TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/4 L524 2134822-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2020
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Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2134822-1/42E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA Irak, gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2016, Zl. 1091458802–151576701, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 und am 10.12.2019, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 mit der Maßgabe abgewiesen, dass der dritte Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wird festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist“.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die damals minderjährige Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, stellte am 20.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.10.2015 brachte die Beschwerdeführerin vor, sie gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitische Muslimin. Sie habe mit ihren Eltern am 01.09.2015 legal den Irak verlassen. Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes brachte sie vor, die Lage in ihrer Heimat sei unsicher, sie seien bedroht worden und hätten sich dort nicht mehr wohl gefühlt.

2. Am 30.06.2016 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen und brachte vor, dass ihre Tochter keine eigenen Fluchtgründe habe. Zum Fluchtgrund befragt führte die Mutter aus, sie sei verletzt und ihr Mann bedroht worden. Grund dafür sei im Wesentlichen die berufliche Tätigkeit des Ehemannes bzw. Vaters für eine amerikanische Firma und die sunnitische Familienzugehörigkeit gewesen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2016, Zl. 1091458802–151576701, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak, Autonome Kurdenzone des Nordirak, gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Mutter als gesetzliche Vertretern keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, weshalb die behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können. Es sei auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, autonome Kurdenzone des Nordirak, keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Aus den Aussagen der Eltern der Beschwerdeführerin sei der Schluss der Unglaubwürdigkeit nicht zulässig.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 25.10.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur die Beschwerdeführerin sowie ihre Eltern als Parteien teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe im Jahr 2015 mit der Schule aufhören müssen, da ihre Mutter krank gewesen sei. Ihre Onkel hätten zudem Druck auf den Vater ausgeübt, sie zu verheiraten. Sie habe gefürchtet, wegen der Bedrohung ihres Vaters entführt und als Geisel verwendet zu werden. Auch habe sie Angst vor der schiitischen Übermacht im Land. Bei einer Rückkehr fürchte sie, als Frau keine Rechte zu haben, ihren Traum, Ärztin zu werden, nicht verwirklichen zu können und keine persönliche Freiheit mehr zu haben.

6. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Beschwerdeführerin aktuelle Berichte zur Lage im Irak, zu denen die Beschwerdeführerin am 12.03.2018 eine Stellungnahme abgab.

7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L524 2134822-1/12E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass der dritte Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wird festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist“.

8. Die Beschwerdeführerin erhob gegen dieses Erkenntnis Revision. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.08.2018, Ra 2018/19/0147 - 0149, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und die Revision zurückgewiesen.

9. Der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 24.09.2018, E 1034/2018-18, E 1096/2018-18, E 1097/2018-15, insoweit stattgegeben, als das Erkenntnis hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise, aufgehoben wurde. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Insoweit wurde die Beschwerde an den Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung abgetreten.

10. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 10.12.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur die Beschwerdeführerin als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde.

II. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist irakische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitische Muslimin. Die Beschwerdeführerin hat acht Jahre die Schule in Bagdad besucht. Die Beschwerdeführerin lebte in Bagdad und zwar im Bezirk XXXX . In Bagdad leben zahlreiche Onkeln und Tanten mütterlicher- sowie väterlicherseits. Auch die Großmutter mütterlicherseits lebt in Bagdad. Die Eltern der Beschwerdeführerin stehen in Kontakt zu diesen Verwandten.

Die Beschwerdeführerin ist die Tochter von XXXX , geb. XXXX , Zl. L524 2134819-1, und von XXXX , geb. XXXX , Zl. L524 2134820-1.

