TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 L502 2122781-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L502 2122778-2/9E

L502 2122781-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , und 2.) XXXX , beide StA. Irak, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, FZ. XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III der Bescheide als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV der Bescheide stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX und XXXX jeweils gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

3. Gemäß § 55 Abs. 1 Z. 2 AsylG wird XXXX und XXXX jeweils eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt.

4. Spruchpunkt V und Spruchpunkt VI der Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) stellte, im Gefolge der gemeinsamen illegalen Einreise mit ihrem vormaligen Ehegatten, mit dem Zweitbeschwerdeführer (BF2) als deren gemeinsamen ehelichen Sohn und mit drei aus einer früheren Ehe des Ehegatten stammenden Stiefkindern in das Bundesgebiet, am 05.11.2014 für sich und den minderjährigen BF2 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 06.11.2014 erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am gleichen Tag wurden die Verfahren zugelassen und vorläufige Aufenthaltsberechtigungen erteilt.

2. Am 10.06. und 15.06.2015 wurde die BF1 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), RD Burgenland, zu diesem Antrag niederschriftlich einvernommen. Dabei legte sie verschiedene Identitätsnachweise (jeweils in Kopie) vor.

3. Am 12.01.2016 langte beim BFA die Mitteilung der vormaligen Vertretung der BF1 ein, dass ihr Ehegatte kürzlich verstorben sei.

4. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 18.02.2016 wurden die Anträge auf internationalen Schutz von BF1 und BF2 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 bzw. § 34 Abs. 3 AsylG wurde ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 18.02.2017 erteilt (Spruchpunkt III).

5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes vom 18.02.2016 wurde ihnen von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Seite gestellt.

6. Gegen die ihrer vormaligen Vertretung mit 19.02.2016 zugestellten Bescheide wurde mit Schriftsatz derselben vom 03.03.2016 innerhalb offener Frist Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I der bekämpften Bescheide erhoben.

7. Die Beschwerdevorlage des BFA an das BVwG erfolgte mit 04.03.2016.

8. Ihren Verlängerungsanträgen vom 17.01.2017 folgend wurde BF1 und BF2 jeweils mit Bescheid des BFA vom 14.02.2017 eine weitere Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.02.2019 erteilt.

9. Mit Erkenntnis des BVwG vom 26.02.2018 wurde die Beschwerde von BF1 und BF2 gegen Spruchpunkt I der Bescheide des BFA vom 18.02.2016 als unbegründet abgewiesen und erwuchs diese Entscheidung mit Zustellung an die Verfahrensparteien in Rechtskraft.

10. Im Gefolge einer (zweiten) rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung der BF1 vom 21.11.2018 wegen eines Vergehens nach § XXXX zu einer XXXX leitete das BFA gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG ein Aberkennungsverfahren den Status des subsidiären Schutzberechtigten von BF1 und BF2 betreffend ein.

11. Am 18.12.2018 wurde die BF1 beim BFA, Regionaldirektion Burgenland, im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache in ihrer Sache und der ihres Sohnes niederschriftlich einvernommen. Sie legte dabei verschiedene Beweismittel vor, die in Kopie zum Akt genommen wurden (Teilnahmebestätigungen für Sprach- und Integrationskurse). Zu den ihr zur Kenntnis gebrachten länderkundlichen Informationen des BFA zur Lage im Herkunftsstaat verzichtete sie auf die Möglichkeit einer Stellungnahme.

12. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 20.12.2018 wurde ihr und ihrem Sohn von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Seite gestellt.

13. Mit Bescheiden des BFA vom 20.12.2018 wurde der BF1 sowie dem BF2 jeweils der mit Bescheiden vom 18.02.2016 zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I). Die mit Bescheiden vom 14.02.2017 erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigungen wurden ihnen gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI).

14. Gegen die ihnen durch Hinterlegung mit 27.12.2018 zugestellten Bescheide wurde mit Schriftsatz ihres nunmehrigen anwaltlichen Vertreters vom 17.01.2019 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben. Unter einem wurde als Beweismittel ein Ehevertrag der BF1 nach islamischen Ritus vorgelegt.

