Index
E1PNorm
AVG §1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des J L in S, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Davisstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2019, W213 2110824-2/2E, betreffend Rückforderung von ausbezahltem Kilometergeld gemäß § 13a GehG (vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde: Personalamt Salzburg der Österreichischen Post AG, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Gauermanngasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Ab 19. August 2003 war er Mitglied und ab 4. Dezember 2006 Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses (VPA) S. Während der Ausübung der Vorsitzendenfunktion war er dauernd vom Dienst freigestellt.
2 Bezüglich des Verfahrensganges wird zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 2015, 2012/12/0011, verwiesen. Soweit für die vorliegende Entscheidung von Interesse sprach das Personalamt Salzburg der Österreichischen Post AG mit erstinstanzlichem Bescheid vom 15. Dezember 2009 aus, der Revisionswerber habe gemäß § 13a Gehaltsgesetz 1956 (GehG) die in der Zeit vom 4. Dezember 2006 bis 30. September 2007 zu Unrecht empfangene Leistung (Übergenuss) in der Höhe von € 6.010,74 (für 15.986 verrechnete Kilometer á € 0,376) der Österreichischen Post AG zu ersetzen.
3 Mit Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Post AG eingerichteten Personalamts vom 24. Jänner 2011 wurde dieser Abspruch bestätigt.
4 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, unstrittig sei, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Übergenuss in der Höhe von € 6.010,74 um die vom Revisionswerber aufgrund seiner eingereichten Reiserechnungen verrechneten Mehrkilometer handle. Diese resultierten daraus, dass der Revisionswerber als Ausgangspunkt der Reisebewegung mit seinem privaten PKW jeweils seinen Wohnort zugrunde gelegt habe. Im Weiteren wurde ausführlich begründet, weshalb diese Vorgangsweise nicht den in diesem Zeitraum geltenden zwingenden Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV) entsprochen habe, wonach als Ausgangspunkt der Reisebewegung die Dienststelle anzusehen sei, weshalb nach § 13a Abs. 3 GehG mit Bescheid die Pflicht des Revisionswerbers zum Ersatz festzustellen gewesen sei.
5 Die aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten seien im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer gestaltbar, sondern hätten sich aus dem Gesetz zu ergeben. Maßgebend für einen Anspruch sei daher nur, ob die im Gesetz enthaltenen Tatbestandserfordernisse erfüllt seien.
6 Da für Reisebewegungen zwischen dem Dienst(zuteilungs)ort und dem Wohnort ausdrücklich kein Anspruch auf Reisekostenvergütung vorgesehen sei, könne diesbezüglich auch keine rechtsgültige Vereinbarung getroffen werden.
7 Der Revisionswerber habe seine Vorgangsweise mit einer mündlichen Absprache Ende 2003 zwischen Dr. L (Leiter der Abteilung Personalrecht in der Unternehmenszentrale der Österreichischen Post AG) und F (Vorsitzender des Personalamts Salzburg) gerechtfertigt. Nach dieser Vereinbarung sei dem Revisionswerber an Tagen, an denen er Personalvertretertätigkeiten habe verrichten müssen, die Verrechnung der Fahrtkilometer von seinem Wohnort aus gestattet worden. Im Gegenzug dazu habe der Revisionswerber auf die Geltendmachung der Tagesgebühr und der Zuteilungsgebühr verzichtet. Diese Vereinbarung sei dem Revisionswerber von F und N (damaliger Vorsitzender des VPA Salzburg-Stadt) mündlich mitgeteilt worden.
8 Ausgehend vom Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, wonach das Dienstverhältnis durch das Gesetz bestimmt werde, und besoldungsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen Vorschriften (Gesetz, Verordnung) geltend gemacht werden könnten, sei jeder Bezugsbestandteil (im weiteren Sinn) einer gesetzlichen Grundlage zugeordnet. Dem widerspreche jedoch die vom Revisionswerber ins Auge gefasste Vermengung verschiedenartiger Bezugsbestandteile.
9 Die Frage des Sitzes des Organs VPA Salzburg-Stadt spiele im vorliegenden Verfahren keine Rolle, weil der Revisionswerber unstrittig Kilometergeld für Fahrten vom Wohnort zum Dienstort in W verrechnet habe.
10 Weiters wurde ausgeführt, weshalb die zur Auszahlung gebrachten Leistungen vom Revisionswerber nicht im guten Glauben empfangen worden seien.
