TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/4 L521 2204236-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2020
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Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L521 2204236-1/15E

Schriftliche Ausfertigung des am 13.12.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2018, Zl. 1094523403-151756203, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.12.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 15.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 12.11.2015 legte der Beschwerdeführer dar, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Bagdad geboren und habe dort im Bezirk XXXX gelebt, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, bekenne sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung und sei ledig.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 20.09.2015 legal von Bagdad ausgehend im Luftweg in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem kurzen Aufenthalt in Izmir sei er schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und dort nach erkennungsdienstlicher Behandlung des Landes verwiesen worden. In der Folge sei er auf das Festland gefahren und anschließend „mit dem Flüchtlingsstrom“ nach Österreich gereist.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt führte der Beschwerdeführer aus, er habe von schiitischen Milizen Drohbriefe erhalten und es sei auf das Haus seiner Familie geschossen worden, da er sunnitischen Flüchtlingen geholfen und an diese Nahrungsmittel und Kleidung verteilt habe.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 20.06.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein seines damaligen rechtsfreundlichen Vertreters und eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs legte der Beschwerdeführer dar, der arabischen Sprache mächtig zu sein und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Er habe bislang im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben getätigt und es wären ihm seine Angaben rückübersetzt und korrekt protokolliert worden.

Zur Person ergänzte der Beschwerdeführer, er habe im Irak die Schule nach neun Jahren abgebrochen und sodann vier Jahre lang „geboxt“, weshalb er sich auch „keine Gedanken mehr über die Schule“ gemacht habe. Er sei in der Werkstätte eines Freundes beruflich tätig gewesen und habe dort den Beruf des Schweißers erlernt.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Beschwerdeführer aus, er habe im Irak eine Person über Facebook kennengelernt und dieser Person Hilfe bei der Versorgung von Vertriebenen an der Stadtgrenze von Bagdad zugesagt. Er habe dann weniger als eine Woche lang Hilfsgüter zur Stadtgrenze transportiert. In dieser kurzen Zeit habe er eine Drohung erhalten, da die Vertriebenen als Anhänger des Islamischen Staates angesehen worden wären. Die „Parteien/Milizen“ in seinem Viertel hätten ihm im mitgeteilt, dass er Anhänger des Islamischen Staates unterstützen würde. Dies sei auch in dem „Drohzettel“ gestanden, den er erhalten habe. Seine Mutter sei zu Boden gestürzt, als sie den Zettel gelesen habe. Bei der Polizei habe ihm ein Offizier mitgeteilt, dass er dem Beschwerdeführer nicht helfen könne, da er ein Problem mit der Hezbollah habe. Er habe dann seine Mutter in ein Krankenhaus gebracht, da sie auf der Polizeistation zusammengebrochen sei. Vom 10.09.2015 an habe er sich bei einem Freund in Bagdad aufgehalten. Am 13.09.2015 habe er einen Beschluss vom Gericht erhalten, wobei ihm auch der Richter mitgeteilt habe, dass er sich verstecken solle. Den Irak habe er sodann am 14.09.2015 verlassen. Nach seiner Ausreise sei die Hezbollah zum Haus seines Vaters gekommen und habe seinen Vater geschlagen. In den Jahren 2016 bis Anfang 2018 sei er mehrmals zuhause von der Hezbollah gesucht worden.

Auf Nachfrage legte der Beschwerdeführer dar, er habe auf dem Weg zu den Lagern der Vertriebenen etwa 10 Checkpoints passieren müssen. Er habe die dort anwesenden Milizionäre hinsichtlich seines Zieles belogen und deshalb passieren dürfen. Den Drohbrief habe er bei der Polizeistation zurückgelassen. Der Inhalte habe dahingehend gelautet, dass er als Terrorist bezeichnet und mit der Todesstrafe bedroht sei, der Drohbrief habe auch den Namen seines Vaters und seines Großvaters enthalten. Der Drohbrief sei ihm von einem Kind überbracht worden, das diesen von unbekannten Männern in einem Fahrzeug erhalten habe.

3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2018, Zl. 1094523403-151756203, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Irak eine konkrete asylrelevante Bedrohung ausgesetzt gewesen sei oder eine solche im Fall seiner Rückkehr zu befürchten habe.

Der Beschwerdeführer habe sich bei seinen Darlegungen in Widersprüche verwickelt und es könne dem Inhalt der von ihm vorgelegten Unterlagen ein von seinem Vorbringen abweichender Geschehensverlauf entnommen werden. Der Beschwerdeführer habe außerdem bei der Erstbefragung ein von seiner späteren Verantwortung abweichendes Ausreisedatum angegeben und darüber hinaus den Beschluss seines Hauses vorgebracht, was in der Folge nicht mehr geschildert worden sei. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer mehrmals Checkpoints von Milizen ungehindert habe passieren können und dass ihm sodann ein Drohbrief zugemittelt worden sei, anstatt ihn gleich bei der ersten Ansprache festzunehmen oder bei einem Checkpoint zu belangen.

Eine Rückkehr in den Irak sei dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, zumal er dort über familiäre Anknüpfungspunkte in Gestalt seiner in Bagdad lebenden Eltern und Geschwister verfügen würde.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 01.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den dem damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 09.08.2018 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen bzw. ihm einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 zu erteilen bzw. die Rückkehrentscheidung und den Abspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, das belangte Bundesamt habe die angefochtene Entscheidung auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und den Angaben bei der folgenden Einvernahme gestützt, was nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unzulässig sein. Der Beschwerdeführer habe seinerseits ein substantiiertes Vorbringen erstattet, das mit den Feststellungen zur Lage im Irak übereinstimmen würde. Er wolle jedoch nunmehr klarstellen, dass seine Mutter auf der Polizeistation zusammengebrochen sei. Zuhause habe sie sich nur erschrocken. Der Irak sei nach wie vor ein gescheiterter Staat, sodass auch die allgemein schlechte Sicherheitslage einer Rückkehr nach Bagdad entgegenstehen würde.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 23.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

7. Zur Vorbereitung der für den 13.12.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.11.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme langte innerhalb der eingeräumten Frist nicht ein.

