TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/24 W124 2129997-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2129997-1/44E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX , am XXXX und am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 55, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Sayed an und sei schiitischer Muslim. Er sei am XXXX geboren, stamme aus dem Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Logar und sei traditionell verheiratet. Seine Erstsprache sei Dari. Über Schulbildung verfüge er nicht. In seiner Herkuntsprovinz würden noch seine Ehefrau, seine zwei Töchter, sein Sohn, seine zwei Brüder, seine drei Schwestern sowie seine Eltern leben. Zuletzt habe er als Landwirt gearbeitet. Vor circa zwei Monaten sei er von seinem Heimatdorf aus endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er habe den Herkunftsstaat aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen. Seine Herkunftsprovinz sei umkämpft und es herrsche Unruhe.

I.2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt), im Zuge welcher er eingangs vorbrachte, seine Angaben in der Erstbefragung würden der Wahrheit entsprechen. Über Dokumente verfüge er nicht, am Handy habe er jedoch die Kopie seiner Tazkira.

Er bestätigte seine bisherigen Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit sowie zu seiner Religionszugehörigkeit und gab zu Protokoll, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an.

Zu seinem Leben im Herkunftsstaat führte er an, er habe keine wirtschaftlichen Probleme gehabt. Er habe auf seinen landwirtschaftlichen Grundstücken Obst angebaut und habe auch Rinder gehabt. Seine Eltern würden in der Nähe seiner Ehefrau leben und sich um sie sowie um seine Kinder kümmern. Die Landwirtschaft sei verpachtet und seine Familie lebe aus dem daraus erzielten Einkommen. Weder seine Frau und seine Kinder noch seine Eltern hätten Probleme.

Der BF sei gesund, nehme keine Medikamente und befinde sich nicht in Behandlung. Im Herkunftsstaat habe er noch weitschichtige Verwandte, beispielweise Cousinen und einen Cousin, Tanten und Onkel. Sein Onkel mütterlicherseits lebe in Kabul, die Tanten in XXXX . Mit seiner Familie telefoniere er regelmäßig, es sei bei ihnen alles in Ordnung.

Im Februar XXXX habe er seinen Wohnsitz endgültig verlassen. Die Ausreise habe er selbst finanziert. Probleme mit der Polizei oder mit anderen staatlichen Stellen habe er im Herkunftsstaat nicht gehabt. Gegen ihn sei kein Gerichtsverfahren anhängig und er sei auch nie festgenommen worden. Mitglied einer Partei, einer parteiähnlichen oder einer terroristischen Organisation sei er nie gewesen.

Zu seinen Fluchtgründen führte er an, die Sicherheitslage in Afghanistan sei sehr schlecht. Er habe vier Kinder gehabt. Eines seiner Kinder sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie hätten das Kind in ein Krankenhaus gebracht, dort sei ihnen aber mitgeteilt worden, sie müssten das Kind in das im Zentrum der Provinz gelegene Krankenhaus bringen. Es sei am Abend gewesen und sie hätten nicht fahren können. Am nächsten Tag sei das Kind verstorben. Sie hätten große Angst vor den Taliban gehabt, sodass sie sich nicht getraut hätten, abends unterwegs zu sein. Der Unfall habe sich vor zweieinhalb Jahren ereignet. Nach der Beerdigung habe er sich entschlossen auszureisen.

Da der Weg nach Europa sehr gefährlich sei und sein Leben in Gefahr sei, sei er alleine ausgereist. Auf die Frage, warum sein Leben im Herkunftsstaat gefährdet sei, führte er aus, als Schiit sei sein Leben schon immer in Gefahr gewesen. Eine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung durch die Taliban habe es nicht gegeben, er habe nur allgemein Angst gehabt. Die Taliban seien circa 5 km von seinem Heimatdorf entfernt. Wenn man mit dem Auto unterwegs sei, könne es passieren, dass man getötet werde. Grundsätzlich seien seine Frau und seine Kinder auch gefährdet. Seine Frau verlasse das Haus aber nicht. Würde sie mit den Kindern durch Städte reisen, wäre auch sie gefährdet.

Eine Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bestehe nicht.

Zu seinem Leben in Österreich gab er unter anderem an, sein fünfzehnjähriger Neffe lebe im Bundesgebiet. In der Folge brachte er Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen in Vorlage.

I.3. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt brachte der BF seine Tazkira sowie Auszüge aus seinem Reisepass (jeweils in Kopie) in Vorlage, wobei dem Reisepass ist das Geburtsdatum „ XXXX “ zu entnehmen ist.

I.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

I.5. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vollinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Begründend wurde ausgeführt, die Behörde habe das Vorbringen des BF nicht in seiner Gesamtheit gewürdigt und habe die gesamte Situation in ihrem kulturellen Kontext verkannt. So gebe es unzählige Berichte internationaler Organisationen, in welchen die schwierige Sicherheitssituation in Afghanistan aufgezeigt werde. Logar sei zudem eine der unbeständigsten Provinzen der Region, was auch dem angefochtenen Bescheid entommen werden könne. Die von der Behörde herangezogenen Informationen zu den Taliban seien überdies veraltet. Abschließend wurde das wesentliche Fluchtvorbringen des BF wiederholt, auf die schlechte Versorgungslage hingewiesen und seine Integrationsbemühungen hervorgehoben.

I.6. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurden dem BF Länderberichte zur allgemeinen Situation in Afghanistan zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

I.8. Am XXXX fand in Anwesenheit einer Vertrauensperson und der Vertretung des BF sowie unter Beziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und eines länderkundlichen Sachverständigen eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsericht statt. Das Bundesamt verzichtete bereits mit Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an einer Beschwerdeverhandlung.

Im Zuge der Verhandlung brachte der BF folgende Dokumente (in Kopie) in Vorlage:

-        Bestätigung der Marktgemeinde XXXX vom XXXX (Beilage./A);

-        mehrere Teilnahmebestätigungen an einem Deutschkurs vom XXXX , XXXX und XXXX (Beilage./B);

-        ein Auswertungsblatt im Rahmen des Deutschkurses vom XXXX (Beilage./D);

-        Schreiben der Vertrauensperson (Beilage./E);

-        Bestätigungen von diversen Veranstaltungen (Beilage./F).

