TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 W161 2230547-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W161 2230547-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.03.2020, Zahl 19-1248526810-191022683, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützt unberechtigter Einreise am 08.10.2019 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Er stamme aus der Provinz Ghazni. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Grundschule besucht und mit Matura abgeschlossen. An der Universität in XXXX habe er drei Jahre Zahnmedizin studiert (ohne Abschluss).

Zu seiner Fluchtroute gab der Beschwerdeführer an, er habe vor ca. einem Jahr Afghanistan zu Fuß in den Iran verlassen. Von dort sei er über die Türkei (Aufenthalt ca. zehn Tage), Griechenland (Aufenthalt ca. zehn Monate), Mazedonien und Serbien sowie weitere ihm unbekannte Länder nach Österreich gekommen, wo er sich seit 08.10.2019 aufhalte. Er habe auch in Griechenland um Asyl angesucht. Die Umstände in Griechenland seien sehr schlecht, er möchte nicht zurück nach Griechenland.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er sei in Afghanistan wegen der finanziellen Situation seiner Familie entführt worden. Sie wären etwas wohlhabender gewesen, damit meine er, dass er neben dem Studium als Zahntechniker gearbeitet habe, seine Mutter sei Bankangestellte und sein Vater Unternehmer. Die Entführer hätten Lösegeld erpressen wollen und ihn in ein Dorf verschleppt. Dort sei er jedoch von den Dorfbewohnern befreit worden. Er habe alles der Polizei gemeldet und die Entführer hätten danach seiner Familie Drohbriefe geschickt. Sie hätten gedroht, ihn noch einmal zu entführen, wenn sie nicht bezahlen. Aus Angst, nochmals entführt zu werden, habe er sein Zahnmedizinstudium abbrechen und das Land verlassen müssen. Bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte er, entführt und getötet zu werden.

Nach Zulassung des Verfahrens erfolgte am 03.03.2020 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der Beschwerdeführer gab eingangs an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Im Rahmen der Erstbefragung habe er die Wahrheit angegeben. Es gehe ihm gut. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme auch keine Medikamente. Er habe einen afghanischen Reisepass gehabt, dieser sei aber leider ins Wasser gefallen. Er habe ein Foto davon. Er sei Tadschike und Muslim sunnitischer Glaubensrichtung. Er habe in Ghazni zwölf Jahre lang die Schule besucht und diese mit Abschluss absolviert. Für den Beruf, den er habe studieren wollen, habe es keine Fakultät in Ghazni gegeben, deshalb habe er nach XXXX ziehen und dort eine private Universität besuchen müssen. Er hätte Zahnarzt werden wollen. Seine Familie habe gearbeitet und er habe ebenfalls gearbeitet, nämlich als Zahntechniker. Die wirtschaftliche/finanzielle Situation seiner Familie sei ganz normal gewesen. Sie hätten in der Provinz Ghazni gelebt und zwar in der Stadt Ghazni in einem namentlich genannten Dorf. Er habe dort mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem Haus gelebt. Dies sei ein großer Hof gewesen, der ihr Eigentum gewesen wäre. Er hätte gar nicht vorgehabt, Afghanistan zu verlassen, aber nach dem letzten Vorfall hätte er müssen, das sei ca. eineinhalb Jahre her. Wann genau er ausgereist sei, habe er leider vergessen. Seine Kernfamilie, nämlich seine Eltern, seine fünf Schwestern sowie sein Bruder, würden nach wie vor im angegebenen Dorf in Ghazni leben. Auch seine Großeltern väterlicherseits würden in der Provinz Ghazni leben. Auch seine Großmutter mütterlicherseits würde noch leben. Er habe noch insgesamt sechs Onkel und fünf Tanten, alle würden ebenfalls in Ghazni leben. Er habe sporadisch Kontakt zu seiner Kernfamilie in Afghanistan. Sporadisch deshalb, weil das Dorf in einem Eck läge, wo es meistens keinen Internetempfang gäbe. Sein Vater sei Vorsitzender einer Firma, in der Fenster und Türen hergestellt werden. Die Familie habe auch Grundstücke und Obstgärten. Seine Mutter arbeite in einer Bank, spezialisiert auf Kredite. Er sei in seiner Heimat nicht vorbestraft, werde dort nicht von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht und sei auch von den Behörden nie festgenommen oder verhaftet worden. Er hätte keine Probleme mit den Behörden in der Heimat gehabt. Er sei in seinem Herkunftsstaat nicht politisch aktiv gewesen und dort weder wegen seiner politischen Gesinnung, noch wegen seiner Religion oder seiner Nationalität, Volksgruppe oder Rasse verfolgt worden.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an:

„VP: Im Jahr 2018, als meine Semesterferien begannen, wollte ich nach Hause fahren, von XXXX nach Ghazni. Auf dem Weg nach Ghazni, im Gebiet von Ghazni, wurde unser PKW von bewaffneten Unbekannten aufgehalten und diese unbekannten Bewaffneten haben mich festgenommen. Meine Augen wurden verbunden, und ich wurde zu einem unbekannten Ort gebracht und sie haben die Telefonnummer meiner Familie von mir verlangt. Nach ein paar Tagen habe ich Stimmen gehört und ich merkte, dass viele Leute in meiner Umgebung waren. Sie kamen zu mir und nahmen mir die Augenbinde ab. Sie beruhigten mich, ich solle mir keine Sorgen machen. Sie fragten, woher ich komme und zu welcher Familie ich gehöre. Meine Familie wurde informiert.

Dann ist meine Familie gekommen, ich wurde meiner Familie übergeben. Danach hat mich meine Familie zum Arzt gebracht und ins Spital. Ich wurde untersucht, weil ich sehr schwach war. Als ich noch im Krankenhaus war, kamen die zuständigen Behörden, stellten mir Fragen, und es wurde alles niedergeschrieben. Das Ganze dauerte etwa einen Tag, von der Früh bis zum Abend, und dann gingen wir alle nach Hause.

Danach blieb ich einige Zeit zu Hause, mir ging es ganz schlecht. Außerdem machte sich die ganze Familie Sorgen um mich. Mein Vater war psychisch fast am Ende. Und so beschlossen wir, dass ich mein Heimatland verlassen müsse, weil es anders nicht möglich war.

LA: Kannten Sie Ihre Entführer persönlich?

VP: Nein.

LA: Haben Sie eine Vermutung, wer diese Leute waren oder welcher „Organisation“ sie angehörten?

VP: Nein. Weil ich saß am Vordersitz im Auto. In der Provinz Ghazni wurde das Auto auf der Hauptstraße angehalten und ich wurde mitgenommen.

LA: Waren Sie auf dieser Fahrt alleine im Auto?

VP: Ja.

VP: Ich meine, ich war alleine, es war kein Verwandter bei mir. Aber wir waren insgesamt fünf Personen im Auto, in einem Taxi. Und die Mitfahrer zeigten mir ihre Waffen und nahmen mich mit.

LA: Warum glauben Sie wurden gerade Sie mitgenommen?

VP: Ich nehme an, sie hatten schon vorab vor, dass sie mich mitnehmen wollten.

LA: Und warum gerade Sie?

VP: Weil ich diese Strecke mehrmals gefahren bin, und sie wollten von meiner Familie Geld haben.

LA: Musste Ihre Familie Geld bezahlen, um Sie wieder frei zu bekommen?

VP: Nein. Ich wurde durch Mitbewohner dieses Dorfes entdeckt und befreit.

LA: Das heißt, Sie wurden in einem Dorf festgehalten?

VP: Ja.

Nachgefragt: Ich weiß nicht, welches Dorf das war.

LA: Ihre Familie hat Sie dort abgeholt?

VP: Ja.

LA: Wer alles kam da von Ihrer Familie, um Sie abzuholen?

VP: Mein Vater und mein Großvater väterlicherseits.

LA: Andere Dorfbewohner haben Sie also befreit. Wo waren die Personen, die Sie mitgenommen und festgehalten haben?

