TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/27 W195 2223976-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2020
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Entscheidungsdatum

27.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2223975-1/10E

W195 2223976-1/9E

W195 2222945-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX , und 3) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Bangladesch, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2019, Zahlen XXXX ad 1), XXXX ad 2) und XXXX ad 3), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.06.2020 und am 14.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer stellten am 25.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 28.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF 1) an, gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 2), und seiner Tochter, der Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 3) aus Bangladesch ausgereist zu sein. Der BF 1 habe in Bangladesch zehn Jahre eine Grundschule und zwei Jahre eine AHS besucht. Seine Eltern seien verstorben; in Bangladesch würden noch seine Brüder und seine Schwester leben. Ein Bruder des BF lebe in Italien. Es bestehe für die Beschwerdeführer die Möglichkeit, bei dem Schwager des BF 1 in Wien aufgenommen zu werden.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF 1 an, als Funktionär der Jubo League in seiner Heimat von Mitgliedern der eigenen Partei bzw. von den Sicherheitsbehörden verfolgt worden zu sein. Von 1990 bis 1998 sei er Mitglied der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) gewesen und im Jahr 1998 sei er der Awami League beigetreten. Aufgrund von parteiinternen Intrigen sei er im Mai 2015 von der Polizei festgenommen und während seines Haftaufenthalts misshandelt worden. Während seiner Haft seien ihm fälschlicherweise mehrere Straftaten vorgeworfen und er sei diesbezüglich angeklagt worden. Nach 24 Tagen sei er auf Kaution freigelassen worden. 15 Tage danach sei er erneut festgenommen und inhaftiert worden. Diesmal seien ihm wieder einige Straftaten zu Unrecht vorgehalten worden. Circa 10 Tage vor seiner Ausreise sei er wieder auf Kaution freigelassen worden. Danach habe der BF 1 die Flucht für sich und seine Familie organisiert.

Die BF 2 gab in ihrer Erstbefragung an, zehn Jahre eine Grundschule besucht zu haben; zwei Brüder würden in Wien und ein Bruder würde in Italien leben. Die BF 2 habe keine eigenen Fluchtgründe. Ihr Ehemann sei aufgrund seiner politischen Gesinnung in seiner Heimat sowohl von den Sicherheitsbehörden als auch von der Justizbehörde verfolgt und misshandelt worden. Ihr Mann habe daher flüchten müssen und als seine Frau sei sie mit ihm mitgegangen. Sie habe im Fall einer Rückkehr Angst, aufgrund der Probleme ihres Ehemannes ebenfalls von der Polizei schikaniert zu werden.

Die BF 3 gab in ihrer Erstbefragung ebenfalls an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben und wegen der Probleme ihres Vaters geflüchtet zu sein.

I.2. Am 15.01.2015 langten diverse Schriftstücke betreffend die Beschwerdeführer, darunter medizinische Unterlagen, ein ÖSD Zertifikat A2, Deutschkursbestätigungen A2 und A1, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs betreffend den BF 1, eine Übersetzung der Heiratsurkunde des BF 1 mit der B2 sowie Unterlagen in bengalischer Sprache beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein.

I.3. Am 02.01.2018 wurden der BF 1 und die BF 2 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Der BF 1 gab eingangs ein, Schmerzmittel gegen Rheuma einzunehmen und in ärztlicher Behandlung zu stehen. Der BF 1 habe in Bangladesch gemeinsam mit seinen Geschwistern, seinen Eltern, seiner Ehefrau und seiner Tochter in einer Wohnung im Dorf XXXX im Bezirk XXXX gelebt.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er zusammengefasst an, seine Heimat wegen politischer Verfolgung verlassen zu haben. Seit 2008 sei die Awami League an der Macht und der BF 1 sei politisch tätig gewesen. Der BF 1 sei Mitglied der BNP und sieben Menschen seien ermordet worden. Am 01.04.2015 sei der BF 1 von der Polizei festgenommen und geschlagen worden. Nach 24 Tagen sei er freigelassen worden und am 08.06.2015 sei er erneut festgenommen worden und habe zwei Monate und 27 Tage im Gefängnis verbracht. Am 05.09.2015 sei er freigelassen worden und in der Nacht sei er mit seiner Familie nach Dhaka gegangen.

Aufgefordert, genauere Angaben zu machen, ergänzte der BF 1, dass die Polizei auch seine Frau und seine Tochter bedroht habe und diese Angst gehabt hätten. Der BF 1 habe keine Sicherheit mehr gehabt und seine Tochter habe nicht mehr in die Schule gehen können.

Erneut aufgefordert, genauere Angaben über seinen Fluchtgrund zu machen, gab der BF 1 an, dass er schon alles erzählt und alle Dokumente vorgelegt habe.

Der BF 1 gab zu seiner Parteizugehörigkeit an, dass er von 1990 bis 1998 Mitglied der BNP gewesen sei. Von 1999 bis 2001 sei er für XXXX , einem Parlamentsmitglied der Awami League, tätig gewesen; für diesen habe er aber nicht arbeiten wollen. Von 2008 bis 2014 sei er für XXXX , die ein Filmstar und Parlamentsmitglied der Awami League sei, tätig gewesen. Der BF 1 habe diese, wenn sie nach XXXX für Veranstaltungen gekommen sei, begleitetet und das Programm vorbereitet sowie Flugzettel ausgeteilt. Bis zu seiner Flucht sei der BF 1 Mitglied der Awami League gewesen.