11 Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem bereits eingangs zitierten Erkenntnis vom 1. Juli 2015, 2012/12/0011, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
12 Der Verwaltungsgerichtshof führte im Wesentlichen aus, vorweg sei hinsichtlich der Ausführungen im angefochtenen Bescheid zum Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses festzuhalten: Von dem Fall, dass sich ein Beamter zur Begründung eines dienst- oder besoldungsrechtlichen Anspruchs auf privatrechtliche Vereinbarungen oder Zusagen berufe, sei jener zu unterscheiden, wenn aufgrund einer (vermeintlichen) privatrechtlichen Vereinbarung Zahlungen an den Dienstnehmer geleistet und diese dann zurückgefordert würden.
13 Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass Voraussetzung für die Entstehung eines Ersatzanspruches des Bundes nach § 13a Abs. 1 GehG das Vorliegen einer zu Unrecht empfangenen Leistung (eines Übergenusses) und das Fehlen des guten Glaubens seien. Zu Unrecht empfangene Leistungen seien solche, für deren Empfangnahme kein gültiger Titel (Gesetz, Verordnung, Bescheid) vorhanden sei. Dies gelte jedoch nur dann, wenn die Leistung aufgrund eines (vermeintlichen) derartigen Titels erbracht worden sei. Ein Anspruch, den ein Beamter gegen seinen Dienstgeber geltend mache oder der von diesem gegen den Beamten geltend gemacht werde, falle somit nur dann in die Zuständigkeit der Dienstbehörde bzw. sei nur dann im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden, wenn er aus den für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Normen (Gesetz, Verordnung, Bescheid) abgeleitet werde (Hinweis auf VwGH 31.3.2006, 2005/12/0228; 5.9.2008, 2005/12/0068).
14 Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs sei im Beschwerdefall daher, ob die Zahlungen an den Revisionswerber aufgrund einer (vermeintlichen) privatrechtlichen Vereinbarung oder aufgrund einer (vermeintlich) für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Norm geleistet worden seien.
15 Das beim Vorstand der Österreichischen Post AG eingerichtete Personalamt führe im angefochtenen Bescheid aus, es sei zu prüfen, „ob die - im gegenständlichen Fall aus dem Titel der Reisegebührenvorschrift - zur Auszahlung gebrachten Leistungen tatsächlich gebührten“. Der Revisionswerber vertrete in der Beschwerde die Auffassung, die privatrechtliche Vereinbarung sei der Rechtsgrund für die Zahlungen gewesen.
16 Im angefochtenen Bescheid fehlten Feststellungen, die die Auffassung der belangten Behörde, die Zahlungen seien aus dem Titel der Reisegebührenvorschrift erfolgt, begründen könnten. Es hätten Feststellungen getroffen werden müssen, aufgrund derer beurteilt werden könne, auf welchem (vermeintlichen) Rechtsgrund die geleisteten Zahlungen gründeten.
17 Da infolge Verkennung der Rechtslage jene Feststellungen nicht getroffen worden seien, die für die Beurteilung notwendig gewesen wären, aufgrund welchen (vermeintlichen) Titels die Zahlungen geleistet worden seien, sei der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben gewesen.
18 Sollte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu dem Ergebnis gelangen, die Auszahlungen seien aufgrund einer (vermeintlich wirksamen) privatrechtlichen Vereinbarung erfolgt, so bliebe kein Raum für die Durchführung eines Verfahrens gemäß § 13a Abs. 1 GehG (Hinweis auf VwGH 5.9.2008, 2005/12/0068; 6.5.2013, 2013/12/0013; und 25.2.2004, 2001/12/0176).
19 Im fortgesetzten Verfahren hob das (nunmehr zuständige) Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2015 den Bescheid des Personalamts Salzburg vom 15. Dezember 2009 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Personalamt Salzburg zurück.
20 Nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde durch den Revisionswerber sprach das Personalamt Salzburg mit Bescheid vom 11. Februar 2019 aus, der Revisionswerber habe gemäß § 13a GehG die in der Zeit vom 4. Dezember 2006 bis 30. September 2007 zu Unrecht empfangene Leistung (Übergenuss) in der Höhe von € 6.010,74 (Reisegebühren für 15.986 verrechnete Kilometer à € 0,376) der Österreichischen Post AG zu ersetzen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Zweifel sei davon auszugehen, dass die Gespräche keinen eigenen (privatrechtlichen) Rechtsgrund bildeten, sondern zur Abklärung und Auslegung der hoheitlichen Rechtsgrundlage (RGV) gedient hätten. Rechtsgrundlage der geleisteten Zahlungen sei die RGV gewesen. Im Übrigen wäre eine getroffene zivilrechtliche Vereinbarung - wollte man eine solche unterstellen - nicht (mehr) maßgeblich: Die vom Personalamt Salzburg zurückgeforderten Leistungen hätten einen Zeitraum betroffen, in dem der Revisionswerber bereits gemäß § 67 Post-Betriebsverfassungsgesetz (PBVG) vom Dienst freigestellt gewesen sei. Dieser Sachverhalt sei aber mangels Willensübereinkunft jedenfalls seitens Herrn L keinesfalls vom Konsens einer allfälligen Vereinbarung erfasst gewesen. Gutgläubigkeit beim Empfang der Leistung sei beim Revisionswerber aus näher dargelegten Gründen nicht vorgelegen.