15. Die Beschwerdevorlage des BFA an das BVwG erfolgte mit 18.01.2019.

16. Das BVwG führte am 04.12.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung in der Sache der BF1 und der ihres Sohnes im Beisein der BF1 sowie des BF2 und ihres anwaltlichen Vertreters sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durch. Ihr Vertreter legte diverse Integrationsunterlagen der BF1 und des BF2 als Beweismittel vor. Das BVwG führte länderkundliche Beweismittel in das Verfahren ein und erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.

17. Am 09.01. und 22.01.2020 langten weitere berufliche Integrationsnachweise der BF1 beim BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität von BF1 und BF2 steht fest. Sie sind irakische Staatsangehöriger, gehören der kurdischen Volksgruppe an, sprechen den kurdischen Dialekt Sorani sowie Arabisch und gehören der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Die BF1 spricht darüber hinaus noch Türkisch.

Sie stammen aus der Stadt XXXX in der zentralirakischen Provinz XXXX nahe der irakisch-iranischen Grenze, wo sie zuletzt vor der Ausreise ihren Wohnsitz hatten. Die BF1 hat nach dem Besuch der Grund- und Hauptschule den Beruf der Schneiderin erlernt.

Die BF1 war im Irak ab 1994 in erster Ehe verheiratet, dieser Ehe entstammt ein im Jahr 1995 geborener Sohn. Der Aufenthaltsort ihres ersten Ehegatten ist seither unbekannt. Sie schloss im Jahr 2005 eine zweite Ehe mit einem aus XXXX stammenden irakischen Staatsangehörigen und ehemaligen Wachmann, der Ehe entstammt der im Jahr 2006 geborene BF2. Der zweite Ehegatte brachte bei der gemeinsamen Einreise mit der BF1 und dem BF2 in das österr. Bundesgebiet drei aus einer früheren Ehe stammende Kinder, zwei in den Jahren 1994 und 1998 geborene Söhne und eine im Jahr 2000 geborene Tochter, mit.

Der zweite Ehegatte verstarb im Jänner 2016 in Österreich an einem Herzinfarkt. Die beiden aus dessen erster Ehe stammenden Söhne verließen nach dem Tod ihres Vaters im Laufe des Jahres 2016 freiwillig das österr. Bundesgebiet. Ihre Anträge auf internationalen Schutz wurden jeweils im Juni 2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asyl- wie auch von subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen. Der jüngere der beiden wurde im Mai 2016 wegen § 105 Abs. 1, § 107 Abs. 1, § 269 Abs. 1 iVm § 15 und § 218 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, der ältere zeitgleich wegen § 269 Abs. 1 iVm § 15, § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z. 1 1.Fall, § 107 Abs. 1, § 83, § 84 und § 297 Abs. 1 Z. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, davon 11 Monate bedingt, verurteilt. Beide Verurteilungen resultierten aus innerfamiliären gewaltsamen Übergriffen bzw. Drohungen der beiden Genannten. Die Stieftochter der BF1 lebte seit Mai 2015 in verschiedenen betreuten Einrichtungen, seit März 2019 hat sie einen eigenen Wohnsitz und geht einer Beschäftigung als Friseuse nach. Ihr wurde mit Bescheid des BFA vom 05.03.2016 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Sie steht mit BF1 und BF2 in regelmäßigem Kontakt.

Der aus erster Ehe stammende Sohn der BF1 reiste im Jahr 2015 nach Österreich ein und hält sich hier bis dato als Asylwerber auf, sein Verfahren ist nach Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asyl- wie auch des subsidiär Schutzberechtigten im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG in der Gerichtsabteilung G 302 anhängig. Er steht mit seiner Mutter, der BF1, in regelmäßigem Kontakt.

BF1 und BF2 verließen im September 2014 ihre engere Heimat im Irak und reisten ausgehend von der nordirakischen Stadt Suleimaniya auf legale Weise auf dem Luftweg in die Türkei, ca. einen Monat später gelangten sie auf dem Landweg schlepperunterstützt nach Österreich, wo

am 05.11.2014 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten und sich seither aufhalten.

