TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/7 W124 2172522-1

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Veröffentlicht am 07.08.2020
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Entscheidungsdatum

07.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2

Spruch

W124 2172522-1/52E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX und am XXXX zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass es zu lauten hat:

„Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und sei am XXXX geboren. Er stamme aus der afghanischen Provinz Helmand und sei ledig. Seine Erstsprache sei Dari und er habe drei Jahre die Schule besucht. Sein Vater sei bereits verstorben. Im Herkunftsstaat würden noch seine Mutter sowie seine beiden Brüder leben. Vor einem Jahr sei er endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass seine beiden Brüder von den Taliban entführt worden seien und er Angst gehabt habe, dass ihm dasselbe geschehe.

I.2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt), im Zuge welcher er zu seiner Person angab, dass er keiner medizinischen Behandlung bedürfe und gesund sei. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Religiongsgemeinschaft an.

Im Zuge der Einvernahme brachte er folgende Unterlagen (in Kopie) in Vorlage:

-        Aufenthaltsbestätigung für Iran (ohne Übersetzung);

-        Bestätigung vom XXXX über Teilnahme an Basisbildung mit Politischer Bildung;

-        Bestätigung vom XXXX über Teilnahme am Brückenmodul in Deutsch, Mathematik und Englisch;

-        Bestätigung über Teilnahme am Deutschkurs;

-        Konvolut an Lichtbildern (Militärfotos).

Zur Frage, ob er sich seit Antragstellung durchgehend im Bundesgebiet aufhalte, brachte der BF vor, er sei einmal in Deutschland gewesen. Er habe nach Schweden gehen wollen, da er dort Bekannte aus dem Iran habe, die Poizei habe ihn aber aufgegriffen und nach Österreich zurückgebracht.

Bis zu seinem 15. Lebensjahr habe er im Herkunftsstaat gewohnt. Daraufhin sei er für ein Jahr alleine nach Teheran, Iran, verzogen, da es in seinem Wohnort kaum Arbeit gegeben habe und es aufgrund der Präsenz der Taliban unsicher gewesen sei. In Afghanistan habe er bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren begonnen, als Tagelöhner zu arbeiten. Er sei in der Landwirtschaft und im Baubereich tätig gewesen. Der BF habe jeden Tag nach Arbeit gesucht, habe eine solche aber nicht immer gefunden. Für seine Tätigkeiten habe er 40 bis 70 Afghani erhalten. Wenn er nicht gearbeitet habe, sei er zur Schule gegangen. Die Grundschule habe er von 2005 bis 2013 in Helmand besucht. Ferner habe er drei Jahre eine Koran-Schule besucht. Im Iran habe er drei Monate als Wachmann in einer Fabrik gearbeitet.

Sein Vater sei verstorben, als er 14 Jahre alt gewesen sei. Er sei im Krieg gegen die Taliban vor circa vier bis fünf Jahren ums Leben gekommen. Mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern habe er seit seiner Ausreise in den Iran keinen Kontakt mehr. Ihren aktuellen Aufenthaltsort kenne er nicht. Vor seiner Ausreise habe er mit seiner Mutter in einem Haus in Helmand gelebt. Seine beiden Brüder seien von den Taliban entführt worden, als sie nach Kabul gehen hätten wollen. Seither habe er nichts mehr von ihnen gehört und wisse nicht, ob sie noch leben würden. Sein jüngerer Bruder sei krank gewesen, weshalb ihn sein älterer Bruder zur Behandlung nach Kabul bringen habe wollen. Am Weg dorthin seien sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara von den Taliban angehalten und entführt worden. In der Provinz Helmand könnten sich Hazara nicht frei bewegen und müssten immer Angst haben, von den Taliban entführt oder getötet zu werden.

Näher zur Entführung befragt, gab der BF zu Protokoll, seine Mutter sei einige Tage nach der Abreise seiner Brüder zum Bahnhof in Helmand gegangen, wo sich immer die Busfahrer und die LKW-Fahrer treffen. Auf Nachfrage, ob sie etwas von den Brüdern des BF gehört hätten, hätten sie seiner Mutter von der Entführung erzählt.

Die Entführung habe etwa einen Monat vor seiner Ausreise in den Iran stattgefunden. Vom Iran aus habe er seiner Mutter Geld geschickt. Was sie jetzt mache, wisse er nicht.

Im Iran sei er zu einer Familie gegangen, die weitschichtig mit seiner Mutter verwandt sei, und habe dort zwei bis drei Tage verbracht. Dann habe er sich ein eigenes Zimmer gemietet. Nach seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe er neun Monate im Iran gelebt. Davon habe er insgesamt vier Monate für den Iran in Syrien gekämpft. Er sei dazu gezwungen worden. Als er auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, habe ihn die iranische Polizei festgenommen und zu einer Polizeistation gebracht. Sie hätten ihm gesagt, dass er illegal im Iran sei und entweder in Syrien kämpfen oder nach Afghanistan zurückkehren müsse. Mit dem Geld, welches er für seinen Aufenthalt in Syrien erhalten habe, habe er seine Flucht finanziert. Zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen habe er nie Kontakt gehabt.

Sonstige Angehörige im Herkunftsstaat habe er nicht.

Auf Vorhalt des Bundesamtes, auf dem von ihm vorgelegten iranischen Ausweis sei entweder das Geburtsdatum XXXX oder XXXX vermerkt, führte der BF aus, er habe in der Erstbefragung das korrekte Datum angegeben. Die iranischen Behörden hätten ihn älter gemacht, damit sie ihn in den Kampf schicken könnten. Das Dokument habe er in Teheran am XXXX erhalten, als er von Syrien zurückgekommen sei.

Zu seinen Fluchtgründen führte er an, er habe in Afghanistan keine Zukunft gehabt. Er habe dort nicht leben können, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Jeden Tag sei dort Krieg gewesen, es habe Schießereien gegeben und die Taliban seien dort gewesen. Seine Brüder seien auf dem Weg nach Kabul von den Taliban entführt worden. Als Hazara werde man in Helmand verfolgt und lebe in ständiger Angst. Im Iran sei es ihm zunächst als Wachmann gut gegangen, die Polizei hätte ihn jedoch gezwungen, in Syrien zu kämpfen. Dafür habe er im Iran bleiben dürfen und eine Aufenthaltskarte erhalten. Damit seine Aufenthaltskarte im Iran verlängert werde, hätte er neuerlich in Syrien kämpfen müssen. Da er dies nicht gewollt hätte, sei er nach Europa geflüchtet. Sein Zielland sei Schweden gewesen.