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

BF: Es geht mir ganz gut. Ich bin gesund.

[…]

R: Die Angabe, die Sie bei der Polizei bzw. beim BFA gemacht haben, sind diese richtig und bleiben Sie dabei?

BF: Ja.

R: Wo sind Sie geboren? Bitte geben Sie den genauen Ort sowie Ihren vollständigen Namen an. Geben Sie bitte, Dorf, Distrikt und Provinz an.

BF: Ich heiße XXXX . Ich bin in der Provinz Logar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren.

R: Wo haben Sie in Afghanistan gelebt, bevor Sie Ihr Heimatland verlassen haben? Geben Sie bitte chronologisch an, in welchen Zeiträumen Sie an welchen Orten gelebt haben?

BF: Ich habe ausschließlich im Distrikt XXXX gelebt.

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Adresse alleine gelebt?

BF: In diesem Haus lebte ich mit meiner Frau und meinen drei Kindern. Im Haus nebenan lebten meine Eltern.

R: Wie geht es Ihren Familienangehörigen?

BF: Es geht. Sie sind zu Hause.

R: Was heißt, es geht?

BF: Sie sind die ganze Zeit zu Hause und können nicht hinausgehen. Sie können auch nicht spazieren gehen, weil es bei uns Taliban gibt.

R: Wie oft sind Sie mit ihrer Familie in Kontakt?

BF: Es ist ganz unterschiedlich. Es kommt vor, dass ich in der Woche ein bis zweimal oder im Monat insgesamt dreimal anrufe.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit Ihrer Familie?

BF: Vorgestern.

R: Haben Sie über Ihre Familie hinaus noch Verwandte in Afghanistan?

BF: Ja.

R: Welche?

BF: Ich habe dort noch meinen Vater, meine Mutter, eine Tante väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits. Ich habe auch einen Onkel mütterlicherseits, mit dem wir aber keinen Kontakt haben.

R: Wo leben die von Ihnen genannten Personen?

BF: Mein Vater lebt neben dem Haus, in dem meine Ehefrau und meine Kinder leben. Meine Tante väterlicherseits lebt bei meinem Vater, meine Tante mütterlicherseits lebt im Distrikt XXXX . Und mein Onkel mütterlicherseits in Kabul.

R: Wo in Kabul lebt Ihr Onkel?

BF: Das weiß ich nicht. Ich habe keinen Kontakt zu ihm.

R: Warum haben Sie ausgerechnet zu ihm keinen Kontakt?

BF: Ich weiß nicht, ob er ein Handy besitzt.

R: Hatten Sie zu Ihrem Onkel in Kabul Kontakt, als Sie noch in Afghanistan waren?

BF: Nein, dort hatte ich auch keinen Kontakt zu ihm.

R: Warum nicht?

BF: In Afghanistan kommt es manchmal vor, dass wenn Familienmitglieder heiraten, es zu Streitigkeiten innerhalb der Familie kommt und deshalb der Kontakt abbricht.

R: Warum hatten Sie jetzt keinen Kontakt zu Ihrem Onkel in Kabul?

BF: Mein Vater hatte mit ihm ein familiäres Problem. Deshalb gab es keinen Kontakt zu ihm.

R: Weshalb?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Haben Sie mit Ihrem Vater nie darüber gesprochen?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Er war der Ältere. In Afghanistan machen die Älteren, dass was sie wollen.

R: wiederholt die Frage.

BF: Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sie haben ein familiäres Problem gehabt.

R: Warum wissen Sie, dass sie ein familiäres Problem gehabt haben, wenn Sie nicht wissen, worum es dabei gegangen ist?

BF: Dieser Kontakt ist vor 30 oder 35 Jahren, als er geheiratet hat, abgebrochen.

R wiederholt neuerlich die Frage.

BF: Uns wird nichts darüber erzählt. Es wird schon ein Problem zwischen den beiden gegeben haben.

R: Sie sagen, es hat ein familiäres Problem gegeben, wissen aber nicht um welches Problem es sich handelt. Woher wissen Sie dann, dass es ein familiäres Problem zwischen den beiden gegeben hat?

BF: Das weiß ich nicht. Wenn ich meinen Vater gefragt habe, warum er nicht mit uns darüber spricht, hat er geantwortet, dass wir Kinder seien und das nicht verstehen würden.

R: Wo wohnt Ihr Vater genau?

BF: In XXXX .

R: Wo genau?

BF: Im Dorf in getrennten Häusern.

R: Wie weit sind diese Häuser voneinander entfernt?

BF: Unmittelbar benachbart.

R: Wie bestreitet Ihre Ehefrau derzeit ihren Lebensunterhalt in Afghanistan?

BF: Ich habe ein Grundstück.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich habe die Grundstücke verpachtet. Davon lebt meine Familie.

R: Wie heißt Ihr Schwiegervater?

BF: XXXX .

R: Wo lebt Ihr Schwiegervater?

BF: Er ist verstorben.

R: Wann ist er verstorben?

BF: Ich war nicht verheiratet, als er gestorben ist.

R: Lebt Ihre Schwiegermutter noch?

BF: Ja.

R: Wo?

BF: In XXXX .

R: Wie weit ist Ihre Schwiegermutter von Ihrem Elternhaus entfernt?

BF: Zu Fuß ist sie etwa 45 bis 60 Minuten entfernt.

R: Mit wem lebt Ihre Schwiegermutter zusammen?

BF: Sie hat einen Sohn.

R: Wie heißt Ihr Schwager?

BF: XXXX .

R: Welches familiäres Verhältnis besteht zu dem Onkel der in Kabul lebt zu Ihrer Familie?

BF: Wir gehören zum selben Stamm.

R: Was heißt das genau?

BF: Wir sind von einem Großvater.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich meine damit, z.B. das wir zu einer Sippe gehören.

R: Was haben Sie damit gemeint, dass Sie von einem Großvater sind?

BF: Damit meine ich, dass wir ein Stamm bzw. eine Sippe sind.