Im Irak halten sich weiterhin sechs Brüder und eine Schwester der BF1 auf, mit denen sie zumindest zeitweise von Österreich aus in Kontakt steht. Zwei der Brüder leben in XXXX , eine Schwester in der Nähe von XXXX und die übrigen in XXXX . Die Brüder sind als Metzger bzw. Baumeister erwerbstätig. Auch mit einer ihrer Schwägerinnen im Irak stand sie in Kontakt.

Die BF2 schloss am 02.06.2018 im XXXX mit einem aus XXXX stammenden, nunmehr österr. Staatsangehörigen nach islamischem Ritus eine dritte Ehe und bewohnt mit diesem und dem BF2 eine Mietwohnung in XXXX . Der nunmehrige Ehegatte betrieb bis 2013 ein Handelsunternehmen, welcher Erwerbstätigkeit er aktuell nachgeht war nicht feststellbar.

Die BF1 bezog für sich und den BF2 seit der Antragstellung im November 2014 bis 30.06.2019 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber sowie Leistungen des AMS. Von Jänner bis April 2019 ging sie einer geringfügigen landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nach. Mit 01.05.2019 erwarb sie eine Gewerbeberechtigung und führte für zwei Monate einen Buffetbetrieb. Seit August 2019 geht sie bis dato einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Köchin und Bäckerin jeweils in zwei gastronomischen Betrieben in XXXX nach und erwirtschaftet damit insgesamt ein monatliches Nettoeinkommen von ca. XXXX Euro.

Die BF1 musste sich im November 2016 einer Unterleibsoperation unterziehen, leidet jedoch aktuell, wie auch der BF2, unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beschwerden und ist voll erwerbsfähig.

Die BF1 besuchte einen Kurs zum Erwerb der deutschen Sprache auf dem Niveau A1, absolvierte jedoch keine Sprachprüfungen und verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache für den Alltag.

Der BF2 besucht aktuell die erste Klasse einer neuen Mittelschule und verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die BF1 wurde mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom 07.12.2017 wegen XXXX zu einer XXXX verurteilt, die Strafe war mit 02.02.2018 vollzogen. Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom 13.10.2018 wurde sie wegen XXXX zu einer XXXX verurteilt.

1.2. Die Beschwerdeführer können bei einer Rückkehr in den Irak ihren Aufenthalt in ihrem Heimatort XXXX in der Provinz XXXX nehmen. Ebenso können sie sich in der benachbarten Provinz XXXX in der kurdischen Autonomieregion des Nordirak niederlassen. Beide Destinationen sind über den Flughafen in Suleimayia bzw. ausgehend von dort über Land erreichbar.

Sie sind bei einer Rückkehr dorthin weder aus individuellen Gründen noch aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt. Sie finden dort jeweils eine hinreichende Existenzgrundlage vor.

1.3. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF wird festgestellt:

1.3.1. Dem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüro in Asylsachen (EASO – European Asylum Support Office) zur Sicherheitslage im Irak vom März 2019 zufolge stellt sich in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, im Einzelnen in den Provinzen Erbil, Suleimaniya und Dohuk, die Sicherheitslage seit 2014 als stabil dar. Alleine für den Distrikt Makhmur in der Provinz Erbil wurden für den Zeitraum von 2014 bis 2017 vereinzelte Terroranschläge des Islamischen Staats (IS) berichtet. Im Jahr 2015 kam es zu einem singulären Bombenanschlag auf das US-Konsulat in der Provinzhauptstadt Erbil. In Suleimanyia wurden im Sommer 2017 von kurdischen Sicherheitskräften zwei bewaffnete Gruppen des IS ausgeschaltet, denen die Planung von Terroranschlägen in der autonomen Region Kurdistan zugeschrieben wurde. Im Zeitraum 2017/2018 gehörte diese Region zu jenen mit der niedrigsten Zahl an zivilen Opfern willkürlicher Gewalt im Irak.

