Entscheidungsdatum
30.01.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L516 1423610-1/61E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2011, 11 14.636-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.05.2016, 20.03.2018 und 03.10.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 AsylG 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides aufgehoben und das Verfahren gemäß § 75 Abs 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und brachte am 05.12.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14.12.2011 ab und den Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Pakistan aus. Eine dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.05.2012, E13 423.610-1/2012-8E, gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 38/2011 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer beantragte die Wiederaufnahme des Verfahrens zu seinem Antrag auf internationalen Schutz mit Schriftsatz vom 21.06.2012. Der Asylgerichtshof wies diesen Wiederaufnahmeantrag zunächst als verspätet zurück, gab jedoch in weiterer Folge einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 23.10.2013 statt. Das Bundesverwaltungsgericht gab schließlich mit Beschluss vom 25.11.2014, L516 1423610-3/11E dem Wiederaufnahmeantrag statt.
Das Bundesverwaltungsgericht richtete in der Folge ein Erhebungsansuchen an die Österreichische Botschaft in Islamabad.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am 24.05.2016 eine erste öffentliche mündliche Verhandlung durch, die jedoch aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers unmittelbar nach Beginn vertagt wurde. Am 20.03.2018 erfolgte eine weitere Verhandlung und am 09.04.2018 gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme ab. Am 03.10.2018 wurde eine dritte Verhandlung durchgeführt. Der Beschwerdeführer nahm an sämtlichen Verhandlungen teil, die belangte Behörde erschien nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer per RSa mit Schreiben vom 07.11.2019 Länderinformationen zu Pakistan und forderte diesen gleichzeitig auf, seine bisherigen Angaben zu aktualisieren und allfällige Änderungen und Ergänzungen bekannt zu geben. Der Beschwerdeführer äußerste sich nicht dazu.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; S=Seite; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Jat sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX im Kreis Ferozwala im Bezirk Scheikhupura, Provinz Punjab, Pakistan, wo er gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Ehefrau und seinen drei Kindern gemeinsam lebte. Der Beschwerdeführer war in seiner Heimat als selbständiger Getreidehändler wirtschaftlich erfolgreich tätig. Er verließ seinen Heimatort im April 2010 und sein Heimatland im August 2011. Seine Frau lebt mit den Kindern seit etwa drei bis vier Jahren in einem Dorf in der Nähe von Gujranwala. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Frau in Kontakt. Der Beschwerdeführer hat drei Brüder und fünf Schwestern. Ein Bruder ist verheiratet und wohnt im Heimatdorf des Beschwerdeführers und kümmert sich um die große elterliche Landwirtschaft. Ein zweiter Bruder wohnt ebenso im Heimatdorf, wo der dritte Bruder wohnt, weiß der Beschwerdeführer nicht. Alle fünf Schwestern sind verheiratet und leben mit ihren eigenen Familien in naheliegenden Dörfern.
1.2 Zu den Lebensverhältnissen in Österreich
Der Beschwerdeführer reiste im Dezember 2011 in Österreich ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seither rechtmäßig als Asylwerber in Österreich auf. Gegenständlich handelt es sich um den einzigen Antrag auf internationalen Schutz. Er hat von Beginn seines Verfahrens an sämtlichen Ladungen Folge geleistet und an seinen Verfahren mitgewirkt, weshalb ihm die bisherige Verfahrensdauer im Asylverfahren nicht anzulasten ist. Der Beschwerdeführer arbeitete in Österreich als Zeitungsausträger, geht jedoch aktuell keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er hat die ÖSD Prüfung für das Sprachniveau A1 am 25.11.2014 abgelegt, spricht die deutsche Sprache aber nur auf sehr einfachem Niveau und hat keinen Kontakt zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen. Er ist strafrechtlich unbescholten.