R: Wie heißen die angrenzenden Dörfer Ihres Heimatdorfes?

BF: Die Nachbardörfer heißen: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX .

R: Wer lebt derzeit mit Ihrer Frau in Ihrem Haus?

BF: In diesem Haus lebt meine Ehefrau mit meinen zwei Töchtern und einem Sohn.

R: Wie bestreitet Ihre Ehefrau derzeit ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich habe ein Grundstück, welches ich verpachtet habe. Von diesem Einkommen lebt meine Familie.

R: Sprechen Sie auch Paschtu?

BF: Nein, nur Dari.

R: Welche Ethnien leben in Ihrem Heimatgebiet, bzw. Heimatdorf?

BF: Paschtunen, sie leben in den umgebenden Dörfern, Tadschiken und wir Schiiten.

R: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt in Afghanistan bestritten?

BF: Damals habe ich selbst die Grundstücke bearbeitet.

R: Welche Schulausbildung haben Sie?

BF: Ich habe überhaupt keine Bildung erhalten.

R: Welche Berufsausbildung haben Sie?

BF: Ich habe als Bauer gearbeitet.

R: Was haben Sie gemacht, als Sie diese Tätigkeit ausgeübt haben?

BF: Ich habe z.B. Kartoffel, Bohnen und andere Gemüsesorten angepflanzt und hatte Äpfel und Marillen-Gärten.

R: Wie hat Ihr Vater seinen Lebensunterhalt bestritten bzw. wie bestreitet er jetzt seinen Lebensunterhalt in Afghanistan?

BF: Derzeit ist mein Vater krank. Seit ca. 5 oder 6 Monaten leidet er an einer Lebererkrankung. Er ist zu Hause. Davor hat er ein Geschäft im Dorf gehabt.

R: Wie bestreitet Ihr Onkel in Kabul seinen Lebensunterhalt?

BF: Davon weiß ich nichts.

R: Haben Sie Ihren Onkel in Kabul aufgesucht?

BF: Nein, überhaupt nicht.

R: Warum nicht?

BF: Wir haben keinen familiären Kontakt zu ihm. Das Verhältnis ist abgebrochen.

R: Haben Sie versucht den Kontakt zu Ihrem Onkel in Kabul aufzunehmen, nachdem Sie Ihr Heimatdorf verlassen haben?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Wir haben keine „gemeinsamen Toten und kein gemeinsames Leben.“ Anmerkung der Dolmetscherin: Wenn in der Familie jemand stirbt, dann nimmt der Andere nicht teil.

R: Sie haben gesagt, Sie haben das Haus Ihres Vaters verlassen, sie waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in dessen Obhut. Warum haben Sie keinen Kontakt mit Ihrem Onkel in Kabul aufgenommen?

BF: Als ich noch ein Kind war, gab es keinen Kontakt zu meinem Onkel mütterlicherseits. Auch als ich erwachsen wurde, gab es so etwas nicht.

R: Frage auf Deutsch: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich habe Sie nicht verstanden.

R Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ich werde vom Staat unterstützt. (BF antwortet in Deutsch).

R: Frage auf Dari: In welcher Höhe werden Sie vom Staat unterstützt?

BF antwortet in Dari: Ich bekomme 150,-- Euro im Monat.

R: Frage auf Deutsch: Bekommen Sie darüber hinaus noch eine Unterstützung?

BF: Ich habe Sie nicht verstanden. (BF antwortet in Dari).

R: Fragewiederholung auf Dari.

BF: Geld bekomme ich keines; aber ich bekomme sonst alles zur Verfügung gestellt, wie z.B. Shampoo, Geschirrspülmittel und dgl. Für Kleidung bekomme ich extra Geld. (Antwort in Dari).

R:Frage in Deutsch: Wer bestreitet die Unterkunft?

BF: Bestreiten?

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Ich lebe in einem Heim. Der Staat übernimmt die Kosten. (Antwort in Dari).

R: Frage in Deutsch: Haben Sie schon um eine arbeitsrechtliche Bewilligung angesucht?

BF: Wie? Habe ich nicht. (Antwort in Dari).

R: Frage in Deutsch: Warum nicht?

BF: Ich spreche ein bisschen Deutsch.

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Dazu ist es notwendig, dass ich die Sprache lerne. (Antwort in Dari).

R: Frage in Dari: Leiden Sie an einer Krankheit- bzw. waren Sie schon einmal im Krankenhaus?

BF: Nein, ich war nur zweimal beim Arzt. (Antwort auf Dari)

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie einen Freundeskreis in Österreich?

BF: In Österreich? Ich habe Sie nicht verstanden. (Antwort in Dari)

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Ja.

R: Frage auf Deutsch: Gehören diesem Freundeskreis auch Österreicher an?

BF: Antwort auf Dari: Er fragt, wie viele Freunde ich habe.

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Ja.

R: Frage auf Deutsch: Können Sie mir Ihre beiden besten österreichischen Freunde mit Namen nennen?

BF: XXXX , XXXX , XXXX .

R: Wie heißt Florian mit vollem Namen?

BF: Ich spiele Fußball.

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Weiß ich nicht.

R: Frage in Deutsch: Sind Sie in einem Verein, einer Kirche, Organisation oder dgl. engagiert?

BF: Ich habe Sie nicht verstanden, was Sie sagen (Antwort in Dari)

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Ja. Ich arbeite freiwillig für die Gemeinde, z.B. bei Reinigungsarbeiten auf der Straße. Ich nehme auch an Veranstaltungen der Gemeinde teil, z.B. bei gemeinsamen Spaziergängen.

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nicht verständlich.

R: Fragewiederholung in Dari.

BF: Nein, nur mein Neffe lebt hier. (Antwort in Dari)

R: Werden Sie von Ihrem Neffen finanziell unterstützt?

BF: Nein, er lebt selbst in einem Heim.

R: Ist Ihr Neffe mit Ihnen nach Österreich gekommen?

BF: Ja.

R: Haben Sie eine gerichtlich strafbare Handlung in Österreich begangen?

BF: Nein.