VP: Ich weiß es nicht. Als die Augenbinde abgenommen wurde, habe ich niemanden von den Entführern gesehen.

LA: Das heißt, bevor die Dorfbewohner Sie fanden, war niemand da, der Sie bewacht hätte?

VP: Als die Dorfbewohner mich entdeckten und danach meine Augenbinde entfernten, und mein Vater da war, haben diese Dorfbewohner erzählt, dass diese Leute schon geflüchtet wären.

LA: Waren Sie in diesem Haus eingesperrt?

VP: Das habe ich nicht bemerkt. Das waren alte Räume. Da ich sehr Streß gehabt habe, kann ich nicht mehr sagen, wie das ausgeschaut hat.

LA: Die Augenbinde konnten Sie nicht selbst abnehmen?

VP: Nein, weil meine Hände und Füsse auch gefesselt waren.

LA: Haben Sie selbst auch irgendwie versucht, sich zu befreien?

VP: Ja, ich habe mich mehrmals bewegt, mehr konnte ich auch nicht tun, denn sie kamen immer wieder und haben mich geschlagen.

LA: Das Ganze dauerte mehrere Tage, sagten Sie. Wie lange etwa?

VP: Laut den Angaben meines Vaters hat das etwa zwei Wochen gedauert.

LA: Und die ganze Zeit über waren Sie an Händen und Füßen gefesselt?

VP: Ja.

LA: Haben Sie in dieser Zeit zu essen und zu trinken bekommen?

VP: Ich wurde wie ein Tier gefüttert. Jedes Mal wurde ein Gewehr an meinen Kopf gehalten und nur mein Mund freigemacht. Mit den Händen wurde Essen in meinen Mund hineingeschoben.

LA: Wie konnten Sie in dieser Zeit Ihre Notdurft verrichten?

VP: Als ich aufs Klo wollte, musste ich mich viel bewegen, weil mein Mund war auch zugebunden. Dann sind diese Leute gekommen und haben meine Hose weggenommen. Bei diesen Fällen wurden meine Füsse losgebunden. Zwei Personen hielten mich dabei immer an meinen Schultern fest.

LA: Haben die Leute, die Sie da gefangen hielten, in den beiden Wochen mit Ihrer Familie Kontakt aufgenommen, um Geld zu verlangen?

VP: Einmal, und zwar am ersten Tag, als ich die Telefonnummer meiner Familie bekannt gegeben habe, habe ich gehört, dass sie meine Familie angerufen haben, und zusätzlich musste ich auch ein paar Worte mit meiner Familie wechseln, um zu beweisen, dass sie tatsächlich mich festhielten. Danach weiß ich nicht.

LA: Warum hätten die Personen, die Sie festhielten, schon geflüchtet sein sollen, ohne Geld für Sie bekommen zu haben?

VP: Ich weiß es nicht. Weil durch die Dorfbewohner der Platz, wo ich festgehalten wurde, entdeckt wurde und sie vielleicht Angst vor diesen Dorfbewohnern hatten. Diese Entführer waren auch für die Dorfbewohner unbekannte Personen.

LA: Wie lange dauerte es ungefähr nachdem Sie das letzte Mal von den Entführern gefüttert wurden, bis die Dorfbewohner Sie befreit haben?

VP: Ich kann mich nicht erinnern, mir ist es ganz schlecht gegangen. Ich hatte ganz wenig und nach langer Zeit zu essen bekommen.

LA: Von wem wurde Ihre Familie benachrichtigt, wo Sie abzuholen wären?