Nachgefragt, was in den fünf vorgelegten Anzeigen stehe, gab der BF 1 an, dass er wegen „special act“ von der Polizei angeklagt worden sei, weil sein Bruder und er im Ölgeschäft seines Bruders zu viel Öl gelagert haben sollen.

Aufgefordert, detailreich über die Verhaftungen durch die Polizei zu erzählen, gab der BF 1 an, dass es unfassbar gewesen sei. Er sei geschlagen und mit den Schuhen in den Bauch getreten worden. Warme Vogeleier seien ihm in den After geschoben worden; dann werde man bewusstlos und nach zwei bis drei Stunden werde es wiederholt. Der BF 1 sei von der Polizei misshandelt worden, damit er die Anschuldigungen der Anzeigen zugebe. In der Gefängniszelle seien circa hundert Menschen auf 50 m2 gewesen. Es sei sehr schmutzig gewesen und die Toilette habe keine Tür gehabt. Die meisten Gefangenen hätten stehen müssen.

Nachgefragt, ob der BF 1 eine Funktion bei der Partei gehabt habe, gab er an, dass er lediglich einfaches Mitglied gewesen sei. Er sei aktiv für die Partei gewesen, habe aber keine Funktion innegehabt.

Aufgefordert, zu erzählen, wie seine erste Verhaftung gewesen sei, gab der BF 1 an, dass es das erste Mal 24 Tage gewesen seien und er geschlagen worden sei. Beim zweiten Mal habe er die Misshandlungen, die er zuvor beschrieben habe, erlitten. Ihm sei auch die Schulter gebrochen worden; diesbezüglich sei er aber nicht in Behandlung gewesen, sondern er sei gleich geflohen.

Nachgefragt, wer ihn angezeigt habe, gab der BF 1 an, dass er dies nicht wissen würde, weil dies schon so lange her sei. Er sei verhaftet worden, weil er nicht mehr mitarbeiten habe wollen, weil er mit seiner Familie und dem Geschäft genug zu tun gehabt habe. Die Polizei habe den BF 1 gefragt, weshalb er nicht für XXXX arbeiten wolle.

Im Rahmen seiner Einvernahme legte der BF 1 fünf Übersetzungen von Anzeigen vor.

Die BF 2 gab in ihrer Einvernahme zu ihrem Fluchtgrund befragt an, dass sie keine Fluchtgründe habe und sich auf die Fluchtgründe ihres Mannes beziehe. Zu ihrer Tochter, der BF 3, gab sie an, dass diese in Österreich eine Schule besuche.

Im Rahmen ihrer Einvernahme legte die BF 2 ein Deutschzeugnis A2 und eine Geburtsurkunde betreffend die BF 2 sowie eine Geburtsurkunde, einen bengalischen und einen österreichischen Schülerausweis und aktuelle Zeugnisse betreffend die BF 3 vor.

I.4. Am 10.07.2019 fand eine weitere Einvernahme des BF 1 und der BF 2 vor dem BFA statt.

Der BF 1 gab eingangs ergänzend an, dass er seit 1999 bei der Awami League gewesen und von 2008 bis zur Flucht bei der XXXX gewesen sei und legte zu den vorgelegten Anzeigen drei Anklageschriften in Kopie, ein ÖSD Zertifikat A2, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs sowie eine Bestätigung über den zukünftigen Besuch eines A1 sowie eines A1+ Kurses vor.

Der BF 1 gab weiter an, mit den Anklageschriften beweisen zu wollen, dass die Polizei ihn in seinem Heimatland Probleme bereiten wolle. Die Polizei würden nach wie vor Hausbesuche machen; derzeit wohne sein jüngerer Bruder in der Wohnung.

Nachgefragt, was dem BF 1 in den Anzeigen vorgeworfen werden würde, gab er an, dass ihm zwei Mal Mord und einmal Diebstahl vorgeworfen werde. Der BF 1 wisse nicht, wer die Mordanzeige gemacht habe. Die Schulter des BF 1 sei im Gefängnis gebrochen worden und ihm sei ein heißes Ei in den After eingeführt worden, weshalb der BF 1 heute noch immer beim Stuhlgang blute. Dies habe er bei einem Arzt erwähnt. Er nehme Schmerzmittel gegen die Schmerzen und müsse täglich zwei bis drei Stunden gehen, da ihm sonst alles weh tun würde.

Nachgefragt, was dem BF 1 in den fünf zuvor vorgelegten Anzeigen vorgeworfen werden würde, gab er an, dass ihm Diebstahl, drei Mal Mord und ein Mal versuchter Mord vorgeworfen werde. Der BF 1 wisse nicht, wen er versucht haben solle, zu ermorden.

