Entscheidungsdatum
24.08.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W250 2227007-9/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 09.11.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dabei gab er an am XXXX geboren worden zu sein. Dokumente zum Nachweis seiner Identität legte er nicht vor. Im Rahmen einer altersdiagnostischen Begutachtung wurde jedoch festgestellt, dass sein spätest mögliches Geburtsdatum der XXXX ist. Da der Aufenthaltsort des BF dem Bundesamt nicht bekannt war und auch nicht festgestellt werden konnte, wurde das Asylverfahren am 03.04.2017 eingestellt.
1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.12.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Algerien zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.01.2018 als unbegründet abgewiesen, die Dauer des Einreiseverbotes wurde jedoch auf die Dauer von fünf Jahren herabgesetzt.
1.3. Am XXXX leitete das Bundesamt bei der Vertretungsbehörde Algeriens ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF ein.
1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.08.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten. Seit dem 19.09.2019 wird der BF in Schubhaft angehalten.
1.5. Am 20.09.2019 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, um seine Abschiebung zu verhindern. Mit Aktenvermerk vom 20.09.2019 hielt das Bundesamt die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht, da Gründe zu der Annahme bestünden, dass der zweite Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 07.10.2019 erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes; dies wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2019 als rechtmäßig erklärt.
Über den zweiten Antrag auf internationalen Schutz hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bisher noch nicht entschieden.
1.6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.01.2020, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, vom 12.02.2020, 11.03.2020, 08.04.2020, 06.05.2020, 02.06.2020, 30.06.2020 und vom 27.07.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.
1.7. Am 17.08.2020 legte das Bundesamt den gegenständlichen Akt neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetzes – BFA-VG zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor.
1.8. Mit Parteiengehör vom 17.08.2020 wurde dem BF im Wege seines Rechtsvertreters die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, wovon er jedoch keinen Gebrauch machte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.8.)
Der unter Punkt I.1. – I.8. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Der BF hat bisher keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen; seine Identität steht nicht fest. Er gibt an, ein Staatsangehöriger Algeriens zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
2.2. Der BF wird seit 19.09.2020 in Schubhaft angehalten.
2.3. Der BF ist gesund und haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
3.1. Der Aufenthaltsort des BF war während seines laufenden ersten Asylverfahrens für das Bundesamt nicht feststellbar und musste das Verfahren daher eingestellt werden. Der BF hat sich seinem Asylverfahren entzogen, das Asylverfahren wurde mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 03.04.2017 eingestellt.
3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.12.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.01.2018 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt wird. Die Rückkehrentscheidung ist rechtskräftig, durchsetzbar und durchführbar.
3.3. Der BF stellte am 20.09.2020 einen Asylfolgeantrag um seine Abschiebung zu verhindern. Zu diesem Zeitpunkt lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor und wurde der BF in Schubhaft angehalten.
3.4. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten ihn weder strafgerichtliche Verurteilungen noch die Anhaltung in Untersuchungs- bzw. Strafhaft zu rechtskonformem Verhalten bewegen.
3.5. Der BF verhält sich im Verfahren unkooperativ. Er machte im bisherigen Verfahren falsche Angaben zu seinem Geburtsdatum und zu seinem Geburtsort. Der BF versucht seine Identität zu verschleiern, um einer Abschiebung zu entgehen. Der BF wird sich einer Abschiebung widersetzen.
Der BF befand sich von 28.10.2019 bis 30.11.2019, von 10.04.2020 bis 18.04.2020 sowie von 02.08.2020 bis 03.08.2020 in Hungerstreik. Am 14.03.2020 und am 18.03.2020 wurden gegen den BF aufgrund der Nichtbefolgung von Anordnungen in der Anhaltung Disziplinierungsmaßnahmen verhängt.
3.6. Der BF hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte. Der BF befand sich seit seiner Asylantragstellung am 09.11.2016 in Österreich mehr als 2 Jahre und 2 Monate in Justizanstalten in Haft. Der BF ist in Österreich behördlich ausschließlich im Polizeianhaltezentrum gemeldet. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.
Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung.
4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
4.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:
4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 14.06.2017 wurde der BF wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB), des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 2a SMG), des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs. 1 StGB), des Vergehens der Sachbeschädigung ( § 125 StGB), des Vergehens des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) sowie des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs. 2 Z 1 StGB) nach dem Suchtmittelgesetz bzw. dem Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. In weiterer Folge wurde der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.
Der Verurteilung liegen Tathandlungen im Zeitraum Februar bis Mai 2017 zugrunde, wonach der BF am 28.04.2017 versucht hat, vier Hosen im Wert von € 129,80 einem Verfügungsberechtigten mit dem Vorsatz sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen. Weiters hat der BF am 14.02.2017 versucht, zwei Polizeibeamte mit Gewalt an der Sicherstellung eines Baggies mit Suchtgift und der Festnahme des BF bzw. dem Anlegen von Handfesseln zu hindern, indem er einem Polizeibeamten einen Stoß versetzte und mit den Händen bzw. Fäusten auf den Beamten einschlug und auf die Polizeibeamten eintrat. Weiters wurde der BF verurteilt, dass er am 16.02.2017 zwei Laptops, Fotoapparate, Werkzeug, Bargeld, Uhren und diverse Schmuck- und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von zumindest € 700,00 mit dem Vorsatz sich oder einen Dritten durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in eine Wohnstätte weggenommen hat. Der BF hat dabei im bewussten und gewollten Zusammenwirkten mit einem Mittäter das Kellerfenster eines Wohnhauses mit einer Eisenstange eingeschlagen und ist durch das eingeschlagene Fenster in das Haus eingedrungen. Am 11.05.2027 hat der BF vorschriftswidrig an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich Suchtgift gegen Entgelt angeboten, indem er einem anderen Marihuana zum Preis von € 100,00 zum Kauf offerierte. Dabei hat er einen anderen vorsätzlich am Körper verletzt, indem er dem Käufer ins Gesicht und gegen den Hals schlug. Am 11.05.2017 hat der BF drei Polizeibeamte im Zuge einer unmittelbar zuvor gegen ihn ausgesprochenen Festnahme durch heftige aktive körperliche Gegenwehr und dadurch, dass er wiederholt versuchte, sich von den Beamten loszureißen und ihnen Tritte zu versetzen an der Amtshandlung zu hindern versucht. Am 12.05.2017 hat der BF vier Polizeibeamte an seiner Verbringung in eine Gummizelle zu hindern versucht, indem er wiederholt auf die Beamten einschlug und eintrat und überdies einem Beamten mehrere Tritte und Schläge ins Gesicht versetzte. Am 12.05.2017 versuchte der BF überdies fünf Polizeibeamte an seiner Verbringung in seine Arrestzelle zu hindern, indem er wiederholt gegen die Beamten schlug und trat und versuchte sie zu beißen. Am 12.05.2017 versuchte der BF vier Polizeibeamte an seiner erkennungsdienstlichen Behandlung durch mehrere Fußtritte zu hindern.
Mildernd wurden bei der Strafbemessung die Unbescholtenheit, die teilweise Schadensgutmachung durch Erbringung und die Tatsache, dass es teilweise beim Versucht geblieben ist, gewertet. Erschwerend wurden das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einer Vielzahl von Vergehen, die hohe Aggressivität des BF, die Tatbegehung in Gesellschaft und die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens berücksichtigt. (Strafregister; AS 109 ff; AS 121).
4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 18.09.2017 wurde der BF wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs. 3 StGB) sowie des Vergehens des versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§§ 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, 15 StGB) nach dem Strafgesetzbuch bzw. dem Suchtmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Der BF hat am 19.08.2017 vorschriftswidrig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche Cannabiskraut gewerbsmäßig anderen gegen Entgelt zu überlassen versucht, indem er zwei Zivilbeamten und einem anderen Cannabiskraut zum Verkauf anbot und 11 Baggies mit Cannabiskraut zum Verkauf bereit mit sich führte. Zudem hat er eine fremde Bankomatkarte unterdrückt.
