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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Maringer und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der G Gesellschaft mbH in K, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Jänner 2020, G308 2179721-1/4E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Teilurteil vom 20. Oktober 2016 hatte das Landesgericht Klagenfurt das Klagebegehren gegen den Erstbeklagten Dr. E M (dessen Revision zu Ra 2020/16/0128 anhängig ist) sowie die Revisionswerberin als Zweitbeklagte auf Zahlung von € 12.154.067,68. abgewiesen. Der gegen dieses Teilurteil erhobenen Berufung der Klägerin gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 14. März 2017 Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Landesgericht zurück; der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt.
2 Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz erhoben der Erstbeklagte und die Revisionswerberin mit gesonderten Schriftsätzen Rekurse nach § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO an den Obersten Gerichtshof; den Streitgegenstand bezifferte die Revisionswerberin in ihrem Rekurs mit „€ 12.000.000,- s.A.“
3 Mit dem angefochtenen Urteil wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. Oktober 2017 erfolgte Vorschreibung restlicher Pauschalgebühr nach TP 3 lit. a GGG sowie einer Einhebungsgebühr nach § 6 a Abs. 1 GEG im Gesamtbetrag von € 292.257,80, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 12 Millionen, für den Rekurs der Revisionswerberin an den Obersten Gerichtshof (unter Berücksichtigung bereits entrichteter Pauschalgebühr auf Grundlage eines Rekursinteresses von € 12.000,--) als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gegen sein Erkenntnis nicht zulässig sei.
4 Begründend erwog das Verwaltungsgericht im Kern, die Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Streitgenossenzuschlages nach § 19a GGG lägen im Revisionsfall nicht vor. Nach der im Zusammenhang mit § 19a GGG klaren Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 1 GGG sei bei zivilgerichtlichen Verfahren „der Rechtsmittelwerber“, d.h. jeder Rechtsmittelwerber zahlungspflichtig; dass hiebei auch auf eine Identität von oder Kongruenz mit Interessen anderer Rechtsmittelwerber abzustellen wäre, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffe, wenn mehrere (Haupt-)Parteien mit jeweils gesondertem Schriftsatz Berufung erhöben, auch jeden Rechtsmittelwerber die Pflicht zur Entrichtung der vollen Pauschalgebühr nach TP 2 GGG „(vgl. etwa die in Dokalik, Gerichtsgebühren 13A, unter E 13 zu TP 2 GGG wiedergegebene Rechtsprechung)“.
Soweit die Beschwerde eine Überprüfung der Verfassungsgemäßheit der angewendeten Rechtsvorschriften anrege, seien derartige Bedenken beim Verwaltungsgericht nicht entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hege auch keine Bedenken gegen den grundsätzlich vom Kläger festgelegten Streitwert als Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren im Sinne einer Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren sowie gegen die Höhe der Gerichtsgebühren im Hinblick auf den Gleichheitssatz und den effektiven Zugang zu einem Gericht; auch habe er eine Exzessivität der Gerichtsgebühren nicht feststellen können. Eine Äquivalenz im Einzelfall sei bei Gerichtsgebühren nicht erforderlich.
Abschließend begründete das Verwaltungsgericht sein Absehen von einer mündlichen Verhandlung sowie seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 594/2020-5, mit folgender tragenden Begründung ablehnte:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt dem Gesetzgeber bei der Festsetzung und Bemessung von Gerichtsgebühren ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu und es steht ihm frei, im Hinblick auf die Kostenwahrheit und das Verursacherprinzip Gebühren für die Inanspruchnahme der Gerichte vorzusehen [...]. Auch darf der Gesetzgeber bei der Regelung von Gerichtsgebühren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und an leicht feststellbare äußere Merkmale sachgerecht anknüpfen [...]. Eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssten, ist nicht erforderlich [...].“
6 Mit einem weiteren Beschluss vom 29. Juli 2020 trat der Verfassungsgerichtshof über nachträglichen Antrag die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
7 In der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Jänner 2020 erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht verletzt, für ihren Rekurs an den Obersten Gerichtshof keine Pauschalgebühr zu entrichten; weiters für den Fall, dass die Vorschreibung einer Pauschalgebühr für ihren Rekurs grundsätzlich rechtmäßig sei, in ihrem subjektiven Recht darauf verletzt, dass ihr diese mit der erstbeklagten Partei (anteilig oder solidarisch haftend) insgesamt nur einmal zur Zahlung vorgeschrieben werde.
8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen der gegen den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1 a zweiter Satz VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.
9 Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Fallgestaltung liegt nach seiner Judikatur auch dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft (ewta VwGH 29.4.2019, Ra 2019/16/0085, mwN).
10 An einer solchen Deutlichkeit lassen es die im Revisionsfall maßgebenden Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Z 1 GGG sowie des § 19a GGG nicht missen, zumal der Verwaltungsgerichtshof gerade in den nun von der Revision angezogenen Erkenntnissen vom 26. Februar 2015, 2013/16/0233, und vom 22. Dezember 2016, Ra 2016/16/0095, deren Bedeutung klarstellte und die Revision keinen der Fälle des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG, insbesondere eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von dieser, behauptet.
11 Soweit die Revision für ihre Zulässigkeit schließlich einer „verfassungskonformen Interpretation“ der Anmerkung 1 zu TP 3 GGG mit dem Ergebnis, dass Rekurse nach § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO nicht unter diese Anmerkung fielen, das Wort redet, läge ein solches Ergebnis außerhalb des möglichen Wortsinns, nämlich der expliziten Erfassung von Rekursen nach § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO an den Obersten Gerichtshof durch TP 3 GGG, und damit außerhalb der Grenzen zulässiger Interpretation.
12 Auch die unter dem Gesichtspunkt der „verfassungskonformen Interpretation“ wiederholten Argumente der Deutung des § 7 Abs. 1 Z 1 GGG sowie des § 19a GGG im Sinne eines Entfalls der Gebührenpflicht oder einer Vorschreibung der Pauschalgebühr gemeinsam mit dem Erstbeklagten finden eine hinreichende Antwort in den klaren gesetzlichen Regelungen sowie auch in der von der Revision ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
13 Schließlich füllt sich die von der Revision geortete Lücke in TP 3 GGG, wo nur ein „Revisionsinteresse“, nicht jedoch ein Rekursinteresse genannt ist, dadurch, dass Anm. 1 zu TP 3 GGG ausdrücklich die Pauschalgebühr nach lit. a leg. cit. auch für Verfahren über Rekurse nach § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO für maßgebend erklärt, sodass dem Begriff „Revisionsinteresse“, auf Rekurse nach § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO gewendet, die Bedeutung des Rechtsmittelinteresses zukommt.
14 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 7. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160145.L00Im RIS seit
15.12.2020Zuletzt aktualisiert am
26.01.2021