Die Frage, ob der BF 1 in Bangladesch Mitglied einer Partei gewesen sei, verneinte er und gab an, dass er bis zu seiner Ausreise nie Mitglied in einer Partei gewesen sei. Von 1990 bis 1998 sei er Unterstützer der BNP gewesen, 1999 sei er zur Awami League gekommen, weil XXXX Parlamentsmitglied geworden sei. Dann sei 2001 die BNP an die Macht gekommen und der BF 1 sei nach XXXX geflüchtet. Als 2008 XXXX Parlamentsmitglied geworden sei, sei der BF 1 Anhänger der XXXX gewesen. 2014 sei XXXX Parlamentsmitglied geworden und habe dem BF 1 diese Anzeigen angehängt.

Nachgefragt, wann der BF 1 das erste Mal verhaftet worden sei, gab er den 01.05.2015 an. Er sei verhaftet worden, weil er nicht für XXXX zu einer Demonstration gegangen sei. Die Leute aus der Ortschaft hätten seiner Frau davon erzählt. Seine Frau und Tochter hätten ihn nicht im Gefängnis besucht, weil Familienmitglieder nicht in die Gefängnisse gehen würden. Als der Vater des BF 1 von der Verhaftung des BF 1 gehört habe, habe er einen Herzinfarkt erlitten und sei gestorben. Aus Angst vor einer Verhaftung sei der BF 1 nicht zu dessen Beerdigung gegangen.

Nachgefragt, wie lange der BF 1 für XXXX gearbeitet habe, gab er an, dass er von 2008 fünf Jahre für diesen gearbeitet habe. 2014 sei die Awami League an die Macht gekommen. Der BF 1 habe für die Awami League am Mikrofon gesprochen und Treffen organisiert, Flyer verteilt sowie demonstriert. Als XXXX an die Macht gekommen sei, habe er aus Rache die Anzeigen gegen den BF 1 gemacht, weil er für Kabori gearbeitet habe. XXXX sei sehr aggressiv, reich und machthabend. Die bengalische Bevölkerung sehe ihn als Verbrecher an.

Nachgefragt, weshalb der BF 1 nach seiner ersten Verhaftung freigelassen worden sei, gab er an, dass er aufgefordert worden sei, für XXXX zu arbeiten, wenn er im Land bleiben wolle.

Darauf hingewiesen, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass der BF 1 freigelassen worden sei, obwohl es drei Anzeigen wegen Mordes und eine wegen versuchten Mordes gegen ihn gebe, erwiderte der BF 1 lediglich, dass sein Rechtsanwalt eine Kautionsfreilassung erlangt habe.

Die BF 2 gab in ihrer Befragung ergänzend zusammengefasst an, dass die Verhaftungen ihres Ehemannes vor langer Zeit gewesen seien und sie viel vergessen habe. Einmal sei er 24 Tage und einmal zwei Monate und 27 Tage im Gefängnis gewesen. Als er am 05.09.2015 freigekommen sei, seien sie sofort nach XXXX gegangen. Ihr Mann sei auf Kaution freigelassen worden. Während seiner Haft sei ihr Mann gefoltert worden; er sei an der Schulter und den Knien verletzt worden. Bei beiden Verhaftungen seien sie und ihre Tochter von zwei oder drei Polizisten beschimpft und bedroht worden.

Die BF 2 legte im Rahmen der Einvernahme diverse medizinische Unterlagen sowie Deutschkursbestätigungen und ein Zeugnis A2 vor.

I.5. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 18.07.2019 wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF 1 im Verfahren mehrmals widersprüchliche Angaben gemacht habe und die von ihm geltend gemachte Zugehörigkeit zu einer politischen Partei allein die Asylgewährung nicht rechtfertige; die BF 2 und die BF 3 hätten keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Beim BF 1 handle es sich um einen gesunden und gebildeten Mann, von dem erwartet werden könne, dass er sich eine Existenz aufbauen könne. Auch bei der BF 2 und der BF 3 sei davon auszugehen, dass diese aufgrund der Begleitung ihres Ehemannes bzw. Vaters eine Existenz aufbauen könnten. Die BF 2 sei in Bangladesch sozialisiert worden und verfüge – ebenso wie der BF 1 - über familiäre Anknüpfungspunkte. Zu den angeführten Krankheiten des BF 1 und der BF 2 wurde ausgeführt, dass kein Fremder ein Recht habe, in einem fremden Staat zu bleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Von einer besonderen Integration der Beschwerdeführer sei nicht auszugehen. Die Abschiebung der Beschwerdeführer sei daher als zulässig zu bewerten.

I.6. Am 20.08.2019 wurden die Bescheide des BFA seitens der – rechtsfreundlich vertretenen – Beschwerdeführer zur Gänze angefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF 1 als Funktionär der Jubo League aufgrund seiner politischen Gesinnung von Mitgliedern der eigenen Partei und den Sicherheitsbehörden verfolgt worden sei. Er habe konkrete Angaben dazu gemacht, dass er ungerechtfertigt verhaftet und misshandelt worden sei und ihm Straftaten angelastet worden seien, welcher er nie begangen habe. Der BF 1 habe seine Angaben auch durch vorgelegte Anzeigen belegt. Es sei zudem vom BF 1 im Verfahren dargelegt worden, dass nach seiner Person gesucht werde und sein Bruder ihn verständigt habe, wenn die Polizei zu ihm nach Hause komme und ihn suche. Bei Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens und/oder Beiziehung eines Vertrauensanwalts aus Bangladesch hätte die Identität der Beschwerdeführer sowie ansonsten auch festgestellt werden können, dass die Angaben des BF 1 der Richtigkeit entsprechen und dieser nach wie vor von der Polizei gesucht werde.

