach Österreich, nahm keinen ordentlichen Wohnsitz und beschaffte sich Geldmittel durch illegale Beschäftigung. Er gab bei einer Personenkontrolle vor, XXXX , geb. XXXX , zu sein und wies sich mit einer grünen Asylkarte, ausgestellt auf den genannten Namen, aus. Erst nach Überprüfung wurde festgestellt, dass es sich dabei um eine andere Person handelt. Dann gab er an, XXXX , zu sein.

Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass er in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen.

Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr hinsichtlich des JR ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Die Schubhaft ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.

Im Hinblick auf das bereits eingeleitete HRZ Verfahren ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Trotz bestehender Corona Pandemie kann – nach Erhalt des HRZ - aufgrund der Wiederaufnahme des Flugverkehrs eine zeitnahe Abschiebung am Flugwege erfolgen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A.

Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit 03.06.2020 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus dem vergangenen Verhalten des JR mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat im Hinblick auf sein bisherige Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine hohe Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen.

JR hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig. Das Verhalten des JR in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.

In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird, die letzte Urgenz bei der indischen Botschaft erfolgte am 10.08.2020 und ist zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg zu rechnen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des JR gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist nicht hervorgekommen.

JR hat weder familiäre, soziale, berufliche, sprachliche noch sonstige Bindungen ins Bundesgebiet geltend gemacht. Angesichts seines Gesamtverhaltens kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft, unterzutauchen, ausgegangen werden.

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher fortgesetzt werden, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Angaben des SL vor der belangten Behörde, sowie bei den bereits durchgeführten Schubhaftüberprüfungen (auch vor dem BVwG) geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

II. Zu Spruchpunkt B.

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G312.2235008.1.00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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