1.3 Zum Gesundheitszustand
Dem Beschwerdeführer ist gesund bzw er nahm zum Zeitpunkt der Verhandlung am 03.10.2018 das Medikament Aeromuc (schleimlösende Brausetabletten mit dem Wirkstoff Acetylcystein) gegen Lungenschleim ein, darüber hinaus steht er in keiner ärztlichen Behandlung. [VS 03.10.2018, S 10]
1.4. Zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz und zum Bestehen einer aktuellen Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Pakistan
Im April 2009 wurde der Sohn seiner Schwester XXXX namens XXXX ermordet, woraufhin ein Mitglied der Familie des Beschwerdeführers aus Rache den Mörder getötet hat. Deshalb sollte zunächst auch der Beschwerdeführer getötet werden und es wurde auch eine falsche Anzeige gegen ihn wegen Mordes erstattet. Damit begründete der Beschwerdeführer auch seine Flucht aus Pakistan. Das Gerichtsverfahren in Pakistan gegen den Beschwerdeführer wurde jedoch am 27.07.2015 eingestellt und der Beschwerdeführer wurden von der Anklage freigesprochen, da sich die beiden Familien geeinigt haben. Es besteht daher aus diesem Grund seit jenem Zeitpunkt keine Gefahr mehr.
Der Beschwerdeführer hat in weiterer Folge nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er aktuell im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
1.5 Zur Lage in Pakistan
Politische Lage
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).
Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).
Sicherheitslage allgemein
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Sicherheitslage - Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
Polizei
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).
Grundversorgung und Wirtschaft
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).
Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).
Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).
Sozialbeihilfen
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).
Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Medizinische Versorgung
In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer (AA 13.3.2019). In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019).
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Pakistan (oben 1.1)
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage amtlicher Identitätsdokumente konnten der Name und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers jedoch nicht abschließend festgestellt werden.
Seine Ausführungen zu seiner Berufstätigkeit sowie zu seinen Familienangehörigen in Pakistan beruhen auf seinen Angaben im Verfahren vor dem BAA und sowie zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht im Zuge der mündlichen Verhandlung, welche insofern stringent waren und keine Anhaltspunkte für die Annahme boten, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich falsche Angaben gemacht hätte (VS 03.10.2018, S 5 ff).
2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)
Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich und zu seiner aktuellen Lebenssituation und zu seinem Privat- und Familienleben, beruhen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 20.03.2018 und 03.10.2018. Er selbst gab am 20.03.2018 am, mit zwei pakistanischen Männern zusammenzuwohnen und keinen Kontakt mit Österreicherinnen oder Österreichern zu haben. Er verbringe den ganzen Tag zu Hause, schlafe und esse (VS 20.03.2018, S 5). Am 20.03.2018 konnte er sich nur in sehr einfachen Sätzen ausdrücken. (vgl VS 20.03.2018, S 5: „RI [Richter]: Ich möchte jetzt ein bisschen Deutsch mit Ihnen sprechen ohne Dolmetscher. Können Sie mir auf Deutsch erzählen, was Sie am Samstag gemacht haben? P [Beschwerdeführer]: Samstag ich bin zuhause, ich habe nicht gearbeitet. RI: Was haben Sie zuhause gemacht? P: Schlafen und sitzen. RI: Sind Sie alleine gewesen? P: 3 Personen bleiben da. RI: Arbeiten Sie? P: Nein, ich habe keine Arbeit, früher habe ich gearbeitet. Jetzt aber nicht mehr.“). Die strafrechtliche Unbescholtenheit beruht auf dem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.
2.3 Zum Gesundheitszustand
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf seinen Angaben in der letzten Verhandlung am 03.10.2018. So gab er zu Beginn an, er sei gesund und habe keine Krankheiten. Am Ende der Verhandlung brachte er dann jedoch vor, dass er das Medikament Aeromuc gegen Hustenschleim einnehme (VS 03.10.2018, S 2, 11). Er wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 07.11.2019 noch einmal aufgefordert, auch etwaige Änderungen hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation bekannt zu geben (OZ 59), was er jedoch nicht getan hat, was jedoch spätestens zu diesem Zeitpunkt von ihm zu erwarten gewesen wäre, wenn sich an seinem Gesundheitszustand etwas geändert hätte.