I.7. Am 01.10.2019 legte das BFA die Beschwerden und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Am 22.06.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die Beschwerdeführerinnen und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurden die Beschwerdeführerinnen ausführlich u.a. zu den Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen, ihren Familienverhältnissen und ihren Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.

Eingangs wurde festgehalten, dass der BF 1 nicht an der Verhandlung teilnehmen konnte, weil er infolge von Schmerzen beim Hausarzt sei; im weiteren Verlauf der Verhandlung zeigte die BF3 sodann auf ihrem Mobiltelefon eine Überweisung in die Notfallambulanz hinsichtlich des BF 1.

Weiters wurde festgehalten, dass die drei BF einen Wechsel in der Vertretung vorgenommen haben und nunmehr durch die XXXX , vertreten werden (einschließlich Zustellvollmacht).

Im Rahmen der Einvernahme der BF 2 gab diese zu Protokoll, dass sie keinen eigenen Fluchtgrund hat, sondern wegen der Verfolgung ihres Mannes mit diesem und der gemeinsamen Tochter aus Bangladesch geflohen sei.

Zu ihrer persönlichen Situation befragt gab die BF 2 an, dass sie Diabetes habe und Insulin nehmen müsse. Auch hätte sie Probleme wegen der Schilddrüse und wegen des Blutdruckes. Sie sei auch schon in Spitalsbehandlung gewesen. Nachgefragt gab die BF 2, dass sie „ca seitdem ich als ich 18 oder 19 Jahre alt war, hat es begonnen“. Im Zuge der Rückübersetzung gab die BF 2, welche am 26.03.1974 geboren ist, an, dass sie gemeint habe, „dass ich seit 18 bis 19 Jahren an Diabetes erkrankt bin“. Ihre Krankheit sei bereits in Bangladesch behandelt worden.

Eine Rückkehr nach Bangladesch käme für sie nicht in Frage, dass wolle sie aus Sicherheitsgründen nicht, aber auch wegen der derzeitigen Corona-Pandemie, weil sie sich als Teil der Risikogruppe fühle.

Eine Konversation in deutscher Sprache war mit der BF 2 nur schwer möglich, der Sprachwortschatz war noch sehr begrenzt; es entsprach somit dem vorgelegten Zertifikat A2.

Die Familie werde von der Caritas unterstützt.

Die BF 2 kümmere sich um den Haushalt, gehe einkaufen und oft spazieren wegen ihrer Diabetes. Sie würde sich im Park mit den Leuten unterhalten, sie habe viele bengalische Freunde, die auch einen österreichischen Pass hätten, und mit zwei österreichischen Damen.

Sie habe zwei Brüder in Österreich: Bei einem dieser Brüder würden sie wohnen.

Im Rahmen der Einvernahme der BF 3 gab diese zu Protokoll, dass sie keinen eigenen Fluchtgrund hat, sondern wegen der Verfolgung ihres Vaters mit ihren Eltern aus Bangladesch geflohen sei.

Jedoch gab die BF 3 an, dass sie eines Tages, als sie vom Heimatdorf in die Schule mit einem CNG (motorisiertes Kleinverkehrsmittel) in die Schule fuhr, welche in XXXX gelegen sei, angehalten worden sei und bedroht wurde, mitzuteilen, wo sich der Vater aufhalte, ansonsten sie die BF 3 und ihre Mutter töten würden. Genauer nachgefragt, gab die BF 3 an, dass sich dieses Ereignis ca im Oktober 2015 ereignet habe. Da die BF danach in ihrer Aussage „im Oktober“ zurückzog, sie könne nur sagen, dass es 2015 passiert sei, und sie nochmals gefragt wurde, weil ein derartiges Erlebnis wohl einprägsam sei, vermeinte sie, dass dieses Ereignis doch im Oktober 2015 stattfand, als der Vater von der Haft gekommen sei. Sie hätten es als Familie geschafft aus der Heimat zu flüchten und ihre Leben zu schützen.

Gefragt, wie alt sie damals gewesen sei, meinte die BF, deren Geburtsdatum mit XXXX angegeben wurde, „14-15 Jahre alt. Ich kann mich erinnern, dass wir am 15.09.2015 die Flucht begonnen haben“. Nachgefragt, wieso sie es wisse, dass es der 15.09.gewesen sei, antwortete die BF 3: „Weil eine Freundin von mir Geburtstag hatte. Ich war auf dieser Geburtstagsfeier, also es gab keine Feier, aber ich bin zu ihr hingegangen, um ihr Alles Gute zu wünschen. Als ich dann wieder zurück, zuhause war, haben wir die Flucht begonnen, aber es war Mitternacht.“

Zu ihrer persönlichen Situation befragt gab die BF 3 an, dass sie gesund sei.

Eine Konversation in deutscher Sprache war mit der BF sehr gut möglich, der Sprachwortschatz war ausreichend; die Antworten erfolgten zumeist in ganzen Sätzen.

Die BF 3 habe viele österreichische Freundinnen und Freunde, sie würde mehr Zeit mit diesen als mit der Familie verbringen. Sie sei mit der Familie auch schon in Österreich unterwegs gewesen, etwa in Klagenfurt, am Wörtersee und in Aussee.

