TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/4 L524 2148049-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L524 2148049-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2017, Zl. 1071297705-150583815/BMI-BFA_SZB_RD, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG und dem FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.01.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 31.05.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei sunnitischer Moslem und stamme aus Mossul. Am 26.09.2014 sei er legal aus dem Irak ausgereist. Er habe seine Heimat wegen des Bürgerkriegs verlassen.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 25.05.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet habe und deshalb im Mai 2014 bedroht worden sei. Nachdem der IS am 10.06.2014 in Mossul einmarschiert sei, sei er am 20.06.2014 nach Kirkuk gegangen. Am 25.09.2014 habe er es geschafft, in Suleymaniah einzureisen und sei von dort am 26.09.2014 aus dem Irak ausgereist.

3. Mit Bescheid des BFA vom 31.01.2017, Zl. 1071297705-150583815/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 29.01.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und ein Vertreter der belangten Behörde als Parteien teilnahmen. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer übermittelten Länderberichten gab dieser eine Stellungnahme ab.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise aus dem Irak mit seinen Eltern, drei Brüdern und zwei Schwestern in einem zweistöckigen in XXXX in Mossul (Ost). Die Familie des Beschwerdeführers lebt weiterhin in diesem Haus.

Der Beschwerdeführer besuchte ca. elf Jahre, bis zum Jahr 2011, die Schule. Der Beschwerdeführer war danach berufstätig. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für eine Sicherheitsfirma gearbeitet hat.

Der Beschwerdeführer verließ am 26.09.2014 legal über den Flughafen Suleymaniah den Irak. Danach hielt er sich in der Türkei auf und reiste im Mai 2015 illegal in Österreich ein, wo er am 30.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er wegen seiner Tätigkeit bei einer Sicherheitsfirma bedroht worden sei und aufgefordert worden sei, für den IS zu arbeiten, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer hat die ÖSD-Zertifikate A1 und A2 bestanden. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Der Beschwerdeführer hat von 18.04.2017 bis 11.08.2017 die Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft absolviert. Er hat an einem Projekt im Ausbildungsbereich Holz teilgenommen. In diesem Rahmen hat er von 28. bis 30.05.2018 ein Praktikum bei einem Tischler absolviert.

Der Beschwerdeführer bezog bis 20.01.2020 Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist seit 02.01.2020 in der Güterbeförderung erwerbstätig. Der Beschwerdeführer engagiert sich beim Österreichischen Roten Kreuz und hat am Erste-Hilfe-Grundkurs erfolgreich teilgenommen. Der Beschwerdeführer hat Freunde, mit denen er sich trifft.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dahuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Um in die Provinzen Erbil und Sulaimaniya einzureisen, wird kein Sponsor benötigt. Bestimmungen bezüglich einer erforderlichen Bürgschaft, um in die Verwaltungsbezirke Erbil und Sulaimaniya auf dem Luftweg oder über Binnengrenzen einzureisen, wurden Anfang 2019 aufgehoben. In den Provinzen Erbil und Sulaimaniya müssen Personen, die nicht aus der Autonomen Region Kurdistan stammen, den lokalen Asayish in jenem Viertel aufsuchen, in dem sie sich niederlassen möchten, um eine Aufenthaltskarte zu erhalten. Sie brauchen keinen Sponsor. Ledige arabische und turkmenische Männer benötigen jedoch eine feste Anstellung und müssen einen Unterstützungsbrief ihres Arbeitgebers einreichen, um eine erneuerbare Aufenthaltskarte für ein Jahr zu erhalten. All jene, die keine feste Anstellung haben, erhalten lediglich eine erneuerbare Aufenthaltskarte, die für einen Monat ausgestellt ist. Besitzern einer einmonatigen Aufenthaltskarte fällt es aufgrund ihrer kurzen Aufenthaltserlaubnis schwer, eine feste Anstellung zu finden. (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED’s, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 „Mass Casualty Bombings“, davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

In Anbar gab es 2018 durchschnittlich 12 Vorfälle pro Monat. Die meisten Attacken gab es im März. Die Gewalt nahm dann ab und erreichte nach einer Steigerung im September und Oktober mit 17 bzw. 16 Attacken ihren Tiefststand im November mit 6 Attacken. Es gab sehr wenige Konfrontationen mit den Sicherheitskräften oder Angriffe auf Checkpoints. Es gab insgesamt 10 Selbstmordattentate und Autobomben in der ganzen Provinz, das ist die dritthöchste Rate im Irak.

In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich 10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar. Es gab durchschnittlich 4 Angriffe in der Provinz Babil. Verglichen mit den anderen Provinzen ist dies der geringste Wert. Beispielsweise gab es in Diyala rund 38 Angriffe.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED’s. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

In Diyala gab es rund 30 Vorfälle pro Monat, nur im März und Juni lag die Zahl bei 54 bzw. 51. Es gab Schießereien mit den Sicherheitskräften und Übergriffe auf Kontrollpunkte.