2.4 Zu den vorgebrachten Fluchtgründen und einer mangelnden aktuellen Gefährdung im Falle der Rückkehr zum nunmehrigen Zeitpunkt (oben 1.4)
2.4.1 Zur Begründung seines Antrags auf internationalen Schutz brachte er vor, dass der Sohn seiner Schwester ermordet worden sei, woraufhin ein Mitglied seiner Familie aus Rache den Mörder getötet habe. Nun sollte auch der Beschwerdeführer getötet werden und sei auch Anzeige wegen Mordes gegen ihn erstattet worden. Der Beschwerdeführer legte dazu im Zuge des Wiederaufnahmeverfahren Kopien von Gerichtsdokumenten aus Pakistan vor. Eine Überprüfung der Angaben und der vorgelegten Dokumente des Beschwerdeführers durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft ergab, dass sich diese als korrekt und authentisch erwiesen. Der eigene Rechtsanwalt des Beschwerdeführers bescheinigte im Zuge dieser Vor-Ort-Recherche jedoch auch, dass es aufgrund einer Einigung der beteiligten Familie inzwischen kein Verfahren mehr gegen den Beschwerdeführer gebe, der Beschwerdeführer deshalb auch nicht mehr von den pakistanischen Behörden gesucht werde und der Beschwerdeführer auch in keinem anderen Verfahren involviert ist (OZ 26, 29). Dafür, dass es sich dabei nur um eine formelle Einigung handelt, wie dies in der schriftlichen Stellungnahme vom 09.04.2018 lediglich behauptet wurde (OZ 49), gibt es keine schlüssigen Anhaltspunkte. Gegen diesen Einwand spricht auch, dass nach wie vor, nahezu alle engsten Angehörigen des Beschwerdeführers, seine Eltern, sowie die meisten Geschwister nach wie vor im Heimatort des Beschwerdeführers und in den umliegenden Dörfern unbehelligt leben können, wie er dies in der Verhandlung am 03.10.2018 zugestand (VS 03.10.2018, S 6 ff).
Der Beschwerdeführer legte in der Folge noch Dokumente, eine pakistanische Polizeianzeige, zu der Ermordung des in Pakistan bekannt gewesenen Parvaiz Akhtar Cheema am 08.02.2018 vor. Aus der medialen Berichterstattung dazu, die in der Verhandlung am 03.10.2018 mit dem Beschwerdeführer erörtert wurde, ergibt sich, dass jener Anwalt auf Grund einer familiären Feindschaft bzw. eines Erbschaftsproblems ermordet worden sein soll. Die Ermordung hat auch in der pakistanischen Anwaltschaft für Aufsehen gesorgt, diese haben auch einen Protestbrief geschrieben (VS 03.10.2018, S 9 f). Auch aus der vom Beschwerdeführer dazu vorgelegten pakistanischen Polizeianzeige geht hervor, dass die Witwe von Parvaiz selbst diese Anzeige aufgegeben hat, diese dort auch eine bestimmte Person namentlich als Täter genannt hat, die nichts mit dem Beschwerdeführer zu tun hat, und die Witwe in der Anzeige als Grund für die Ermordung einen Grundstückstreit zwischen ihrem Mann und dem von ihr als Täter bezeichneten Mann nannte (Übersetzung, OZ 54), sodass sich kein Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer ergibt.
Aus den soeben dargestellten Gründen gelangt das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung, dass die vom Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages behauptete aktuelle Verfolgungsgefährdung in Pakistan nicht glaubhaft ist.
Zur allgemeinen Lage in Pakistan ist auszuführen, dass fallbezogen der Beschwerdeführer aus keiner der regionalen Problemzonen, sondern aus dem östlichen Punjab stammt. Auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen (oben 1.5) kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist. Ebenso kann auf Grundlage dieser Feststellungen die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse als zumutbar angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass das Leben in Pakistan teilweise von Korruption geprägt ist und eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, in der sich die Beschaffung der Mittel zum Lebensunterhalt auch als schwieriger darstellen könnte als in Österreich, zumal auch die Arbeitsplatzchancen als nicht befriedigend bezeichnet werden können. Es geht jedoch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervor, dass die Lage für alle Personen ohne Hinzutreten von besonderen Umständen dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre. Es ist somit auch aus diesem Umstand keine unmittelbare persönliche Existenzbedrohung des Beschwerdeführers in Pakistan ersichtlich, zumal er arbeitsfähig ist.
Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen hat der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre.
2.3 Zur Lage in Pakistan (oben 1.5)
Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Mai 2019. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Pakistan Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell und Großteils aus dem Jahr 2019. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist diesen ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.11.2019 zur Kenntnis gebrachten Länderinformationen nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Spruchpunkt I
Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)
3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).
3.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.3 Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen. (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009)
3.4 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.
3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.
Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)
3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Pakistan als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.5). Es liegen keine aktuellen Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat vor. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Es ist nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, insbesondere in dessen Herkunftsregion, möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.
3.7 Da Herkunftsstaat des Beschwerdeführers befindet sich auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes – derartiges kann trotz der in manchen Landesteilen regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Es kann daher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).
3.8 Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der nach Pakistan abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, sodass die Abschiebung im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig erschiene (vgl VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196). Etwaige persönliche Gefährdungsmerkmale sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.
3.9 Zusammenfassend finden sich somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 AsylG 2005 ausgesetzt wäre. Es kann daher dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werden.
3.10 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.
Spruchpunkt II
Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides (Ausweisung in den Herkunftsstaat)
3.11 Ausweisungen, die gemäß § 10 AsylG 2005 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 87/2012 erlassen wurden, gelten gemäß § 75 Abs 23 AsylG als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG 2005 in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl I Nr 87/2012.
3.12 Gemäß § 75 Abs 20 Z 1 AsylG idgF hat das Bundesverwaltungsgericht, wenn es in den Fällen des § 75 Abs 18 und 19 AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt, in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird.
3.13 Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
3.14 Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
3.15 Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
3.16 Zum gegenständlichen Verfahren
3.16.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat daher nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 75 Abs 18 und Abs 20 Z 2 AsylG zu entscheiden, ob im gegenständlichen Verfahren angesichts der Bestätigung des abweisenden Bescheides des Bundesasylamtes die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig oder ob das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen ist. Es ist darüber hinaus zu prüfen, ob im vorliegenden Fall eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einen zulässigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt (Art 8 Abs 1 und 2 EMRK).
Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).
3.16.2. Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).
3.16.3 Für den weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet spricht, dass er sich bereits seit acht Jahren ununterbrochen legal als Asylwerber in Österreich aufhält, ohne dass ihm die lange Verfahrensdauer vorzuwerfen ist, und er strafrechtlich unbescholten ist. Der Beschwerdeführer verfügt allerdings in Österreich weder über Familienangehörige noch über eine sonstige hinreichend starke Nahebeziehung zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen. Im Falle des Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben bzw wurden solche auch nicht behauptet. Der Beschwerdeführer verfügt des Weiteren – trotz der langen Aufenthaltsdauer in Österreich – lediglich über sehr geringe Deutschkenntnisse. Er geht jedoch auch keiner regelmäßigen erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel; sein bisheriger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Pakistan verbracht und wurde dort auch sozialisiert. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der hier bestehenden Bindungen zu Österreich gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, ist im Verfahren nicht hervorgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass selbst bei einem etwa acht Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ein Fremder dadurch nicht gehindert ist, sich wieder eine existenzielle Grundlage im Herkunftsland aufzubauen (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162).
3.16.4 Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Er hat davor sein Leben bis zu seiner Ausreise in seiner Heimat verbracht und hat keine besonders berücksichtigungswürdigen privaten oder familiären Beziehungen in Österreich geltend gemacht. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs. 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.
3.16.5 Es liegt somit zusammengefasst kein vom Schutz des Art 8 EMRK umfasster Familienbezug zu einer Person in Österreich oder ein unzulässiger Eingriff in ein zu schützendes Privatleben vor.
3.17 Da sohin im vorliegenden Fall bei Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen lassen, war in Entsprechung des § 75 Abs 18 und 20 AsylG idgF das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
Zu B)
Revision
3.18 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage klar bzw durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.
3.19 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Übergangsbestimmungen ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L516.1423610.1.00Im RIS seit
30.10.2020Zuletzt aktualisiert am
30.10.2020