21 In der dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber seine Einvernahme als Partei sowie die Einvernahme mehrerer Zeugen zum Beweis von Tatsachen, die die Beurteilung zuließen, dass eine privatrechtliche Vereinbarung vorgelegen sei.
22 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 13a GehG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend ging es zusammengefasst im hier interessierenden Zusammenhang davon aus, die Auszahlung des zurückgeforderten Betrages sei aufgrund der vom Revisionswerber gemäß § 36 RGV gestellten Reiserechnungen nach den Verfahrensbestimmungen der RGV erfolgt. Dass die Auszahlung des zurückgeforderten Betrages de facto aufgrund der Bestimmungen der RGV nicht hätte erfolgen dürfen, ändere nichts daran, dass der (vermeintliche) Anspruch auf Auszahlung des Kilometergeldes für Wegstrecken ausgehend vom Wohnort des Revisionswerbers aus den für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Normen abgeleitet worden sei.
23 Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG habe das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich halte, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Fall habe das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden können, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine, weil der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch das Personalamt Salzburg festgestellt worden sei und dieser Sachverhaltsfeststellung in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten worden sei. Weder sei der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erscheine er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen seien in der Beschwerde nicht vorgetragen worden (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0308; 21.1.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0577, und 22.4.1999. 98/20/0389).
24 Die Fragen, ob die Zahlungen an den Revisionswerber aufgrund einer (vermeintlichen) privatrechtlichen Vereinbarung oder aufgrund einer (vermeintlichen) für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Norm geleistet worden seien und ob der Revisionswerber die Leistungen in gutem Glauben empfangen habe, seien Rechtsfragen, die aufgrund des von der Behörde ermittelten Sachverhalts hätten abschließend geklärt werden können.
25 Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber nicht gestellt, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von Amts wegen sei nicht erforderlich gewesen.
26 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahin abzuändern, dass den Anträgen vollinhaltlich stattgegeben werde; in eventu das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze aufzuheben.
27 Als Revisionspunkt macht der Revisionswerber geltend, er erachte sich „in seinem subjektiven Recht auf Feststellung, dass er gemäß einer zivilrechtlichen Individualvereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip in der Zeit vom 04.12.2006 bis 30.9.2007 zu Recht empfangene Leistungen in der Höhe von € 6010,74 (Reisegebühr für 25.986 verrechnete Kilometer € 0,376) der Österreichischen Post AG nicht zu ersetzen hat“, verletzt.
28 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision kostenpflichtig zurück-, in eventu abzuweisen.
29 Die Revisionsbeantwortung vertritt die Auffassung, der Revisionswerber habe den Revisionspunkt verfehlt, weil eine Verletzung in einem subjektiv-öffentlichen Recht auf Unterbleiben der Rückforderung von Leistungen aufgrund einer zivilrechtlichen Vereinbarung mangels Zuständigkeit der Dienstbehörde bzw. des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen sei.
30 Dem Revisionspunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG kommt bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist (vgl. zB VwGH 28.8.2019, Ra 2019/11/0111).
31 Die Revisionsbeantwortung bestreitet nicht, dass eine Rechtsverletzung des Revisionswerbers durch das angefochtene Erkenntnis in seinem Recht auf Unterbleiben der Rückforderung von empfangenen Leistungen möglich ist. Dieses Verständnis ist dem geltend gemachten Revisionspunkt bei vernünftiger Lesart auch beizumessen. Auch die Verletzung in einem Recht auf Feststellung des Unterbleibens der Rückforderung gemäß § 13a GehG ist vorliegendenfalls nicht denkunmöglich; sie hätte zu erfolgen, wenn sich herausstellte, dass die Leistung im Hinblick auf einen öffentlich-rechtlichen Titel erfolgte, der Revisionswerber aber gutgläubig gewesen ist. Die Begründung, weshalb sich der Revisionswerber in dem von ihm behaupteten Recht verletzt erachtet (hier: „ gemäß einer zivilrechtlichen Individualvereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip ... zu Recht empfangene“), hat bei der Frage, was als Revisionspunkt geltend gemacht wurde, außer Betracht zu bleiben, weil der Inhalt des geltend gemachten subjektiven Rechts davon unberührt bleibt. Im Revisionspunkt hat eine derartige Begründung nicht zu erfolgen, eine (allenfalls unrichtige) Begründung schadet aber auch nicht. Entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung ist eine Verletzung des Revisionswerbers in dem von ihm im Revisionspunkt genannten subjektiven öffentlichen Recht daher möglich.