Für die Provinz Suleimanyia wurden für 2018 26 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 45 zivilen Todesopfern registriert. Im Vorfeld der irakischen Parlamentswahlen vom Mai 2018 kam es in Erbil und Suleimaniya zu teils gewaltsamen Protestkundgebungen, ebenso im Dezember 2018 wegen ausständigen Lohnzahlungen und Sozialleistungen. Die Terrororganisationen IS und Ansar Al Islam finden Rückzugsgebiete in der kurdischen Region in den sogen. Halabja-Bergen, denen kurdische Sicherheitskräfte im Jänner 2018 gezielte Angriffe entgegensetzten. Der Distrikt Makhmur in der Provinz Erbil wurde weiterhin als einer mit relativ hohem Konfliktpotential für Auseinandersetzungen zwischen dem IS und örtlichen Sicherheitskräften erachtet. Im Juli 2018 führten drei kurdische Sympathisanten des IS einen bewaffneten Anschlag auf ein Regierungsgebäude in Erbil durch. Im Dezember 2018 gelang 23 mutmaßlichen Mitgliedern des IS der Ausbruch aus einer Haftanstalt nahe Suleimaniya, von den 15 wieder festgenommen wurden.

1.3.2. Dem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüro in Asylsachen (EASO – European Asylum Support Office) zur Sicherheitslage im Irak vom März 2019 zufolge teilt sich die zentralirakische Provinz Diyala in sechs Distrikte, darunter Khanaqin . Die Provinz wie auch dieser Distrikt weisen eine in ethnischer Hinsicht gemischte Bevölkerung aus Arabern, Kurden und Turkmenen auf, diesen ethnischen Gruppen gehören jeweils sowohl Muslime der sunnitischen als auch der schiitischen Glaubensrichtung an. Daneben gibt es in der Provinz noch eine christliche und eine jezidische Minderheit.

Hatte der IS im Juni 2014 Teile des Distrikts Khanaqin mit Ausnahme der gleichnamigen Stadt besetzt, kam es bereits im Jänner 2015 wieder zur Rückeroberung derselben durch schiitische Milizen und kurdische Sicherheitskräfte. Im Oktober 2017 übernahmen dort staatliche Sicherheitskräfte, gemeint die irakische Armee und staatsnahe Milizen, unterstützt von kurdischen Sicherheitskräften, die Sicherheitskontrolle.

Bis Dezember 2018 wurde ein erheblicher Rückgang gewaltsamer Aktivitäten des IS in der Provinz im Vergleich zum Vorjahr beobachtet (ca. 26 gegenüber ca. 80 pro Monat). Diese Einheiten des IS halten sich im sogen. Hamreen-Gebirge im Grenzgebiet der Provinzen Diyala und Salah ad-Din versteckt, wo sie für gegnerische Sicherheitskräfte schwer zu lokalisieren sind.

Für das Jahr 2018 wurden einem Bericht der UN-Organisation UNAMI für die Provinz Diyala zufolge 37 zivile Todesopfer und 67 Verletzte infolge gewaltsamer Vorfälle registriert. Der Statistik von Iraq Body Count für 2018 zufolge wurden 170 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 265 zivilen Todesopfern registriert. Für den Distrikt Khanaqin wurden 36 Vorfälle mit 61 zivilen Opfern genannt.