Die Beschwerdeführerin verließ am 01.09.2015 gemeinsam mit ihren Eltern legal über den Flughafen Bagdad den Irak. Am 20.09.2015 stellte die Beschwerdeführerin nach illegaler Einreise den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Auch ihre Eltern stellten jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin lebt mit ihren Eltern in Österreich in derselben Asylwerberunterkunft. Die Beschwerdeführerin lebt von der Grundversorgung. Die Beschwerdeführerin besuchte einen Lehrgang „Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche ohne Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch“ und danach einen Lehrgang „Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch“. Sie hat am 11.07.2019 das ÖSD-Zertifikat B1 bestanden. Sie hat die XXXX besucht und 2019 abgeschlossen und besucht derzeit einen Vorstudienlehrgang.

Die Beschwerdeführerin hat einen Freund, der irakischer Staatsangehöriger ist. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt mit ihrem Freund. Ihrem Freund wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (Zl. 2156471-2).

Die Beschwerdeführerin ist gesund und strafrechtlich unbescholten.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L524 2134822-1/12E, hinsichtlich der Nichtzuerkennung von Asyl erwuchs in Rechtskraft. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr drohe im Irak eine Zwangsheirat, wurde für nicht glaubhaft erachtet. Das gegenständlich Verfahren betrifft daher (nur) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Die Beschwerdeführerin stellte am 18.09.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Dabei brachte sie vor, dass ihr im Irak eine Zwangsheirate drohe und sie von ihren Cousins und ihren Halbbrüdern im Irak sexuell belästigt worden sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 05.04.2019, Zl. 1091458802-180883721/BMI-BFA_WIEN_AST_02, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.12.2019, L524 2134822-2/3E, wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die übrigen Spruchpunkte (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung) wurden ersatzlos aufgehoben. Diese Entscheidung erwuchs am 09.12.2019 in Rechtskraft.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dahuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED’s, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 „Mass Casualty Bombings“, davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

In Anbar gab es 2018 durchschnittlich 12 Vorfälle pro Monat. Die meisten Attacken gab es im März. Die Gewalt nahm dann ab und erreichte nach einer Steigerung im September und Oktober mit 17 bzw. 16 Attacken ihren Tiefststand im November mit 6 Attacken. Es gab sehr wenige Konfrontationen mit den Sicherheitskräften oder Angriffe auf Checkpoints. Es gab insgesamt 10 Selbstmordattentate und Autobomben in der ganzen Provinz, das ist die dritthöchste Rate im Irak.

In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich 10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar. Es gab durchschnittlich 4 Angriffe in der Provinz Babil. Verglichen mit den anderen Provinzen ist dies der geringste Wert. Beispielsweise gab es in Diyala rund 38 Angriffe.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED’s. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

In Diyala gab es rund 30 Vorfälle pro Monat, nur im März und Juni lag die Zahl bei 54 bzw. 51. Es gab Schießereien mit den Sicherheitskräften und Übergriffe auf Kontrollpunkte.

In Kirkuk gab es im März, Juni und Oktober die meisten Angriffe. Im November und Dezember sank die Zahl auf 18 bzw. 16 Angriffe. Im Vergleich dazu lag der Durchschnitt bei 36 Angriffen pro Monat. Ähnlich wie in Diyala gab es ein konstantes Muster von Schießereien mit Sicherheitskräften, Angriffe auf Checkpoints und Mukhtars und Entführungen.

In der Provinz Ninewa gab es durchschnittlich 20 Vorfälle pro Monat. Im Februar und März sowie im Juli und August gab es einen Anstieg der Angriffe. Im Juni sank die Anzahl auf nur 9. Vor allem in der ersten Jahreshälfte gab es regelmäßig Schießereien mit den Sicherheitskräften.