Zu den Ereignissen im Iran führte er auf Nachfrage an, als er eines Vormittags am Weg zur Arbeit gewesen sei, habe ihn die Polizei nach seiner Identitäts- oder Aufenthaltskarte gefragt. Als er darauf geantwortet habe, er habe nichts dergleichen, sei er zu einer Art Gefängnis gebracht worden, wo er mit circa 40 oder 50 anderen Personen im Keller zwei oder drei Nächte verbringen habe müssen. Mit zwei oder drei Bussen seien sie in der Folge nach XXXX gebracht worden. Auf dem Militärübungsplatz XXXX seien sie 17 Tage ausgebildet worden. Sie seien zwar gezwungen worden, ihnen sei aber auch für ihre Tätigkeit eine Aufenthaltskarte zugesagt worden. Schließlich seien sie mit einem Bus zum Flughafen in Teheran und in weiterer Folge nach Damaskus gebracht worden. In Syrien seien sie mit dem Bus nach XXXX in ein Zentrallager gefahren worden. Dort sei eingeteilt worden, wer wo kämpfen müsse. Sie seien zehn oder zwölf Tage an der Front in XXXX gewesen und seien dann für circa zwei Tage nach XXXX zurückgebracht worden. Danach hätten sie wieder an die Front gemusst. Nach zwei Monaten habe er eine iranische Aufenthaltskarte bekommen. Das Geld, das ihm versprochen worden sei, habe er jedoch nicht erhalten. Auf Nachfrage habe man ihm gesagt, er müsse neuerlich kämpfen, um das Geld zu bekommen. Er sei daraufhin einen Monat in Teheran gewesen und habe unregelmäßig als Bauarbeiter gearbeitet. Nach einem Monat, in welchem er oft nach dem Geld gefragt habe, sei er zu einem Büro in XXXX gegangen und habe sich für einen weiteren Kampfeinsatz in Syrien gemeldet, zumal er das Geld gebraucht habe, um nach Europa zu kommen.

Auf Nachfrage, warum er nicht auf das Geld verzichtet und im Iran gearbeitet habe, führte er aus man würde dort unter Druck gesetzt werden. Trotz dieser Karte seien viele nach Afghanistan abgeschoben worden und man sei gezwungen gewesen, immer wieder an den Kampfhandlungen teilzunehmen. Nach dem zweiten Einsatz habe er nur einen Teil des versprochenen Geldes, nämlich 2,3 Millionen Toman anstatt 3,7 Millionen Toman erhalten. Damit hätten sie erreichen wollen, dass er neuerlich kämpfe. Mit diesem Geld und mit seinen Ersparnissen habe er sich die Flucht nach Europa finanziert. Insgesamt habe ihn die Reise zwischen sieben und acht Millionen Toman gekostet.

Auf Nachfrage gab er an, er habe für die Gruppe oder Einheit 32 der XXXX , welche ausschließlich aus Afghanen bestanden habe, gekämpft. Er habe eine Kalaschnikow getragen und habe eine Ausbildung als Panzerfahrer eines T72 gehabt.

Befragt, wie man eine Kalaschnikow zerlege, erklärte er, man fange am Lauf an, mache etwas auf, dann komme ein Teil heraus, den man herausziehe. In ein normales AK47 Magazin würden 30 Patronen passen.

Konkret habe er in XXXX und XXXX gekämpft. Er habe nur gegen den IS, nicht gegen andere syrischen Einheiten gekämpft. Beim ersten Mal sei er Panzerfahrer, beim zweiten Mal Infanterist gewesen. Auf die Frage, ob er Feindkontakt gehabt und jemanden getötet habe, führte er aus, er wisse es nicht. Bewusst habe er niemanden erschossen. Ob aber jemand bei den Schießereien ums Leben gekomme sei, wisse er nicht. Er sei zu den Kampfhandlungen gezwungen worden und leide sehr unter den Erlebnissen. Einen Rang habe er nicht gehabt, er sei einfacher Soldat gewesen.

Zu den vorgelegten Lichtbildenr befragt, führte er an, er wisse nicht, welche Waffen auf den Fotos zu sehen seien. Es seien gestellte Fotos und er habe nicht mit diesen Waffen, sondern nur mit der Kalaschnikow und dem Granatwerfer gekämpft. Er habe die Koordinaten, die ihm sein Vorgesetzter, ein anderer Afghane, gegeben habe, eingestellt und dann die Granaten eingeführt sowie geschossen.

Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass ihn die Taliban in Afghanistan töten würden. Überall in Afghanistan herrsche Krieg und er habe auch keine Verwandten mehr. Auf Nachfrage, warum seine Mutter dort ungefährdet leben könne, gab er an, die Taliban würden Frauen in Ruhe lassen. Sie habe ihn in den Iran geschickt, habe aber selber in Afghanistan bleiben wollen. Wenn in Afghanistan kein Krieg wäre, könne er zurückkehren und dort leben.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

I.4. Am XXXX wurde ein Empfehlungsschreiben in Vorlage gebracht.

I.5. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vom BF im Wege seiner Vertretung vollinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit infolge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensgangs ausgeführt, die belangte Behörde sei ihrer Pflicht zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs gegenständlich nicht nachgekommen. Ferner habe sie ihre Feststellungen zur Situation in Afghanistan auf unvollständige sowie zum Teil veraltete Berichte gestützt. So würden sich die Berichte zu Kabul als einseitig erweisen und würden Berichte zur Situation der Hazara sowie von Personen, die lange Zeit im Ausland verbracht hätten, gänzlich fehlen.

Ferner habe es die Behörde verabsäumt, den BF zu seiner westlichen Einstellung und zu seiner politischen Gesinnung zu befragen. Durch seinen Kleidungsstil und seinen Akzent sei erkennbar, dass der BF lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt habe.