8. Am 03.12.2019 langte die Vollmachtskündigung der damaligen rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Am 13.12.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und einer Vertrauensperson sowie Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf der Verhandlung wurde die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der dem Beschwerdeführer im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert und dem Beschwerdeführer neuerlich die Gelegenheit eingeräumt, seine Ausreisegründe und seine Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und seitens des Beschwerdeführers mit Eingabe seiner nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung vom 27.12.2019 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort bis zur Ausreise im Distrikt XXXX und dort im Bezirk XXXX in einem Haus im Eigentum seines Vaters. Der Beschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich eigenen Angaben zufolge zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

Der Beschwerdeführer besuchte in Bagdad die Grundschule und eine weiterführende Schule Ausmaß von neun Jahren. Im Anschluss an den Schulbesuch trat er in das Berufsleben ein und war in einer Druckerei als Arbeiter sowie in der Werkstätte eines Freundes als Schlosser tätig. Eigenen Angaben zufolge war der Beschwerdeführer in dieser Zeit außerdem als Boxer aktiv.

Die Eltern des Beschwerdeführers leben in Bagdad im Haus im Eigentum seines Vaters im Bezirk XXXX . Der Vater des Beschwerdeführers ist als Offizier der irakischen Armee im Ruhestand und bezieht einen Ruhegenuss, seine Mutter führt den Haushalt. Die zwei Schwestern des Beschwerdeführers sind unverheiratet und leben mit den Eltern im gemeinsamen Haushalt, sie sind beide erwerbstätig und arbeiten in einem Geschäft für Frauenbekleidung.

Am 20.09.2015 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal vom Internationalen Flughafen Bagdad ausgehend im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo er am 15.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Der Beschwerdeführer gehörte in seinem Herkunftsstaat keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an hatte vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und seines sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im September 2015 einen Drohbrief der schiitischen Miliz Kata'ib Hizbullah erhielt. Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat auch keiner anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe, Kämpfer schiitischer Milizen oder Privatpersonen ausgesetzt und wird im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion Bagdad einer solchen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion Bagdad nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt. Er hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit physischer Gewalt aufgrund einer allfälligen Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen zu rechnen.

1.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder terroristische Anschläge im Irak.

Die irakische Hauptstadt Bagdad ist im Luftweg mit Linienflügen (Schwechat-Istanbul/Dubai-Bagdad) direkt und gefahrlos erreichbar.

1.4. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener hervorragender Schulbildung und einer Berufsausbildung als Schlosser. Der Beschwerdeführer verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion in Gestalt seiner dort lebenden Eltern und Geschwister. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument (Staatsbürgerschaftsnachweise) im Original.

1.6. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem 15.10.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist seither durchgehend im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und ist seit seiner Einreise in Unterkünften für Asylwerber in der Bundeshauptstadt Wien untergebracht.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet bislang nicht legal erwerbstätig. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren keine Einstellungszusage in Vorlage, er geht jedoch davon aus, im Reinigungsunternehmen seines Unterstützers XXXX einen Arbeitsplatz zu erhalten. Welche Arbeit er dort verrichten und wie sich die Entlohnung gestalten würde ist dem Beschwerdeführer nicht bekannt.

Der Beschwerdeführer geht einer Remunerantentätigkeit als Reinigungskraft in seiner Unterkunft seit dem 01.06.2016 im Ausmaß von derzeit 28 Stunden pro Monat nach und bringt dafür EUR 3,93 pro Stunde ins Verdienen. Darüber hinaus war der Beschwerdeführer in den Monaten Oktober 2015 bis Februar 2016 unentgeltlich bei der Essensausgabe in seiner Unterkunft tätig.

Der Beschwerdeführer besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache und trat am 20.10.2017 zur Prüfung auf den Niveau A1 an, die er nicht bestand. Bei einem neuerlichen Antritt am 04.07.2018 absolvierte er die Prüfung auf den Niveau A1 erfolgreich. Vom 10.07.2018 an bis zum 28.09.2018 belegte er einen Deutschkurs auf dem Niveau A2, im Monat April 2019 ebenso. Am 08.04.2019 absolvierte der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung auf den Niveau A2 erfolgreich. Derzeit ist der Beschwerdeführer für einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 vom 07.01.2020 bis zum 21.04.2020 angemeldet. Er verfügt über fortgeschrittene Kenntnisse der deutschen Sprache.

Am 02.12.2016 besuchte der Beschwerdeführer einen zweistündigen Erste-Hilfe-Kurs. Er frequentiert außerdem ein Fitnessstudio.

Der Beschwerdeführer ist derzeit alleinstehend und hat in Österreich keine Verwandten. Er unterhielt eine einjährige Beziehung zur österreichischen Staatsangehörigen XXXX . Diese Beziehung wurde zwischenzeitlich beendet, wobei eine Freundschaft weiterhin besteht. XXXX beschreibt den Beschwerdeführer als zuverlässigen und verantwortungsvollen Partner und attestiert ihm einen raschen Erwerb von Sprachkenntnissen sowie Hilfsbereitschaft und Bereitschaft zur Annahme von in Österreich gelebten Traditionen. Ein weiterer Unterstützer des Beschwerdeführers, XXXX , schreibt ihm ein freundliches, hilfsbereites und offenes Wesen sowie einen respektvollen Umgang mit Mitmenschen zu. Der Beschwerdeführer stamme aus einer modernen und aufgeklärten Familie und habe „kein Problem mit dem europäischen Weltbild“ und sei ihm bei der Pferdepflege und bei der Betreuung der leicht dementen Mutter eine Hilfe. Darüber hinaus pflegt der Beschwerdeführer normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Ein vereinsmäßiges Engagement des Beschwerdeführers ist nicht feststellbar.

1.7. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.8. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.

Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan (‘new Baghdad’). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten „Bagdad Belt“ bilden und die Vororte beherbergen.

Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 „Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad“).

Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.

Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer „unvollständigen“ oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.

Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.

Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als „Abtrünnige“ oder „Rafida“ (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.

Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden im Vorort Tarmia (35,80) verzeichnet, gefolgt von Mada'in (15,91) und Adhamiya (8,25). Die meisten von der Iraq Body Count im Jahr 2018 im Gouvernement Bagdad erfassten Vorfälle betrafen Schießereien (46,4%), gefolgt von Morden („executions“) (30,6%) und die Verwendung improvisierter Sprengsätze (20,7%).

Dem Experten Michael Knights zufolge ereigneten sich in Bagdad 2018 die wenigsten Terroranschläge von –Jihadisten seit dem Jahr 2003. Anschläge des Islamischen Staates sind in der Stadt selbst „mehr oder weniger verschwunden“, in den Bagdad-Belts sind die Anschläge des islamischen Staates zurückgegangen. Derzeit verhält sich der Islamische Staate in Bagdad und den Bagdad-Belts unauffällig und hat 2018 nicht viele Operationen durchgeführt. Wenn Angriffe verübt werden, handelt es sich meistens um Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. Der Islamische Staat ist wahrscheinlich nicht für den Großteil der Gewalt in Bagdad verantwortlich. Das Institute for the Study of War geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die derzeit registrierten Gewaltakte in Bagdad im Zusammenhang mit kriminellen und politischen Auseinandersetzungen (unter letztes fallen politische Einschüchterung, gezielte Attentate usw.) und nicht mit dem Islamischen Staat stehen. Auch der Experte Michael Knights geht davon aus, dass meisten Gewalttaten in Bagdad nicht dem Islamischen Staat zuzuschreiben sind. Quellen besagen, dass der Islamische Staat seine Aktivitäten derzeit nur im Bagdad-Belt und in den Randgebieten der angrenzenden Gouvernements entfaltet, anstatt in der Stadt selbst. Der Experte Joel Wing gab an, dass die gewalttätigsten Vorfälle mit improvisierten Sprengsätzen und Schießereien, die er aufzeichnete, Medienberichten zufolge im äußersten Norden und Süden von Bagdad und in geringerem Maße im Westen vorkommen. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass die intensiveren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen im nördlichen und nordwestlichen Teil der Stadt Bagdad (Kadhimiyah, Adahamyah) und im Vorort Tarmia (nördlich von Bagdad) verübt werden. Nur einige Vorfälle ereigneten sich in Bagdad westlich des Tigris - Karadah und Neu-Bagdad / al-Nissan und östlich des Tigris (Rusafa, Karkh, Rasheed und Mansour) sowie in Doura, jedoch in geringerer Intensität.

Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, dass „überwiegende Mehrheit“ der Gewaltakte in Bagdad im Jahr 2018 „politische Gewalt“ darstellte, die im Allgemeinen politische Einschüchterungen, bewaffnete Scharmützel und gezielte Morde unter Schiiten vor dem Hintergrund des anhaltenden politischen Wettbewerbs und der Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018 umfasste. In ähnlicher Weise erklärt der Experte Michael Knights, dass der Haupttrend bei der Gewalt in Bagdad darin besteht, dass es sich fast ausschließlich um persönliche, gezielte oder kriminelle Gewalt handelt, die in erster Linie den Einsatz von Kleinwaffen, Erpressung, Einschüchterung, improvisierte Sprengsätze oder Granaten, Schießereien, Raubüberfälle und andere Erscheinungsformen organisierter Kriminalität umfasst. Diese Aktivitäten dienen dem Experten zufolge in erster Linie der Einschüchterung und Gewalt gegen Zivilisten, um Geld zu verdienen, Zivilisten zu vertreiben, die als Außenseiter angesehen werden, oder um politische Gegner oder Menschen mit einer anderen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu vertreiben oder ist gegen Personen gerichtet, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer vorherigen Beteiligung an Verbrechen oder bewaffneten Konflikten exponiert sind. Er erwähnte auch, dass die politischen Spaltungen unter den Schiiten derzeit einen Großteil der Gewalt in den schiitischen Gebieten von Bagdad und Basrah ausmachen.

Die Expertin Geraldine Chatelard hebt hervor, dass Milizen in Bagdad häufig von Sunniten und Minderheiten der Gewalt beschuldigt werden, Morddrohungen, Entführungen, gezielte Attentate oder die Übernahme von Gebäuden von rechtmäßigen Eigentümern verübt zu haben, dies unter Hinweis darauf, dass sogar Schiiten Opfer von Erpressung und Tötung geworden sind. Der Expterte Michael Knights weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Sunniten und Christen in erster Linie befürchten, von schiitischen Milizen in Bagdad erpresst oder entführt zu werden, jedoch Quellen davon berichteten, dass die Zuweisung der Verantwortung für bestimmte Angriffe zu bestimmten Täter in Bagdad schwierig ist und insbesondere Sprengstoff sowohl zu politischen als auch zu kriminellen Zwecken eingesetzt wird, um Ziele anzugreifen und einzuschüchtern. Den PMF-Milizen werden dabei „enge Verbindungen zu kriminellen Banden“ zugeschrieben, die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht immer klar.

Der Experte Michael Knights vertritt zur Sicherheitslage allgemein die Ansicht, dass in der Stadt Bagdad die Gebiete sicherer sind und weniger Raum für offene Gewalt wie z.B. improvisierte Sprengsätze oder Raubüberfälle bieten, in denen sich die irakischen Streitkräfte auf die Bewachung wichtiger Standorte konzentrieren – etwa die Verwaltungsbezirke Karkh, Doura und Mansour. Dort wo die irakischen Streitkräfte weniger dominant ist und bewaffnete Akteure wie kriminelle Banden und Milizen Revierkämpfe führen und um Einfluss konkrurrieren, ist die Sicherheitslage entsprechend angespannter, wie in Kadhimiyah, Jihad, Bayaa und Karadah. Er vertrat die Ansicht, dass die "schlimmsten Sicherheitsbereiche" in der Stadt Adhamiyah, New Bagdad und Sadr City seien.