In Salah al-Din stieg im März und im Juni die Zahl der Angriffe auf 35 und 36, sank danach aber stetig ab und erreichte im Dezember nur mehr 8 Angriffe. Ebenso gab es im ersten Halbjahr mehr Schießereien und Entführungen im Vergleich zum zweiten. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

In der ersten Septemberwoche 2019 gab es 39 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dabei betrifft ein solcher Vorfall den Fund eines Massengrabs mit 13 Toten im Süden von Mossul. Die meisten Vorfälle, nämlich 14, ereigneten sich in Diyala. Neun Vorfälle ereigneten sich in Ninewa, sieben in Bagdad, fünf in Salah al-Din, zwei in Kirkuk und jeweils einer in Anbar und Babil. (Musings on Iraq, 17.09.2019)

In der zweiten Septemberwoche 2019 ereigneten sich weniger Vorfälle als in der Vorwoche, nämlich insgesamt 30. Zwei dieser Vorfälle waren Leichenfunde. Diese Woche ereigneten sich die meisten Vorfälle, nämlich elf, in Kirkuk. In Diyala waren es neun Vorfälle. Ein Vorfall war in Anbar. Dabei handelt es sich um den Fund eines Massengrabs mit 15 Toten. Jeweils drei Vorfälle entfielen auf Bagdad, Ninewa und Salah al-Din. Einer der drei Vorfälle in Ninewa betraf den Fund von neun Leichen in der Altstadt von West-Mossul. Bei den anderen zwei Vorfällen handelte es sich um Sprengfallen im Gebiet Hamam al-Alil, 27 Kilometer südlich von Mossul. Von den drei Vorfälle in Salah al-Din war einer eine Schießerei, die zur Folge hatte, dass die Autobahn von Tuz Kurmatu nach Bagdad kurze Zeit gesperrt war. Während es in der ersten Septemberwoche in Bagdad eine Reihe von Sprengfallen gab, kehrte in der zweiten Septemberwoche wieder Normalität ein, mit nur drei Schießereien im Norden und Westen. (Musings on Iraq, 23.09.2019)

Nach einem Anstieg der Angriffe Anfang September 2019 sind diese Mitte des Monats wieder auf einen Mittelwert zurückgegangen. Während es im August außerhalb von Diyala kaum Angriffe gab, fanden im September im gesamten Zentralirak welche statt. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 28 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Irak. Acht Vorfälle in Bagdad, fünf in Kirkuk, vier in Diyala. Zwei Vorfälle fanden in Ninewa statt und jeweils ein Vorfall in Anbar, Babil, Kerbala und Salah al-Din. Jener Vorfall in Kerbala war eine der selten vorkommenden Autobomben. Dabei gab es zwölf Tote und fünf Verletzte. Ninewa und Salah al-Din, die früher die Hauptfronten des IS waren, sind jetzt nur noch zweitrangig. Im Vergleich dazu sind die Vorfälle in Diyala und Kirkuk weiterhin hoch. (Musings on Iraq, 01.10.2019)

In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es nur drei Zwischenfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der zweiten Oktoberwoche gab es 14 Vorfälle, davon fünf in Diyala, drei in Kikruk, jeweils zwei in Ninewa und Salah al-Din und jeweils einen in Anbar und Babil. Im Zentralirak ist der IS am aktivsten. Ninewa und Salah al-Din sind weniger wichtiger für den IS. In Kirkuk und Diyala findet die meiste Gewalt statt. In Bagdad gab es im September die meisten Angriffe. Anfang Oktober gab es wegen der in Bagdad stattgefundenen Proteste keine Angriffe. (Musings on Iraq, 22.10.2019)

Es gibt kaum noch Autobomben im Irak. In Diyala gab es bis Mitte Oktober 2019 keine einzige Autobombe. In Kirkuk gab es im Jänner 2019 die einzige Autobombe des Jahres. In Ninewa gab es drei Autobomben und zwar im Februar, März und Mai. In Salah al-Din gab es vier Autobomben im Jänner, März, April und August. Früher wurden vom IS routinemäßig Autobomben in städtischen Gebieten eingesetzt. Jetzt kommen diese kaum noch vor und zeigen, dass der IS schwer angeschlagen ist.