Die BF 3 gehe in das Oberstufenrealgymnasium; sie könne bei der Verhandlung (22.06.2020) noch kein Zeugnis vorlegen, weil erst in zwei Tagen Notenschluss sei. Sie würde im September mit der sechsten Klasse beginnen, wolle in Österreich Matura machen und danach Wirtschaft studieren. Manchmal würde sie ihren Onkel unterstützen bei der Sortierung von Unterlagen und Erlagscheinen.

Im Zuge der Verhandlung vom 22.06.2020 wurden überraschend auch zwei Zeugen namhaft gemacht, nämlich die in Österreich lebenden Brüder der BF 2.

Der erste Zeuge, XXXX , am XXXX in Bangladesch geboren, mittlerweile seit 2017 österreichischer Staatsbürger, gab an, dass er seit Dezember 2005 in Österreich lebe; er sei vom Mann der Tante mütterlicherseits, der in Österreich lebe, adoptiert worden.

Die Einvernahme erfolgte mit Hilfe eines Dolmetschers, da der BF nicht der deutschen Sprache ausreichend mächtig war.

Der Zeuge sei im Jänner oder Februar, möglicherweise Februar und März 2013 in Bangladesch gewesen und habe damals erfahren, dass der Schwager, also der BF 1, politische Probleme habe. Er habe dies sowohl von der Schwester als auch vom Schwager erfahren. Sein Schwager sei mit einem Parlamentsmitglied, XXXX , verbunden, welche eine sehr enge Person für den Schwager gewesen sei. Aus diesem Grund habe Hr XXXX dem Schwager Probleme bereitet.

Derzeit würden die BF bei ihm wohnen, sie würden sich die Miete von € 700 für 66 m² teilen. Der Zeuge selbst habe eine Mietwagenfirma und verdiene gut, er sei selbständig.

Der zweite Zeuge, XXXX , am XXXX in Bangladesch geboren, mittlerweile seit 2017 österreichischer Staatsbürger, gab an, dass er ebenfalls als Adoptivkind nach Österreich gekommen sei.

Die Einvernahme des zweiten Zeugen erfolgte ebenfalls mit Hilfe eines Dolmetschers, weil der BF darum ersuchte.

Der Zeuge sei im August 2013 in Bangladesch gewesen. Er wusste, dass der Schwager politisch involviert sei, aber der Zeuge sei nicht so sehr daran interessiert gewesen. Da er in den letzten 16 Jahren nur zweimal in Bangladesch gewesen sei, habe er darüber nicht so viel Wissen. Was er gehört habe, habe er vom Schwager erfahren. Die BF hätten wegen eines XXXX flüchten müssen.

Eines Tages im November 2015 habe der BF einen Anruf erhalten und haben die BF dem Zeugen mitgeteilt, dass sie in Österreich seien. Der Zeuge hätte zuvor nicht gewusst, dass seine Schwester mit der Familie nach Österreich flüchten würde.

Die Familie habe dann bei ihm und seiner Familie gewohnt, bis sein Kind auf die Welt gekommen sei; die BF hätte sich sehr schnell integriert, hätten ihm und seiner Frau geholfen und seien immer für sie da gewesen. Da der Schwager nicht arbeite, unterstütze er die Familie mit monatlich € 150,- . Die Tochter, BF 3, als auch die Mutter, BF 2, der Familie würden sich sehr um Integration bemühen. Der Zeuge würde sich, wenn die Familie bleiben dürfte, „eine Arbeit ermöglichen, damit der Staat nicht in Belastung kommt“. Er arbeite als Hilfskraft in einer Diskothek, dies seit sieben Jahren und er habe ein gutes Verhältnis zu seinem Arbeitgeber.

Die Verhandlung wurde nach der Zeugeneinvernahme vertagt.

Am 14.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali die öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung fort; an dieser Tagsatzung nahmen alle BF und ihre Rechtsvertretung teil. Im Zuge der Verhandlung wurden die Beschwerdeführerinnen ausführlich u.a. zu den Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen, ihren Familienverhältnissen und ihren Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.

Die BF 2 und BF 3 gaben eingangs bekannt, dass sich seit der Verhandlung vom 22.06.2020 keine wesentlichen Veränderungen ergäben hätten.

Die BF 2 legte eine Bestätigung eines Hausarztes vor, dass sie wegen der Corona-Pandemie „Risikopatientin“ sei.

Die BF 3 legte ergänzend ihr Jahresabschlusszeugnis vor; trotz eines „nicht genügend“ in Mathematik und „genügend“ in den vier Fächern Deutsch, Geschichte und Sozialkunde, Biologie und Umweltkunde sowie Physik darf die 19-jährige BF 3 in die sechste Klasse des XXXX aufsteigen.

Der BF 1 gab zu Beginn der Verhandlung an, dass er sich einen männlichen Dolmetscher wünsche, weil es bei ihm „Sachen gäbe, die ich nur vor einem männlichen Dolmetscher angeben könne. In der Vergangenheit konnte ich das auch nicht, weil ich zuletzt einen weiblichen Dolmetscher hatte“.