1.3.3. Einer Kurzinformation der Staatendokumentation des BFA zur Sicherheitslage im Irak vom Juli 2019 folgend sind die terroristischen Aktivitäten des IS im Irak deutlich zurückgegangen, stellen aber nach wie vor eine gewisse Bedrohung dar. Nach dem Verlust seiner territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks und von Syrien etablierte er 2019 sogen. „Unterstützungszonen“ und startete durch neuorganisierte Zellen gezielte sogen. Hit-and-Run-Angriffe in verschiedenen irakischen Provinzen auf lokale Sicherheitsorgane, Infrastruktur, Beamte und Zivilisten, deren Zahl im Verlauf des Jahres 2019 je nach Monat schwankte. Auch gezielte Brandanschläge auf Agrarflächen in ländlichen Regionen, um die lokale Bevölkerung unter Druck zu setzen, wurden beobachtet. Diesen Aktivitäten standen wiederkehrende militärische Operationen irakischer Sicherheitskräfte und Angehöriger der von den USA geführten Koalitionstruppen im Irak gegen den IS in dessen Rückzugsgebieten gegenüber. Nach Angaben des UN-Sicherheitsrates vom Februar 2019 verfügt der IS noch über ca. 15.000 Kämpfer im Irak und in Syrien, US-Geheimdienstquellen zufolge über ca. 20.000 bis 30.000 Kämpfer und Unterstützer.

Der IS hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala und konzentrierte seine Aktivitäten dort im ersten Halbjahr von 2019 besonders auf den Bezirk Khanaqin. In der Provinz Diyala kam es in den Monaten April bis Juni 2019 jeweils zu durchschnittlich ca. 30 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit insgesamt zwischen 20 und 30 Toten und zwischen 20 und 40 Verletzten pro Monat.

Auch innerhalb der autonomen Region Kurdistan versucht der IS sein Netzwerk auszuweiten, kurdische Sicherheitskräfte konnten seit Jänner 2019 drei arabische IS-Zellen u.a. in der Stadt Suleimaniya sprengen und im April 2019 einen IS-Schleuser verhaften.

1.3.4. Dem Bericht der UN-Organisation IOM vom Juli 2019 folgend waren mit 30.06.2019 noch ca. 1,6 Mio. Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, denen 4,3 Mio. Rückkehrer gegenüber standen. Für die Provinz Diyala wurden ca. 225.000 Rückkehrer genannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BF1, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beisein von BF1 und BF2 und ihrer Vertretung, die Einbeziehung verschiedener Integrationsnachweise von BF1 und BF2 sowie länderkundlicher Berichte im Beschwerdeverfahren sowie durch die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems.

2.2. Die genaue Identität der BF1 und des BF2 war angesichts der Vorlage entsprechender Dokumente schon im ersten Verfahrensgang feststellbar.

Die Feststellungen ihrer Staatsangehörigkeit sowie Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe und zur sunnitisch-muslimischen Religionsgemeinschaft stützen sich auf die Angaben der BF1 im Verlauf beider Verfahrensgänge.

Die Feststellungen zu ihren Sprachkenntnissen konnten anhand ihrer persönlichen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG getroffen werden.

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen von BF1 und BF2 im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie denen in Österreich wie auch im Irak zum Entscheidungszeitpunkt ergaben sich aus einer Zusammenschau der persönlichen Angaben im Verlauf des gegenständlichen Verfahrens sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand von BF1 und BF2 und der Erwerbsfähigkeit der BF1 resultieren aus deren Angaben vor dem BVwG sowie dem Inhalt vorgelegter medizinischer Unterlagen.

Die Feststellungen zur bisherigen Straffälligkeit der BF1 stützt sich auf das im Verfahrensakt einliegende strafgerichtliche Urteil aus 2017 und den aktuellen Strafregisterauszug.

Die länderkundlichen Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der vom BVwG beigeschafften Informationsquellen, die oben bei den jeweiligen Feststellungen genannt sind.

2.3. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak ihren Aufenthalt sowohl bei ihren Verwandten in XXXX als auch in XXXX nehmen können, stützt das Gericht auf das Vorbringen der BF1 selbst sowie den Inhalt der eingesehenen länderkundlichen Informationen.