Bis Mitte Oktober 2019 gab es in Ninewa zwei Attacken auf Checkpoints, die sich beide im Februar ereigneten. In Salah al-Din gab es vier Attacken auf Checkpoints und zwar im Jänner, Mai, Juli und September. In Kirkuk gab es zwölf Attacken (vier im Jänner, eine im März, drei im Mai, zwei im Juni und zwei im September). In Diyala gab es mit 46 die meisten Attacken und bis auf Oktober in jedem Monat. (Musings on Iraq, 01.10.2019 und 22.10.2019)

Im Juni 2019 wurden die letzten Betonblöcke um die Grüne Zone in Bagdad, der Regierungsbezirk, abgebaut. Die Bevölkerung hat jetzt freien Zugang zu den gut zehn Quadratkilometern, die bis dahin No-Go-Zone war: Der "Hochsicherheitstrakt" im Zentrum von Bagdad ist Vergangenheit. Mit der Öffnung der Grünen Zone hat Iraks Premierminister Adel Abdul Mahdi sein Versprechen eingelöst, das er bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres gegeben hat. Der Bezirk soll ein normales Stadtviertel von Bagdad werden. Seit November wurde Schritt für Schritt abgebaut: Checkpoints aufgelöst, Stacheldraht entfernt, Betonblöcke auf Tieflader geladen und abgefahren. Hundertausende sollen es gewesen sein. Allein in den letzten zwei Monaten hat Bagdads Stadtverwaltung 10.000 Mauerteile abfahren lassen, wie ein Angestellter berichtet. Die Betonblöcke wurden zum Militärflughafen Al-Muthana im Zentrum von Bagdad gefahren und dort abgekippt. Einige von ihnen finden Wiederverwertung in einem Ring, der derzeit um Bagdad gezogen wird, um Terroristen vor dem Eindringen zu hindern. Andere dienen dem Hochwasserschutz. Wieder andere werden als Baumaterial für Silos verwendet. (Mauerfall in Bagdad: Das Ende der Grünen Zone, Wiener Zeitung, 05.06.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden. (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019)

Im Juni 2019 wurde das neue deutsch-irakische Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Bagdad eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit des Beratungszentrums steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern. (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019)

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ‚Riot Gear Summer Rush‘, einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände – ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde – gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. „Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben“, sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv „Tribe of Monsters“ spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine „Familiensektion“ zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten. (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019)

Im Irak haben erneut Tausende Menschen gegen die Regierung protestiert. Landesweit starben mindestens 42 Menschen. Bereits Anfang des Monats waren bei tagelangen Protesten in Bagdad und anderen Regionen des Landes fast 150 Zivilisten getötet worden. Mehr als 3.000 Menschen wurden verletzt, auch acht Einsatzkräfte kamen ums Leben. (Zeit.de, 25.10.2019, 42 Tote bei neuen regierungskritischen Protesten)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP’s) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.06.2019 wurden 1,6 Millionen IDPs (267.858 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der IDPs sinkt kontinuierlich in einem stetig langsamen Tempo. Im Mai und Juni wurde ein Rückgang von 57.960 IDPs, mit den drei größten Gouvernements Ninewa (-22.674), Salah al-Din (-11.856) und Sulaymaniyah (-7.104), verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,3 Millionen (717.523 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Mai und Juni 2019 kehrten die meisten nach Ninewa (17.502 Personen), Anbar (2.136) und Salah al-Din (14.778) zurück. Während der letzten sechs Monate wurde ein Rückgang an IDPs von 195.684 Personen verzeichnet. Die meisten davon in Ninewa (-97.392, -17%), Salah al-Din (-32.262, -23%) und Anbar (-11.598, -19%). Im selben Zeitraum wurde ein Anstieg von 139.818 Rückkehrern dokumentiert. Die größten Anstiege wurden in Ninewa (63.762, 4%), Salah al-Din (44.742, 8%) und Anbar (14.850, 1%) verzeichnet. Nahezu alle Familien (95%, 4.105.140 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.010) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (128.988) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben die meisten in den Distrikten Mossul (29.658), Tikrit (9.462) und Tal Afar (9.222). Seit Dezember 2018 wird ein Rückgang der in kritischen Unterkünften lebenden Rückkehrer (-3.786) in allen Gouvernements, außer Anbar und Kirkuk, verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 110, Juli 2019)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zu ihrer Herkunft, zu ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu ihrer Schulbildung, zu ihrer illegalen Einreise sowie zu ihrer Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen zur Integration in Österreich, zum Schulbesuch, zu den Deutschkenntnissen und zum Besuch eines Vorstudienlehrganges ergeben sich aus den vorgelegten Bestätigungen und den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug.