In der Folge wurden die UNHCR-Richtlinien auszugsweise wiedergegeben und insbesondere auf die Situation von Angehörigen eine religiösen und einer ethnischen Minderheit sowie von Personen, die angeblich gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte gegen islamische Grundsätze Normen und Werte verstoßen hätten, hingewiesen. Ferner wurden allgemeine Berichte zur Situation von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara sowie der Religionsgemeinschaft der Schiiten auszugsweise wiedergegeben. Festgehalten wurde, dass insbesondere Hazara, die sich über einen längeren Zeitraum im Iran aufgehalten hätten, mit beträchtlichen Herausforderungen bei der Wiederansiedlung in Afghanistan konfrontiert seien. In der Folge wurde auf die prekäre Sicherheitslage in der Provinz Helmand hingewiesen. Zur allgemeinen Situation in Afghanistan wurde auf die Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 verwiesen und die allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul und Herat erörtert. Ferner wurde ausgeführt, dass laut verschiedenen Medienberichten Deutschland Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt habe. Hinsichtlich der allgemeinen Situation von Rückkehrenden wurde unter Verweis auf einen Bericht von Human Rights Watch festgehalten, dass der starke Anstieg von Rückkehrenden aus Pakistan dazu geführt habe, dass sich das Land auf eine humanitäre Krise zubewege. Rückkehrende, die nicht in ihre Herkunftsregion zurückkehren könnten, müssten oftmals unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Ferner wurde der Aufsatz von Friederike Stahlmann von März 2017 mit dem Titel „Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung“ auszugsweise zitiert. Den Ausführungen ist unter anderem zu entnehmen, dass der Zugang zu Arbeit, Wohnraum und überlebenswichtigen Ressourcen in Afghanistan in der Regel über bestehende Kontakte und Netzwerke funktioniere. Die Annahme, dass zumindest alleinstehende junge gesunde Männer ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, sei durch die humanitäre Lage inzwischen grundlegend in Frage gestellt. Ferner seien Rückehrende aus Europa besonders von Entführungen betroffen, da ihnen unterstellt werde, in Europa an Reichtum gekommen zu sein, dort weiterhin Netzwerke zu haben, die sie unterstützen, und für ihre Rückkehr Geld bekommen zu hätten. Hinzu komme das Risiko des sozialen Ausschlusses sowie der Verfolgung durch das nahe soziale Umfeld oder extremistische Gruppierungen, welche durch das Stigma des Lebens im Westen begründet seien. Die Taliban würden zudem keinen Zweifel daran lassen, in der Lage zu sein, eine beliebige Anzahl von Rückkehrenden als Kämpfer anzuheuern.

Schließlich wurde eine Anfragebeantwortung zum Iran mit dem Titel „Einsatz von afghanischen Jugendlichen im Syrien-Krieg als Alternative zur Abschiebung nach Afghanistan“ vom 16.12.2016 wiedergegeben. Zudem wurde auf die ACCORD-Anfragebeantwortung „Zwangsrekrutierung von illegal aufhältigen Afghanen für den Krieg in Syrien“ vom 28.01.2016, auf einen Bericht zu Aktivitäten der XXXX -Brigade bzw. anderer iranischer Milizien in Afghanistan vom 18.07.2016 sowie auf verschiedene Medienberichte hingewiesen.

Der BF folgerte, dass das Bundesamt unter Berücksichtigung der erwähnten Berichte zu dem Ergebnis kommen hätte müssen, dass das Vorbringen des BF in Einklang mit den aktuellen Länderberichten zu Afghanistan stehe, ihm im Fall der Rückkehr asylrelevante Verfolgung drohe und ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe.

In der Folge wurde moniert, dass sich die Beweiswürdigung des Bundesamtes als mangelhaft erweise. Bereits aufgrund der fehlenden Erhebungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan hätte das Vorbringen des BF nicht umfassend gewürdigt werden können. Die Feststellung, wonach der BF in Kabul leben könne, stehe in Widerspruch zu den allgemeinen Länderinformationen. Ferner sei in der Einvernahme vor dem Bundesamt fälschlicherweise festgehalten worden, dass die Mutter des BF von Bus- bzw. LKW-Fahrern von der Entführung seiner Brüder erfahren habe. Tatsächlich habe seine Mutter die Information vom Reisebüro erhalten. Ihr sei klar mitgeteilt worden, dass der ganze Bus entführt worden sei. Hätte die Behörde Ermittlungen im Herkunftsstaat durchgeführt, so hätte sie feststellen müssen, dass die Angaben des BF den Tatsachen entsprochen hätten. Entgegen der Ansicht der Behörde sei es ferner nicht unlogisch, dass ihn seine Mutter als Minderjährigen in den Iran geschickt habe. Die Ansicht der Behörde, wonach sich der BF als kampferprobter Soldat in Afghanistan niederlassen könne, sei nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass sich das Bundesamt mit dem Fluchtvorbringen des BF, nämlich der Verfolgung durch die Taliban, nicht auseinandergesetzt habe. Hinsichtlich des Verweises der Behörde, wonach sich der BF freiwillig für den Kampf in Syrien gemeldet habe, werde darauf hingewiesen, dass er erpresst worden sei. Hätte er nicht neuerlich in Syrien gekämpft, wäre er nach einem Monat abgeschoben worden und hätte kein Geld für seinen ersten Kampfeinsatz erhalten.

Zur westlichen Orientierung des BF wurde festgehalten, dass er sich lange im Iran aufgehalten habe, westlich kleide und eine weltoffene Einstellung vertrete. Er lehne die in Afghanistan vorherrschende strenge Form des Islams ab und vertrete keine konservativen religiösen Anischten. Aufgrund der durch das Leben im Iran und in Österreich beeinflussten Einstellung und seines Auftretens würde er in Afghanistan auf gesellschaftliche Ablehnung und Diskriminierung stoßen. Ferner drohe ihm Verfolgung durch extremistische Gruppierungen, die ihm ein unislamisches bzw. ein westliches Verhalten unterstellen würden. Dem BF wäre es auch in einem anderen Landesteil Afghanistans nicht möglich, anonym zu bleiben. Folglich wäre er für seine Verfolger leicht auffindbar.

Aufgrund seines Aufenthalts im Iran und seiner Religionszugehörigkeit werde ihm im Fall der Rückkehr unterstellt, für den Iran im Syrienkonflikt gekämpft zu haben, was er auch tatsächlich getan habe. Folglich drohe ihm Verfolgung von sunnitischen Extremisten.

Zusammengefasst sei die Sicherheitslage in afghanischen Städten prekär. Das Bundesamt habe überdies nicht dargetan, wie es zu der Ansicht gelange, dass der BF mit den kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut wäre. Dies sei angesichts der Tatsache, dass er im Iran geboren und noch nie in Afghanistan gewesen wäre, absolut unerständlich. Zudem habe er in Afghanistan keine familiären Anbindungen, von welchen er Unterstützung erhalten könne. In Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif würde er zudem bloß aufgrund seiner Anwesenheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Opfer der dort herrschenden Gewaltakte. Dem BF sei der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen, da ihm aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie aufgrund seiner langen Abwesenheit von Afghanistan die reale Gefahr einer Verfolgung durch sunnitische Extremisten, wie den Taliban, drohe. Aufgrund der prekären Sicherheitslage bestehe für ihn die reale Gefahr einer Verletzung seiner in Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte, sodass ihm zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Ferner spreche der BF Deutsch und sei bemüht, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Die Rückkehrentscheidung hätte sohin dauerhaft für unzulässig erklärt werden müssen.