R: Läuft gegen Sie derzeit ein Strafverfahren?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine schwere Verwaltungsübertretung begangen, z.B. Fahren am Steuer unter Alkoholeinfluss?

BF: Nein.

[…]

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich habe aus Angst vor den Taliban Afghanistan verlassen. Weil ich ein Schiit bin werde, ich von den Taliban verfolgt. Deshalb bin ich geflüchtet.

R: Was war der Auslöser, dass Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Ich habe einen 2 ½ jährigen Sohn gehabt. Er ist einmal gestürzt und ist mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen. Ich war zu dieser Zeit auf dem Grundstück. Ich bin gekommen und habe meinen Sohn zum Arzt gebracht. Der Arzt sagte uns, dass wir meinen Sohn in das Zentrum der Provinz bringen sollen. Mein Vater sagte mir aber, dass ich nicht dorthin fahren soll, weil auf dem Weg Taliban wären und ich getötet werden würde. Ich bin zu Hause geblieben. Wir haben gegessen. Als meine Frau nach meinem Sohn gesehen hat, war er tot. Ich bin deshalb aus Afghanistan geflüchtet. Es war dort so unsicher, dass ich mein Kind nicht ins Krankenhaus bringen konnte.

R: Wann wurde Ihr Sohn beerdigt?

BF: Vor 18 Monaten.

R: Wie viele Tage nach dem Tod des Kindes fand die Beerdigung statt?

BF: Am nächsten Tag in der Früh.

R: Gab es jemals eine Bedrohung gegen Ihre Person von den Taliban?

BF: Nein. Ich wurde nicht persönlich bedroht. Aber in diesem Gebiet wurden viele Leute getötet und bedroht.

R: Wieso haben Sie die Flucht alleine angetreten?

BF: Ich konnte drei kleine Kinder nicht mitnehmen. Ich bin nicht mit dem Flugzeug geflogen. Ich habe den Weg zu Fuß zurückgelegt.

R: Sie sagen, in dem Gebiet in dem Sie leben, würden Taliban sein. Haben Sie keine Angst um Ihre Familienangehörigen?

BF: Natürlich habe ich Angst um meine Familie. Meine Ehefrau lebt wie eine Gefangenen in diesem Haus. Wenn Leute einkaufen gehen, dann mit der Angst, dass sie nicht lebend nach Hause kommen.

R: Wie lange lebt Ihr Vater schon in diesem Gebiet?

BF: Seit der Geburt meines Vaters.

R: Wie alt ist Ihr Vater?

BF: 65 Jahre.

R: Hat Ihr Vater jemals das Heimatgebiet verlassen?

BF: Nein.

R: Könnten Sie sich vorstellen in Afghanistan in einer anderen Stadt als Kabul, Mazar-e Sharif, Herat zu leben?

BF: Als Schiit würde ich überall in Afghanistan getötet werden. Vor etwa zwei Tagen wurden bei Angriffen in Kabul 60 bis 70 Personen getötet. Gestern gab es einen Angriff in unserer Gebetsstätte in Mazar-e Sharif. Auch dort wurden sehr viele Menschen getötet.

RV keine Fragen an den BF.

[…]

R: Sie haben heute hinsichtlich Ihrer Verwandtschaft nur von einem Onkel gesprochen, der in Kabul lebt. Beim BFA haben Sie am XXXX , vor noch gar nicht allzu langer Zeit von Tanten und Onkeln gesprochen. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich hatte einen Onkel väterlicherseits. Er ist aber verstorben. Das habe ich auch angegeben.

R: Wurden vor 4 Monaten gefragt und haben gesagt, Sie hätten noch Tanten und Onkeln.

BF: Ja, ich habe aber angegeben, dass ich eine Tante väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits sowie einen Onkel mütterlicherseits habe, die noch am Leben sind. Während der Onkel väterlicherseits gestorben ist.

R an SV: Werden in Afghanistan Schiiten überall verfolgt?

SV: Die Schiiten sind keiner allgemeinen Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt. Es kommt allerdings vor, dass die Taliban symbolisch bestimmte schiitische Zeremonien stören. Beispielsweise haben sie gestern im Rahmen einer schiitischen Feierlichkeit in einem Heiligenschrein in Kabul und Mazar-e Sharif Anschläge verübt, bei denen Dutzende Menschen ums Leben gekommen sind.

Nach meinen Nachforschungen werden die Schiiten in Afghanistan allgemein nicht verfolgt. Die Schiiten und Hazara sind an der staatlichen Macht beteiligt. Sie sind auch im Stande Angriffe auf die Ethnie Hazara und Schitten effektiv abzuwehren.

Einzelne Selbstmordanschläge der Taliban in Afghanistan sind allerdings nicht vorhersehbar. Diese können auch Schiiten treffen, wie es gestern der Fall war.

Diese Angriffe finden auch gegen die Sunniten und deren Heiligtümer statt, unabhängig von deren Ethnie oder politischen Gesinnung.

Diese Ausführungen fußen auf meine täglichen telefonischen Kontakte zu meinen Mittelsmännern in Afghanistan, und meinen bei den Forschungsreisen gemachten Erfahrungen in Afghanistan Ende März/Anfang April 2016.

BF: Wenn ich als Schiit keine Angst in Afghanistan gehabt hätte, hätte ich meine Familie, d.h. meine kleinen Kinder nicht alleine zurückgelassen. In unserer Gegend war ein Mann, der Linientaxi zwischen XXXX und dem Provinzzentrum (Logar) gefahren ist. Er wurde von den Taliban entführt, nach XXXX gebracht, enthauptet und zurückgebracht. Dieser Mann hatte nichts mit der Regierung zu tun. Er hatte auch keine Kinder. Er hat von dieser Arbeit gelebt. Eine weitere Person namens XXXX , der für eine Organisation im Entminungsbereich gearbeitet hat, wurde von den Taliban nach XXXX mitgenommen, getötet und seine Leiche wurde zurückgebracht.

R: Für welche Organisation hat der Mann gearbeitet?

BF: Für die UN.