In Kirkuk gab es im März, Juni und Oktober die meisten Angriffe. Im November und Dezember sank die Zahl auf 18 bzw. 16 Angriffe. Im Vergleich dazu lag der Durchschnitt bei 36 Angriffen pro Monat. Ähnlich wie in Diyala gab es ein konstantes Muster von Schießereien mit Sicherheitskräften, Angriffe auf Checkpoints und Mukhtars und Entführungen.

In der Provinz Ninewa gab es durchschnittlich 20 Vorfälle pro Monat. Im Februar und März sowie im Juli und August gab es einen Anstieg der Angriffe. Im Juni sank die Anzahl auf nur 9. Vor allem in der ersten Jahreshälfte gab es regelmäßig Schießereien mit den Sicherheitskräften.

In Salah al-Din stieg im März und im Juni die Zahl der Angriffe auf 35 und 36, sank danach aber stetig ab und erreichte im Dezember nur mehr 8 Angriffe. Ebenso gab es im ersten Halbjahr mehr Schießereien und Entführungen im Vergleich zum zweiten. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

In der ersten Septemberwoche 2019 gab es 39 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dabei betrifft ein solcher Vorfall den Fund eines Massengrabs mit 13 Toten im Süden von Mossul. Die meisten Vorfälle, nämlich 14, ereigneten sich in Diyala. Neun Vorfälle ereigneten sich in Ninewa, sieben in Bagdad, fünf in Salah al-Din, zwei in Kirkuk und jeweils einer in Anbar und Babil. (Musings on Iraq, 17.09.2019)

In der zweiten Septemberwoche 2019 ereigneten sich weniger Vorfälle als in der Vorwoche, nämlich insgesamt 30. Zwei dieser Vorfälle waren Leichenfunde. Diese Woche ereigneten sich die meisten Vorfälle, nämlich elf, in Kirkuk. In Diyala waren es neun Vorfälle. Ein Vorfall war in Anbar. Dabei handelt es sich um den Fund eines Massengrabs mit 15 Toten. Jeweils drei Vorfälle entfielen auf Bagdad, Ninewa und Salah al-Din. Einer der drei Vorfälle in Ninewa betraf den Fund von neun Leichen in der Altstadt von West-Mossul. Bei den anderen zwei Vorfällen handelte es sich um Sprengfallen im Gebiet Hamam al-Alil, 27 Kilometer südlich von Mossul. Von den drei Vorfälle in Salah al-Din war einer eine Schießerei, die zur Folge hatte, dass die Autobahn von Tuz Kurmatu nach Bagdad kurze Zeit gesperrt war. Während es in der ersten Septemberwoche in Bagdad eine Reihe von Sprengfallen gab, kehrte in der zweiten Septemberwoche wieder Normalität ein, mit nur drei Schießereien im Norden und Westen. (Musings on Iraq, 23.09.2019)

Nach einem Anstieg der Angriffe Anfang September 2019 sind diese Mitte des Monats wieder auf einen Mittelwert zurückgegangen. Während es im August außerhalb von Diyala kaum Angriffe gab, fanden im September im gesamten Zentralirak welche statt. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 28 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Irak. Acht Vorfälle in Bagdad, fünf in Kirkuk, vier in Diyala. Zwei Vorfälle fanden in Ninewa statt und jeweils ein Vorfall in Anbar, Babil, Kerbala und Salah al-Din. Jener Vorfall in Kerbala war eine der selten vorkommenden Autobomben. Dabei gab es zwölf Tote und fünf Verletzte. Ninewa und Salah al-Din, die früher die Hauptfronten des IS waren, sind jetzt nur noch zweitrangig. Im Vergleich dazu sind die Vorfälle in Diyala und Kirkuk weiterhin hoch. (Musings on Iraq, 01.10.2019)

In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es nur drei Zwischenfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der zweiten Oktoberwoche gab es 14 Vorfälle, davon fünf in Diyala, drei in Kikruk, jeweils zwei in Ninewa und Salah al-Din und jeweils einen in Anbar und Babil. Im Zentralirak ist der IS am aktivsten. Ninewa und Salah al-Din sind weniger wichtiger für den IS. In Kirkuk und Diyala findet die meiste Gewalt statt. In Bagdad gab es im September die meisten Angriffe. Anfang Oktober gab es wegen der in Bagdad stattgefundenen Proteste keine Angriffe. (Musings on Iraq, 22.10.2019)

Es gibt kaum noch Autobomben im Irak. In Diyala gab es bis Mitte Oktober 2019 keine einzige Autobombe. In Kirkuk gab es im Jänner 2019 die einzige Autobombe des Jahres. In Ninewa gab es drei Autobomben und zwar im Februar, März und Mai. In Salah al-Din gab es vier Autobomben im Jänner, März, April und August. Früher wurden vom IS routinemäßig Autobomben in städtischen Gebieten eingesetzt. Jetzt kommen diese kaum noch vor und zeigen, dass der IS schwer angeschlagen ist.