In ihrer Einvernahme vor dem BFA am 18.12.2018 legte sie dar, dass von ihren sechs Brüdern und einer Schwester zwei der Brüder in XXXX und die übrigen vier in XXXX und die Schwester in der Nähe von XXXX , der Hauptstadt der Provinz XXXX , leben. Den telefonischen Kontakt mit allen ihren Geschwistern bejahte sie auf Nachfrage, ebenso wie Erwerbstätigkeit ihrer Brüder. In der jüngsten Beschwerdeverhandlung legte sie demgegenüber dar, dass sie einzig zu einem ihrer Brüder, der mit seiner Familie in XXXX lebt und dort als Baumeister erwerbstätig ist, Kontakt hat. Auf Nachfrage erklärte sie den fehlenden Kontakt mit den anderen Geschwistern damit, dass diese „auf sie böse“ seien, weil sie ohne ihre Zustimmung mit ihrem Gatten den Irak verlassen habe. Diese geänderte Darstellung ihres Verhältnisses zu diesen Geschwistern wertet das Gericht jedoch als bloße Schutzbehauptung angesichts einer möglichen Rückkehrentscheidung nach Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und damit als nicht glaubhaft, denn die Erklärung der BF1 für den nun behaupteter Weise fehlenden Kontakt zu diesen Geschwistern stellt sich als nicht plausibel dar, zumal der Anlass für dieses Missverhältnis ja bereits zum Zeitpunkt der Ausreise im Jahr 2014 entstanden und damit naturgemäß auch zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA im Dezember 2018 vorgelegen wäre, die BF1 dergleichen in dieser Einvernahme eben nicht ins Treffen geführt hatte, sondern vielmehr von einem aufrechten Kontakt mit allen Geschwistern sprach. Im Lichte dessen war dieser geänderten Darstellung des Verhältnisses zu ihren Geschwistern in der Beschwerdeverhandlung keine Glaubhaftigkeit zuzumessen. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des – hier nur hypothetisch in Betracht gezogenen – alleinigen aufrechten Kontaktes mit dem Bruder aus XXXX mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von der Verfügbarkeit dessen zumindest temporärer verwandtschaftlicher Unterstützung für die BF1 und den BF2 bei einer Rückkehr auszugehen.

Darüber hinaus vermittelte die BF1 im Verfahrensverlauf in verschiedener Hinsicht den Eindruck vorhandener Selbsterhaltungsfähigkeit und –willigkeit. Den Beruf einer Schneiderin hat sich bereits in jugendlichem Alter erlernt und ist sie diesem schon vor der Ausreise, wenn auch in begrenztem Ausmaß, nachgegangen. Nunmehr steht sie auch in Österreich, nach erfolgreicher operativer Behandlung vergangener gesundheitlicher Beschwerden, die ihrer Aussage vor dem BVwG folgend das Hindernis für eine schon frühere Berufstätigkeit in Österreich gewesen seien, seit 2019 in vollem Ausmaß im Erwerbsleben, wobei sie es bewerkstelligen konnte einem solchen in wiederum für sie neuen Berufszweigen erfolgreich nachzugehen und für ihren Lebensunterhalt und den ihres Sohnes zur Gänze aufzukommen. Sie erweckte insgesamt in der Beschwerdeverhandlung den persönlichen Eindruck einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau, die bestrebt und in der Lage ist ihr Leben und das ihres Sohnes selbst zu gestalten.

In einer Gesamtsicht dessen konnte das Gericht daher davon ausgehen, dass die Lebensbedingungen der beiden Beschwerdeführer ihre Wohnmöglichkeiten wie auch ihren Lebensunterhalt betreffend angesichts der eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit der BF1 und der möglichen geschwisterlichen Unterstützung im Falle einer Rückkehr als hinreichend gesichert anzusehen sind.

Diese Einschätzung trifft sowohl auf ihre engere Heimat XXXX , aus der sie stammt, als auch auf XXXX zu. In XXXX leben zwar unmittelbar keine Verwandten von ihr. Sie hatte aber nicht nur im Jahr 2014 die Ausreise von dort aus angetreten, was bereits als Hinweis auf die Möglichkeit einer Niederlassung dort zu werten war, sondern liegt XXXX nicht nur unweit von XXXX entfernt, was die Möglichkeit der allfälligen verwandtschaftlichen Unterstützung auch dort nahelegt, sondern in der als am sichersten zu qualifizierenden Region des Irak (siehe dazu schon oben wie auch noch im Folgenden). Die BF1 spricht auch fließend die Mehrheitssprache in der Region von XXXX , nämlich den kurdischen Dialekt Sorani.