I.6. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.7. Mit Ladung vom XXXX wurden dem BF Länderberichte zur allgemeinen Situation in Afghanistan zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

I.8. Am XXXX fand in Anwesenheit der Vertretung des BF sowie unter Beziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Das Bundesamt verzichtete mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an einer Beschwerdeverhandlung.

Im Zuge der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Burgenländischen Volkshochschulen vom XXXX (Beilage ./A) in Vorlage.

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

R: Welcher Volksgruppe bzw. Religion gehören Sie an?

BF: Ich bin Hazara und Schiite.

R: Wo sind Sie geboren, nennen Sie mir bitte Dorf/Distrikt/Provinz.

BF: Ich bin in der Provinz Helmand, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren.

R: Wie lange haben Sie an der von Ihnen angegebenen Geburtsadresse gewohnt?

BF: Ich habe ca. 14 Jahre dort gelebt.

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Adresse alleine gelebt?

BF: Ja, mit meiner Mutter und meinen zwei Brüdern habe ich dort gelebt.

R: Wie heißen Ihre zwei Brüder?

BF: Einer heißt XXXX und der andere heißt XXXX .

R: Wie viele Geschwister hat Ihre Mutter?

BF: Meine Mutter hat nur eine Schwester.

R: Wo lebt die Schwester Ihrer Mutter?

BF: Solange ich dort gelebt habe, hat auch die Schwester meiner Mutter dort gelebt. Aber als ich das Land verlassen habe, musste sie, wie ich gehört habe, nach vielen Kriegen zumindest diesen Ort verlassen. Aus diesem Grund weiß ich es auch nicht, wo sie sich jetzt aufhält.

R: Woher haben Sie diese Information?

BF: Ich war in Afghanistan. In dieser Zeit hat sie das Dorf verlassen.

R: Hat sie vor Ihnen oder nach Ihnen ihr Heimatdorf verlassen?

BF: Kurze Zeit vor mir, fast gleichzeitig mit mir.

R: Wie viele Geschwister hat Ihr Vater?

BF: Mein Vater hat keinen Bruder und keine Schwester, aber er hat Cousins, oja, er hat schon eine Schwester gehabt, aber diese Tante väterlicherseits ist schon vor Jahren verstorben.

R: Wieviel Cousins hat Ihr Vater?

BF: Ich habe damit nicht Cousins ersten Grades gemeint, sondern… Er ist nicht sein Cousin ersten Grades.

R: Ist es der Großcousin?

BF: Ja, Cousin zweiten Grades.

R: Wie viele Cousins zweiten Grades hat Ihr Vater?

BF: Drei Cousins zweiten Grades.

R: Wo leben diese?

BF: Die leben in Afghanistan, solange ich zumindest dort war, lebten auch diese in Afghanistan.

R: Wo in Afghanistan.

BF: Sie haben in Kabul gelebt, jetzt weiß ich es nicht.

R: Wie geht es Ihrer Mutter?

BF: Seit ich aus dem Iran weiter nach Europa gegangen bin, habe ich keinen Kontakt mehr mit meiner Mutter.

R: Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit Ihrer Mutter?

BF: Das war im Jahr XXXX , in dieser Zeit, wo ich nach Europa gegangen bin, das war mein letzter Kontakt.

R: Warum haben Sie keinen Kontakt mehr mit Ihrer Mutter?

BF: Das hat einen Grund. Als ich unterwegs in die Türkei war, habe ich meinen Rucksack unterwegs verloren und alles was drinnen war, mein Handy und die anderen Sachen, wie Telefonnummern, habe ich verloren.

R: Haben Sie versucht, anderweitig mit Ihrer Mutter Kontakt aufzunehmen?

BF: Leider kenne ich niemanden dort, den ich um Hilfe bitten könnte. Deshalb sehe ich keinen Weg.

R: Was heißt, „ich kenne niemanden dort“ in diesem Zusammenhang?

BF: Ich versuche es ja wirklich, aber trotzdem kenne ich niemanden dort.

R: Inwieweit versuchen Sie es?

BF: Ich habe ein paar Mal versucht, aber ich konnte niemanden finden, der mir helfen konnte.

R: Was haben Sie da konkret unternommen?

BF: Ich habe zum Beispiel bei den Jungs, die in meiner Zeit im Iran gearbeitet haben, nachgefragt.

R: Woher stammt Ihre Familie?

BF: Ursprünglich aus der Provinz Helmand.

R: Wo genau?

BF: Vom Distrikt XXXX und vom Dorf XXXX .

R: Wie heißt Ihr Großvater väterlicherseits?

BF: Mein Großvater väterlicherseits heißt XXXX .

R: Wie hat er seinen Lebensunterhalt bestritten?

BF: Das weiß ich nicht, weil ich ihn nie gesehen habe. Er ist schon sehr früh verstorben.

R: Wo hält sich Ihr Vater auf?

BF: Mein Vater ist schon verstorben.

R: Wann?

BF: Seit ca. sieben oder acht Jahren ist er schon verstorben, das genaue Datum kann ich nicht sagen. Ich weiß nur so viel, dass ich in dieser Zeit noch sehr jung war. Ich kann mich nur vage an sein Gesicht erinnern.

R: Wie alt waren Sie da ca.?

BF: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Ich kann mich an das Gesicht meines Vaters erinnern.

R: Sind Sie zu diesem Zeitpunkt in die Schule gegangen?

BF: Ja.

R: In die wievielte Klasse?

BF: So genau kann ich das nicht sagen, entweder in die fünfte oder in die sechste Klasse.

R: Wie hat Ihr Vater seinen Lebensunterhalt bestritten?

BF: Soweit und solange ich von meiner Mutter gehört habe, hat mein Vater früher mit der Regierung zusammengearbeitet.

R: Inwiefern?

BF: Ich weiß es nicht, was seine genaue Aufgabe war. Ich wusste damals nicht einmal, was das Wort Kommandant bedeutet, ganz geschweige denn von Beruf meines Vaters, was er genau gemacht hat.

R: Haben Sie mit Ihrer Mutter darüber gesprochen, was Ihr Vater gemacht hat?