Bis Mitte Oktober 2019 gab es in Ninewa zwei Attacken auf Checkpoints, die sich beide im Februar ereigneten. In Salah al-Din gab es vier Attacken auf Checkpoints und zwar im Jänner, Mai, Juli und September. In Kirkuk gab es zwölf Attacken (vier im Jänner, eine im März, drei im Mai, zwei im Juni und zwei im September). In Diyala gab es mit 46 die meisten Attacken und bis auf Oktober in jedem Monat. (Musings on Iraq, 01.10.2019 und 22.10.2019)

Nach der Befreiung vom "Islamischen Staat" kehrt die Kultur in die irakische Stadt Mossul zurück. Die Kultur ist zurück in der zweitgrößten Stadt des Irak. Und das "Ich bin Iraker - ich lese"-Festival ist nur eine von vielen Kulturveranstaltungen. Das Motto des Festivals ist an eine traditionelle arabische Redewendung angelehnt: "Ägypter schreiben, Libanesen publizieren, Iraker lesen." Kunst und Kultur haben unter dem IS – oder Daesh, so die arabische Abkürzung – stark gelitten. Statuen von Dichtern und Schriftstellern wurden niedergerissen, Kunstwerke und Musikinstrumente zerstört und die Universitätsbibliothek in Brand gesteckt – viele wertvolle Bände sind für immer verloren. Bücher wurden verboten, nicht-religiöse Kunst war tabu, Musiker und andere Künstler kamen ums Leben. Marwan Tariq unterrichtet an der Universität von Mossul. Er findet auch, dass Fortschritte gemacht wurden. "Die Situation nach Daesh ist schon besser als vor ihrer Ankunft." Tariq war einer der ersten, der den stark bombardierten Campus der Universität wieder betrat, nachdem der IS im vergangenen Jahr verjagt worden war. Der Schaden in seinem Institut war gewaltig. "Alles, was eine Verbindung zur Kunst hatte, wurde zerstört: Klaviere, Uds (arabische Lauten), Gitarren, aber auch Gemälde und Skulpturen", berichtet er. Die Künstler in Mossul haben einen Weg gefunden, ihre neu gewonnene Freiheit zu feiern. Im Mai 2017, als auf der anderen Seite des Tigris, der die Stadt teilt, noch gekämpft wurde, haben Al-Barudi und Tariq eine Kunstausstellung in Ost-Mossul mitorganisiert. Dort wurden Bilder und Gemälde an den rußgeschwärzten Überresten eines Universitätsgebäudes zu den Klängen lang verbotener Musik ausgestellt. Außerdem gab es eine Aktion von Studenten, Dozenten und Freiwilligen, bei der Bücher gerettet wurden, die das Feuer in der Universitätsbibliothek überstanden hatte. Nach dem Brand in der Bibliothek hat Al-Barudi gemeinsam mit Studenten und anderen Freiwilligen rund 6.000 Bücher aus der Asche bergen können. Der Historiker Omar Mohammed, international bekannt als der Blogger "Mosul Eye", startete einen Aufruf, woraufhin tausende Bücher aus dem Ausland geschickt wurden, um die verlorenen zu ersetzen. Die Musik ist ebenfalls nach Mossul zurückgekehrt. Während der Kunstausstellung hört man die Klänge der Ud, ein Bassist spielt an zerstörten Stätten wie der Al-Nuri-Moschee mit ihrem berühmten Hadba-Minarett. Hier rief IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi nicht nur das "Kalifat" aus, die Terrororganisation zerstörte die Moschee noch, kurz bevor sie aus Mossul vertrieben wurde. Auch in dem ersten Literaturcafé Mossuls, geführt von Fahad Sabah und Harith Yassin, spielt die Musik. Sie haben es erst kürzlich eröffnet und möchten nicht nur jung und alt, Mann und Frau einen ruhigen Platz zum Lesen und Arbeiten bei einer Tasse Kaffee oder Tee bieten, sondern auch Konzerte und öffentliche Literaturdiskussionen veranstalten. Im Café, wo gefüllte Bücherregale und Porträts von Schriftstellern, Musikern und Künstlern die Atmosphäre bestimmen, bestätigt Sabah, dass die Kultur nach Mossul zurückgekehrt ist. "Schon vor Daesh war ein öffentlicher Diskurs aus Angst vor den Extremisten und ihren Drohungen unmöglich. Jetzt ist die Gesellschaft viel offener. Unser Café ist nur ein Beispiel", sagt er. "Sieh dir an, was wir tun und wer hier reinkommt. Wir betreiben den ersten öffentlichen Raum, in dem sich Männer und Frauen wie zu Hause fühlen." (Mossul feiert kulturelles Comeback, qantara.de, 10.09.2018)

2014 wurde Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, von IS-Kämpfern eingenommen. Im Oktober 2016 begann die irakische Armee gemeinsam mit kurdischen Peschmerga, konfessionellen Milizen und aus der Luft unterstützt von Bombern der internationalen Anti-IS-Koalition eine Großoffensive zur Rückeroberung der Stadt. Neun Monate dauerten die erbitterten Kämpfe. Am Ende waren rund 10.000 Zivilisten tot, mehrere Tausend Soldaten und Kämpfer gefallen. Die historische Altstadt, einst das pulsierende Herz der Stadt, lag weitgehend in Trümmern. Die Stadt hat zwei Schlachten erlebt: eine im Osten, wo sich die Schäden in Grenzen hielten und eine im Westen, wo die Zerstörungen verheerend waren. Im Osten ist das Leben schon wieder recht normal. Der Wiederaufbau geht im Westen nur sehr langsam voran.