Die Feststellungen zu den im Irak lebenden Verwandten der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung und den Angaben ihrer Eltern. Die Feststellung, dass die Eltern zu den im Irak lebenden Verwandten im Irak in Kontakt stehen, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Soweit der Vater der Beschwerdeführerin in seiner Verhandlung behauptete, keinen Kontakt zu haben, wurde diesem Vorbringen kein Glauben geschenkt. Der Vater behauptete, dass er seit langer Zeit keinen Kontakt mehr zu ihnen hätte. Auf die daraufhin gestellten Nachfragen wich er mehrfach aus und behauptete dann, dass er seit etwa einem Jahr keinen Kontakt mehr zu seinen Geschwistern habe (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls Zl. L524 2134819). Dazu widersprüchlich sind die Angaben der Beschwerdeführerin, die in der mündlichen Verhandlung angab, dass sie sehr wohl mitbekomme, dass ihre Eltern mit den Verwandten im Irak telefonieren (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund dieser Angaben wird davon ausgegangen, dass der Vater mit der Behauptung, er habe keinen Kontakt zu seinen Geschwistern, bloß versucht, sich im Verfahren eine bessere Position zu verschaffen.

Soweit die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung über eine drohende Zwangsheirat sprach, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen – wie sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L524 2134822-1/12E, ergibt – für nicht glaubhaft erachtet wurde.

Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Verwaltungsakt zur Zl. L524 2134822-2. Die Beschwerdeführerin stützte in diesem Verfahren ihren Antrag auf eine drohende Zwangsheirat und auf sexuelle Belästigungen durch ihre Cousins und Halbgeschwister, die im Irak erfolgt seien. Dieser Antrag der Beschwerdeführerin wurde wegen entschiedener Sache (rechtskräftig) zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin lebte in Österreich für etwa ein Jahr in einer Unterkunft für von Zwangsheirat bedrohten/betroffenen Mädchen und jungen Frauen. Die Beschwerdeführerin ersuchte, als sie in dieser Opferschutzeinrichtung untergebracht war, wegen ihrer familiären Situation um eine von ihren Eltern getrennt geführte Verhandlung. Über Nachfrage durch das Bundesverwaltungsgericht blieb die Beschwerdeführerin bei diesem Ersuchen, ließ dabei aber unerwähnt, dass sie gar nicht mehr in der Opferschutzeinrichtung wohnt, sondern seit Juli 2019 wieder bei ihren Eltern, obwohl sie aufgefordert wurde, zu ihrer familiären Situation in Österreich Stellung zu nehmen (OZ 36 bis 38). Dazu wurde sie in der mündlichen Verhandlung näher befragt, wo sich herausstellte, dass der Grund für die Unterbringung in der Opferschutzeinrichtung war, dass sich ihr Vater entschlossen habe, in den Irak zurückzukehren, was sie aber nicht wolle (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Inzwischen lebt die Beschwerdeführerin mit ihren Eltern in derselben Asylwerberunterkunft. Sie hat dabei ein eigenes Zimmer, das sich neben jenem ihrer Eltern befindet. Die Beschwerdeführerin erklärte dazu in der mündlichen Verhandlung, dass sie auf ihren eigenen Wunsch hin wieder mit ihren Eltern zusammenlebt. Sie hat mit ihrer Mutter Kontakt aufgenommen, die den Vater dazu überredet hat, dass die Beschwerdeführerin wieder bei ihren Eltern leben darf (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dass die volljährige Beschwerdeführerin freiwillig und von sich mit ihrer Mutter Kontakt aufgenommen hat und darum gebeten hat, wieder bei ihren Eltern leben zu dürfen, spricht nicht dafür, dass sie tatsächlich Angst davor hätte, zwangsverheiratet zu werden oder im Falle der Rückkehr in den Irak Angst vor sexuellen Belästigung durch ihre Halbbrüder und Cousins hätte. Diesfalls würde die volljährige Beschwerdeführerin wohl nicht von sich zu ihren Eltern zurückkehren. In der mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin zwar an, sie hätte bei der Caritas angegeben, dass sie eine andere Unterkunft wolle (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls), doch ist dies nicht glaubhaft. Hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich Ängste wegen ihres Vaters, hätte sie sich nicht selbst darum bemüht, zu ihm und ihrer Mutter zurückzukehren. Die Beschwerdeführerin lebt im Entscheidungszeitpunkt zudem noch immer im derselben Unterkunft wie ihre Eltern.