VP: Das weiß ich nicht. Mein Vater sagte mir nicht, wer ihn angerufen hatte. Mir ist es ganz schlecht gegangen, und ich war nicht in der Lage, mir das zu merken.“

Der Beschwerdeführer gab noch an, sein Vater und sein Großvater hätten ihn ins Krankenhaus gebracht, dort habe er sich bis zum Abend aufgehalten, dann seien sie nach Hause gegangen. Wo sich das Krankenhaus befunden habe, wisse er nicht, es sei ihm ganz schlecht gegangen und habe er auch nicht nachgefragt. Andere Mitglieder seiner Familien seien nicht entführt oder auf sonstige Art bedroht worden. Befragt, ob die Behörden, die ihn einvernommen hätten, noch irgendwelche weiteren Schritte gesetzt hätten, um die Täter zu finden, gab der Beschwerdeführer an, sein Vater hätte ihm gesagt, sie seien noch immer auf der Suche nach den Tätern. Wenn er befragt werde, ob seine Eltern nicht besorgt gewesen wären, dass seinen Geschwistern dasselbe wie ihm passieren könnte, gebe er an, seine Eltern würden sich immer Sorgen machen. Seine anderen Geschwister seien noch jung. Wenn seine Eltern irgendwohin gehen wollten, würden sie alle mitnehmen. Seine beiden älteren Schwestern seien verheiratet. Seine drei anderen Schwestern und ein Bruder würden gemeinsam bei seinen Eltern leben und die Eltern würden auf sie aufpassen und seien sehr vorsichtig. Wenn er weiter in Afghanistan geblieben wäre, hätte er Angst gehabt, wieder entführt zu werden. Befragt, was er konkret glaube, dass ihm geschehen würde, wenn er heute in XXXX aus dem Flugzeug steigen würde, gab der Beschwerdeführer an, er habe Angst um sein Leben. Nicht einmal eine Sekunde habe er Vertrauen in die Sicherheitslage, welche aktuell in seinem Heimatland herrsche. Er habe sämtliche Gründe, die ihn veranlasst haben, sein Herkunftsland zu verlassen, vollständig vorbringen können.

Befragt zu seinen Integrationsschritten in Österreich gab der Beschwerdeführer an, seit er in Österreich sei, habe er ehrenamtlich gearbeitet. Später sei er in ein weit entferntes Dorf verlegt worden, dort gebe es fast nichts. Sie hätten nur ein bis zwei Stunden wöchentlich einen Deutschkurs. Befragt, wie er sich den Aufenthalt in Österreich finanziere, gab der Beschwerdeführer an, er bekomme monatlich Euro 40,-- Taschengeld und Essen bekämen sie auch vom Unterkunftsgeber. Er habe alles gesagt und bedanke sich für die Einvernahme, die sehr, sehr normal gewesen wäre. Er habe keine Einwände. Auch habe er den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte fest, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Dieser sei volljährig und halte sich spätestens seit dem 08.10.2019 in Österreich auf, nachdem er illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Er sei afghanischer Staatsbürger, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei Muslim sunnitischen Glaubens. Er sei in seinem Heimatdorf XXXX in der Provinz Ghazni, Afghanistan, geboren worden, wo sich sein Elternhaus befinde und er von Geburt an bis rund drei Jahre vor seiner Ausreise aufhältig gewesen wäre. Während seines Studiums in XXXX habe er dort in einem Studentenheim gewohnt und seine Familie im Heimatdorf etwa ein bis zweimal pro Semester besucht. Er sei ledig und habe keine Kinder. Aussagekonform pflege er – nach Maßgabe der Verfügbarkeit einer Internetverbindung in seinem Heimatdorf – regelmäßig Kontakt mit seiner Familie, zuletzt am Tag vor seiner Einvernahme am 03.03.2020. Er verfüge über keinen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen. Im Herkunftsstaat befänden sich noch Vater, Mutter, fünf Schwestern und ein Bruder. Darüber hinaus habe er väterlicherseits noch beide Großeltern, vier Onkel und eine Tante sowie mütterlicherseits eine Großmutter, zwei Onkel und vier Tanten, diese würden ebenfalls alle in Ghazni leben. Der Antragsteller habe im Herkunftsstaat eine zwölfjährige Schulbildung an einer Schule in Ghazni erfahren, welche er mit Matura abgeschlossen habe. Danach habe er an einer privaten Universität in XXXX rund drei Jahre lang Zahnmedizin studiert. Parallel zu seinem Studium sei er auch als Zahntechniker erwerbstätig gewesen. Seinen Lebensunterhalt habe er mit den Einkünften aus dieser Arbeitstätigkeit sowie mit der finanziellen Unterstützung durch seine Eltern finanziert. Die wirtschaftliche Lage des Antragstellers sowie die seiner Familie sei sehr gut gewesen. Der Antragsteller sei jung, gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig und somit, in Zusammenschau mit seiner Schul- und Hochschulbildung und seiner Arbeitserfahrung, jedenfalls fähig, sich selbst zu erhalten.