Internationale Organisationen wie die UN, die Unesco oder die deutsche GIZ helfen dabei, die Wunden der Stadt zu heilen. Es entstehen neue Wasseraufbereitungsanlagen, die immer mehr Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen. An der Universität von Mossul lernen inzwischen 38.000 Studenten. Die Studentenschaft ist wieder multiethnisch, wie sie es früher auch war. Kurden, Jesiden, Christen und Muslime studieren gemeinsam. Das kulturelle Leben kehrt in die Stadt zurück. Manche sprechen schon von einer kulturellen Blüte, wie sie Mossul seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Im Spätsommer kamen Tausende Menschen zu einem Bücherfestival zusammen. In der Stadt entstehen Literaturcafés, in denen nicht nur gelesen, sondern auch diskutiert wird. Es gibt Freilichtkonzerte und Lesungen. Musiker spielen auf den Straßen zwischen zerschossenen Gebäuden – undenkbar zu Zeiten des IS. (Wie sich Mossul von der Terrorherrschaft erholt, t-online.de, 20.02.2019)

Im Juni 2019 wurden die letzten Betonblöcke um die Grüne Zone in Bagdad, der Regierungsbezirk, abgebaut. Die Bevölkerung hat jetzt freien Zugang zu den gut zehn Quadratkilometern, die bis dahin No-Go-Zone war: Der "Hochsicherheitstrakt" im Zentrum von Bagdad ist Vergangenheit. Mit der Öffnung der Grünen Zone hat Iraks Premierminister Adel Abdul Mahdi sein Versprechen eingelöst, das er bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres gegeben hat. Der Bezirk soll ein normales Stadtviertel von Bagdad werden. Seit November wurde Schritt für Schritt abgebaut: Checkpoints aufgelöst, Stacheldraht entfernt, Betonblöcke auf Tieflader geladen und abgefahren. Hundertausende sollen es gewesen sein. Allein in den letzten zwei Monaten hat Bagdads Stadtverwaltung 10.000 Mauerteile abfahren lassen, wie ein Angestellter berichtet. Die Betonblöcke wurden zum Militärflughafen Al-Muthana im Zentrum von Bagdad gefahren und dort abgekippt. Einige von ihnen finden Wiederverwertung in einem Ring, der derzeit um Bagdad gezogen wird, um Terroristen vor dem Eindringen zu hindern. Andere dienen dem Hochwasserschutz. Wieder andere werden als Baumaterial für Silos verwendet. (Mauerfall in Bagdad: Das Ende der Grünen Zone, Wiener Zeitung, 05.06.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden. (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019)

Im Juni 2019 wurde das neue deutsch-irakische Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Bagdad eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit des Beratungszentrums steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern. (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019)

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ‚Riot Gear Summer Rush‘, einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände – ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde – gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. „Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben“, sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv „Tribe of Monsters“ spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine „Familiensektion“ zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten. (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019)

Im Irak haben erneut Tausende Menschen gegen die Regierung protestiert. Landesweit starben mindestens 42 Menschen. Bereits Anfang des Monats waren bei tagelangen Protesten in Bagdad und anderen Regionen des Landes fast 150 Zivilisten getötet worden. Mehr als 3.000 Menschen wurden verletzt, auch acht Einsatzkräfte kamen ums Leben. (Zeit.de, 25.10.2019, 42 Tote bei neuen regierungskritischen Protesten)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP’s) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.06.2019 wurden 1,6 Millionen IDPs (267.858 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der IDPs sinkt kontinuierlich in einem stetig langsamen Tempo. Im Mai und Juni wurde ein Rückgang von 57.960 IDPs, mit den drei größten Gouvernements Ninewa (-22.674), Salah al-Din (-11.856) und Sulaymaniyah (-7.104), verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,3 Millionen (717.523 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Mai und Juni 2019 kehrten die meisten nach Ninewa (17.502 Personen), Anbar (2.136) und Salah al-Din (14.778) zurück. Während der letzten sechs Monate wurde ein Rückgang an IDPs von 195.684 Personen verzeichnet. Die meisten davon in Ninewa (-97.392, -17%), Salah al-Din (-32.262, -23%) und Anbar (-11.598, -19%). Im selben Zeitraum wurde ein Anstieg von 139.818 Rückkehrern dokumentiert. Die größten Anstiege wurden in Ninewa (63.762, 4%), Salah al-Din (44.742, 8%) und Anbar (14.850, 1%) verzeichnet. Nahezu alle Familien (95%, 4.105.140 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.010) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (128.988) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben die meisten in den Distrikten Mossul (29.658), Tikrit (9.462) und Tal Afar (9.222). Seit Dezember 2018 wird ein Rückgang der in kritischen Unterkünften lebenden Rückkehrer (-3.786) in allen Gouvernements, außer Anbar und Kirkuk, verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 110, Juli 2019)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellung zur legalen Ausreise am 26.09.2014 ergibt sich aus dem im Reisepass des Beschwerdeführers befindlichen Ausreisestempels (AS 33b). Die Feststellung über den Aufenthalt in der Türkei ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung.