Mildernd wurden bei der Strafbemessung das Alter von unter 21 Jahren berücksichtigt und der Umstand, dass es beim Suchtgiftverkauf beim Versuch geblieben ist, erschwerend wurden die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall ins Kalkül gezogen (Strafregister; AS 117 ff).
4.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.10.2018 wurde der BF wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB) und des Vergehens der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) nach dem Strafgesetzbuch zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Der BF hat am 03.04.2018 versucht sich durch Winden und Anreißen aus dem Festhaltegriff mehrerer Justizwachebeamte loszureißen und hat mit seinem Knie gegen das Knie eines Justizwachebeamten getreten um seine Verlegung in eine andere Justizanstalt zu verhindern und gemeinsam mit einem Mittäter die Toilette sowie Sichtgläser und Rahmen an den Türen eines Sicherheitshaftraumes durch Anreißen und Dagegenschlagen beschädigt.
Bei der Strafbemessung wurden das umfassende reumütige Geständnis und das Alter unter 21 Jahren sowie der teilweise Versuch, erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und eine einschlägige Vorverurteilung gewertet (Strafregister; AS 132 ff).
4.2. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde hinsichtlich Algerien eingeleitet, Urgenzen erfolgten mehrfach, zuletzt am XXXX in Form einer Einzelurgenz. Seine Identität hat der BF nie belegt. Es gibt Hinweise für eine algerische Staatsangehörigkeit des BF. Das Bundesamt steht im Kontakt mit der algerischen Botschaft. Überdies läuft aktuell auch ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats mit Marokko als weiterem potenziellen Herkunftsstaat, die letzte Urgenz in diesem Verfahren erfolgte am XXXX .
Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifkates für den BF ist zum Entscheidungszeitpunkt bei der algerischen und der marokkanischen Vertretungsbehörde anhängig.
4.3. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die schrittweise Rücknahme der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 ist bereits angelaufen – für den internationalen Luftverkehr ist sie in einigen Wochen zumindest in einem reduzierten Ausmaß (das Abschiebungen ermöglicht) zu erwarten.
4.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 27.07.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:
1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
1.2. Die Feststellungen zur Einreise des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF, insbesondere auf Grund des im Akt befindlichen Altersfeststellungsgutachtens vom 23.03.2017. Da der erste Asylantrag des BF in Österreich rechtskräftig abgewiesen und über seinen Asylfolgeantrag noch nicht entschieden wurde, ist der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Die Identität des BF wird in Ermangelung seiner Mitwirkung und mangels Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten im Verfahren lediglich als Verfahrensidentität geführt.
1.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.
1.4. Dem Verwaltungsakt sind keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF zu entnehmen. Insbesondere gab der BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.01.2020 selbst an, dass er an keinen Krankheiten oder Gebrechen leide. Auch aus der Anhaltedatei ergeben sich keine Anhaltspunkte für Erkrankungen des BF, da mit Ausnahme des Besuches eines Zahnambulatoriums seit dem Zeitpunkt der oben genannten mündlichen Verhandlung keine gesundheitsrelevanten Eintragungen vorhanden sind. Dem BF wurde auch die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme im gegenständlichen Verfahren abzugeben. Gesundheitliche Beschwerden hat er dabei nicht vorgebracht. Insofern konnten die Feststellungen zur Haftfähigkeit des BF getroffen werden. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.
2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
2.1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der BF während seines ersten Asylverfahrens untergetaucht ist und für das Bundesamt nicht auffindbar war, sodass das Verfahren mit Aktenvermerk vom 03.04.2017 eingestellt wurde.
2.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.12.2017 gegen den BF erlassenen Rückkehrentscheidung und dem auf die Dauer von fünf Jahren befristet erlassenen Einreiseverbot beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.
2.3. Dass der BF am 20.09.2019 einen Asylfolgeantrag stellte um seine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich insbesondere aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2020, in der er auf die Frage, weshalb er den Asylfolgeantrag erst nach Inschubhaftnahme gestellt habe, lediglich ausweichende Antworten gab. Dass im Zeitpunkt der Antragstellung eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und der BF in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.4. Dass der BF die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, war aufgrund seiner drei rechtskräftigen Verurteilungen festzustellen. Dass ihn weder seine Verurteilungen noch die Inhaftierungen von weiteren Straftaten abhalten konnten, war aufgrund der Anzahl seiner Verurteilungen und Inhaftierungen und der Tatbegehung trotz anhängigem Verfahren festzustellen. Dass der BF auch während seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum aufgrund der Missachtung von Anordnungen diszipliniert werden musste, bestärkt diese Annahme. So liegt im Verwaltungsakt eine Meldung einer Landespolizeidirektion vom 18.03.2020 ein, wonach sich der BF während seiner Anhaltung gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes unkooperativ verhalten hat.
2.5. Das gesamte Verhalten des BF wird seitens des Gerichts als unkooperativ qualifiziert, da er in den bisherigen Verfahren bewusst falsche Angaben zu seiner Person, insbesondere auch zu seinem Geburtsdatum gemacht hat. Er machte tatsachenwidrige Angaben bei seiner Erstbefragung am 09.11.2016, indem er als Geburtsdatum den XXXX angab. Im Zuge einer Altersfeststellung wurde dem BF im weiteren Verfahren das errechnete, fiktive Geburtsdatum als Verfahrensidentität zugrunde gelegt und vom BF in weiterer Folge selbst angegeben, dies insbesondere auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung im Verfahren zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit seiner weiteren Anhaltung in Schubhaft. Eine Berichtigung und Angabe seines tatsächlichen Geburtsdatums erfolgte durch den BF bisher nicht. Augenfällig war auch, dass der BF im Verfahren verschiedene Geburtsorte in Algerien nannte. So gab er bei seiner Erstbefragung am 09.11.2016 an in XXXX geboren worden zu sein, während er am 29.11.2017 vor dem Bundesamt XXXX als Geburtsort nannte. Dazu kommt das Untertauchen während des anhängigen Asylverfahrens, woraufhin das Verfahren am 03.04.2017 eingestellt werden musste. Dass der BF seine Identität zu verschleiern versucht, um einer Abschiebung zu entgehen, war aufgrund seiner bisherigen unterbliebenen Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung festzustellen. Die Feststellung, dass sich der BF seiner Abschiebung widersetzten wird, fußt auf seinen eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.01.2020, wonach er nicht nach Algerien zurückgehen könne. Dass sich der BF aus Protest gegen seine Anhaltung in Hungerstreik befand und aufgrund der Nichtbefolgung von Anordnungen Disziplinierungsmaßnahmen verhängt wurden, war der Anhaltedatei und den im Akt aufliegenden Maßnahmenmeldungen zu entnehmen.
2.6. Dass der BF in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte hat, war aufgrund seiner eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.01.2020 festzustellen.
Das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes ergibt sich im Wesentlichen aus dem Einblick in das zentrale Melderegister. Der BF hat in der Vergangenheit behördliche Meldungen in Justizanstalten im Ausmaß von mehr als 2 Jahren vorzuweisen. Aus dem Melderegister ist zu ersehen, dass der BF aktuell über keine Meldeadresse außerhalb des Anhaltezentrums verfügt. Dass der BF bei seiner Befragung am 17.01.2020 selbst angibt, bei einem Freund Unterkunft nehmen zu können, vermochte die Annahme eines gesicherten Wohnsitzes nicht zu begründen, zumal er diesen Freund erst bei der Beschwerdeverhandlung das erste Mal persönlich gesehen hat. Von einem gesicherten Wohnsitz konnte daher nicht ausgegangen werden.
Eine nachhaltige Existenzsicherung ist mangels Geldreserven, wie dies in der Anhaltedatei ersichtlich ist, nicht zu erblicken. Dies deckt sich auch mit den Angaben des BF in seiner Befragung vom 17.01.2020, wonach er weder über Geld oder Wertgegenstände verfügt. Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen und hat der BF eine Beschäftigung auch in der Beschwerdeverhandlung vom 17.01.2020 verneint.
3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten einliegenden Urteilsausfertigungen.
3.2. Die Feststellungen zu den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF und dem aktuellen Stand der einzelnen Verfahren beruhen auf dem Akteninhalt und der Stellungnahme des Bundesamtes vom 17.08.2020.
Dass der BF noch nicht abgeschoben wurde, ist vor allem auf seine mangelnde Kooperationsbereitschaft und seine mangelnde Mitwirkung zurückzuführen. Es liegt daher in erster Linie am BF durch entsprechende Mitwirkung das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifkates zu beschleunigen. Zudem sind aktuell zwei Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF anhängig, weshalb die Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht als aussichtslos erachtet werden kann.
3.3. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen fanden vor dem „Lockdown“ der internationalen Luftfahrt regelmäßig statt. Es ist davon auszugehen, dass in einigen Wochen der internationale Luftverkehr (nicht zwingend der allgemeine Reiseverkehr) wiederaufgenommen wird – womit auch (begleitete) Abschiebungen wieder möglich sind. Entsprechende Ankündigungen von Regierungen und internationalen Fluglinien wurden in den letzten Wochen veröffentlicht und sind notorisch.
3.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 27.07.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.
3.1.4. Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt – insbesondere wurde der faktische Abschiebeschutz auf Grund des Asylfolgeantrages rechtskräftig aufgehoben – und Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF anhängig sind, ist mit seiner Abschiebung innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Innerhalb dieses Zeitraumes erscheint es auch realistisch, dass der Flugverkehr nach Algerien wiederaufgenommen wird.
3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt und er während seines ersten Asylverfahrens untergetaucht ist, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z 4 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt.
Der faktische Abschiebeschutz wurde mit Bescheid vom 07.10.2019, bestätigt durch Beschluss vom 10.10.2019, aufgehoben. § 76 Abs. 3 Z 4 FPG liegt daher vor.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde.
Der BF stellte am 20.09.2019 einen Asyl-Folgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die Rückkehrentscheidung, nämlich durch Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde hinsichtlich des Bescheides vom 04.12.2017 durchsetzbar, bzw. durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.01.2018 rechtskräftig und befand sich der BF in Schubhaft. Es ist daher im vorliegenden Fall auch der Tatbestand der Z 5 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.
Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.
Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3, Z 4, Z 5 und Z 9 FPG vor.
3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF ist in seinem ersten Asylverfahren untergetaucht und war für die Behörde nicht greifbar, weshalb das Verfahren eingestellt werden musste. Es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme sowie ein Einreisverbot vor und der faktische Abschiebeschutz hinsichtlich seines Folgeantrages wurde aufgehoben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).
In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.
Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.
3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Der BF hat keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit ging der BF in Österreich nicht nach. Er tauchte während seines Asylverfahrens unter und entzog sich damit seiner Abschiebung.
Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Der BF wurde als junger Erwachsener bereits drei Mal strafrechtlich verurteilt. Er hat wiederholt gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen sowie die Vergehen bzw. Verbrechen der Sachbeschädigung, des versuchten Diebstahls, des Diebstahls durch Einbruch, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, der schweren Körperverletzung sowie mehrfach des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt verübt. Zuletzt wurde er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.
Da der BF nicht einmal durch rechtskräftige Bestrafungen und der Verspürung des Haftübels von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden konnte, ist davon auszugehen, dass er auch künftig Straftaten nach dem Strafgesetzbuch bzw. Suchtmittelgesetz begehen werde. Aufgrund der verschiedenen begangen Deliktsarten und insbesondere aufgrund der wiederholten Begehung von Suchtgiftdelikten und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gefährdet der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Daher besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF.
Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF familiäre Kontakte und andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland nicht vorweisen konnte die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der BF hat mehrfach gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Zuletzt hat der BF am 18.03.2020 während seiner Anhaltung eine Ordnungswidrigkeit begangen. Er hat in Österreich bereits einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt, und ist im Asylverfahren untergetaucht, weshalb das Verfahren eingestellt werden musste. Es wurde auch ein Einreiseverbot verhängt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF bekundet. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF, der keine engen Kontakte und keine Angehörigen in Österreich hat, weit weniger schwer als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des BF.
Es wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Vertretungsbehörde eingeleitet, und kann eine Ausstellung eines solchen jederzeit erfolgen. Wie sich aus der medialen Berichterstattung ergibt, ist der Flugverkehr aus Österreich auf Grund der derzeitigen Pandemie (Covid-19) zwar noch immer eingeschränkt, es finden aber bereits gestaffelte Lockerungen der Covid-19 Maßnahmen statt, sodass eine realistische Möglichkeit der Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer der Schubhaft besteht. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Einschränkungen in den Staaten Nordafrikas im Zusammenhang mit Covid-19 weiter gelockert werden und Abschiebungen sohin auch wieder durchführbar sein werden. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt – mit wenigen Monaten, abhängig von den Ergebnissen der Heimreisezertifikatsverfahren, einzustufen. Eine ehestbaldige Abschiebung des BF unmittelbar nach Erlangung eines Heimreisezertifikates ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Im vorliegenden Fall liegt die (verhältnismäßige) Verzögerung einer Abschiebung des BF jedoch nicht an den pandemiebedingten Einschränkungen, sondern am unkooperativen Verhalten des BF und der damit einhergehenden unklaren Staatsangehörigkeit. Aus diesem Grunde war auch die Einleitung weiterer Verfahren mit Marokko und Tunesien notwendig und wurden diese Verfahren von der Behörde schon zu einem frühen Zeitpunkt eingeleitet. Eine Verhinderung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt (zumindest noch) nicht ersichtlich. Entsprechend der Judikatur des VwGH ist es trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar eine Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen vorerst aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass die Anhaltung des BF bereits seit über sechs Monaten andauert und auch vor dem Hintergrund des § 80 Abs. 4 Z 1 und 4 die Verhältnismäßigkeit gegeben sein muss. Die Verlängerung der Schubhaft über sechs Monate hinaus, soll gerade dann möglich sein, wenn der Fremde ein Verhalten in der Vergangenheit gezeigt hat, dass eine zeitnahe Abschiebung gerade vereiteln könnte und somit die Abschiebung nicht gesichert ist. Gerade das ist aber beim BF der Fall. Sein bisheriges Verhalten – das Untertauchen im laufenden Asylverfahren, die Angabe eines falschen Geburtsdatums und Geburtsorts, die wiederholte Straffälligkeit, die wiederholte versuchte Erpressung seiner Freilassung durch mehrere Hungerstreiks, aber auch das ordnungswidrige Verhalten innerhalb der Schubhaft, wie die wiederholte Missachtung von Anordnungen in der Anhaltung, vor dem Hintergrund der kaum vorhandenen sozialen Verankerung und Integration des BF weder im Asylverfahren noch in der Zeit danach und der Tatsache, dass die wenigen sozialen Kontakte ihn nicht davon abhalten konnten, straffällig zu werden bzw. er auch keinen Wohnsitz in Österreich (außerhalb seiner Anhaltung in Haft und Grundversorgungsquartieren) hat, lassen die Schubhaft des BF im Entscheidungszeitpunkt verhältnismäßig scheinen.
Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.
Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten ist die Aufrechterhaltung der seit 19.09.2020 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig.
3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, sich der BF bereits seinem Asylverfahren entzogen hat und Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates anhängig sind, ist nicht zu erwarten, dass ein gelinderes Mittel für die Sicherung der Abschiebung ausreichend ist, zumal der BF mehrmals versucht hat, sich Amtshandlungen zu widersetzen und selbst angegeben hat, er könne nicht nach Algerien zurückkehren.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.
3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.
3.2. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
falsche Angaben Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Staatsangehörigkeit Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Untertauchen Verhältnismäßigkeit WohnsitzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2227007.9.00Im RIS seit
30.10.2020Zuletzt aktualisiert am
30.10.2020