Abschließend brachte der BF im Wege seiner Vertretung eine vom Verein „ XXXX “ verfasste Stellungnahme zur allgemeinen Situation in Afghanistan (Beilage ./G) in Vorlage. In der Stellungnahme wurde unter Verweis auf verschiedene Länderberichte und Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts die Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen sowie in der Provinz Logar im Speziellen erörtert. Zur individuellen Situation des BF wurde ausgeführt, es handle sich bei ihm um einen jungen arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber berücksichtigt werden, dass er im Herkunftsstaat noch nie außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelebt habe. Im Fall einer Rückkehr nach Logar bestehe für ihn das reale Risiko, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein. Ferner könne die Provinz nicht sicher erreicht werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative, etwa in Kabul, stehe ihm nicht offen.

I.9. Mit Schriftsatz vom XXXX teilte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit, dass am XXXX ein Operationstermin zur Entfernung seiner Nierensteine angesetzt wordne sei. Beiliegend wurden ein abulanter Arztbrief des Universitätsklinikums XXXX sowie ein Befund der Chirurgischen Ambulanz des XXXX , beide ausgestellt am XXXX , in Vorlage gebracht.

I.10. Mit Schriftsatz vom XXXX brachte der BF ferner im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung vor, dass bei ihm ein neuerlicher medizinischer Eingriff durchgeführt werden habe müssen, weshalb er von XXXX bis XXXX stationär im LKH Graz aufgenommen und am XXXX operiert worden sei

Dem Schriftsatz wurden folgende Urkunden (in Kopie) beigelegt:

-        Aufenthaltsbestätigung des LKH-Univ. Klinikum XXXX vom XXXX ;

-        Kurzartbrief des LKH-Univ. Klinikum XXXX vom XXXX ;

-        Bestätigung eines Arztes für Allgmeinmedizin vom XXXX , wonach sich der BF aufgrund seiner stationären Behandlung noch mindestens zwei weitere Wochen körperlich schonen müsse.

I.11. Mit Ladung vom XXXX wurden dem BF verschiedene Berichte zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

I.12. Am XXXX fand eine weitere mündliche Bschwerdeverhandlung in Anwesenheit der nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretung des BF sowie unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Das Bundesamt verzichtete Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Dokumente in Kopie in Vorlage gebracht:

-        Konvolut von verschiedenen Deutschkursen, Teilnahmebestätigung am Deutschkurs A1 sowie Teilnahmebestätigung des Werte- und Orientierungskurses (Beilage ./A);

-        Schreiben von Frau XXXX vom XXXX (Beilage ./B);

-        Konvolut an Unterlagen betreffend die Teilnahme an diversen Veranstaltungen bzw. ehrenamtlichen Tätigkeiten (Beilage ./C).

[…]

R: Wollen Sie zu den übermittelten Länderinformationsblättern noch etwas sagen?

BFV: Ich weise ausdrücklich auf die Situation der Heimatprovinz Logar des BF hin, wonach es meinen Unterlagen nach, sich sehr wohl um eine volatile Sicherheitslage handelt, als es dort immer wieder zu diversen Kampfhandlungen gekommen ist. Es scheint sich einerseits um ein Gebiet zu handeln, welches umkämpft ist, andererseits steht in den Länderberichten auch, dass von dort aus Kampfhandlungen geplant werden. Ergänzend hat sich die Situation sofern geändert, dass er seit über 4 Jahren in Österreich ist und bei einer Rückkehr in seine Heimatregion mit Verfolgung zu rechnen hätte. Dies wurde ihm auch bereits mitgeteilt bzw. leidet seine Familie in Afghanistan unter diesen Umstand. Die Informationen stammen aus dem von ihnen übermittelten Länderinformationsberichten. Sie finden Bestätigung auch im letzten ACCORD-Bericht, Länderinformationsblatt Afghanistan Seite 24, 35, 118, 124, 159, 182 und 184. Die Situation von Rückkehrern wird auch beschrieben u.a. Seite 394.

R: (Frage auf Deutsch): Haben Sie in Österreich einen Deutschkurs besucht bzw. verstehen Sie und können Sie deutsch sprechen?

BF auf Deutsch: Ja.

R: (Frage auf Deutsch): Seit wann besuchen Sie einen Deutschkurs?

BF auf Deutsch: „Einmal 3 Monate dann noch einmal ein Monat ...“

R (Frage auf Deutsch): Seit wann besuchen Sie den Deutschkurs?

BF auf Dari: Habe ich nicht verstanden.

Fragewiederholung auf Dari.

BF: Seitdem ich in Österreich bin besuche ich immer wieder Deutschkurse. Es ist z.B. so, dass ich für drei Monate einen Deutschkurs besuche, dann ist eine zweimonatige Pause und dann setze ich wieder fort.

R: Wann haben Sie begonnen einen Deutschkurs zu besuchen?

BF: Ich habe z.B. seit Neujahr zwei Deutschkurse sowohl bei der Caritas als auch in XXXX besucht.

R (Frage auf Deutsch): Wie oft in der Woche haben Sie den Deutschkurs bei der Caritas besucht?

BF: auf Deutsch: „Eine Woche, zwei Tage in Deutschkurs der Caritas“.

R: (Frage auf Deutsch): An welchen Tagen haben die Deutschkurse stattgefunden?

BF auf Deutsch: „Dienstag und Mittwoch.“

R: (Frage auf Deutsch): Können Sie mir einen typischen Alltag beschreiben, vom Aufstehen bis zum Bettgehen, was Sie da alles machen?

BF: auf Deutsch: In Deutschkurs?

R: Fragewiederholung auf Dari.

BF auf Deutsch: „Ich aufstehen um 6.00 Uhr, bin gegangen nach gesehen eine Dusch, danach trinken Tee und rauchen. Aber mein Deutschkurs gegangen oder arbeiten bei Caritas in XXXX .“

R: (Frage auf Deutsch): Wieviel Uhr?

BF auf Deutsch: in 8.00 Uhr oder 10.00 Uhr ….

R Fragewiederholung auf Dari: Um wieviel Uhr?

BF auf Deutsch: 3 Stunden.