Die Feststellungen betreffend den Besuch eines Werte- und Orientierungskurses, die Absolvierung von Deutschprüfungen, die Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft, die Teilnahme an einem Projekt im Ausbildungsbereich Holz, die Absolvierung eines Praktikums, das Engagement beim Österreichischen Roten Kreuz, die Teilnahme am Erste-Hilfe-Grundkurs und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit seit 02.01.2020 ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, sein Fluchtvorbringen in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA, der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern, weshalb ihm eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist.

In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er wegen des Bürgerkriegs seine Heimat verlassen habe (AS 9). In der Einvernahme vor dem BFA änderte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund ab und behauptete nun, dass er bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet habe und deswegen bedroht und aufgefordert worden sei, für den IS zu arbeiten (AS 50). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan – vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind – zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA. Sofern der Beschwerdeführer vor dem BFA angab, dass in der Erstbefragung manche Teile seiner Geschichte nicht protokolliert worden seien (AS 45), ist dem entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer das Protokoll der Erstbefragung rückübersetzt wurde (AS 11) und er danach Einwendungen hätte erheben können. Dies hat der Beschwerdeführer aber nicht getan. Dazu ist außerdem festzuhalten, dass gemäß § 15 AVG, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Fallbezogen sind Einwendungen des Beschwerdeführers weder aktenkundig, noch wird behauptet, der Beschwerdeführer hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem Vorbringen keine konkreten Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift auf (vgl. VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0381). Zweifel an der Niederschrift der Erstbefragung bestehen daher nicht.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass der Dolmetscher in der Erstbefragung dem Beschwerdeführer gesagt habe, er solle sich zu seinen Fluchtgründen kurz halten (AS 236). Wenn dem so gewesen sein sollte, ist es umso weniger nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer dann bei der Frage nach seinem Fluchtgrund bloß den Bürgerkrieg erwähnt, nicht aber, dass er persönlich bedroht worden sei. Dass der Beschwerdeführer dann nur den Bürgerkrieg erwähnt, nicht aber das Wichtigste, nämlich seine Bedrohung, spricht daher nicht dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bedroht worden sein soll.

Durch diese Auswechslung des Fluchtgrundes ist der Eindruck entstanden, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, seinen vor dem BFA geschilderten Fluchtgrund in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern und führt letztlich dazu, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seinen vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft zu machen.

Vor dem BFA erklärte der Beschwerdeführer, dass er bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet habe und deswegen bedroht worden sei. Es sei eine Person zu ihm nach Hause gekommen, den er vor der Haustüre angetroffen habe und der ihm gesagt habe, er müsse mit der Arbeit aufhören und er solle für den IS arbeiten, da er gut schießen könne (AS 50). Auf Nachfrage wiederholte der Beschwerdeführer, dass die Bedrohung vor seinem Haus passiert sei (AS 51). Dagegen behauptete er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass eine Gruppe zu seinem Vater nach Hause gekommen sei und zu diesem gesagt habe, wenn der Beschwerdeführer seine Arbeit nicht aufgebe, dann würden sie ihn töten. Sie hätten vom Vater verlangt, dass er dies dem Beschwerdeführer ausrichte (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Diese eklatant widersprüchlichen Angaben, ob er persönlich oder über seinen Vater bedroht worden sei, sprechen nicht dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bedroht worden ist.