Milizen sind auch in bewaffnete Zusammenstöße zwischen ihnen selbst und den regulären Sicherheitskräften verwickelt, die laut Michael Knights im Jahr 2018 im Zentrum der Hauptstadt und in östlich gelegenen Gebieten mehrmals stattfanden. Ein Vorfall zog mediale Aufmerksamkeit nach sich: Am 20. Juni 2018 stoppte die irakische Polizei ein Auto in der Innenstadt von Bagdad, das Angehörigen der von Iran unterstützten Miliz Kataib Hezbollah („Hisbollah-Brigaden“) gehörte. Ein Hisbollah-Konvoi mit fünf Fahrzeugen traf ein und begann auf die Polizei zu schießen, was zu einem Feuergefecht führte, bei dem zwei Offiziere und ein Milizionär verletzt wurden. Die Polizei umzingelte daraufhin das Hauptquartier der Kataib Hezbollah, bis der Schütze der Polizei übergeben wurde. Der Vorfall spiegelt den möglichen Machtkampf zwischen irakischen Sicherheitskräften (Armee, Bundespolizei, örtliche Polizei) und PMF-Milizen wider.

EASO hat die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2018 exemplarisch identifiziert:

Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Bomben

Bagdad wurde in der Vergangenheit vom Islamischen Staat wegen der Bevölkerungskonzentration bevorzugt angegriffen, da die großen Menschenansammlungen die Möglichkeit geboten haben, mit einem Bombenanschlag eine große Anzahl von Opfern zu treffen. 2018 sind solche Anschläge jedoch zurückgegangen. Noch im Jahr 2017 verfolgte der Experte Michael Knights eine hohe Anzahl von Angriffen mit Hilfe von improvisierten Sprengsätzen auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Die Anzahl der Angriffe dieser Art ging jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 2018 zurück. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass ein in Bagdad im Jahr 2018 festgestellter charakteristischer Angriff des Islamischen Staates darin bestand, Sprengsätze gegen kleine Personenbusse einzusetzen, die jeweils etwa zehn Personen befördern und die in ganz Bagdad zum Straßenbild gehören. Diese Busse wurden im Islamischen Staat im Jahr 2018 mehrmals mit improvisierten Sprengsätzen angegriffen, was zwar nur minimale Verluste, aber Einschüchterungen der Zivilbevölkerung zur Folge hatte.

Noch im Januar 2018 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf dem überfüllten Tayran-Markt in Bagdad und töteten dabei mindestens 38 Menschen und verletzten bis zu 90 Menschen. Der Angriff schockierte die Bevölkerung von Bagdad, da er nach einem signifikanten Rückgang solcher Angriffe in Bagdad. Er wurde vom Guardian als der schwerste Angriff auf Bagdad seit der Erklärung des Sieges über den Islamischen Staat beschrieben. Beispiele für andere explosive Angriffe im Jahr 2018 sind die folgenden:

?        In Rashidiya explodierte im Januar 2018 eine Bombe, ein Milizionär der PFM wurde getötet und zwei weitere wurden verletzt wurden.

?        Am 23. Januar 2018 wurde ein Soldat getötet und zwei weitere verletzt, als eine irakische Militärpatrouille in Tarmiya nördlich von Bagdad von einer Straßenbombe getroffen wurde.

?        Am 16. Mai 2018 wurden 5 Menschen getötet und 10 verletzt, als ein Selbstmordattentäter ein schiitisches Begräbnis in Tarmiya angriff.

?        Am 23. Mai 2018 verübte der Islamische Staat einen Selbstmordanschlag in der Shula-Region, bei dem Angaben des Islamischen Staates zufolge 33 Menschen getötet und verletzt wurden. Die irakischen Medien berichteten demgegeneüber, dass vier Menschen getötet und 15 verletzt wurden.

?        Der Islamische Staat meldete im August 2018 5 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Kleinbusse in Bagdad in den Distrikten Amil, Shula, Turath und Baladiyat. 669 Zwei dieser Angriffe töteten und verletzten 12 schiitische Muslime.

?        Im Juni 2018 wurden 17 Menschen bei einer Explosion eines Waffenlagers der Miliz von Muqtada al Sadr getötet und 80 verletzt. Berichten zufolge wurden die Waffen in einer Moschee aufbewahrt, die von Sadr-Anhängern benutzt wurde.

?        Eine Explosion auf einem Markt in Sadr City am 14. August 2018 wurde von einer Quelle im Sicherheitsapparat auf kriminelle Gründe zurückgeführt. Dabei wurden drei Menschen getötet und vier verletzt.

?        Ein improvisierter Sprengsatz, der auf Schiiten im Bezirk Jihad (West-Bagdad) abzielt, tötete Berichten zufolge im September 2018 vier Menschen in der Nähe eines Einkaufszentrums.

?        Am 25. September 2018 wurde in den folgenden Bezirken eine Reihe von Explosionen gemeldet, die zu Opfern führten: Al Jadid (New Bagdad) östlich von Bagdad (1 Tote, 2 Verletzte), al Shaab nördlich von Bagdad (2 Tote) und al-Baayaa westlich von Bagdad (2 Tote) .Der Islamische Staat übernahm am 25. September 2018 die Verantwortung für fünf improvisierte Sprengsätze gegen Shula, Kadhimiyah (Nord-Bagdad), Shaab und Bataween (Rusafa), und den Bezirk Bayaa (Zentral-Bagdad), dabei wurden 3 Zivilisten getötet.

?        Am 1. und 2. Oktober 2018 forderten zwei improvisierte Sprengsätze in Shaab und Al Jadid einen Toten und mehrere Verwundete. Dem Islamischen Staat zufolge sei die Zahl der Opfer bei diesen beiden Angriffen viel höher gewesen und habe mehr als 50 Tote und Verwundete betragen.

?        Am 7. Oktober 2018 wurden bei einer Reihe von Angriffen auf verschiedene Vororte in Bagdad (Abu Dshir, 17 km südlich von Bagdad, Abu Ghraib, 44 km westlich von Bagdad und im Norden von Bagdad) vier Personen getötet und fünf verletzt.

?        Am 4. November 2018 wurden bei einer Serie von fünf improvisiertem Sprengsätzen in verschiedenen Gebieten des Gouvernements 8 Personen getötet und 14 verletzt. Eine andere Quelle berichtete von 7 Toten und 16 Verletzten. Der Islamische Staat behauptete jedoch, es seien bei den von ihm verübten Anschlägen mehr als 50 Opfer zu beklagen gewesen.