Zuletzt kamen auch keine Anhaltspunkte dafür hervor, dass die beiden angesprochenen Regionen, nämlich XXXX in der Provinz XXXX und XXXX in der gleichnamigen Provinz, derzeit aus praktischen Gründen nicht erreichbar wären.

2.4. Zur Feststellung, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr dorthin weder aus individuellen Gründen noch aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen Gefährdung, jenseits der eben erörterten Frage der Existenzgrundlagen, ausgesetzt sind, gelangte das Gericht in Anbetracht der Informationen oben zur Sicherheitslage in den genannten Regionen in der Zusammenschau mit ihren Aussagen vor dem BVwG.

Zur Provinz XXXX war festzustellen, dass sich die Sicherheitslage dort als dauerhaft stabil erweist, woran auch Informationen über im Laufe der letzten Jahre sehr vereinzelt gebliebene Anschläge, über vorübergehende Massenproteste zu politischen und sozialen Fragen und ein gelegentliches Erscheinen von IS-Kämpfern nichts zu ändern vermögen. Hervorzuheben sind dabei die Angaben, dass für die Provinz XXXX für 2018 nur 26 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 45 zivilen Todesopfern registriert wurden (siehe die Feststellungen dazu oben unter Punkt 1.).

Für das Jahr 2018 wurden einem Bericht der UN-Organisation UNAMI für die Provinz XXXX zufolge 37 zivile Todesopfer und 67 Verletzte infolge gewaltsamer Vorfälle registriert. Der Statistik von Iraq Body Count für 2018 zufolge wurden 170 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 265 zivilen Todesopfern registriert. Für den Distrikt XXXX wurden 36 Vorfälle mit 61 zivilen Opfern genannt.

Im Übrigen fanden sich im EASO-Bericht vom März 2019 Informationen zur Sicherheitslage im Distrikt bzw. in der Stadt XXXX , die aber statistische Angaben zu sicherheitsrelevanten Vorfällen und deren Opfer enthielten, die ihrerseits in quantitativer Hinsicht kein Gesamtbild ergaben, aus dem eine maßgebliche Gefährdung von Zivilpersonen schon aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit vor Ort abzuleiten war.

Zur Frage einer Präsenz des IS in der Region wurde berichtet, dass bis Dezember 2018 ein erheblicher Rückgang gewaltsamer Aktivitäten des IS im Vergleich zum Vorjahr (ca. 26 gegenüber ca. 80 pro Monat) in der Provinz XXXX zu beobachten war. Hatte der IS im Juni 2014 Teile des Distrikts XXXX mit Ausnahme der gleichnamigen Stadt besetzt, kam es bereits im Jänner 2015 wieder zur Rückeroberung derselben durch schiitische Milizen und kurdische Sicherheitskräfte. Im Oktober 2017 übernahmen dort staatliche Sicherheitskräfte, gemeint die irakische Armee und staatsnahe Milizen, unterstützt von kurdischen Sicherheitskräften, die Sicherheitskontrolle. Die Einheiten des IS halten sich im sogen. Hamreen-Gebirge im Grenzgebiet der Provinzen XXXX und XXXX versteckt, wo sie für gegnerische Sicherheitskräfte schwer zu lokalisieren sind. Der IS hat zwar laut den eingesehenen Berichten Zugang zu allen ländlichen Gebieten der Provinz XXXX und konzentrierte seine Aktivitäten dort im ersten Halbjahr von 2019 besonders auf den Bezirk XXXX . In der gesamten Provinz XXXX kam es in den Monaten April bis Juni 2019 (aber nur) jeweils zu durchschnittlich ca. 30 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit insgesamt zwischen 20 und 30 Toten und zwischen 20 und 40 Verletzten pro Monat.

Auch aus diesen Angaben ließ sich kein allgemeines Szenario ableiten, das mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer individuellen Gefährdung der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach XXXX führen würde.