Diese widersprüchlichen Angaben wurden dem Beschwerdeführer auch vorgehalten, worauf er meinte, er habe schon in der Beschwerde angegeben, dass es zwischen ihm und dem Dolmetscher Schwierigkeiten gegeben habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dazu ist nun festzuhalten, dass in der Beschwerde keinerlei Probleme mit dem Dolmetscher vorgebracht wurden. Es wurde in der Beschwerde sogar noch wiederholt, dass der Beschwerdeführer persönlich von einer Person angesprochen und bedroht worden sei (AS 218). Damit sind auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde widersprüchlich zu seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Hinsichtlich der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher wurde der Beschwerdeführer auch darauf hingewiesen, dass er nach der Rückübersetzung die fehlerhafte Protokollierung hätte aufzeigen können, aber nicht getan hat. Dazu meinte der Beschwerdeführer nun, dass er „nicht voll und ganz beim Dolmetscher“ gewesen sei und nach dreistündiger Einvernahme schon sehr müde gewesen sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Mit diesem Erklärungsversuch zeigt der Beschwerdeführer, dass er um keine Antwort verlegen ist, doch überzeugen sämtliche seiner Antworten inhaltlich nicht. Der Beschwerdeführer behauptete auch, dass er seinem Vertreter anlässlich der Verfassung der Beschwerde mitgeteilt habe, dass der Dolmetscher einen Fehler hinsichtlich der Gehaltsangaben gemacht habe und dass es Missverständnisse wegen des unterschiedlichen Dialekts – der Dolmetscher sei Ägypter gewesen – gegeben habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). In der Beschwerde finden sich zwar tatsächlich Ausführungen zu einem Dolmetscher, allerdings zu jenem der Erstbefragung. Dieser habe dem Beschwerdeführer gesagt, er solle sich zu seinen Fluchtgründen kurz halten (AS 236). In der Beschwerde wird auch erwähnt, dass die Protokollierung zur Höhe des Gehalts des Beschwerdeführers nicht richtig sei. Die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung behaupteten Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher wegen dessen Dialekts finden sich aber nicht in der Beschwerde. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer seinem Vertreter anlässlich der Verfassung der Beschwerde Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher geschildert hat, da sie wohl ebenso erwähnt worden wären wie die unrichtige Protokollierung zum Gehalt des Beschwerdeführers. Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass es tatsächlich Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gegeben haben soll. Diesbezüglich ist außerdem auf das Protokoll der Einvernahme vor dem BFA zu verweisen, wo der Beschwerdeführer am Beginn der Einvernahme erklärte, dass er den Dolmetscher verstehe (AS 44). Am Ende der Einvernahme erklärte der Beschwerdeführer, dass die Verständigung mit dem Dolmetscher immer gut gewesen sei (AS 53). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer jede Seite des Protokolls unterschrieben und damit dessen Richtigkeit bestätigt.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht übereinstimmend angeben, wann die von ihm geschilderte Drohung erfolgt sei. Vor dem BFA behauptete er, es sei im Mai 2014 gewesen (AS 50), während er in der mündlichen Verhandlung angab, es sei im März oder April 2014 gewesen (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). In der Einvernahme vor dem BFA sprach der Beschwerdeführer auch davon, dass er von einer Person bedroht worden sei (AS 50). Hingegen meinte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass die Bedrohung durch eine Gruppe von Personen erfolgt sei (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese widersprüchlichen Angaben lassen das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen.

Vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer, dass er persönlich zu Hause bedroht worden sei. Umso unverständlicher ist es, dass er dann nicht konkret angeben konnte, wann sich diese Bedrohung ereignet haben soll. Er behauptete, sich nicht an das genaue Datum erinnern zu können (AS 51). Eine Bedrohung mit dem Umbringen ist ein doch einschneidendes Erlebnis, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass man sich merkt, wann man damit bedroht wurde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer konkret angeben konnte, wann der IS in Mossul einmarschiert sei und wann der Beschwerdeführer nach Kirkuk gegangen sei (AS 50). Es ist daher naheliegend, dass an diesen beiden von ihm genannten Tagen für sein Leben bedeutsame Ereignisse stattgefunden haben, zumal sich der Beschwerdeführer beide Daten merken konnte. Vor diesem Hintergrund ist es daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bedroht worden sei, da er sich diesfalls das Datum gemerkt hätte – so wie er sich das Datum des Einmarsches des IS in Mossul und das Verlassen seiner Heimatstadt merkte (AS 50).

Der Beschwerdeführer behauptete vor dem BFA auch, er sei damit bedroht worden, dass er oder eines seiner Familienmitglieder umgebracht werde (AS 51). In der mündlichen Verhandlung sprach er nur mehr davon, dass er umgebracht würde. Dass auch eines seiner Familienmitglieder umgebracht würde, behauptete er hier nicht mehr (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dies spricht ebenso gegen ein glaubhaftes Vorbringen.

Der Beschwerdeführer schilderte vor dem BFA auch, dass das Auto vor dem Haus in die Luft gesprengt worden sei (AS 51). In der vor dem Bundesverwaltungsgericht präsentierten Variante sei eine selbstgemachte Bombe vor die Haustüre gelegt worden, die explodiert sei. Dass dabei das Auto zu Schaden gekommen sei oder das Auto gesprengt worden sei, behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers lassen sein Vorbringen nicht glaubhaft erscheinen.

In der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer von sich aus auch, dass in seiner Siedlung ein paar Mal nach ihm gesucht worden sei und in den Geschäften gefragt worden sei, ob jemand wisse, wo er sich aufhalte (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Derartiges behauptete der Beschwerdeführer vor dem BFA noch nicht, weshalb auch aus diesem Grund das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer die Suche nach ihm von sich aus auf die Frage nach der vor dem BFA geschilderten Bedrohung erwähnte und nicht explizit danach gefragt wurde. Er hätte daher auch schon vor dem BFA (wie vor dem Bundesverwaltungsgericht) angeben müssen, dass in der Siedlung nach ihm gesucht worden sei, was er aber nicht getan hat. Schließlich erklärte der Beschwerdeführer vor dem BFA, dass er alles zu seinen Fluchtgründen habe sagen können (AS 51) und gab auch gegen Ende der Einvernahme vor dem BFA an, alles gesagt zu haben (AS 53). Es ist daher nicht glaubhaft, dass tatsächlich nach dem Beschwerdeführer gefragt und gesucht worden sein soll, da er dies ansonsten in der Einvernahme vor dem BFA erwähnt hätte.

Vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer auch, dass er aufgefordert worden sei, seine Arbeit aufzugeben und für den IS zu arbeiten (AS 50). Dies erwähnte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Hier sprach er nur davon, dass er seine Arbeit hätte aufgeben sollen (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese unterschiedliche Darstellung lässt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen.

Der Beschwerdeführer behauptete in der mündlichen Verhandlung, dass ihm sein Vater die Bedrohung habe ausrichten sollen. Er selbst habe sich nämlich in dieser Zeit in seiner Arbeitsstelle aufgehalten, wo er auch gewohnt habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). In der Einvernahme vor dem BFA gab er aber an, selbst zu Hause bedroht worden zu sein (AS 50). Dort behauptete er nicht, dass er an seiner Arbeitsstelle auch gewohnt habe. Da der Beschwerdeführer seine Bedrohung wegen zahlreicher Widersprüche und Unstimmigkeiten nicht hat glaubhaft machen können, ist es auch nicht glaubhaft, dass er auch an seiner Arbeitsstelle und nicht im Haus seiner Familie gewohnt hat. Außerdem waren auch die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu seinem Wohnort nicht plausibel. Als er in der mündlichen Verhandlung gefragt wurde, wo er im Irak gewohnt habe, meinte er, er sei immer in der Firma in XXXX gewesen. Das Haus der Familie befinde sich in XXXX (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dem Beschwerdeführer wurden seine in der Einvernahme gemachten Angaben vorgehalten, wo er erklärte, er habe in XXXX gewohnt (AS 47). Nachdem der Beschwerdeführer verschiedene Erklärungen für seine unterschiedlichen Angaben zum Wohnort lieferte, behauptete er schließlich auf den Vorhalt, weshalb er nicht schon vor dem BFA erklärte, an der Arbeitsstelle gewohnt zu haben, dass er nicht so detailliert gefragt worden sei, wie heute. Dieser Erklärungsversuch überzeugt aber nicht, da der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, wo er im Irak gewohnt hat, sofort angab: „In der Firma, ich war immer dort.“ (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch vor dem BFA wurde er gefragt, wo er im Irak vor der Flucht gelebt habe und er gab dabei XXXX an (AS 47). Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich in der Firma gewohnt, so hätte er dies auch schon vor dem BFA auf die Frage nach seinem Wohnort angeben müssen, was er aber nicht getan hat. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in seiner Firma gewohnt haben will. Es erfolgte daher auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in XXXX lebte.

Zum Beweis seiner beruflichen Tätigkeit für eine Sicherheitsfirma konnte der Beschwerdeführer vor dem BFA keine Nachweise vorlegen. In der Beschwerde wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer deshalb keine Beweismittel habe, die auf seine Arbeit bei der Sicherheitsfirma hindeuten, da er diese aus Angst vor einer Tötung vernichtet habe. Hätte er sie bei seiner Flucht dabei gehabt und wäre angehalten worden, wäre dies sein sicherer Tod gewesen, so die weiteren Ausführungen in der Beschwerde (AS 235). Umso mehr überraschte es, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nun doch Schreiben zu der Firma vorlegen konnte, für die er gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer erklärte dazu in der mündlichen Verhandlung, dass er diese Dokumente Ende 2017 bekommen habe. Er habe zum rechtlichen Berater der Firma Kontakt aufgenommen und dieser habe ihm die Dokumente geschickt. Weiters behauptete der Beschwerdeführer, dass er sie seinem Vertreter gegeben habe, der erklärte, die Dokumente würden der Beschwerde beigelegt werden. Allerdings stammt die Beschwerde des Beschwerdeführers vom Februar 2017, weshalb diese Erklärung des Beschwerdeführers nicht stimmen kann, da er die Dokumente erst Ende 2017 erhalten haben will. Dies wurde dem Beschwerdeführer auch vorgehalten, worauf er nun sein Vorbringen abänderte und meinte, dass er warten habe müssen, bis er die Dokumente bekomme und dann habe der Vertreter gesagt, würden die Dokumente zur Beschwerde hinzugegeben werden (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Überzeugend ist diese Erklärung nicht. Es entstand vielmehr der Eindruck, als wolle der Beschwerdeführer mit der Vorlage der Beschwerdeführer sein – unglaubhaftes – Fluchtvorbringen als doch glaubhaft erscheinen lassen. Darüber hinaus handelt es bei den Dokumenten um bloße Farbkopien, die nicht auf Echtheit überprüft werden können.