BF: Nein, diese Frage habe ich nicht gestellt.

R: Hat es Sie interessiert, was Ihr Vater beruflich gemacht hat?

BF: Natürlich hatte es mich interessiert, aber ich war zu jung.

R: Wie heißen die unmittelbar angrenzenden Dörfer von Ihrem Heimatdorf?

BF: XXXX , das ist die Hauptstadt der Provinz.

Die Frage wird wiederholt.

BF: Eines heißt XXXX (phonetisch), hinter unserm Dorf im einigen Abstand weiter XXXX (phonetisch).

R: Wie heißen die anderen Dörfer?

BF: Es gibt ein anderes Dorf, nicht so nah wie die anderen zwei, und heißt XXXX (phonetisch).

R: Wie heißen die weiteren unmittelbar angrenzenden Dörfer?

BF: Das näheste ist XXXX .

R: Ist das das einzige unmittelbare angrenzende Dorf?

BF: Ja.

R: Geben Sie chronologisch von Ihrer Geburt bis zu Ihrer Ausreise aus Afghanistan an, wo Sie gewohnt haben, in welchem Dorf, in welcher Stadt und in welchem Zeitraum.

BF: Von meinem ersten Lebensjahr bis zu meinem 14. Lebensjahr habe ich in Helmand gelebt, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX . Ich habe ein Jahr im Iran gelebt.

R: Die Frage wird wiederholt.

BF: Ich habe nur in XXXX in XXXX gelebt.

R: Durch welche Dörfer und Städte sind Sie denn gefahren, als Sie Ihr Heimatdorf verlassen haben und ausgereist sind?

BF: Meine Mutter hat mich geführt, meine Mutter hat das Ganze organisiert. Meine Mutter hat mit den Schleppern gesprochen und sie hat mich einem von diesen anvertraut. Deshalb kenne ich mich nicht so gut aus, wie und wo wir waren. Wir sind mit dem Auto gereist, fast immer mit dem Auto sind wir gefahren. Ich kann deshalb nicht sagen, wo wir waren.

R: Wie lange waren Sie mit dem Auto unterwegs, als Sie von Ihrem Elternhaus in den Iran gereist sind?

BF: Insgesamt 15 bis 16 Tage.

R: In welchen Städten haben Sie übernachtet?

BF: Da viele Reisende dabei waren, waren wir überhaupt nicht in den großen Städten. Immer wenn die Nacht kam, haben wir, egal wo wir waren, übernachtet, zum Beispiel bei einem Baum oder auf der Wiese.

R: Wenn Sie 15 oder 16 Tage unterwegs waren, können Sie mir einige Städte oder Dörfer nennen, durch die Sie gereist sind?

BF: Zum Beispiel XXXX (Anmerkung des D: Das ist im Iran).

Die Frage wird wiederholt.

BF: Wir sind über Nimroz gefahren, das ist das Zentrum einer Provinz. In einer Nacht sind wir bis Nimroz gefahren. Am nächsten Tag sind wir weitergefahren.

R: Wohin?

BF: Wir haben uns auf den Weg in den Iran gemacht.

R: Wo haben Sie übernachtet, bevor Sie im Iran waren?

BF: Von Nimroz bis zur Grenze haben wir nirgendwo übernachtet. In derselben Nacht sind wir über die Grenze in den Iran gefahren. Ich habe deshalb insgesamt 15 oder 16 Tage gesagt, weil ich die ganze Zeit bis Teheran mitgerechnet habe.

R: Wie haben Sie in Afghanistan Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Als Bauern haben wir gearbeitet.

R: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Ich bin am Vormittag in die Schule gegangen und nachmittags habe ich freie Berufe gehabt.

R: Was verstehen Sie unter freien Berufen?

BF: Manchmal habe ich zum Beispiel bei Arbeiten bei den Nachbarn geholfen oder habe ich als Hirte gearbeitet. Solche Sachen habe ich gemacht.

R: Was hat Ihre Mutter gemacht?

BF: Meine Mutter hat zuhause gearbeitet. Natürlich vormittags, als ich in der Schule war, hat sie sich um das Vieh gekümmert.

R: Wieviel Vieh haben Sie gehabt?

BF: Wir haben 15 bis 16. Stücke Schafe gehabt. Wir haben ein Rind und eine Kuh gehabt.

R: Wieviel Geschwister haben Sie?

BF: Ich habe zwei Brüder. Ich habe keine Schwester.

R: Sind die beiden Brüder jünger oder älter als Sie?

BF: Einer ist älter als ich und einer ist jünger als ich.

R: Wie haben die beiden Brüder ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Wann meinen Sie?

Die Frage wird wiederholt.

BF: Es war ein gemeinsames Leben. Ich habe ihnen geholfen und sie haben mir geholfen.

Die Frage wird wiederholt.

BF: Ihr Einkommen war auch als Bauern.

R: Wie lange haben Sie die Schule besucht?

BF: Ich bin acht Jahre in die Schule gegangen.

R: Bis zur wievielten Klasse?

BF: Bis zur achten Klasse.

R: Wieviel Geld haben Sie für die Ausreise aus Afghanistan bezahlt?

BF: So genau erinnere ich mich, ehrlich gesagt, nicht. Ich denke für die Reise von Afghanistan bis in den Iran, ca. 10 Millionen Tomans.

R: Was sind das ungefähr in Euro oder Dollar?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Woher hatten Sie das Geld?

BF: Ich habe im Iran gearbeitet.

R: Die Frage war, wie Sie die Ausreise aus Afghanistan in den Iran finanziert haben.

BF: Ja, ich habe es so gemeint, dass von Afghanistan in den Iran alles meine Mutter organisiert hat. Ich habe gemeint, von Iran nach Europa habe ich alles organisiert.

R: Das war nicht die Frage. Die Frage war, wieviel Geld Sie für die Ausreise von Afghanistan in den Iran gezahlt haben.

BF: So genau kann ich das nicht sagen. Zwischen sechs und sieben Millionen Tomans.

R: Woher hatten Sie so viel Geld?

BF: Meine Mutter hat mir geholfen.

R: Was heißt, Ihre Mutter hat Ihnen geholfen?

BF: Meine Mutter war die Hauptperson der Familie und deshalb war alles, was wir gehabt haben, bei ihr. Zum Beispiel haben wir Milch verkauft, und egal, was für ein Einkommen es war, es war bei meiner Mutter.

R: Sind Sie mit Ihrer Mutter gemeinsam ausgereist?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Meine Mutter wollte das nicht.

R: Warum nicht?

BF: Für mich bestand die Gefahr, aber normalerweise hat man in Afghanistan mit den Frauen nicht sehr viel zu tun.

R: Was heißt, man hat in Afghanistan mit den Frauen nicht sehr viel zu tun?

BF: Zum Beispiel wenn die Taliban ein Dorf oder einen Ort angreifen, sind die Hauptziele die Männer. Ich glaube nicht, dass sie gegen die Frauen so vorgehen, wie gegen die Männer.

R: Wer war noch im Haus, als Sie Ihr Elternhaus verlassen haben?

BF: Meine Mutter und ich waren alleine.

R: Ist Ihre Mutter alleine im Elternhaus verblieben, als Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Sie war alleine.

R: Gab es noch einen anderen Mann im Haus als Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Nein, niemanden.

R: Wie lange haben Sie sich im Iran aufgehalten?

BF: Ca. ein Jahr.

R: Wie haben Sie dort Ihren Lebensunterhalt verdient?

BF: Ich habe in einer Firma als Wachmann gearbeitet.

R: Was haben Sie dort genau gemacht?

BF: Ich habe immer in der Nacht auf die Firma aufgepasst.

R: Haben Sie dafür eine besondere Ausbildung?

BF: Nein.

R: Ist es da zu irgendwelchen Vorfällen gekommen?

BF: Nein, ich habe keine Probleme gehabt.

R: In welchem Jahr haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: Ich weiß es nicht genau, besonders nicht in Ihrer Zeitrechnung.

R: Können Sie es mir in Ihrer Zeitrechnung sagen?

BF: Nein, das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Es besteht für mich Lebensgefahr. Mein Leben ist in Gefahr.

R: Warum besteht für Sie Lebensgefahr?

BF: Erstens ist meine Provinz eine der unsichersten Provinzen in ganz Afghanistan. Aus diesem Grund habe ich das Problem auch im Iran gehabt, von dort konnte ich auch nicht zurückgehen.

R: Was war der eigentliche Grund, warum Sie Ihr Heimatdorf verlassen haben?

BF: Ich habe deshalb mein Heimatsdorf verlassen, weil dieser Ort überhaupt nicht sicher war. Jedes Mal, wenn wir rausgegangen sind, waren wir nachher nicht mehr sicher, dass wir lebendig zurückkommen.

R: Wann hat die jetzt von Ihnen beschriebene Situation begonnen, sich so zu gestalten?

BF: Solange ich mich erinnere, hat diese Gefahr bestanden.

R: Seit wann hat diese Gefahr für Sie so bestanden?

BF: So genau kann ich das nicht sagen, weil ich klein war, aber trotzdem erinnere ich mich, dass als kleines Kind diese Gefahr bestand.

R: Wie alt waren Sie da etwa, als diese Gefahr für Sie bestand?

BF: Ich glaube, ich war sieben oder acht Jahre alt.

R: Warum haben Sie dann erst mit 14 Jahren Ihr Heimatdorf verlassen, wenn die Gefahr bereits seit ca. Ihrem siebenten Lebensjahr bestanden hat?

BF: Es sind nicht nur diese sechs oder sieben Jahre, sondern in Afghanistan wird seit ca. 40 Jahren ein Krieg geführt. Deshalb bestand in dieser Zeit auch die Gefahr.

R: Warum hat es Sie dann dazu bewogen, mit dem 14. Lebensjahr Afghanistan, sprich das Heimatdorf, zu verlassen?

BF: Der Hauptgrund war, dass unser Dorf fast ununterbrochen von Seiten der Taliban angegriffen wurde.

R: Wann haben diese fast ununterbrochenen Angriffe der Taliban gestartet?

BF: Ca. ein Jahr davor haben diese Angriffe stark zugenommen.

R: Warum haben Sie dann nicht bereits das Jahr zuvor Ihr Heimatdorf verlassen, wenn auch zu diesem Zeitpunkt die Angriffe schon so stark waren?

BF: Ich konnte das nicht. Ich habe das nicht geschafft.

R: Warum nicht?

BF: Ein Bruder von mir war in dieser Zeit krank. Außerdem hatten wir in dieser Zeit die finanziellen Möglichkeiten nicht gehabt.

R: Was war dann für Sie der konkrete Auslöser, dass Sie dann schlussendlich Ihr Heimatdorf verlassen haben?

BF: Ich muss ehrlich und ganz offen sagen, dass unser Staat jedes Mal unser Dorf an die Taliban verkauft hat, und aus diesem Grund haben die Taliban das Dorf angegriffen.

R: Warum haben Sie schlussendlich den Entschluss gefasst, Ihr Heimatdorf zu verlassen, nachdem Ihr Dorf immer wieder von den Taliban angegriffen worden ist?

BF: Die Situation hat sich tagtäglich verschlechtert, besonders seit der Machtübernahme von Ashraf GHANI. Damit meine ich die Angriffe wurden immer stärker und stärker.

R: Warum hat Ihre Mutter nicht gemeinsam mit Ihnen ihr Heimatdorf verlassen, wenn die Angriffe der Taliban immer stärker und stärker geworden sind?

BF: Ich denke, dass die Taliban mit den Frauen nichts zu tun haben.

R: Was meinen Sie, die Taliban haben mit den Frauen nichts zu tun?

BF: Sie töten nicht die Frauen. Sie töten die Männer, weil sie entweder im Zusammenhang mit der Rekrutierung fragen, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder sie werden von ihnen getötet.

R: Was würden Sie konkret befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Natürlich gibt es auch einen anderen Grund als Iranrückkehrer, weil ich einige Zeit im Iran gelebt habe. Deshalb bin ich noch ein stärkeres Ziel für die Taliban.

R: Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Sind Ihre Brüder noch am Leben?

BF: Nein, ich weiß es nicht, ob sie noch am Leben sind.

RV: Was ist mit den Brüdern passiert?

BF: Ich weiß, dass in dieser Zeit mein jüngerer Bruder krank war. Mein älterer Bruder wollte meinen jüngeren Bruder nach Kabul bringen, um behandelt zu werden. Unterwegs sind sie in die Hände der Taliban gefallen. Nach diesem Ereignis weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob sie leben oder nicht.

R: An welcher Krankheit hat Ihr jüngerer Bruder gelitten?

BF: Es war ein großer Krebs am vorderen Teil seines Halses.

R: Woher haben Sie diese Information, dass Ihre Brüder auf dem Weg nach Kabul von Taliban erwischt worden sind?

BF: Meine Mutter hat mir das erzählt.

R: Woher hat sie diese Information?

BF: Meine Mutter hat das in XXXX in XXXX (Anmerkung des D: Hada bedeutet Zentrum einer Stadt) mitgenommen.

R: Was heißt, Ihre Mutter hat diese Information in XXXX mitgenommen?

BF: Wie ich von meiner Mutter mitbekommen habe, nachdem meine Brüder nach Kabul fahren wollten, und nach einiger Zeit meine Mutter keinen Kontakt mit ihnen gehabt hat, musste sie nachfragen bzw. Fragen stellen, was mit meinen Brüdern passiert ist. Da sie im Dorf mitbekommen hat, dass so etwas passiert ist, ist sie selber nach XXXX gefahren.

R: Was heißt, sie hat im Dorf mitbekommen, dass so etwas passiert ist.

BF: Es kann sein, dass es jemand ihr gesagt hat. Ich weiß es nicht.

R: Woher hat sie dann konkret diese Information bekommen?

BF: Von den Nachbarn oder im Dorf von den Leuten oder jemand hat es ihr gesagt. Ich weiß es nicht. Aus diesem Grund ist sie selber nach XXXX gefahren, und dort hat sie noch weiter nachgefragt und Fragen gestellt. Sie hat dann von vielen Leuten bestätigt bekommen, dass ein Bus von den Taliban gestoppt worden ist und die Leute aus dem Bus gezerrt worden sind.

R: Wieso wissen Sie, dass Ihre Brüder genau in diesem Bus gewesen sein sollen?

BF: Meine Mutter hat Fragen gestellt und nachgefragt und war nachher sicher, dass sich meine Brüder auch in diesem Bus befunden haben.

R: Warum war sich Ihre Mutter sicher, dass sich Ihre beiden Brüder in diesem Bus befunden haben?

BF: Das ist doch klar. Weil sie hat in Hada gefragt und in Hada weiß jeder, welcher Bus zu welcher Zeit in welche Richtung fährt.

R: Warum war sich Ihre Mutter so sicher, dass Ihre beiden Brüder sich in diesem Bus befunden haben, der gekapert worden ist?

BF: Das wollte ich eigentlich sagen. Wie gesagt, von den Nachbarn oder im Dorf hat sie das von jemandem mitbekommen. Aus diesem Grund ist sie nach XXXX gefahren und hat selber dort nachgefragt.

RV: Waren Sie in dem Jahr, in dem Sie angegeben haben, sich im Iran aufgehalten zu haben, ausschließlich dort?

BF: Nein, ich war einige Zeit auch in Syrien. Insgesamt war ich zwei Mal für vier Monate dort und einen Monat habe ich auch eine Ausbildung gehabt.

R: Wo haben Sie diese Ausbildung gehabt?

BF: In XXXX (phonetisch).

R: Waren Sie insgesamt vier Monate in Syrien?

BF: Ja.

RV: Was haben Sie konkret in Syrien gemacht?

BF: Wegen des Krieges war ich dort. Ich habe einige Zeit mit einem Panzer zusammengearbeitet.

R: Was heißt, Sie haben einige Zeit mit einem Panzer zusammengearbeitet?

BF: Ich war der Chauffeur eines Panzers.

R: Was haben Sie als Chauffeur des Panzers gemacht?

BF: Ich habe den Panzer überallhin geführt, wo das notwendig war.

R: Was haben Sie dann gemacht?

BF: Man hat uns in den Krieg geschickt als Chauffeur des Panzers. Man musste in erster Linie mitmachen.

R: Was heißt, Sie mussten in erster Linie mitmachen?

BF: Es gab natürlich verschiedene Gruppen. Wenn unsere Gruppe an der Reihe gewesen ist, musste ich auch mit der Gruppe dorthin fahren, wohin uns befohlen worden ist.

RV: Warum können Sie konkret nicht in einer anderen größeren Stadt wie Kabul leben?

BF: Natürlich bin ich als Hazara auch in Kabul in Gefahr. Als Hazara bin ich sogar so schlecht daran, dass ich nicht einmal die Möglichkeit habe, mich in einer Schule einzuschreiben und ich habe auch nicht die Chance, einen Job, so gut wie die anderen, zu finden.

R: Was meinen Sie in dem Zusammenhang mit den anderen?

BF: Zum Beispiel die Paschtunen und ich frage Sie persönlich, ob die ganzen Taliban nicht Paschtunen sind.

Zur Integration:

R: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

BF: Vormittags gehe ich in die Schule und ich bekomme eine Hilfe pro Woche, einen Betrag von 48,-- Euro. Mit diesem Geld muss ich leben. Das ist mein ganzes Einkommen.

Die Verhandlung wird um 16:15 Uhr unterbrochen und um 16:27 Uhr fortgesetzt.

Weiters ohne Übersetzer:

R: (Frage auf Deutsch): Sprechen Sie Deutsch?

BF (auf Deutsch): Ja, ein bisschen.

R: (Frage auf Deutsch): Verstehen Sie Deutsch?

BF (auf Deutsch): Ja.

R: (Frage auf Deutsch): Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs?

BF (auf Deutsch): Ja, in der Volksschule.

R: (Frage auf Deutsch): Wie oft in der Woche besuchen Sie einen Deutschkurs?

BF (auf Dari): Was hat der Herr gemeint?

R: (Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Dari): Unser Unterrichtsplan ist unterschiedlich. Manchmal vier Mal, manchmal fünf Mal.

R: (Frage auf Deutsch): Wie lange dauert der Kurs, wenn Sie ihn besuchen?

BF (auf Deutsch): Acht Monate oder sieben Monate.

R: (Frage auf Deutsch): Wie lange am Tag besuchen Sie diesen Kurs?

BF (auf Dari): Ich würde diese Frage gerne auf Dari hören.

R: (Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Dari): Ja, ich habe die Frage auf Deutsch verstanden, aber ich konnte die Frage auf Deutsch nicht beantworten.

R: (Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Dari): Das ist unterschiedlich, manchmal von neun bis elf, manchmal von neun bis zwölf.

R: (Frage auf Deutsch): Sind Sie verheiratet?

BF (auf Deutsch): Noch einmal bitte.

R: (Frage auf Deutsch): Sind Sie verheiratet?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: (Frage auf Deutsch): Haben Sie Kinder?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: (Frage auf Deutsch) Haben Sie eine Lebensgefährtin?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: (Frage auf Deutsch): Haben Sie Freunde in Österreich?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: (Frage auf Deutsch): Haben Sie einen Freundeskreis in Österreich?

BF (auf Deutsch): Ja, nein, ich habe.

(Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Dari): Ja, habe ich.

R (auf Dari): Gehören Ihrem Freundeskreis auch Österreicher an?

BF (auf Dari): Wenige, es gibt unter meinen Freunden auch Österreicher.

R: (Frage auf Dari): Wie heißen Ihre beiden besten Freunde in Österreich mit Vor- und Familiennamen?

BF (auf Deutsch): Alexander, Vornamen weiß ich nicht und Maxi, Vornamen weiß ich nicht.

R (auf Deutsch): Wie sieht ein typischer Alltag von Ihnen aus zum Aufstehen bis zum Bettgehen?

BF (auf Deutsch): Ich bitte um die Übersetzung.

R: (Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Deutsch): Wollen Sie das auf Deutsch oder in Dari.

R: Wenn Sie das in Deutsch nicht können, dann bitte in Dari.

BF (auf Deutsch): Um sechs Uhr gehe ich in die Schule.

R (Frage auf Dari): Wann gehen Sie in die Schule?

BF (auf Dari): Ich muss um sechs Uhr aufstehen, obwohl die Schule erst um neun Uhr anfängt, da keine Busverbindung besteht. Um zwölf Uhr ist mit der Schule Schluss und komme ich wieder nach Hause. Nachmittags spiele ich ein bisschen Fußball. Nach dem Fußballspielen komme ich wieder nach Hause und mache meine Hausaufgaben. Dann koche ich ein bisschen etwas. Dann ist der Tag weg. So schaut mein Tag aus.

Weiters mit Übersetzung:

R: Sind Sie in einem Verein, in einer Organisation, Kirche oder dergleichen engagiert?

BF: Nein, aber ich habe es fest vor, mich in einer Mannschaft einschreiben zu lassen.

R: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten?

BF: Nein, ich bin gesund.

R: Leben Verwandte von Ihnen in Österreich?

BF: Nein.

R: Leben Verwandte von Ihnen in der Europäischen Union?

BF: Nein.

R: Sie können von Ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen: Läuft gegen Sie ein Strafverfahren bzw. sind Sie gerichtlich vorbestraft?

BF: Nein.

R: Haben Sie um eine arbeitsrechtliche Bewilligung angesucht?

BF: Einerseits bin ich in der Schule und lerne etwas und auf der anderen Seite hat man uns gesagt, wir sollten nach Möglichkeit selbst einen Job finden.

R: Haben Sie um eine arbeitsrechtliche Bewilligung angesucht oder sind Sie vom AMS vorgemerkt?

BF: Nein, mein Name ist nicht im AMS vorhanden.

R an RV: Haben Sie Fragen zur Integration?

RV: Nein.

[…]

I.9. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurden dem BF Länderinformationen zur allgemeinen Situation in Afghanistan zur Stellungnahme binnen 14 Tagen übermittelt.

I.10. Mit Stellungnahme vom XXXX brachte das Bundesamt zusammengefasst vor, dass es sich bei den Ausführungen von Dr. Rasuly um kein Gutachten, sondern um ein Beweismittel eigener Art handle. Was den Inhalt betreffe, entsprächen die Ausführungen auch den Erkenntnissen der Staatendokumentation des Bundesamtes und würden ein plausibles und konsistentes Bild der Lebensverhältnisse der Hazara darstellen. Hinsichtlich des Vorbringens des BF werde auf die ausführliche Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid verwiesen. Dem BF sei überdies eine Rückkehr in die Provinz Helmand, wo auch seine Angehörigen leben, möglich, da er ein junger und arbeitsfähiger Mann sei und über Schulbildung verfüge. Es sei davon auszugehen, dass er dort auch soziale Kontakte habe. In der Folge wurde detailliert die Situation für Rückkehrende in Kabul erörtert und gefolgert, dass dem BF ebenso eine Neuansiedlung in Kabul zumutbar sei. Ebenso stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif offen.

I.11. Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF im Wege seiner Vertretung zur allgemeinen Lage in Afghanistan zusammengefasst vor, dass das aktuelle Länderinformationsblatt die verschlechterte Sicherheitslage in Kabul, Herat und Mazara-e Sharif nur unzureichend abbilde und dem BF in diesen Städten keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. In der Folge wurde auf eine Präsentation der stellvertretenden Leiterin des UNHCR-Büro in Kabul, welche am XXXX stattgefunden habe, hingewiesen. Weiters wurden verschiedene sicherheitsrelevante Vorfälle betreffend den Zeitraum von Februar 2016 bis März 2018 aufegelistet. Ferner wurde ein Sachverständigengutachten von Dr. Rasuly vom 29.01.2018 zur Sicherheitslage in Kabul auszugsweise zitiert und auf den UNHCR-Bericht 2016 sowie auf weitere Berichte zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen. In der Folge wurde ausgeführt, dass die Aufnahmeressourcen der Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif erschöpft seien und der BF infolge besonderer Vulnerabilitäten keinen Zugang zu grundlegender Infrastruktur wie Wohnraum, Erwerbsmöglichkeiten oder medizinischer Versorgung habe, zumal er auf kein Netzwerk zurückgreifen könne. Zu seinen Cousins zweiten Grades in Kabul habe er noch nie Kontakt gehabt und sei nicht sicher, ob sie überhaupt noch dort leben würden. Seine Mutter sowie seine Geschwister hätten sein Heimatdorf verlassen. Der BF habe keine Informationen über ihren Verbleib. Ferner verfüge er nicht über die nötigen örtlichen und kulturell-gesellschaftlichen Kenntisse, um sich in den Großstädten zurechtzufinden und seine Existenz sichern zu können. Aufgrund seines längeren Auslandsaufenthalts würde er diskriminiert werden. Er verfüge lediglich über geringe Schulbildung, habe keinen Abschluss und habe ausschließlich geringe Berufserfahrung in der Landwirtschaft gesammelt und unregelmäßig bei Nachbarn geholfen. Aufgrund der angespannten Situation am Arbeitsmarkt könne er keine Arbeit finden. In der Folge wurden weitere Länderberichte zur Situation von Rückkehrenden in Afghanistan auszugsweise zitiert. Aus dem Bericht „Afghanistan: Situation of young male ‚westernised‘ returnees to Kabul“ von August 2017 gehe zudem hervor, dass der BF im Herkunftsstaat aufgrund einer ihm zumindest unterstellten Verwestlichung mit sozialer Ausgrenzung zu rechnen habe. Zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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