Nachdem der Vertreter des BF 1 erklärte, dass dies bei einem „Eingriff in die geschlechtliche Selbstbestimmung vorgesehen sei“, stellte der vorsitzende Richter fest, dass dies bisher nicht vorgebracht wurde. Es würden bei der Befragung des BF sicherlich die richtigen Worte gefunden werden.

In diesem Zusammenhang findet es das BVwG bemerkenswert, dass der BF 2 sich zwar gegen die Übersetzung durch eine Dolmetscherin gewendet hat, aber kein Wort dazu verlor, dass eine Schriftführerin das Protokoll niederschrieb.

Ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung war bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgebracht worden.

Weiters vermeinte der BF 1 gleich zu Beginn der Verhandlung, dass bei der Einvernahme am 02.01.2018 die Dolmetscherin falsch übersetzt habe; das BVwG solle die Sprachkenntnisse der damaligen Dolmetscherin überprüfen, so „kann festgestellt werden, dass sie inkompetent ist“. Die Dolmetscherin habe dem BF 1 die Einvernahme nicht vorgelesen, zu Hause habe dann die Tochter des BF 1, die BF 3, ihn darauf hingewiesen, dass die Dolmetscherin „der deutschen Sprache nicht mächtig ist und dass falsch übersetzt wurde.“ Sie hätten dann die Einvernahme der Schwägerin gezeigt, welche die deutsche Sprache sehr gut beherrsche. Bei der zweiten Einvernahme habe es dann einen männlichen Dolmetscher gegeben, weshalb der BF einigermaßen detaillierte Angaben machen konnte.

Der vorsitzende Richter konfrontierte den BF 1 damit, dass in der Niederschrift vom 02.01.2018 festgehalten ist, dass der BF gefragt wurde, ob er „den Dolmetscher verstanden [habe], vom Inhalt als auch von der Sprache?“. Darauf habe der BF 1 mit „Ja“ geantwortet. Ebenso antwortete der BF 1 auf die Frage: „konnten Sie alles vorbringen und wurden Sie gut behandelt?“ mit einem „Ja“. (Verwaltungsakt, Seite 119). Darüber hinaus bestätigte der BF seinerzeit, dass die „gesamte Niederschrift wortwörtlich rückübersetzt“ wurde und die „Angaben vollständig, verständlich und richtig wiedergegeben“ wurden.

Der BF 1 musste vor dem BVwG eingestehen, dass die Unterschrift in der Niederschrift (auf jeder Seite) von ihm stamme. Diese Niederschrift trägt auch noch die Unterschrift des Leiters der Einvernahme sowie der Dolmetscherin.

In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass die Einvernahme des BF 1 am 02.01.2018 um 08.30 erfolgte, die der BF 2 und BF 3 am gleichen Tag, jedoch erst um 12.15; die Anwesenheit des BF 1 bei der Einvernahme der BF 2 und BF 3 ist nicht ausgewiesen, ebensowenig wie die Anwesenheit der BF 2 und BF 3 bei der Einvernahme des BF 1.

In der Verhandlung vor dem BVwG führte der BF 1 weiters aus, dass er zur letzten Verhandlung nicht kommen konnte, weil er starke Brustschmerzen hatte. Er habe Herzschmerzen und starke Schmerzen am Ellenbogen und am Arm.

In der Verhandlung wurde festgestellt, dass eine Konversation in deutscher Sprache mit dem BF 1 nur sehr schwer möglich ist, weil der Sprachwortschatz sehr begrenzt ist. Die Antworten erfolgten nicht in vollen Sätzen, falls überhaupt Fragen beantwortet wurden. Der BF 1 hat die Integrationsprüfung in B1 nicht bestanden, wie auch von Seiten des BFV in seiner abschließenden Stellungnahme festgehalten wurde.

Der BF 1 habe viele Freunde in Österreich; er habe diese im Park, als er spazieren ging, kennengelernt. Es seien dies vor allem ältere österreichische und mazedonische Damen, mit denen er sich unterhalte.

Der BF 1 legte einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag hinsichtlich Reinigungsarbeiten vor.

Zu seinen zwei Brüdern, die in Bangladesch bei Banken arbeiten, habe er einmal im Monat Kontakt. Er selbst habe in Bangladesch ein College abgeschlossen. Er habe sodann mit einem Bruder, der derzeit in Italien lebe, einen Handel mit Ölprodukten geführt. Den Ölhandel habe der BF im Jahr 2014 begonnen. Im Geschäft, welches ca 100 m² gehabt habe, seien ca 20 bis 25 Fässer bis zu 200 l mit Öl gefüllt gestanden, aber es wurden auch Öle in geringen Mengen, etwa 1 bis 2 Liter, abgegeben. Der Bruder habe dieses Geschäft für zwei Jahre betrieben, bevor er nach Italien ging; danach habe der BF 1 es geführt, musste es aber aufgeben, weil er verfolgt wurde. Der Bruder sei dann wieder zurückgekommen und habe das Geschäft veräußert (diese Version wurde im Zuge der Rückübersetzung vom BF 1 dargelegt; nachgefragt versicherte die Dolmetscherin, dass sie ursprünglich das übersetzt hatte, was der BF 1 geantwortet hat; der BF 1 meinte hingegen, dass die Dolmetscherin ihn möglicherweise falsch verstanden habe).