Soweit die BF1 in der Beschwerdeverhandlung erstmals ins Treffen führte, dass sie sich und ihren Sohn bei einer Rückkehr nach XXXX in Gefahr sehe, weil die Herkunftsfamilie ihres in Österreich verstorbenen zweiten Ehegatten ihnen nach dem Leben trachten würde, da sie entgegen deren Willen nach dessen Tod nicht in den Irak zurückgekehrt seien, wertete das erkennende Gericht auch dieses Szenario als nicht glaubhafte Schutzbehauptung.

Neuerlich ist hierzu darauf hinzuweisen, dass ihr Gatte im Jänner 2016 verstorben ist, die BF1 aber in der Einvernahme vor dem BFA am 18.12.2018 auf Nachfrage nach möglichen Gefahren für sie bei einer Rückkehr das nun erstmals behauptete Szenario nicht einmal ansatzweise ins Treffen führte. Sie stellte bei dieser Gelegenheit nur richtig, dass die bei der Antragstellung behauptete Entführung ihres Sohnes aus erster Ehe eine bloße Erfindung gewesen war, die ihr von ihrem Ehegatten in den Mund gelegt worden sei, und ergänzte dies damit, dass sie von ihren Schwiegereltern nicht gemocht bzw. aufgenommen werde und auch nicht zu ihrer eigenen Herkunftsfamilie zurückkehren, sondern lieber alleine leben möchte. Wäre die nun behauptete tödliche Bedrohung durch die Familie ihres verstorbenen Gatten tatsächlich vorgelegen, weil sie nach dessen Tod im Jahr 2016 nicht in den Irak zurückkehrte, wäre diese naturgemäß auch im Jahr 2018 vorgelegen und daher auch von ihr genannt worden, zumal sie in der Beschwerdeverhandlung auch dargelegt hat, dass die Brüder ihres früheren Gatten schon nach dessen Ableben von ihr gewollt hätten, dass sie zurückkehrt.

Diese bloß behauptete Bedrohung durch die Herkunftsfamilie ihres verstorbenen Ehegatten nannte die BF1 selbst in der Beschwerdeverhandlung auch nach mehrmaliger Nachfrage als einziges Gefahrenpotential, nicht jedoch die allgemeine Lage vor Ort.

Die in der Einvernahme vom 18.12.2018 genannte Abneigung gegen das Tragen eines Kopftuchs verband sie dort schon nicht mit einem konkreten Bedrohungsszenario und wurde von ihr in der Beschwerdeverhandlung auch nicht mehr thematisiert, weshalb diesem Sachverhalt keine Entscheidungsrelevanz zukam.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

1.2. Somit ist zum einen zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

1.3. Aus den Feststellungen oben ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für die Beschwerdeführer nicht mehr vorlagen.

Stichhaltige Hinweise darauf, dass diese im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, kamen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervor.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Gerichts oben liegen im gegenständlichen Fall auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme einer die physische Existenz der Beschwerdeführer nur unzureichend sichernden Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), vor. Dies zum einen angesichts der Selbsterhaltungsfähigkeit der BF1, die aus ihrer Arbeitsfähigkeit und Berufserfahrung im Herkunftsstaat und ihrer Erwerbstätigkeit in Österreich resultiert, zum anderen in Anbetracht ihrer festgestellten familiären Anknüpfungspunkte in der Heimat.

Es kamen auch keine gravierenden akuten Erkrankungen der Beschwerdeführer hervor. Ein die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigendes Krankheitsbild liegt daher nicht vor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die Beschwerdeführer somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

Auch stichhaltige Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

1.4. Vor diesem Hintergrund erwies sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gegenständlichen Fall keine stichhaltigen Gründe mehr für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend.

1.5. Im Hinblick darauf war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2. Zu Recht hat die belangte Behörde sodann in Anwendung des § 9 Abs. 4 AsylG den Beschwerdeführern ihre befristeten Aufenthaltsberechtigungen entzogen und war daher auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.1.

§ 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. …

2. …

3. …

4. …

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) …

(3) …

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       …

2.       …

3.       …

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,

5.       …

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Au

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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