Der Antragsteller sei glaubhaft unbescholten, hätte im Heimatstaat glaubhaft niemals Probleme mit Behörden, Polizei oder Militär gehabt, wäre keinerlei konkret auf seine Person bezogenen Schikanen ausgesetzt gewesen und habe auch glaubhaft ausgesagt, dass ihm im Rückkehrfall keinerlei unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe oder irgendwelche Sanktionen drohten. Seine geäußerten Rückkehrbefürchtungen bezögen sich ausschließlich auf sein unglaubhaftes bzw. nicht GFK-relevantes Fluchtvorbringen. Für seine Person bestünden in Afghanistan keine Befürchtungen hinsichtlich einer Bedrohung oder Verfolgung.

Das Fluchtvorbringen des Antragstellers sei zum Teil widersprüchlich und vermöge daher nicht festgestellt zu werden, doch auch im Falle rein hypothetischer Wahrunterstellung entbehre es der GFK-Relevanz.

Hinsichtlich des ursächlich die Ausreise begründenden Ereignisses, der Entführung der Person des Antragstellers auf dem Weg von XXXX , wo er studiert hätte, in seine Heimatprovinz Ghazni, weise das Vorbringen einen zentralen Widerspruch zum konkreten Geschehen auf:

So habe der Antragsteller in seiner Einvernahme zunächst angegeben, das Fahrzeug, in dem er sich befunden habe, sei von unbekannten Bewaffneten aufgehalten und er von diesen festgenommen worden, später habe er in derselben Einvernahme angegeben, die Mitfahrer hätten ihm ihre Waffen gezeigt und ihn mitgenommen.

Selbst bei Wahrunterstellung der angeblichen Entführung sei festzuhalten, dass der Antragsteller durch diese Entführung selbst zutreffendenfalls Opfer einer mit Strafe bedrohten kriminellen Handlung durch nichtstaatliche Dritte geworden wäre, welche an sich nicht als Bedrohung oder Verfolgung zu bewerten sei. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung könne nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden könne; das Bundesamt verkenne keineswegs, dass in einigen Landesteilen des Herkunftsstaates des Antragstellers staatlicher Schutz nur sehr eingeschränkt gewährleistet sei, jedoch sei von einem solchen Mangel an Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit den Länderinformationen zur Folge weder in seiner Heimatprovinz noch allgemein in Afghanistan generell und gleichsam flächendeckend auszugehen. Auch das Vorbringen des Antragstellers selbst sei nicht geeignet, einen solchen Mangel nahe zu legen, da nach seiner Aussage unmittelbar nach seiner Befreiung die zuständigen Behörden zu ihm ins Krankenhaus gekommen seien, um ihn einzuvernehmen und eine Niederschrift zu erstellen. Außerdem sei sein Vater danach von den Behörden informiert worden, dass nach den Tätern gesucht werde, also Ermittlungen angestellt würden. Ungeachtet des faktischen Erfolgs dieser Ermittlungen – auch in den Rechtsstaaten westlicher Prägung werde naturgemäß nicht jeder Täter gefasst – wiesen die beschriebenen Aktivitäten jedenfalls auf ein ordentliches rechtsstaatliches Vorgehen hin und seien keinesfalls geeignet, die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der staatlichen Behörden in Frage zu stellen. Ungeachtet dessen wäre der Antragsteller also durch die angebliche Entführung auch bei Wahrunterstellung jedenfalls Opfer einer Straftat durch Dritte geworden, welche schon an sich nicht auf einen Grund, der in der GFK genannt ist, zurückzuführen sei, da kein kausaler Zusammenhang zwischen der behaupteten Straftat und einem der in der GFK taxativ aufgezählten Gründe bestehe. Sofern die Gefahr bestehe, Opfer eine Straftat zu werden, treffe diese auch in seinem Herkunftsstaat nicht nur Angehörige bestimmter Gruppen, sondern bestehe sie potentiell für alle Menschen gleichermaßen. Daher komme, gemäß der GFK das Ausreisevorbringen auch im rein hypothetisch unterstellten Wahrheitsfall nicht für eine Asylgewährung in Betracht. Darüber hinaus wäre im Falle einer solchen Bedrohung keineswegs von einer landesweiten solchen auszugehen, sondern vielmehr von einer lokal begrenzten, weshalb dem Antragsteller ohne jeden Zweifel innerstaatliche Ausreisealternativen zur Verfügung stünden, um dieser zu entgehen.