Auf die Frage, ob der Bruder in Bangladesch sei, meinte der BF, er sei in Italien.

Von 1990 bis 1998 sei der BF 1 Mitglied der BNP gewesen, 1999 sei er zur Awami League gewechselt.

Ein gewisser Hr. XXXX habe den BF im Jahr 1999 zum Vorsitzenden der Jubo League im Gemeindeverband gemacht, allerdings nicht schriftlich. XXXX sei damals Parlamentsmitglied gewesen. 2008 fand eine Wahl statt und es wurde Frau XXXX , welche auch eine Schauspielerin gewesen sei, zum Parlamentsmitglied gewählt. Da XXXX die Anhänger und Funktionäre gezwungen habe, verschiedene Textilhandel auszubeuten und in Besitz zu nehmen, hätte sich der BF 1 XXXX zugewendet und sei mit ihr eng verbunden gewesen, bis ins Jahr 2014. Danach habe sich der BF 1 um das Ölgeschäft des Bruders gekümmert; seitdem werde er durch XXXX verfolgt.

Erst über stetes Nachfragen gab der BF 1 zu, dass er seit 2008 keine politische Funktion mehr innehatte. Als der BF 1 in die Gefolgschaft von XXXX ging habe er den „mündlich gegebenen“ Vorsitz bei der Jubo League verloren. Zugleich betonte der BF 1 jedoch wiederholt, dass er bis heute noch in Artikeln und im Internet als Vorsitzender der Jubo League genannt werde. Der BF 1 musste – nach weiterer intensiver Befragung durch den vorsitzenden Richter – ebenso zugeben, dass er seit 2008 auch nicht mehr Mitglied der Jubo League war. XXXX sei von 2008 bis 2014 Parlamentsmitglied gewesen, danach wieder XXXX .

Für seine Tätigkeit für XXXX habe der BF 1 pro Monat 10.000 Taka erhalten, mit dem Ölhandel habe der BF 1 ungefähr 80.000 bis 90.000 Taka monatlich verdient.

Gegen den BF 1 gäbe es fünf Anzeigen. Der BF konnte diese Anzeigensamt Anzeigen- und Aktennummer sowie den jeweiligen Anzeigenerstatter auswendig aufsagen, was sehr einstudiert wirkte. Man habe ihn beschuldigt, illegales Öl im Besitz zu haben und zu handeln, einen Mord begangen zu haben, eine Leiche versteckt zu haben und einen weiteren Mordversuch angehängt, und dergleichen mehr.

Gegen diese fünf Anzeigen habe sich der BF 1 gewehrt, indem er seine Unschuld beweisen wollte, aber das Gericht habe dies nicht angenommen. Die Mitarbeiter des Gerichtes und auch der Richter hätten eine gute Beziehung zu XXXX gehabt. XXXX sei in einem bestimmten Bezirk zum Parlamentsmitglied gewählt worden. XXXX habe versucht den BF 1 mit einem gefälschten Prüfbericht der Staatsgewalt, dass die Ölprodukte des BF 1 illegal erworben worden wären, zu schaden.

Die erste Anzeige stamme aus 2013; der BF 1 sei zum ersten Mal am 01.05.2015 verhaftet worden. Er sei 24 Tage im Gefängnis gewesen und wurde gegen eine Kaution von 10.000 Taka frei gelassen. Das zweite Mal sei er am 08.06.2015 gegenüber von seinem Haus verhaftet worden, es seien 20 bis 25 Polizisten gewesen. Er sei sodann zwei Monate und 27 Tage im Gefängnis gewesen und gegen eine Kaution von 20.000 Taka frei gekommen. Danach sei er sofort geflüchtet. Er sei am 05.09.2015 nach XXXX geflohen und habe Unterkunft bei einem Onkel genommen. Am 15.09.2015 sei er dann mit der Familie nach Indien geflüchtet.

Der BF gab sodann noch an, dass er gefoltert worden sei; die detaillierte Schilderung der Folterung wurde vom vorsitzenden Richter unter Hinweis auf die Aussagen des BF 1 im Administrativakt für nicht erforderlich erachtet.

Der BF 1 gab weiters zu Protokoll, dass Leute des XXXX ihn auch künftig verfolgen würden, „als Kläger und Zeugen“. Sobald er am Flughafen von der Einwanderungsbehörde inhaftiert werde würde er in Untersuchungshaft gebracht werden. Er könne sich aber auch keine Dokumente besorgen über seine Verfahren. „Jedes Mal, wenn mein Anwalt zu Gericht geht und sich Dokumente bezüglich meiner Verfahren besorgen möchte, wird er abgewiesen.“ Es würden immer nur Monate und Jahre vergehen. Bis heute hätte sich der BF 1 keine Originaldokumente beschaffen können, weil „die Regierung, der Staatsgewalt, die Richter, Kläger und Zeugen … alle gegen mich“ seien. Die Dokumente, die der BF 1 vorlegen konnte, habe er sich über das Internet und einen Freund beschafft.