Auch inhaltlich können die vorgelegten Dokumente nicht überzeugen. Bei dem ersten Dokument (Beilage A der Verhandlungsschrift) handelt es sich um eine Genehmigung für die Sicherheitsfirma XXXX , die im Jahr 2011 ausgestellt und ein Jahr gültig sei (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Das zweite Schreiben (Beilage B zur Verhandlungsschrift) genehmige die Verlängerung der Tätigkeit der Firma. Beide Schreiben sollen vom „Ministry of Interior“ stammen. Betrachtet man das zweite Schreiben (Beilage B) so fällt auf, dass dieses im Kopf ein Wappen enthält, allerdings sieht das Wappen des „Ministry of Interior“ (abrufbar auf der Homepage des Ministeriums) anders aus als jenes auf dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben. Weiters ist auf dem Schreiben eine Internetadresse angeführt ( XXXX ), bei der es sich aber nicht um die Internetadresse des „Ministry of Interior“ handelt ( XXXX ). Es sind daher erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Dokumente entstanden. Darüber hinaus wird in beiden Dokumenten der Beschwerdeführer nicht erwähnt, weshalb diese beiden Dokumente nicht geeignet sind, eine Tätigkeit des Beschwerdeführers für die Firma XXXX zu belegen.

Das dritte vom Beschwerdeführer vorgelegte Dokument (Beilage C zur Verhandlungsschrift), soll eine Genehmigung sein, dass der Beschwerdeführer eine Waffe tragen darf. In diesem Schreiben wird auch die Firma XXXX erwähnt (Seiten 5 und 7 des Verhandlungsprotokolls). Dazu ist nun festzuhalten, dass schon erhebliche Zweifel an der Echtheit der Dokumente A und B bestehen, weshalb auch Zweifel an der Echtheit des Dokuments C bestehen, zumal alle drei Dokumente die Firma XXXX betreffen. Sämtliche Dokumente legte der Beschwerdeführer nicht im Original vor, sondern nur eine Farbkopie. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente können von jedermann an einem PC leicht erstellt werden. Das Dokument C weist überdies ein Logo auf, das leicht verzogen ist, das Wappen ist kaum erkennbar und der Schriftzug ist nicht leserlich, was nahelegt, dass es kein echtes Dokument ist.

Schließlich stammen alle drei Dokumente aus den Jahren 2011 und 2012. Selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich für diese Firma gearbeitet haben soll, wird mit den Dokumenten nicht belegt, dass der Beschwerdeführer auch noch im Jahr 2014 (in dem er bedroht worden sei) für diese Firma gearbeitet hat. Es konnte somit auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für eine Sicherheitsfirma tätig war.

Auf Grund des geschilderten Aussageverhaltens des Beschwerdeführers, der Vielzahl und Schwere der aufgetretenen Widersprüche, der teils vagen Angaben, des gesteigerten Vorbringens sowie der erheblichen Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten innerhalb des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA, der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung, ergibt eine Gesamtschau der getätigten Ausführungen zweifelsfrei, dass durch die Schilderungen des Beschwerdeführers eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Da der Beschwerdeführer – wie aufgezeigt – massiv widersprüchliche Angaben zu seinen Fluchtgründen machte, spricht dies gegen eine Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Wenn der Beschwerdeführer nun in der mündlichen Verhandlung vorbringt, dass seine Familie in einem Flüchtlingslager lebt, ist dies vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer erklärte außerdem in der mündlichen Verhandlung, dass seine Familie seit der Befreiung von Mossul in dem Flüchtlingslager lebe und vermutete, dass dies September 2016 sei. Dass der Beschwerdeführer nicht konkret angeben kann, seit wann seine Familie in einem Flüchtlingslager lebe, kann nicht nachvollzogen werden. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie, weshalb anzunehmen ist, dass über den Aufenthaltsort der Familie gesprochen wird. Dass der Beschwerdeführer nicht weiß, wann seine Familie in einem Flüchtlingslager untergebracht worden sein soll, lässt die Annahme zu, dass diese Behauptung nicht stimmt. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass Mossul (Ost) im Jänner 2017 von der irakischen Armee zurückerobert wurde und im Juli 2017 die Stadt für befreit erklärt wurde. Dies ist mit den vom Beschwerdeführer gemachten Angaben nicht vereinbar. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Familie des Beschwerdeführers weiterhin in Mossul lebte und nicht in ein Flüchtlingslager übersiedelte und der Beschwerdeführer damit bloß versucht, seine Chancen auf Asylgewährung zu erhöhen. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht belegen, dass seine Familie in einem Flüchtlingslager lebt. In der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer zwar Fotos vor, die ein zerstörtes Gebäude zeigen, doch kann damit nicht belegt werden, dass es sich dabei um das Haus der Familie des Beschwerdeführers handelt. Es erfolgte daher die Feststellung, dass die Familie des Beschwerdeführers weiterhin in Mossul lebt.

Die Feststellungen zur Lage im Irak stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegen. Der Beschwerdeführer legte Zeitungsartikel zu Mossul. Einer dieser Artikel wurde ohnehin dieser Entscheidung zugrungegelegt. Mit den anderen beiden Artikeln wird den getroffenen Feststellungen nicht entgegen getreten.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten