TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/6 L525 2143533-1

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Veröffentlicht am 06.02.2020
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Entscheidungsdatum

06.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L525 2143533-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2016, Zl. 596471600-150062585, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer – ein pakistanischer Staatsbürger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 5.7.2012 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz und wurde am gleichen Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe Pakistan aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, weil seine drei Schwestern noch verheiratet werden müssten. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan habe er keine Existenzgrundlage, da der elterliche Grundbesitz verkauft worden sei und seine Eltern verstorben seien.

Der Beschwerdeführer wurde durch das damals zuständige Bundesasylamt am 13.7.2012 niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab zum Grund für das Verlassen seines Heimatstaates an, er hätte sich während des Studiums in ein Mädchen verliebt. Die Brüder des Mädchens hätten dies erfahren und sei der Beschwerdeführer von diesen angegriffen worden. Der Beschwerdeführer sei dann nach Sialkot gegangen doch hätten ihn die Brüder auch dort gefunden. Der Beschwerdeführer wurde am 13.11.2012 abermals durch das Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen worden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.1.2013 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen (Spruchpunkt I.) und wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführer wurde nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend führte das Bundesasylamt aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Der Beschwerdeführer sei physisch und psychisch gesund. Eine asylrelevante Verfolgung habe nicht festgestellt werden können. Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hätten nicht festgestellt werden können, ebenso wenig wie Gründe, die die Ausweisung als unzulässig erscheinen lassen würden.

Der Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer stellte daraufhin am 19.1.2015 seinen zweiten – den gegenständlichen – Antrag auf internationalen Schutz und wurde am gleichen Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen nunmehrigen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei im Mai 2014 nach Pakistan zurückgekehrt. Seine alten Fluchtgründe seien nicht mehr aufrecht, weswegen er auch freiwillig nach Pakistan zurückgekehrt sei. Während seines Aufenthaltes in Österreich sei er zum schiitischen Islam konvertiert. Eine Woche nach seiner Ankunft in Pakistan habe er seiner Familie seinen Glaubenswechsel mitgeteilt, jedoch hätte seine Familie diesen nicht akzeptiert. Er sei von seiner Familie und seinen Verwandten geschlagen worden und mit dem Umbringen bedroht worden. Er habe vor seiner Familie flüchten können und hätte sich bei Verwandten versteckt. In einer Zeitung sei eine Anzeige und ein Bild von ihm geschaltet worden mit dem Hinweis, dass er von seiner Familie gesucht werde. Aus diesem Grund habe er beschlossen, dass er Pakistan abermals verlassen müsse. Er sei erst gestern (gemeint: am Tag vor der Erstbefragung) nach Österreich zurückgekommen. Von staatlicher Seite fürchte er keine Verfolgung.

Der Beschwerdeführer wurde am 13.7.2015 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an er verstehe den Dolmetscher und er sei gesund. Er bekenne sich zum schiitischen Islam und gehöre der Volksgruppe der Rajput an. Er habe einen Werkvertrag der XXXX mit und eine Gewerbeanmeldung. Er habe keinen Reisepass besessen und seinen Personalausweis habe er in Pakistan verloren. Er arbeite bei der XXXX und verdiene ca. € 1.200,- im Monat. Er wohne mit einem anderen Pakistani in Wien zusammen. Er sei ledig und habe keine Kinder. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, seine gesamte Familie bekenne sich zum sunnitischen Islam und er sei der einzige der zum schiitischen Islam gewechselt sei. Dies habe seiner Familie nicht gefallen und diese habe ihn verstoßen. Ein Inserat und ein Bild von ihm sei in einer Zeitung veröffentlicht worden. Dort stehe, dass er Schiite sei und von seiner Familie nicht mehr erwünscht sei. Es stehe auch im Inserat, dass seine Familie ihn umbringen werde. Es stehe dort auch, dass ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Seine Familie habe ihn auch geschlagen.

Mit Bescheid des BFA vom 28.11.2016 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend führte das BFA nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe, er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe seien nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer sei in Pakistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz seien nicht hervorgekommen. Eine entscheidungsrelevante Integration habe nicht festgestellt werden können. Zum nunmehr vorgebrachten Fluchtvorbringen führte das BFA mit näherer Begründung aus, diese seien nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 12.12.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit hg Beschluss vom 4.1.2017, L525 2143533-1/3E erkannte das erkennende Gericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zu und führte begründend aus, es könne ohne nähere Prüfung nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan keine Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde.

Das erkennende Gericht führte am 17.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer ohne seinen Vertreter erschien. Der Beschwerdeführer erklärte vor dem erkennenden Gericht, er brauche keinen Anwalt. Die belangte Behörde entsandte entschuldigt keinen Vertreter. Der Beschwerdeführer legte im Zuge der mündlichen Verhandlung einen Arbeitsvorvertrag vom 9.12.2019 in einer näher bezeichneten Pizzeria in Wien, diverse Gutschriften der XXXX aus dem Jahr 2016 sowie zwei Kopien von Zeitungsartikel auf Urdu vor. Das erkennende Gericht verkündete die Abweisung der Beschwerde in sämtlichen Spruchpunkten und stellte der Beschwerdeführer am 19.12.2019 fristgerecht den Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens dem 5.7.2012 im Bundesgebiet und reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsbürger und stammt aus dem Dorf Dhoda im Bezirk Sialkot in der Provinz Punjab. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und hat die High School in Pakistan besucht. Danach hat der Beschwerdeführer in Sialkot in einer Firma für Chirurgieinstrumente gearbeitet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zum schiitischen Glauben konvertiert ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 5.7.2012 durchgehend im Bundesgebiet und reiste nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens nicht aus. Der Beschwerdeführer hat keinen Deutschkurs besucht, kann aber einfache Sätze auf Deutsch beantworten. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Der Beschwerdeführer wohnt mit keiner ihm nahestehenden Person zusammen. Der Beschwerdeführer verfügt auch über keine Verwandten in Österreich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine Lebensgefährtin hat. Der Alltag des Beschwerdeführers gestaltet sich derart, als dass er um 02:00 Uhr aufsteht und Zeitungen austrägt. Er kommt dann zwischen 06:00 – 07:00 Uhr zurück und schläft weiter. Um 10:00 – 11:00 Uhr steht er wieder auf und frühstückt und schaut einen Film. Der Beschwerdeführer spielt mit Freunden Cricket oder Fußball und manchmal grillen sie gemeinsam. Der Beschwerdeführer hat den Führerschein auf Deutsch gemacht. Der Beschwerdeführer hat derzeit keinen Gewerbeschein, arbeitet aber unter einem anderen Namen. Nachweise über die Tätigkeit wurden keine vorgelegt. Der Beschwerdeführer ist nicht selbererhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer ist in keinem Verein oder einer Organisation tätig. Der Beschwerdeführer kennt Österreicher und viele Pakistani. Der Beschwerdeführer ist nicht vorbestraft und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer arbeitete im Jahr 2016 als Zeitungsausträger.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch

Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische

Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber

Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore

und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen

Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der

Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt

konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a).

Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen,

wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle

Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer

Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen

Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über

Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative

Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die

Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene

Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen

dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis

Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered

Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden

war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit

Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär

wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch

eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem

Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten

Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der

Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-

Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin

weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-

Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der

aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a).

Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.]

Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte dort das staatliche

Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen,

insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze

zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete

Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die

Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der

Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz

stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014,

bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den

die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit

Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur

Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des

seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung

von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen

Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als

bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land

vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu

verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan

durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische,

paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch.

Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige

und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der

paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren

Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht,

dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen

vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und

Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung

durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden

funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von

Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt

es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in

Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von

militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen,

Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert

(USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische

Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden.

Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von

Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus:

PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiössektiererischen

Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten

Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt.

Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35

Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf

Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche

Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf

waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nichtbelutschische

Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder

Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014.

Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443

Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630

Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121

Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere

28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der

Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten

Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den

Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten,

302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017

fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen

Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP)

zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von

den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen

Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von ISUnterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch,

vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums

Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten

wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die

Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der

Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und

Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien,

Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt

(2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen

Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der

verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS

1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 %

weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten

oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18

in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab

(2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492),

davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im

Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern

durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft

gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen

Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der

Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den

verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“,

Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich

in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate

Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon

Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet

wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der

Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der

Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die

Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das

Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige

Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als

Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen,

insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu

lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan -

Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/

Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die

asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA

Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-

v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January

2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February

2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March

2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter

2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf,

Zugriff 8.5.2018

Regionale Verteilung der Gewalt:

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber

Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018)

sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu

größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017). Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan – wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom

Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben.

Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf

Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom

Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer

angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen

bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in

Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen

suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit

61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-

59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten

Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den

höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von

Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von

den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63

Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi.

Im Sindh – Karatschi ausgenommen – gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um

97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %.

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die

asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und

Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung)

https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March

2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February

2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January

2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Wichtige Terrorgruppen

Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische

Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes

dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine

bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und

verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die

Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO

7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie

entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze

zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die

Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den

pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der

Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel

und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan

stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013,

dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur

nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde

stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der

Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon

ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen

Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan

in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante

islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie

werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele

kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre

Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren.

Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum

anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft

(PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-

Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon

betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die

Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte

zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).

Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit

123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017

durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark

geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige

auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem

Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016

durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017),

stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an.

Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42

Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen

2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican

Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).

Quellen:

- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-

16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte

Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

- EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report,

Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easocountry-

of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.

- SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Lashkar-e-Jhangvi,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/lej.htm, Zugriff 8.5.2017

Punjab und Islamabad

Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten

gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore

und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern,

durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren

Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110

Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt

Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die

Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein

Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium

Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23

Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).

Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum

Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs

Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten,

sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in

Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter

richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung

eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall

mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya.

Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi

Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).

Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei

Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich

gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten – Mitglieder

religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-

Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) – 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad

Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der

Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee

ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und

Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).

Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016

zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben

Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß

angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März

2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den

Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das

Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS

1.2017).

Quellen:

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in

Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff

21.6.2018

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate,

https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-thegovernment-

to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- EASO – European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report,

Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easocountry-

of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

- ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA,

https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 8.5.2018

- PBS – Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL

RESULTS OF CENSUS – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN

%20TE HSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pd f, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March

2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February

2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January

2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- Reuters (14.3.2018): Suicide blast targeting police kills seven in eastern Pakistani city of

Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/suicide-blast-targeting-policekills-

seven-in-eastern-pakistani-city-of-lahore-idUSKCN1GQ2OD, Zugriff 14.5.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren

weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle

Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die

Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology –

abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen –

dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2017).

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die

folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz

sowie im Islamabad Capital Territory und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte.

Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a.

von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften

auf ihre Vereinbarkeit mit den „Injunctions of Islam“ angerufen werden kann (er kann

diesbezüglich auch von sich aus tätig werden). Weiters bestehen noch Provinz- und

Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Angelegenheiten wie Steuerrecht, Banken oder Zoll (ÖB 10.2017).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte

Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten die Regeleung

von Streitfällen zwischen Lokalregierungen („original jurisdiction in any dispute between any

two or more Governments“) sowie beratende Rechtsprechung („advisory jurisdiction“) auf

Aufforderung durch den Staatspräsidenten (Art. 184 ff der Verfassung). Außerdem kann er

sich in Fällen öffentlicher Bedeutung auch der Rechtsdurchsetzung bei

Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High

Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine

eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit gilt der

Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2017).

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court,

High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u. a. als Berufungsinstanz gegen

Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle

ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein

beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2017).

In Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme

(ÖB 10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und

High Courts erstreckte sich gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die

Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA; Federally Administered

Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) (ÖB 10.2017). Nach dem Inkrafttreten der

interimistischen Gesetzgebung für das Gebiet der FATA am 28.5.2018 und der

administrativen Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunhkhwa am 31.5.2018

wird die staatliche Gerichtsbarkeit teilweise und innerhalb der nächsten zwei Jahre

vollständig auf die ehem. Stammesgebiete ausgedehnt (Dawn 31.1.2018) [vgl. Abschnitt

4.1].

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von

denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen (Art. 203C der Verfassung).

Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des

Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2017).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden

vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach

Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt (Art. 203C der Verfassung). Die den

High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt

werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und

Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch

eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2017).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit

erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom

24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang

nicht voran. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz,

führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 20.10.2017).

Auf dem Index des „World Justice Project“ zur Rechtsstaatlichkeit 2017 rangiert Pakistan auf

Platz 105 von 113, was eine Verbesserung um einen Rang gegenüber dem Vorjahr darstellt

(WJP 2018).

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, doch laut NGOs und Rechtsexperten

ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch

extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder

öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen

bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und

einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen,

Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen

bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018).

Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016

einige Anschläge auf das Justizwesen: im März und im September erfolgte jeweils ein

Anschlag auf ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, wobei 17 bzw. 14 Menschen

starben, und in Quetta gab es ein Attentat auf ein Krankenhaus, in dem sich, nach Schüssen

auf den Präsidenten der Anwaltsvereinigung Belutschistan, Anwälte versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017). Im Februar 2017 starben bei einem Angriff der

pakistanischen Taliban auf ein Gerichtsgebäude im Distrikt Charsadda, in Khyber

Pakhtunkhwa, fünf Menschen (Reuters 21.2.2017).

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption

ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet (AA 10.2017a). Laut der

neuesten Statistik der Law and Justice Commission of Pakistan (LJCP) sind landesweit

1,869,886 Fälle bei allen Gerichten anhängig (Dawn 21.1.2018) und viele Verfahren ziehen

sich über Jahrzehnte hin. In manchen Fällen erhält erst die dritte Generation der Beteiligten

ein finales Urteil (Dawn 21.1.2018; vgl. AA 10.2017a).

Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte

Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung

zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten

beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, wie den Zugang zu Rechtsmitteln sowie

eine faire und effektive Anhörung (USDOS 20.4.2018). Der Director General der Federal

Judicial Academy, schätzt [Stand Mai 2015] die Zahl der Richter auf 4.200 für eine

Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen

Standards (ÖB 10.2016). Der Vorsitzende des Lahore High Court (Punjab) erklärte 2017,

dass in Punjab ein Richter auf 62.000 Einwohner kommt, und noch mindestens 10.000

Richter in der Provinz benötigt würden (Nation, The 31.12.2017). Im Jahr 2015 wurden in der

Provinz Punjab knapp 700 (ÖB 10.2016; vgl. TET 21.1.2015) und in der Provinz Sindh ca.

360 neue Richter eingestellt (TET 31.8.2015).

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der

Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch

wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter

Menschenrechtsverletzungen (z. B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der

Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der

Minderheitenrechte) befasst (AA 10.2017a).

Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene

grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA

20.10.2017).

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehm

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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