Der Vater der Beschwerdeführerin wurde in seiner Verhandlung dazu befragt, ob er wisse weshalb seine Tochter eine Zeit lang woanders gelebt habe. Er gab dazu an, dass seine Frau ihm gesagt hätte, die Tochter hätte Krebs und würde deswegen behandelt werden. Die Rückkehr der Tochter zu den Eltern und die anschließende Unterkunftnahme in derselben Asylwerberunterkunft würde daran liegen, dass die Tochter Sehnsucht nach ihrer Mutter gehabt hätte (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls Zeit Zl. 2134819). Die in der Verhandlung der Beschwerdeführerin anwesende Rechtsvertreterin erklärte, zur Erkrankung der Beschwerdeführerin eine Bestätigung vorzulegen. Mit Schreiben vom 20.12.2019 wurde bekannt gegeben, dass die Beschwerdeführerin wegen einer Zyste an der Gebärmutter operiert worden wäre und nun beschwerdefrei sei. Den Befund hätte sie entsorgt, weil sie mit dem Thema abgeschlossen hätte (OZ 41). Die Beschwerdeführerin war im Zeitraum XXXX .2018 bis XXXX .2019 in der oben erwähnten Opferschutzeinrichtung gemeldet. Im Akt des Verfahrens 2134822-2 befinden sich medizinische Befunde der Beschwerdeführerin, unter anderem ein Bericht der gynäkologischen Ambulanz vom XXXX .2018. Daraus ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht, wie sie ihrer Rechtsvertreterin anlässlich der Verhandlungsvorbereitung erzählt hat (OZ 41), wegen einer Zyste in der Gebärmutter operiert wurde, sondern wegen eines störenden Hymenalkarunkels. Damit zeigt sich, dass die Beschwerdeführung auch gegenüber Rechtsvertreterin unwahre Angaben gemacht hat, weshalb wohl auch vorgebracht wurde, die Beschwerdeführerin hätte die diesbezüglichen Befunde entsorgt. Auch diese unwahren Angaben der Beschwerdeführerin sprechen gegen ihre Glaubwürdigkeit.

Das Verhalten der Beschwerdeführer, zurück zu ihren Eltern zu wollen und bei ihnen wohnen zu wollen, ist mit ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung, dass sie zwar in derselben Asylwerberunterkunft mit ihren Eltern wohnt, sie aber vermeide, ihnen zu begegnen, nicht stimmig (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Mit ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung will die Beschwerdeführerin offenbar den Eindruck erwecken, als habe sie Angst vor ihrem Vater. Dies ist aber nicht bloß deshalb unglaubwürdig, weil die Beschwerdeführerin selbst darum gebeten hat, wieder bei ihren Eltern wohnen zu dürfen, sondern auch, weil ihr übriges Verhalten dazu in Widerspruch steht. Die Verhandlung der Beschwerdeführerin wurde für den Vormittag des 10.12.2019 anberaumt, jene ihrer Eltern für den Nachmittag desselben Tages. Die zum Zeitpunkt der Ladung unvertretene Beschwerdeführerin hat eine eigene Ladung erhalten. Ihre Eltern haben über ihren bisherigen Rechtsvertreter eine Ladung erhalten. Am Tag der mündlichen Verhandlungen am 10.12.2019 legten die Beschwerdeführerin und ihre Eltern jeweils Vollmachten eines neuen Vertreters vor. Diese Vollmachten wurden alle am 09.12.2019 in Linz demselben Vertreter erteilt. Die Beschwerdeführer wohnen aber alle in Wien. Das zeigt, dass die Beschwerdeführer offenkundig im Vorfeld der Verhandlung miteinander gesprochen haben und sich für den selben Rechtsvertreter entschieden haben, dem sie am 09.12.2019 eine Vollmacht erteilt haben. Auf Grund ihrer Volljährigkeit ist die Beschwerdeführer nicht gezwungen, sich von demselben Rechtsvertreter wie ihre Eltern vertreten zu lassen. Sie kann diesbezüglich eigene Entscheidungen treffen. Dennoch sind die Beschwerdeführer offenbar am 09.12.2019 nach Linz gefahren und dort zu demselben Vertreter gegangen. Dies erweckt nicht gerade den Eindruck, als würde die Beschwerdeführerin einen Kontakt mit ihrem Vater oder ihren Eltern vermeiden wollen. Es entsteht vielmehr der Eindruck eines manipulativen Verhaltens der Beschwerdeführerin, um sich im Verfahren eine bessere Position zu verschaffen.

Dieser Eindruck entsteht auch nicht zuletzt durch die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrem zweiten Verfahren bezüglich Erteilung internationalen Schutzes. Dort gab sie vor dem BFA am 12.12.2018 an, dass sie am 25.10.2017 von der Referentin [gemeint: Richterin] die ganze Zeit unterbrochen worden sei (Einvernahmeprotokollen im Verfahren 2134822-2). In der Verhandlung vom 25.10.2017 wurde die Beschwerdeführerin getrennt von ihren Eltern befragt. Unterbrechungen sind im Verhandlungsprotokoll nicht vermerkt. Ihr wurde Gelegenheit gegeben, sich ausführlich zu Ihren Fluchtgründen zu äußern. Nach Abschluss ihrer Schilderungen wurde sie gefragt, ob sie nun alles zu ihrer Flucht geschildert hat, was sie bejahte (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls vom 25.10.2017). Die Behauptungen der Beschwerdeführerin vor dem BFA am 12.12.2018 sind daher keineswegs richtig. Dies spricht gegen eine Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin.

Dass die Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr in den Irak von ihren Halbbrüdern und Cousins sexuell belästigt werden sollte, ist auch deshalb nicht wahrscheinlich und nachvollziehbar, da die Beschwerdeführerin behauptete, als Kind, während sie bei ihrer Tante gelebt habe, sexuell belästigt worden zu sein (Einvernahmeprotokoll vom 12.12.2018). Aus dem Arztbericht des Facharztes für Kinder-und Jugendpsychiatrie vom 26.07.2018 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bis zum siebten Lebensjahr bei ihrer Tante gelebt habe und dort angeblich von ihren Cousins sexuell belästigt worden sei. Dass sie danach auch von ihren Halbbrüdern sexuell belästigt worden wäre, kommt in diesem Arztbericht nicht vor. Die Beschwerdeführerin behauptete dies bloß in ihrer Einvernahme vor dem BFA vom 12.12.2018. Es ist daher nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin von ihren Brüdern sexuell belästigt worden sein soll, ebenso wenig ist glaubhaft, dass sie von ihren Cousins sexuell belästigt worden sein soll.

In der mündlichen Verhandlung behauptete die Beschwerdeführerin auch, dass ihre Eltern streng gläubig seien und sie ein Kopftuch tragen und fünfmal am Tag beten müsse (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Die Beschwerdeführerin erschien aber in der mündlichen Verhandlung ohne Kopftuch, was ihr auch vorgehalten wurde. Daraufhin änderte sie ihr Vorbringen ab und meinte nun, sie hätte Glück gehabt. Andere Araber hätten ihrem Vater vorgeschlagen, sich modern zu kleiden und kein Kopftuch zu tragen, damit sie einen Asylstatus erhalten würden. Als sie nach Österreich gekommen sei, hätte sie noch ein Kopftuch getragen (Seite 8 des Wandlungsprotokolls). Anlässlich der Antragstellung wurden Bilder von der Beschwerdeführerin und ihrer Eltern angefertigt. Auf diesen ist die Beschwerdeführerin ohne Kopftuch zu sehen (AS 5). Diese Bilder wurden der Beschwerdeführerin auch gezeigt woraufhin sie meinte, dass ihr Vater verlangt habe, dass sie das Kopftuch ablege, was sie getan habe. Diese Erklärung mag zwar noch nachvollziehbar sein, doch findet sich im Akt auch ein irakischer Personalausweis der Beschwerdeführerin, der ebenso ein Foto von ihr enthält. Schon auf diesem Bild ist die Beschwerdeführerin ohne Kopftuch zu sehen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Familie streng gläubig sei, ist daher keineswegs glaubhaft. Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass selbst die Mutter der Beschwerdeführerin ohne Kopftuch in der Verhandlung erschienen ist.

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin zahlreiche widersprüchliche und wahrheitswidrige Angaben machte. Aufgrund des geschilderten Aussageverhaltens ist es daher auch nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin jemals im Irak von ihren Halbgeschwistern und Cousins sexuell belästigt worden sein soll oder ihr dort eine Zwangsheirat drohen soll.

Sofern im Verfahren2134822-2 Berichte von Psychotherapeuten und Psychiatern aus den Jahren 2018 vorgelegt werden, kann daraus keine aktuelle Erkrankung der Beschwerdeführerin festgestellt werden. In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 wurde die Beschwerdeführerin zu ihrem Gesundheitszustand befragt, wo sie erklärte gesund zu sein und sich in keiner ärztlichen Behandlung zu befinden (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). Es erfolgte daher die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin gesund ist.

Die Feststellungen zur Lage im Irak stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Soweit in der Stellungnahme auf einen Bericht von UNHCR vom Mai 2016, den das UK Home Office im Juni 2017 hinsichtlich seiner Aktualität bestätigt habe, verwiesen wird, kommt dem im Entscheidungszeitpunt keine Aktualität mehr zu, weshalb darauf nicht einzugehen ist. In der Stellungnahme wird weiters auf die UNHCR-Richtlinien verwiesen und vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin das Risikoprofil jener Personen erfülle, welche verdächtig werden, den IS zu unterstützen und das Profil jener Personen, welche sich vermeintlich den strengen islamischen Regeln widersetzen. Dazu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin kein konkretes diesbezügliches Vorbringen erstattet hat. Außerdem stützen sich die UNHCR-Richtlinien in den genannten Punkten auf Berichte aus den Jahren 2017 und 2018 (Fußnoten 475 bis 477). Diese Berichte, auf die sich UNHCR stützt, betreffen insbesondere auch Jesiden und Christen sowie Alkoholverkäufer und weisen daher keinen Bezug zur Beschwerdeführerin auf. Außerdem ist festzuhalten, dass UNHCR nicht per se davon ausgeht, dass quasi jede Person mit dem dort genannten Profil mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre, sondern ist eine Einzelfallprüfung erforderlich. Den genannten Risikoprofilen kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, da die Beschwerdeführerin kein diesbezügliches Vorbringen erstattete.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst – wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat – eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (vgl. VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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