32 Die Revision erweist sich schon aufgrund des in der Zulässigkeitsbegründung erstatteten Vorbringens, dass das Bundesverwaltungsgericht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen, als zulässig (ausgeführt in der Begründung der Revision auf S. 59). Sie ist auch berechtigt.
33 Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es sich um „civil rights“ oder um „strafrechtliche Anklagen“ im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0130, mwN).
34 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, soweit derartige Streitigkeiten (wie die vorliegende) durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 3. Oktober 2018 sowie VwGH 13.9.2017, Ro 2016/12/0024, mwN).
35 Im vorliegenden Verfahren war strittig, ob die Auszahlung von Kilometergeld vom Wohn- zum Dienstort durch die Dienstbehörde aufgrund einer (vermeintlichen) privatrechtlichen Vereinbarung oder aufgrund einer (vermeintlich) für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Norm geleistet wurde. In der Beschwerde wurde - anders als das Bundesverwaltungsgericht es darzustellen versucht - gerade bestritten, dass die Auszahlung aufgrund einer für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Norm erfolgt sei und zahlreiche Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die eine Beurteilung dahin zuließen, dass eine Leistung aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung erfolgt sei. Der rechtsfreundlich vertretene Revisionswerber hat zum Beweis dieser Tatsachen nicht nur Sachbeweise, sondern auch seine Vernehmung als Partei und die Vernehmung mehrerer Zeugen beantragt. Davon ausgehend lag ein Verzicht auf die Durchführung einer Verhandlung nicht vor (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/12/0023 sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 3. Oktober 2018, Ra 2017/12/0130). Auch die nach der Rechtsprechung des EGMR zulässigen Ausnahmen von der Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 EMRK für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen greifen hier nicht Platz.
36 Das Bundesverwaltungsgericht hätte somit nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
37 Das angefochtene Erkenntnis war daher ohne nähere Prüfung einer Relevanz des Verfahrensmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben (vgl. etwa VwGH 18.9.2015, Ra 2015/12/0012).
38 Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass bei Bejahung der Frage, ob auf Grundlage eines (vermeintlichen) öffentlich-rechtlichen Titels geleistet wurde und, bei Verneinung der Gutgläubigkeit des Revisionswerbers, ein Rückforderungsanspruch nach § 13a Abs. 1 GehG gemäß dem Wortlaut dieser Bestimmung und § 17 Abs. 1 zweiter Satz PTSG dem Bund und nicht der Österreichischen Post AG zustünde (vgl. auch VwGH 31.3.2006, 2005/12/0228 = VwSlg. 16891 A/2006). Gemäß § 17 Abs. 6 PTSG hat das Unternehmen, dem der Beamte zugewiesen ist, dem Bund den Aufwand der Aktivbezüge (darunter gemäß § 17 Abs. 6a Z 1 PTSG auch Aufwandsersätze aller Art) zu ersetzen. Auch daraus ergibt sich, dass Schuldner der Aktivbezüge der Beamten, die gemäß § 17 Abs. 1 PTSG der Österreichischen Post AG zugewiesen sind, der Bund ist, und dieser daher Ansprüche gemäß § 13a GehG geltend zu machen hat. An dem Rechtsverhältnis zwischen Bund und dem Revisionswerber ändert auch der Umstand nichts, wenn gemäß § 17 Abs. 8 Z 1 PTSG, BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003, die Österreichische Post AG die Höhe der Bezüge berechnete und diese zahlbar stellte. Im Rahmen der von der Dienstbehörde behandelten „Sache“ eines öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruches gemäß § 13a Abs. 1 GehG käme dem Verwaltungsgericht auch die funktionelle Zuständigkeit zu, den im dienstbehördlichen Bescheid allenfalls fälschlich genannten Anspruchsberechtigten (Österreichische Post AG) auf den gegebenenfalls tatsächlich Anspruchsberechtigten (Bund) richtigzustellen.
39 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der Aufwandersatz war dem Revisionswerber lediglich in dem in der zuletzt genannten Verordnung vorgesehenen Ausmaß zuzuerkennen. Die Umsatzsteuer ist im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten.
Wien, am 8. Oktober 2020
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Instanzenzug sachliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019120074.L00Im RIS seit
09.12.2020Zuletzt aktualisiert am
09.12.2020