Auch aus der Tatsache, dass der Antragsteller ethnischer Tadschike wie auch Muslim sunnitischer Glaubensrichtung sei, ergäbe sich keine asylrelevante Gefährdung.

Zusammenfassend komme die Behörde daher zu dem deutlichen Entschluss, dass eine reale Verfolgung im Herkunftsstaat für den Antragsteller nicht bestanden habe und auch aktuell nicht bestehe. Aufgrund der erörterten Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens könne auch keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat vorliegen. Zusammengefasst gehe das Bundesamt aufgrund seiner Angaben davon aus, dass sein gesamtes Vorbringen nicht der Realität entspreche und nur dazu diene, einen Fluchtgrund zu konstruieren. Außer dem sohin als unglaubwürdig bzw. nicht GFK-relevant eingestuften Vorbringen hätten sich im gegenständlichen behördlichen Verfahren keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung der Person des Antragstellers glaubhaft machten.

Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass der Antragsteller im Fall seiner Rückkehr seitens seiner im Herkunftsstaat verbliebenen Familie, insbesondere seiner wohlsituierten Eltern mit entsprechender materieller Unterstützung rechnen könne. Doch selbst auf sich alleine gestellt, sei er im erwerbsfähigen Alter, gesund, arbeitswillig und arbeitsfähig und verfüge über Schul- und Hochschulbildung sowie über Arbeitserfahrung als Zahntechniker, weshalb daher auch im Rückkehrfall davon ausgegangen werden könne, dass er wieder erwerbstätig sein und für seinen Unterhalt sorgen werden könne, wozu er auch körperlich und geistig in der Lage sei.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation sei in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass der Antragsteller im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und seiner Rückkehr, unter Umständen auch in seinen Heimatort, jedenfalls aber nach Herat oder nach Mazar-e Sharif in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch die EMRK und die GFK geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führe im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr zumindest in eine dieser beiden Städte möglich und auch zumutbar sei – die Frist zur freiwilligen Ausreise könne er unter anderem dafür nützen, durch entsprechende Kontaktaufnahmen allenfalls im Bedarfsfall eine Abholdung sowie die Unterkunft für die ersten Übernachtungen nach seiner Ankunft zu organisieren. Aus den Feststellungen der Staatendokumentation seien darüber hinaus keine Umstände bekannt, dass im Heimatstaat eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre und wäre eine solche konkrete Gefährdung seiner Person auch den Verfahrensunterlagen nicht zu entnehmen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 22.04.2020 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde vorgebracht, das Bundesamt habe es vollkommen vernachlässigt, Berichte zum fluchtauslösenden Ereignis einzuholen. Es sei notorisch, dass wohlhabende Personen in Afghanistan Opfer von Entführungen werden. Diesbezüglich hätte das Bundesamt jedenfalls die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 in seine Entscheidung einbringen müssen. Weiters habe das Bundesamt die aktuelle Lage bezüglich der COVID-19-Pandemie völlig außer Acht gelassen, obwohl diese bereits zum Entscheidungszeitpunkt, 26.03.2020, Entscheidungsrelevanz gehabt hätte. Auch die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid sei mangelhaft. Das Bundesamt habe sich in der Beweiswürdigung nicht ausreichend mit den vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Verfahren sowohl eine Kopie seiner Tazkira als auch seines Reisepasses vorgelegt und dennoch habe das Bundesamt festgestellt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht geklärt sei. Hätte das Bundesamt das Verfahren nicht mit gravierenden Verfahrensfehlern und einer mangelhaften Beweiswürdigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung belastet, hätte es zu dem Schluss kommen müssen, dass der Beschwerdeführer einer GFK-relevanten Verfolgung in seinem Heimatland ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer hätte bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine asylrelevante Bedrohung zu erwarten, da er dem Risikoprofil von „Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen sowie deren Familienangehörige“ angehöre. Er sei Opfer einer erpresserischen Entführung geworden und habe lediglich mit viel Glück entkommen können. Es könne nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nicht abermals Opfer einer Entführung werde. Die afghanische Regierung sei weder schutzwillig noch –fähig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Beschwerdegründen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine genaue Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Ghazni und besuchte in der Heimatprovinz zwölf Jahre die Grundschule sowie drei Jahre die Universität in XXXX . Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2019 illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am 08.10.2019 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die Eltern, ein Bruder und fünf Schwestern sowie die Großeltern väterlicherseits, vier Onkel und eine Tante väterlicherseits und die Großmutter mütterlicherseits sowie zwei Onkel und vier Tanten mütterlicherseits leben alle in Afghanistan in der Provinz Ghazni.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan aufgrund seiner ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit unmittelbar konkret vor der Ausreise bedroht worden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF wegen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell bzw., dass jedem Angehörigen der Volksgruppe der Tadschiken physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen ihn unmittelbar konkret betreffenden Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat bzw. er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, wonach er Opfer einer erpresserischen Entführung in Afghanistan geworden wäre und gefährdet sei, neuerlich entführt zu werden, ist nicht glaubhaft.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Herat oder Mazar-e-Sharif, besteht für den Beschwerdeführer keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation. Es besteht kein maßgebliches Risiko, dass der Beschwerdeführer in Herat oder Mazar-e-Sharif einer asylrelevanten Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Übestellung in seine Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfindenden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Dem Beschwerdeführer steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in die Stdäte Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Mazar e-Sharif oder auch Herat besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehender, gesunder und leistungsfähiger Mann mit guter Schulbildung im berufsfähigen im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Oktober 2019 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Österreich noch keine Deutschprüfungen abgelegt, jedoch ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt.

Das Bestehen einer insgesamt besonderen Integration bzw. besonderer Gründe, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Sämtliche Feststellungen ergeben sich abschließend vollständig aus den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt. Das BFA hat ein rechtskonformes und vollständiges Ermittlungsverfahren durchgeführt. Dieses hat den BF dokumentiert die Möglichkeit geboten sämtliche relevanten Ausführungen zu erstatten. Der BF bestätigte am Ende der Einvernahme vor dem BFA explizit, dass er im Zuge dieser Einvernahme vor dem BFA alle seine Gründe ausgeführt hat und er weitere Gründe nicht mehr vorzubringen hat.

Der Beschwerdeschrift sind keine substantiell begründeten, wesentliche weitere bzw. ergänzende Ausführungen zu entnehmen die eine ergänzende mündliche Verhandlung, bzw. eine ergänzende Abklärung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens vor dem BVwG erforderlich erscheinen lassen. Die gegenständliche Entscheidung kann, insbesondere auch aufgrund der unmittelbar zeitlichen Nähe zum angefochtenen Bescheid des BFA, sich vollständig auf die Würdigungen des BFA stützend ohne Vornahme einer gesonderten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgenommen werden.

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2.       Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) – bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) – mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als “Marionette“ des Westens betrachten – auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

Quellen:

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3.       Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison – was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt – dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten – als Reaktion auf einen Anschlag – absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit – insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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