Abschließend legte der engagierte Vertreter des BF eine schriftliche Stellungnahme vor, welche zu Akt genommen wurde. In dieser Stellungnahme wird, neben dem Hinweis auf das Länderinformationsblatt, auch auf die aktuelle Corona-Pandemie eingegangen. Die Situation wurde zuvor schon in der Verhandlung an Hand der aktuellen Zahlen der WHO erläutert und in Vergleich zu Österreich gebracht.

Der BFV verwies in dieser Stellungnahme auch darauf, dass die BF 3 die Integrationsprüfung am 07.03.2020 bestanden habe. Man müsse auch beachten, dass die BF 3 als „minderjährige“ nach Österreich gekommen sei und man von ihr nicht erwartet werden könne, dass sie sich der Unsicherheit ihres Aufenthaltes im gleichen Maße vor Augen halten konnte, wie dies von einem Erwachsenen erwartet werden könnte. Es sei auch die Situation im Herkunftsstaat mit einzubeziehen sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer, ihren Familienverhältnissen und ihren Lebensumständen in Österreich:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Ihre Muttersprache ist Bengali. Der BF 1 ist mit der BF 2 verheiratet, die inzwischen volljährige BF 3 ist die Tochter der BF 1 und des BF 2.

Die Beschwerdeführer haben bis zu seiner Ausreise aus Bangladesch im Dorf XXXX im Bezirk XXXX gelebt. Der BF 1 hat in Bangladesch fünf Jahre eine Grundschule, fünf Jahre eine High School und zwei Jahre ein College ohne Abschluss besucht und im Ölhandel seines Bruders gearbeitet. Die BF 2 hat in Bangladesch zehn Jahre eine Grundschule besucht und nie gearbeitet. Die BF 3 hat in Bangladesch neun Jahre eine Grundschule besucht.

Die Schwester und zwei Brüder des BF 1 sowie der Vater der BF 2 leben in Bangladesch und der BF 1 und die BF 2 haben Kontakt zu den Verwandten in Bangladesch. Weitere Verwandte der Beschwerdeführer leben in Italien.

Die Beschwerdeführer sind nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und stellten am 25.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Sie beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

Außerhalb der Kernfamilie befinden sich zwei Brüder, eine Tante und ein Onkel der BF 2 dauerhaft in Österreich. Die Beschwerdeführer leben in Österreich im Familienverband im gemeinsamen Haushalt, derzeit bei einem Bruder der BF 2.

Der BF 1 und die BF 2 verfügen über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2.

Die mittlerweile 19 jährige BF 3 besucht in Österreich ein XXXX und darf trotz eines „nicht genügend“ in Mathematik in die sechste Klasse aufsteigen.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführer sind arbeitsfähig.

Der BF 1 leidet an Rheuma (BFA) bzw Herzschmerzen (BVwG) und ist in ärztlicher Behandlung. Er nimmt Schmerzmittel gegen Rheuma ein.

Die BF 2 leidet – nach eigenen Angaben seit zumindest 18 Jahren, somit schon auch in Bangladesch seit 2002 - an Diabetes, Hyperlipidämie (erhöhten Blutfettwerten), Eisenmangel, Adipositas und Hypothyreose und nimmt aufgrund ihrer Diabeteserkrankung Medikamente ein.

Die BF 3 ist gesund.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

Es wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern keine konkrete politische oder sonstige Verfolgung in Bangladesch droht.

Der BF 1 hat von 1990 bis 1998 die BNP und ab 1999 die Awami League unterstützt. Nach seinen Angaben war der BF „Vorsitzender“ der Jubo League auf Dorfverbandsebene; dies wurde er durch „Erklärung“ eines Parlamentsmitgliedes. Ab dem Jahr 2008 unterstützte er die Politikerin XXXX der Awami League. Der BF 1 hatte spätestens seit diesem Zeitpunkt keine Funktion in einer Partei inne und er war nach seinen Angaben auch seit diesem Zeitpunkt kein Parteimitglied mehr.

Der BF behauptet, dass seit 2013 fünf Anzeigen gegen ihn erhoben wurden; diese würden ihm illegalen Ölhandel und Ölbesitz, Mord, versuchten Mord, Verstecken einer Leiche etc. vorwerfen. Der BF behauptet zweimal inhaftiert gewesen zu sein und gefoltert worden zu sein; der BF behauptet mit insgesamt 30.000 Taka an Kaution wieder frei gekommen zu sein.

Der BF konnte keine Dokumente vorlegen, die diese Anzeigen beweisen würden.

Es wird nicht festgestellt, dass der BF 1 aus politischen Gründen angezeigt wurde, Strafverfahren gegen ihn geführt wurden bzw. werden und er aus politischen Gründen von der Polizei gesucht wird.

Der BF 1 ist in seinem Herkunftsland keiner konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aus politischen Gründen ausgesetzt gewesen und droht auch keine politische Verfolgung im Falle einer Rückkehr.

Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung aus politischen Gründen liegen auch keine anderen Gründe vor, aufgrund derer der BF 1 in seinem Heimatland eine ungerechtfertigte Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.

Die BF 2 und die BF 3 machten für sich keine eigenen Fluchtgründe geltend. Dass die BF 2 und insbesondere auch die BF 3 Beschimpfungen und Belästigungen aus politischen Gründen ausgesetzt gewesen sind, kann nicht festgestellt werden.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

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Sicherheitslage

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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