R: (Frage auf Deutsch): Wann beginnen Sie bei der Caritas Ihre Arbeit? Um wieviel Uhr?

BF auf Deutsch: 8.00 Uhr.

R: (Frage auf Deutsch): Wie lange arbeiten Sie bei der Caritas?

BF auf Deutsch: 3 Stunden, 4 Stunden, 6 Stunden.

R (Frage auf Deutsch): Von was hängt es ab, wie lange Sie arbeiten müssen?

BF auf Deutsch: keine Antwort.

R: Fragewiederholung auf Dari.

BF: Diese Arbeit ist zu unbestimmter Zeit. Es ist nicht gewiss, wie lange ich für eine Arbeit brauche. Es kommt darauf an, wann sie mich anrufen. Wenn weniger Arbeit ist, sind es zwei Stunden und wenn mehr zu tun ist, dann länger. Die Arbeit ist nicht regelmäßig.

R: (Frage auf Deutsch): Welche Arbeit verrichten Sie bei der Caritas? Welche Arbeit müssen sie bei der Caritas machen?

BF auf Deutsch: Nein. Habe ich nicht verstanden.

R (Frage auf Deutsch): Was arbeiten Sie bei der Caritas?

BF auf Deutsch: Bauer.

R Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ich meine aber nicht Caritas, sondern Gemeinde. Wenn irgendwas bei der Gemeinde gefeiert wird, eine Veranstaltung stattfindet für Kinder oder Erwachsene, dort ordne ich die Stühle und Tische, montiere die Lampen und mähe die Rasen mit dem Rasenmäher. Von der Gemeinde werden wir auch woanders hingeschickt, um die Säcke mit Sand zu füllen für den Fall eines Hochwassers. Ich arbeite auch sehr oft ehrenamtlich ohne Bezahlung. Einmal habe ich mir auch in der Arbeit weh getan.

R (Frage auf Deutsch): Was arbeiten Sie ehrenamtlich?

BF: Z.B. kurz vor Neujahr stellen wir einen Zaun auf, dass die Frösche nicht auf die Straße laufen, um von den Autos zusammengefahren zu werden.

R (Frage auf Deutsch): Wieviel bekommen Sie von der Gemeinde bezahlt?

BF: 5 Euro in einer Stunde.

R: (Frage auf Deutsch): Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

BF auf Deutsch: Ich lebe 3 Jahre, 6 Monate oder 7 Monate.

R: Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ich bekomme Grundversorgung von der Caritas, 150 Euro im Monat.

R (Frage auf Deutsch): Wo wohnen Sie? Wo sind Sie untergebracht? Wohnen Sie privat oder wohnen Sie in einem Heim?

BF auf Deutsch: Im Heim.

R (Frage auf Deutsch): Haben Sie dort ein eigenes Zimmer?

BF auf Deutsch: 3 Personen in einem Zimmer, manchmal zwei, jetzt ist eine weg und jetzt bin ich alleine.

R (Frage auf Deutsch): Sind Sie verheiratet?

BF auf Deutsch: Ja, ich bin verheiratet.

R (Frage auf Deutsch): Haben Sie Kinder?

BF auf Deutsch. Ja, ich habe drei Kinder.

R (auf Dari): Haben Sie in Österreich eine Beziehung, eine Freundin?

BF: Nein habe ich nicht, aber viele Freunde habe ich in Österreich.

R: (Frage auf Deutsch): Gehören Ihrem Freundeskreis in Österreich auch ÖsterreicherInnen an?

BF auf Deutsch. Ja.

R (Frage auf Deutsch): Wie heißen Ihre beiden besten Freunde?

BF auf Deutsch: XXXX . XXXX .

R (Frage auf Dari übersetzt): Sind Sie in Österreich jemals einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen?

BF: Nein. Ich darf nur bei der Gemeinde arbeiten.

R: Haben Sie schon einen Arbeitgeber gefunden, der für Sie schon um eine arbeitsrechtliche Bewilligung bei AMS angesucht hat?

BF: Nein. Bei einem Gemüseladen war ich, die haben auch beim AMS für mich angesucht, aber das hat nicht funktioniert.

R: Haben Sie den Bescheid?

BF: Nein.

R: Welches AMS war das?

BF: In XXXX .

R: Wie hat der Gemüseladen geheißen?

BF: Ich habe leider nicht darauf geachtet.

R: (Frage auf Deutsch): Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF auf Deutsch: Nicht verstanden.

R Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ich gehe laufen, viel spazieren. Bei uns gibt es einen Fußballplatz und schaue den Leuten beim Fußball spielen zu. Manchmal besuche ich das Lokal XXXX .

R: In welcher Sprache hat der Werte- und Orientierungskurs stattgefunden?

BF: In Farsi.

R: (Frage auf Deutsch): Haben Sie in Österreich Verwandte?

BF auf Deutsch: Freunde?

R Fragewiederholung.

BF auf Deutsch: Ich habe leider nicht verstanden.

Fragewiederholung auf Dari.

BF auf Deutsch: Ja, mein Neffe.

R (Frage auf Deutsch): Wo wohnt Ihr Neffe?

BF auf Deutsch: In XXXX .

R (Frage auf Deutsch): Sind Sie mit Ihrem Neffen in Kontakt?

BF auf Deutsch: Ja.

R (Frage auf Dari): Wissen Sie, welchen Aufenthaltsstatus Ihr Neffe verfügt?

BF: Er hat keinen Status. Er arbeitet bei einer Bäckerei.

R: Ist sein Asylverfahren noch offen oder ist es schon abgeschlossen?

BF: Er befindet sich im Beschwerdeverfahren. Er ist in erster Instanz negativ. Er besucht eine Berufsschule und arbeitet in einer Bäckerei.

R: Wie oft sind Sie mit ihm in Kontakt?

BF: In der Woche ein bis zweimal.

R: Wie gestaltet sich der Kontakt?

BF: Zweimal im Monat besuche ich ihn in Graz, sonst telefonieren wir.

R: Wie heißt Ihr Neffe?

BF: XXXX .