Beispiele für bewaffnete Zusammenstöße im Jahr 2018 sind die folgenden:

?        Unbekannte bewaffnete Personen eröffneten das Feuer im Stadtteil Jihad im Westen von Bagdad und töteten im Januar 2018 einen lokalen Bürgermeister.

?        Der Islamische Staat ermordete 8 Zivilisten bei einem Angriff auf den Vorort Tarmia im Mai 2018; die Opfer stellten Werbung für die Parlamentswahl auf; der Islamische Staat bezeichnete sie als Mitglieder einer Stammesmiliz.

?        Bei einem weiteren, nächtlichen Angriff des Islamischen Staates auf den Vorort Tarmia Anfang Mai 2018 wurden 21 Mitglieder eines lokalen Stammes (18 Männer, 2 Frauen und ein Kind) getötet. Sämtliche Opfer waren Mitglieder des Albu-Faraj-Stammes, der ein überzeugter Gegner des Islamische Staates in der Region ist. Die Mitglieder sind Teil der lokalen sunnitischen Miliz und der PMF, die zur Verteidigung gegen des Islamischen Staat gegründet wurden. Die Angreifer des Islamischen Staates trugen Armeeuniformen und gingen zunächst gegen einen Anwalt vor, von dem bekannt war, dass er Opfern des Islamischen Staates half, und töteten ihn in seinem Haus. Als andere Dorfbewohner kamen, um zu helfen, eröffneten sie das Feuer, töteten und verletzten sie und zogen sich zurück, bevor die Armee eintraf, um sie zu fassen.

In Bagdad gab es mehrere Morde an Persönlichkeiten, die in sozialen Medien bekannt geworden waren, ohne dass die Täter identifiziert und einer bestimmten Gruppierung zugeordnet werden konnten.

?        Tara Fares, bekannt aus Instagram, die in den sozialen Medien über persönliche Freiheit berichtet, wurde am 27. September 2018. in Bagdad erschossen, als sie in ihrem Porsche fuhr.

?        Im Jahr 2017 wurde Karar Nushi, ein männliches Model, das Morddrohungen wegen seiner langen Haare und seiner engen Kleidung erhalten hatte, in der Palästina-Straße erstochen aufgefunden, wobei sein Körper Anzeichen von Folter zeigte.

?        Hammoudi al-Meteiry, ein 15-jähriger und als „König von Instagram“ bezeichneter Jugendlicher, der Berichten zufolge wegen seiner Homosexualität von unbekannten Tätern getötet wurde.

Der Islamische Staat gab bekannt, Scheichs und Stammesführer angegriffen zu haben, die die Parlamentswahlen im Mai 2018 unterstützten. Im Mai 2018 behauptete der Islamische Staat, er habe das Haus eines wahlfördernden Stammesführers mit einer Bombe angegriffen zu haben; es ist unklar, ob diese dabei getötet wurde. Folgende weiteren Angriffe wurden dem Islamischen Staat zugeschrieben:

?        Am 27. Februar 2018 wurden vier Mitglieder der Sahwa-Bewegung von unbekannten Tätern im Norden Bagdads erschossen. Einer wurde getötet, die anderen drei verwundet.

?        Am 1. März 2018 wurde ein ehemaliger Beamter der Sahwa-Bewegung durch eine Bombe in Bagdad getötet.

?        Am 29. April 2018 wurde ein Führer der PMF, Qassim Al-Zubaidi, bei einem Attentat in der Innenstadt von Bagdad verletzt. Stunden zuvor wurde ein Wahlkandidat der Rechtsstaat-Koalition nördlich von Bagdad getötet.

?        Am 22. Juni 2018 gab der Islamische Staat bekannt, einen Stammesführer in al-Zour in der Nähe von Tarmia nördlich der Hauptstadt getötet zu haben, weil er die Parlamentswahlen unterstützt hatte.

?        Am 8. Juli 2018 wurden ein Kommandeur der Stammesmiliz und einer seiner Begleiter bei einem Bombenangriff in Nordbagdad verwundet.

?        Am 19. Juli 2018 wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte bei einem Angriff mit einer auf der Straße platzierten Bombe auf ihn in Tarmia im Norden von Bagdad verwundet.

?        Am 2. August 2018 wurde mit einer am Straßenrand platzierten Bombe ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte in der Region Sabaa al-Bour nördlich von Bagdad angegriffen. Eine Person wurde getötet, eine andere verletzt.

Im Januar 2018 erklärte der Direktor des Medienbüros des BOC, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Fortschritte in Bezug auf das Sammeln von Informationen über den Islamischen Staat gemacht hätten und dass sich Militäreinsätze im Bagdader Gürtel positiv auf die Sicherheitslage ausgewirkt hätten. Der Direktor kündigte ferner den Bau eines Sicherheitszauns um Bagdad mit Sicherheitstoren an, um Aufständische daran zu hindern, in die Stadt einzusickern.

Dem Institute für the Study of War zufolge hat sich BOC im vergangenen Jahr auf die Bagdad-Belts konzentriert, was zu dem Rückgang der Angriffe in Bagdad beigetragen hat. Im Allgemeinen sei es den Sicherheitskräften gelungen, die Rückkehr weitverbreiteter Gewalt nach Bagdad im Jahr 2018 zu verhindern. Dieser Erfolg zeigt sich in der allgemeinen Abnahme von Gewaltereignissen im vergangenen Jahr. Politische Gewalt stelle nach wie vor die größte Herausforderung dar, dazu komme Destabilisierung angesichts der anhaltenden Blockade der neuen irakischen Regierung unter dem irakischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi. Die PMF und andere lokale Sicherheitskräfte in Bagdad würden häufig eher auf politische Akteure reagieren, als auf den institutionellen staatlichen Sicherheitsapparat.

Die Expertin Geraldine Chatelard erklärt, dass die Wirksamkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung vor verschiedenen Formen von Gewalt vom politischen Willen der beteiligten Akteure abhängen kann. Schutzbemühungen werden durch die Situation vor Ort untergraben, in der PMF-Milizen auf Befehl ihrer eigenen Kommandos handeln und nicht der irakischen Regierung, weil sie verschiedenen politischen Anwärtern oder iranischen Gönnern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Regierung könne Erscheinungen von „Gesetzlosigkeit und Kriminalität“ seitens der Milizen derzeit nicht wirksam begegnen. Der Experte Michael Knights geht davon aus, dass Gesetzesverstöße von Milizen auch derzeit folgenlos bleiben. Landinfo schätzt die Lage in Bagdad so ein, dass Milizen weiterhin Bewegungsfreiheit zukommt und sie über Verbindungen zur Polizei verfügen und an Kontrolle, Verhaftung, Bestrafung bzw. Entführung von Personen ebenso beteiligt sind, wie an anderweitigen an kriminellen Aktivitäten. In den Bagdad-Belts haben die Milizen mehr Handlungsspielraum, dort können sie den Einheimischen das Recht verweigern, in ihre Häuser zurückzukehren. Die PMF-Milizen sind dessen ungeachtet populär und haben sowohl formelle als auch informelle Macht. Sie konzentrieren sich auch auf den Wiederaufbau. In Bagdad wurde etwa ihre Rolle beim Wiederaufbau einer medizinischen Klinik beworben. Manchmal wenden sich die Einheimischen, auch in Bagdad, an die Milizen der Nachbarschaft, anstatt an die Polizei, um Gerechtigkeit zu suchen.

Michael Knights zufolge gibt es eine große Konzentration von Sicherheitskräften, einschließlich der in Bagdad stationierten Armee, die seiner Ansicht nach angemessen und aktiv geführt werden und über adäquate Beratung und nachrichtendienstliche Unterstützung verfügen. Die Androhung bzw. Zufügung von Gewalt in Bagdad erfolge derzeit eher „persönlich und gezielt“ und weniger „situativ“ (Anwesenheit am falschen Ort / zum falschen Zeitpunkt). Das Institute for the Study of War erklärte, dass Milizen in Bagdad in einem gewaltsamen Wettbewerb um territoriale Präsenz und Territorium, Bevölkerung und politischen Einfluss stehen. Viele ihrer politischen Machthaber wurden im Mai 2018 in das irakische Parlament bzw. die Regierung gewählt.

Checkpoints in Bagdad werden dazu verwendet, um sicherzustellen, dass Autobomben und Selbstmordattentäter nicht in die Stadt eindringen. Dem Experten Fanar Haddad zufolge betreiben PMF-Milizen keine regulären Checkpoints in der Stadt Bagdad, richten solche bei Zwischenfällen aber ad hoc ein. In den Bagdad-Belts gibt es demgegenüber sichtbare PMF-Präsenz und PMF-Kontrollpunkte Eine ähnliche Ansicht vertrat ein im Irak ansässiger Sicherheitsanalytiker, der erklärte, dass sich die von PMF-Milizen betriebenen Kontrollpunkte hauptsächlich am Stadtrand von Bagdad befinden und nicht in der Stadt selbst, wobei an Kontrollpunkten im Osten der Stadt PMF-Elemente gemeldet wurden. Es sei für die PMF-Milizen möglich, temporäre Kontrollpunkte einzurichten, um auf bestimmte Probleme in den Stadtteilen von Bagdad zu reagieren. Im Januar 2018 teilte der Mediendirektor der BOC der Zeitung Asharq Al-Awsat mit, dass 281 Kontrollpunkte in Bagdad aufgehoben wurden, mindestens 600 Hauptstraßen und Ausgänge und ihre Vororte wiedereröffnet und am 10. Dezember 2018 Tausende Betonblöcke entfernt wurden. Im Jahr 2018 wurde außerdem die befestigte Internationale Zone (grüne Zone) in der Innenstadt für die Öffentlichkeit geöffnet. Dies ist die erste Wiedereröffnung nach Jahren. Im Jahr 2015 hatte die Regierung die grüne Zone für ein paar Tage geöffnet, aber nach Widerstand von US-Beamten wieder geschlossen.

1.9. Zur aktuellen Lage im Irak werden schließlich folgende (allgemeinen) Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

1.       Aktuelle Ereignisse

29.07.2019: Nach wie vor kommt es zu Zusammenstößen zwischen irakischen Sicherheitskräften und IS-Kämpfern. Laut Informationen aus Sicherheitskreisen vom 19.07.19 hat die zweite Phase der Anti-IS-Militäroffensive „Will of Victory“ (vgl. BN v. 08.07.19) im Norden von Bagdad und den Provinzen Diyala, Salahaddin und Anbar begonnen.

Am 22.07.19 wurden 60 Personen bei einer Demonstration in Midhatiya in der Provinz Babil verhaftet. Sicherheitskräften zufolge war die Demonstration unangemeldet. Demonstranten versuchten dabei, das Verwaltungsgebäude zu stürmen. Laut lokalen Medienberichten handelt es sich um die fünfte Demonstration, die bessere Grundversorgung in Midhatiya einfordert.

12.08.2019: Am 04.08.19 wurde die Inhaberin eines Schönheitssalons in Bagdad getötet und eine Mitarbeiterin verletzt, als eine Sprengvorrichtung im Briefkasten des Salons explodierte. Auch in den Provinzen Anbar, Bagdad, Basra und Diyala kamen bei Explosionen von improvisierten Sprengvorrichtungen und Minen mehrere Zivilisten und Sicherheitskräfte ums Leben.

Am 05.08.19 begann die dritte Phase der Anti-IS-Militäroffensive „Will of Victory“ (vgl. BN v. 29.07.19) in den Provinzen Diyala und Ninive. Die Volksmobilisierungsfront verkündete am 06.08.19 das erfolgreiche Ende der dritten Phase.

Am 10.08.19 brachen 15 des Drogenhandels Verdächtige aus dem Polizeigewahrsam (Polizeistation al-Russafa) in Bagdad aus. In einem Video der Überwachungskamera ist zu sehen, wie die Verdächtigen ohne offensichtlichen Widerstand der Sicherheitskräfte die Wache verlassen. Das Personal der Wache ist teils in Zivil gekleidet und unbewaffnet zu sehen. Acht der Verdächtigen wurden mittlerweile wieder gefasst. Medienberichten zufolge seien einige der Sicherheitsverantwortlichen entlassen worden

Am 06.08.19 übertrug Premierminister Abd al-Mahdi die Sicherheitsverantwortung an die lokale Shabak-Einheit (Brigade 30) der Volksmobilisierungsfront, die lokale Polizei und das Militär. Die vorausgehende Entscheidung der zentralirakischen Regierung, die Brigade 30 von allen Checkpoints in der Ninive-Ebene abzuziehen, hatte Proteste der Lokalbevölkerung ausgelöst. Am 01.07.19 hatte die zentralirakische Regierung einen Beschluss zur vollständigen Eingliederung der Volksmobilisierungsfront in die irakischen Sicherheitskräfte erlassen (vgl. BN v. 15.07.19).

Am 03.08.19 jährte sich der Gedenktag des Überfalls des IS auf die Jesiden im Sinjar zum fünften Mal. Bisher wurden im Distrikt Sinjar 73 jesidische Massengräber entdeckt; davon wurden bislang 17 geöffnet. Das Verbleiben von 2.908 Jesiden, vor allem Frauen und Kinder, ist nach wie vor ungeklärt.

26.08.2019: In Irak kommt es weiterhin zu Anschlägen. So wurden am 20.08.19 bei einem Angriff auf eine Armee-Patrouille nordöstlich von Baqubah, Provinz Diyala, ein Offizier und drei Soldaten verletzt. Am 22.08.19 griffen Aufständische in dem Sub-Distrikt Qara-Tappeh in der Provinz Diyala Stellungen der irakischen Polizei an. Irakische Sicherheitskräfte töteten sechs der Angreifer bei einem Feuergefecht, vier von ihnen trugen Selbstmordwesten. Ebenfalls in der Provinz Diyala, im Sub-Distrikt Jalawla, wurde ein irakischer Soldat durch einen Scharfschützen verwundet. Am 23.08.19 wurden bei einem Motorradbombenanschlag auf einem Marktplatz in der Stadt al-Musayib in der Provinz Babil, etwa 60 Kilometer südlich von Bagdad, nahezu 40 Menschen verletzt. Einer anderen Meldung zufolge sollen vier Menschen getötet und 30 weitere verletzt worden sein. Ebenfalls am 23.08.19 wurden bei einem Mörserangriff von IS-Kämpfern in der Provinz Diyala ein irakischer Sicherheitsbeamter getötet und zwei weitere verletzt.

Am 21.08.19 gab das Innenministerium den Beschluss bekannt, 25.938 Polizisten wieder einzustellen, die während des Konflikts mit dem IS aus dem Dienst entlassen worden waren. Angaben von Minister Yaseen al-Yasiri zufolge sind 13.252 Polizisten in Ninive, 7.636 weitere in Anbar, 3.462 in Salah ad-Din, 1.072 in Diyala und 516 in Kirkuk von der Entscheidung betroffen.

Am 18.08.19 demonstrierten Dutzende von Menschen in dem Sub-Distrikt Suweir in der Provinz Muthanna für eine bessere Grundversorgung. Den Demonstranten zufolge leiden dort angeblich 50.000 Menschen seit 15 Jahren unter unzureichender Grundversorgung.

02.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu Anschlägen. Die am stärksten betroffenen Provinzen waren Anbar, Kirkuk, Diyala, Bagdad und Babil. Bei einer Sicherheitsoperation der irakischen Sicherheitskräfte gegen den IS in der Provinz Diyala wurden am 30.08.19 zwei IS-Kämpfer getötet, darunter ein lokaler IS-Führer. In Sinjar, Provinz Ninive, wurde ein Massengrab mit mindestens 13 Opfern gefunden.

09.09.2019: Bei Sicherheitsoperationen gegen den IS wurden am 03.09.19 in einem Tunnel in der Region Sihaji südwestlich von Mosul neun IS-Kämpfer und in der Provinz Salahaddin fünf IS-Kämpfer getötet.

Am 02.09.19 veranlasste die irakische Kommunikations- und Medienkommission die temporäre Schließung der irakischen Büros des in den US-ansässigen Fernsehsenders Al-Hurra. Grund für die Schließung war eine Sendung zum Thema Korruption in religiösen Institutionen im Irak.

Die irakische Beobachtungsstelle für Pressefreiheit (JFO) kommentierte die Veröffentlichung von Namenslisten wenige Stunden nach der Suspension des Senders Al-Hurra. Die Listen führen Namen, Fotos, sowie teilweise Adressen bekannter Schriftsteller und Journalisten. Die genannten Personen werden u.a. der Zusammenarbeit mit Israel beschuldigt. Die JFO drückt Sorge um die Sicherheit der genannten Personen aus. Der Beobachtungsstelle zufolge wanderten seit 2003 viele Journalistinnen und Journalisten auf Basis solcher Listen und konkreter Bedrohungen aus dem Irak aus. In den vergangen Monaten wurde vermehrt Vorgehen gegen Journalisten dokumentiert (vgl. BN v. 29.07.19).

16.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Insbesondere betroffen waren die Provinzen Diyala, Salahaddin, Kirkuk und Ninive. So wurde bei der Explosion einer IED südlich von Mosul am 09.09.19 ein Zivilist getötet und weitere sechs verletzt. Am 10.09.19 kam ebenfalls bei der Explosion einer IED südlich von Kirkuk eine Zivilperson ums Leben und in der Nähe von Muqdadiya in der Provinz Diyala wurden drei Zivilisten durch eine Mörsergranate verletzt. Bei zwei Bombenanschlägen auf Patrouillen der irakischen Sicherheitskräfte in der Region Nida, östlich von Baquba in der Provinz Diyala wurde am 11.09.19 ein Angehöriger der Sicherheitskräfte getötet und drei weitere verletzt. Ebenfalls am 11.09.19 starb ein irakischer Soldat an einem Kontrollpunkt der irakischen Sicherheitskräfte im Gebiet Dawaleeb, nordöstlich von Baquba in der Provinz Diyala. Bei einem Angriff von IS-Kämpfern auf irakische Sicherheitskräfte wurde am 13.09.19 in einem Gebiet zwischen den Provinzen Diyala und Salahaddin ein Soldat getötet und zwei verwundet. Irakischen Angaben zufolge haben IS-Kämpfer in dem Gebiet ihre Angriffe auf irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten verstärkt.

Bei Sicherheitsoperationen der irakischen Sicherheitskräfte (ISF) mit Unterstützung der internationalen Koalition wurden am 09.09.19 drei IS-Verstecke in Mtaibijah an der Grenze zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din bombardiert und 15 IS-Kämpfer getötet sowie neun verhaftet. Ebenfalls am 09.09.19 wurden von der von den USA geführten Koalition mit Unterstützung der Peshmerga südwestlich von Erbil im Gebiet des Mount Qara-Chokh im Bezirk Makhmour zehn IS-Kämpfer getötet. Am 10.09.19 bombardierte die US-Luftwaffe Stellungen des IS auf der Insel Qanus im Fluss Tigris. Videoaufnahmen deuten darauf hin, dass IS-Positionen und Personal auf der Insel massive Schäden erlitten hätten. Am 11.09.19 töteten irakische Sicherheitskräfte durch Raketenbeschuss drei IS-Führer in einem Gebiet zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din. Bei Sicherheitsoperationen in der Provinz Anbar am 12.09.19 wurden in einem IS-Versteck 570 Sprenggürtel sowie andere Sprengsätze, Granaten und Minen entdeckt.

Am 10.09.19 kamen bei einer Massenpanik während des schiitischen Ashura-Festes in der Stadt Kerbala mindestens 31 Menschen ums Leben, 100 Menschen seien verletzt worden, zehn davon schwer. Irakischen Angaben zufolge sei es wegen eines großen Andrangs von Gläubigen am Eingang zur Grabmoschee Husseins zu dem Unglück gekommen.

30.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen vor allem mit Einsatz von Sprengvorrichtungen. Betroffen waren in der letzten Woche insbesondere die Provinzen Bagdad, Diyala, Salahaddin, Kirkuk und Ninive.

Am 20.09.19 kamen bei der Explosion in einem Kleinbus zwölf Personen ums Leben, fünf weitere wurden verletzt. Der Vorfall ereignete sich an einem Checkpoint nahe der Einfahrt in die Stadt Kerbala. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag. Medienberichten zufolge handelt es sich um einen der größten gezielten Anschläge auf Zivilisten seit der Niederlage des IS im Dezember 2017. Der Anschlag ereignete sich zwischen den schiitischen Feiertagen Ashura und al-Arba'in.

Am 23.09.19 teilte das Ministerium für Migration und Vertreibung die Schließung von vier weiteren Lagern für Binnenvertriebene in der Provinz Ninive mit. Die Schließung erfolgt im Rahmen einer Initiative für die schnelle Rückkehr dieser Flüchtlinge in ihre Heimatregionen. Die Unterstützungskommission der Vereinten Nationen im Irak (UNAMI) und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnen dagegen vor einer übereilten Rückkehr der Binnenvertriebenen

07.10.2019: Seit dem 01.10.19 kam es zu Demonstrationen gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und für bessere Grundversorgung in Bagdad, Nasriyah (Provinzhauptstadt Dhi Qar) und anderen Städten. Die Demonstrationen sollen über soziale Medien organisiert worden sein, eine Führung ist bis dato nicht bekannt. Die zunächst friedlichen Demonstrationen eskalierten als Sicherheitskräfte versuchten die Menschenmengen aufzulösen. Irakische Sicherheitsquellen dementierten direkt auf Demonstranten geschossen zu haben und haben Ermittlungen eingeleitet. Demonstranten blockierten Hauptverkehrsstraßen und setzten Dutzende öffentliche Gebäude und acht Parteibüros in Brand.

Am 05.10.19 verkündete der irakische Premierminister Adel Abd al-Mahdi ein soziales Programm, welches u.a. berufliche Weiterbildungen, sozialen Wohnungsbau sowie finanzielle Entschädigungen für die Familien der toten Demonstranten enthalten soll.

Bei einer Pressekonferenz am 06.10.19 teilte Saed Maan im Namen der Sicherheitskräfte mit, dass bei den Protesten in mehreren Landesteilen bisher 104 Personen, davon acht Sicherheitskräfte, und 6.107 weitere Personen, darunter auch Sicherheitskräfte, verletzt wurden. Der irakischen Menschenrechtskommission zufolge wurden mindestens 132 Demonstranten verhaftet. Am 06.10.19 sollen bei Ausschreitungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Sadr City (Bagdad) weitere 15 Menschen getötet worden sein.

Zeitweise wurden aufgrund der Proteste der Internetzugang und der Zugang zu sozialen Medien (z.B. Facebook, Twitter, WhatsApp) eingeschränkt. Die Organisation NetBlock berichtet, dass der Irak zeitweise zu etwa 70 % offline war. Reporter ohne Grenzen (RSF) zufolge seien bei der Berichterstattung über die Proteste seit dem 01.10.19 Journalisten von mindestens 14 verschiedenen Medieninstitutionen angegriffen worden. Drei Journalisten seien zeitweise festgenommen worden. Lokalen Medienberichten zufolge wurden u.a. Einrichtungen der Satellitensender Al-Arabiyya und NRT bei Angriffen in Bagdad von maskierten Unbekannten beschädigt oder zerstört.

Am 02.10.19 wurden der Aktivist und Karikaturist Hussein Adel Madani und seine Frau von unbekannten Angreifern in ihrer Wohnung in Basra erschossen. Lokalen Medienberichten zufolge sollen beide zuvor an Demonstrationen teilgenommen haben.

14.10.2019: Ein Ausschuss soll die mehr als 110 Todesfälle nach Massenprotesten gegen Korruption und Misswirtschaft in Irak untersuchen. Dies hatte Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi am 12.10.19 verkündet. Großajatollah Ali al-Sistani hatte die Einrichtung eines solchen Ausschusses gefordert.

Am 07.10.19 kam es in dem überwiegend schiitisch geprägten Stadtteil Sadr City erneut zu Demonstrationen. Die Demonstranten forderten neue Jobs und kritisierten den Tod mehrerer Demonstranten in der vorangegangenen Nacht. Bei den Ausschreitungen in der Nacht zum 07.10.19 waren mindestens acht Menschen gestorben.

2.       Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung (AA 12.01.2019), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Strei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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