R: Ist Ihr Neffe mit Ihnen nach Österreich gekommen? Sind Sie gemeinsam von Afghanistan gekommen?

BF auf Deutsch: Ja, auf Dari: Er ist der Sohn des Bruders.

R: Unterstützen Sie Ihren Neffen?

BF: Er hat eine österreichische Familie und ist dort gut aufgehoben.

R: Werden Sie von Ihrem Neffen unterstützt?

BF: Nein.

R: Leben außer Ihrem Neffen noch Verwandte in der Europäischen Union?

BF: Nein.

R: Haben Sie jemals über einen anderen Aufenthaltstitel als den vorläufigen Aufenthaltstitel nach dem Asylgesetz verfügt?

BF: Nein, habe ich nicht.

BF wird belehrt, nächste Frage nicht beantworten zu müssen. BF kann vom Entschlagungsrecht Gebrauch machen.

R: Sind Sie in Österreich gerichtlich vorbestraft bzw. läuft gegen Sie ein Strafverfahren oder haben Sie eine Verwaltungsübertretung begangen bzw. läuft gegen Sie ein Verwaltungsstrafverfahren?

BF: Nein.

R: Sind Sie Mitglied in einem Verein, Organisation oder dergleichen?

BF: Nein.

R: Leiden Sie an irgendwelchen schweren Krankheiten?

BF: Nein.

R an BFV: Haben Sie Fragen?

BFV merkt an, dass der BF über eine Stellenzusage bei einem Bauernhof bzw. in der Landwirtschaft verfügt.

R: Ihre Vertreterin hat mich aufmerksam gemacht, dass Sie über eine Stellenzusage auf einem Bauernhof verfügen. Was sollen Sie dort machen?

BF: Ja. Ich habe in der Landwirtschaft schon gearbeitet. Ich kenne mich aus bei allen Arbeiten die in der Landwirtschaft anfallen, z.B. Äste abschneiden, oder die Saat ausbringen oder streuen.

R: Wie heißt der Bauer?

BF: Die Dame, die draußen Platz genommen hat, sie kennt den Bauern. Sie hat mir auch diese Arbeit organisiert.

BFV: Mit wem gehen Sie in das Lokal XXXX ?

BF: Alleine.

R: Was machen Sie alleine im Lokal XXXX ?

BF: Ich schaue mir dort Fußball an und nehme mir einen Zettel mit und schaue mir dann die Ergebnisse des Aufgangs der Spiele zu Hause an.

BFV: Gehen Sie außer dem Lokal XXXX auch in ein anderes Lokal?

BF: Nein, früher habe ich das Casino besucht, aber jetzt ist das Casino geschlossen.

BFV erläutert, dass ihr der BF erzählt hat, dass mittlerweile auch die Kinder nicht mehr hinausgehen, weil diese von den Nachbarn dort im Dorf drangsaliert und beschimpft werden.

R: Ihre Vertreterin hat mir erzählt, dass Ihre Kinder mittlerweile nicht hinausgehen dürften. Gibt es dafür einen Grund?

BF: Ja. Die Nachbarn werfen meinen Kindern vor, dass ihr Vater ins Ausland gegangen sei und Ungläubiger geworden ist. Die Situation ist sehr schlecht.

R: Ist Ihr Neffe der Sohn Ihres Bruders?

BF auf Deutsch: Ja.

R: Wo ist Ihr Bruder aufhältig?

BF: In Logar.

R: Was arbeitet Ihr Bruder?

BF: In der Landwirtschaft.

R: Wie geht es Ihrem Bruder?

BF: Von ihm weiß ich nichts. Manchmal funktioniert das Handy nicht. Er ist weit weg.

R: Wie weit wohnt Ihr Bruder von Ihrer Familie entfernt?

BF: Zwei bis drei Kilometer.

R: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrem Bruder ca?

BF: Vor drei oder vier Monaten.

R: Was war da der Inhalt des Gespräches?

BF: Einfach so, wie es uns gegenseitig geht.

R: Wie war der Inhalt des Gesprächs?

BF: Ich habe ihn über seine Arbeit, seine Kinder und wie es ihm geht, gefragt. Er hat gesagt, dass bei der Arbeit alles in Ordnung sei, aber die Sicherheitslage sehr schlecht sei.

R: Hat Ihr Neffe mit Ihrem Bruder Kontakt?

BF: Ja, sicher, er ist sein Vater.

R: Wann hat er das letzte Mal Kontakt gehabt?

BF: Das habe ich nicht gefragt. Kann sein, dass er sehr oft mit ihm in Kontakt ist, er ist sein Vater.

R: Hat Ihnen Ihr Neffe etwas erzählt?

BF: Nein.

[…].

XXXX wird von der BFV bzw. BF als Zeugin stellig gemacht. Die Zeugin wird gemäß § 48, 49 iVm 36a und § 50 AVG belehrt.

R: In welchem Verhältnis stehen Sie zum BF?

Z: Ich bin eine Freundin.

R: Wie ist Ihr Familienstand?

Z: Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder.

BFV: Wo und wann haben Sie den BF kennengelernt?

Z: Ich habe den BF im XXXX kennengelernt. Das war beim ersten Treffen, welches es in der Gemeinde gegeben hat. Ich habe mich ehrenamtlich engagiert, da gab es ein großes Treffen, wo sich alle Asylwerber und alle Leute, die sich bereit erklärt haben, ehrenamtlich zu arbeiten, getroffen haben. Das war am XXXX . Da war auch der BF dabei.

BFV: Wie ist es von diesem Zeitpunkt an weitergelaufen?

Z: Der BF war beim ersten Deutschkurs dabei, den wir ehrenamtlich organsiert haben. Da habe ich das erste Mal persönlich Kontakt zu ihm gehabt.

R: Was ist Ihre Aufgabe in dem Team?

Z: Nachdem sich viele Ehrenamtliche gemeldet haben, habe ich die Koordination von den Deutschkursen übernommen.

R: Haben Sie selbst Deutsch studiert?

Z: Ich habe Sprachwissenschaften studiert.

BFV: Wie oft haben Sie ca. mit dem BF Kontakt?

Z: Wir sehen uns ca. 2 bis 4mal in der Woche, manchmal länger, manchmal kürzer. Länger wenn es um etwas Privates geht, wenn wir privat etwas unternehmen.

BFV: Was unternehmen Sie gemeinsam?

Z: Was wir sehr gerne machen ist, dass wir uns bei einer Freundin von mir oder auch bei mir zu Hause gemeinsam alle treffen. Das wird dann meistens sehr lustig, wir spielen Karten miteinander oder wir kochen gemeinsam.

R: Wieviele Leute sind da meistens dabei?

Z: Zwischen 8 und 10 Leute.

BFV: In welcher Sprache unterhalten Sie sich?

Z: Auf Deutsch.

BFV: Wie würden Sie die Kommunikation mit dem BF beschreiben. Wie funktioniert das?

Z: Nachdem er nicht gut deutsch kann, er hat zwar viel dazugelernt, mit viel Nachfragen, mit Händen und Füßen geht es und immer wieder Nachfragen. Dann kommen wir schon irgendwie zum Ziel. Die Kommunikation ist einfach, d.h. aber nicht, dass wir es nicht lustig hätten.

BFV: Was können Sie zur Integration bzw. Rolle des BF in der Gemeinde sagen?

Z: Das sind für mich zwei Dinge. Die Rolle in der Gemeinde und die Frage der Integration im Allgemeinen. In der Gemeinde ist der BF sehr oft arbeitsmäßig tätig im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit.

R: Was macht er da?

Z: Er wird sehr gerne im Außenbereich genommen. Alles was mit Pflanzen zu tun hat. Er hat aber auch schon unzählige Auf- und Abbauarbeiten getätigt. Er kann das mittlerweile auswendig. Deshalb wird er dafür immer wieder sehr gern genommen. Das Nächste, warum er sehr gerne genommen wird, ist, dass er sehr zuverlässig ist. Ich habe in den ganzen 4 Jahren noch nicht erlebt, dass er zu spät oder gar nicht gekommen wäre.

R: Wenn Sie sagen, er ragt heraus, heißt es, die anderen sind weniger zuverlässig?

Z: Ich kenne auch andere Asylwerber, die nicht so zuverlässig sind. Ich kann mich 100%ig auf ihn verlassen. Zur Integration kann ich sagen, dass er sich verändert hat. Er ist offener und aufgeschlossener geworden. Am Anfang, als wir uns kennengelernt haben vor 4 Jahren, war es ein zaghaftes Hände geben, indem er auf den Boden geschaut hat bzw. keinen Augenkontakt aufgenommen hat. Das hat sich mittlerweile total gedreht. Er hat keine Hemmungen mehr vor körperlichen Berührungen, er ist unbeschwert und locker. Er begegnet uns auf Augenhöhe. Ich habe das, beim letzten Mal, beim Dartspielen beobachtet. Das macht er auch mit den afghanischen Frauen. Ohne Männer. Er hat diesen genauso auf die Schulter geklopft und geht mit ihnen genauso um, wie mit den Frauen in Österreich. Das Dartspielen machen mir, indem wir in ein Pub gehen und dort ein oder zwei Gläser Bier trinken.

BFV: Können Sie uns etwas zur Zusage einer Beschäftigung für den BF sagen?

R: Gibt es dafür einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag?

Z: Es ist sich zeitlich nicht ausgegangen. Es ist nur mündlich.

R: Was wäre das für eine Aufgabe?

Z: Auf einem Biobauernhof, alles was dort anfällt, vom Anpflanzen bis zum Ernten.

R: Wie heißt der Biobauernhof?

Z: Das ist der „ XXXX “ in XXXX bei XXXX .

BFV: Wie würden Sie den BF von seiner Art bzw. seinem Wesen beschreiben?

Z: Das erste was mir aufgefallen ist, ist, dass der BF ein grundehrlicher Mensch ist. Er ist dadurch, dass er nie in die Schule gegangen ist, bzw. nie lesen oder schreiben gelernt hat, sehr einfach. Er ist ein lustiger und geselliger Mensch. Er ist zuhause selber Bauer.

R: Was wissen Sie vom Neffen des BF?

Z: Der Neffe arbeitet in einer Bäckerei, „ XXXX “ in XXXX , und ist derzeit im 2. Lehrjahr. XXXX kenne ich auch persönlich.

R an BF: Haben Sie noch eine Frage an die Zeugin?

BF: Nein.

Zeugin wird um 11:27 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

R an BFV: Wollen Sie noch etwas sagen?

BFV: Ich habe alles fragen können. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass mein Mandant als Analphabet gekommen ist. Bereits am XXXX hat er seinen Asylantrag gestellt und ist seit nunmehr mehr als 4 Jahren in Österreich. Er gehört der schiitischen Minderheit an.

R an BF Wollen Sie noch etwas sagen?

BF: Ich habe vorher erwähnt, dass das Leben meiner Kinder in Afghanistan in Gefahr ist, sie können das Haus nicht verlassen. Meine kleine Tochter kennt mich nicht. Wenn meine Frau mit mir spricht, fragt sie, wer ich sei.

[…]

I.13. Mit Schriftsatz vom XXXX brachte der BF im Wege seiner Vertretung einen Einstellungszuage des „ XXXX “ unter Vereinbarung eines Bruttolohns in der Höhe von € 1.434 ,-- in Vorlage.

I.14. Mit Ladung vom XXXX wurden dem BF aktuelle Länderberichte zur allgemeinen Situation in Afghanistan zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

I.15. Mit Schriftsatz vom XXXX erstattete der BF im Wege seiner Vertretung Stellungnahme zur allgemeinen Situation in Afghanistan und brachte ergänzenden Berichte und Artikel zur aktuellen Situation in Afghanistan, insbesondere zu den aufgrund der Covid-19 Pandemie zu erartenden soziökonomischen Folgen in Vorlage.

Nach Erörterung der allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde in Hinblick auf die Situation des BF ausgeführt, dass zahlreiche Prognosen zur Entwicklung der herrschenden Pandemie in Afghanistan und vor allem deren Auswirkung auf die B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten