TE OGH 2020/9/2 3Ob85/20a

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen (AZ 2 C 27/19k [führend] und AZ 2 C 39/19z je des Bezirksgerichts Klagenfurt) der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Georg Gorton und DDr. Birgit Gorton, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Christoph Reitmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, jeweils wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 31. März 2020, GZ 4 R 70/20s-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            Die Vorinstanzen wiesen die beiden gegen die Unterhaltsexekutionen der Beklagten gerichteten Oppositionsklagen des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für ein Abgehen vom im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Ausschluss der Umstandsklausel lägen im konkreten Einzelfall nicht vor.

[2]            Die außerordentliche Revision des Klägers wirft keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf, weshalb sie als unzulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

[3]            1. Die gerügten Mängel des Berufungsverfahrens (zu den Feststellungen über eine Belehrung des Klägers vor Vergleichsabschluss) wurden geprüft; sie sind schon wegen fehlender Relevanz zu verneinen.

[4]            2. Selbst wenn man nämlich zugunsten des Klägers – wie von ihm gefordert – davon ausginge, dass die vereinbarte Ausnahme vom des Ausschluss der Umstandsklausel (Punkt 1.4 des Vergleichs) auch eine Einkommensminderung wegen des Pensionsantritts des Klägers erfasst und der genannte Vergleichspunkt nichts anderes als die Vereinbarung der Anwendung der Kriterien der Judikatur zur Sittenwidrigkeit des Beharrens auf dem Ausschluss der Umstandsklausel (vgl RIS-Justiz RS0016554) darstellt (sodass es auf das Unterlassen des Einwands der Sittenwidrigkeit durch den Kläger in erster Instanz nicht ankommt; vgl RS0016451 [T3]), wird keine unvertretbare Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufgezeigt.

[5]            2. Sittenwidrigkeit des Beharrens des Unterhaltsberechtigten auf dem Ausschluss der Umstandsklausel wird nach der Judikatur insbesondere dann verwirklicht, wenn ohne Berücksichtigung der veränderten Umstände die Existenz des Verpflichteten oder der Unterhalt Dritter gefährdet wäre oder ein krasses Missverhältnis zwischen Unterhaltsleistung und Einkommensrest bestünde (RS0016555 [T6]; RS0016554; RS0018900 [T9]). Der Umstand allein, dass jemand mehr Unterhalt zahlen muss, als ihm selbst verbleibt, begründet noch kein „krasses Missverhältnis“ (3 Ob 136/16w). Um zu verhindern, dass der an sich zulässige Ausschluss der Umstandsklausel im Nachhinein ohne zwingenden Grund aufgehoben wird, ist ein strenger Maßstab anzulegen (RS0016554 [T2]). Im Allgemeinen wird dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage nicht entzogen, wenn ihm zumindest noch Einkünfte in der Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verbleiben (RS0016554 [T4]; Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 1530; Schwimann/Kolmasch Unterhaltsrecht9 300). Es ist eine Gesamtschau vorzunehmen und zB der Erhalt einer hohen Abfertigung zu berücksichtigen (3 Ob 138/12h). Die Lösung der Frage, ob das Verhalten des Unterhaltsberechtigten Sittenwidrigkeit verwirklicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und verwirklicht deshalb grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (RS0016554 [T10]). Anders wäre es nur, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0016554 [T14]), was hier nicht der Fall ist.

[6]            3. Die Revision argumentiert im Sinn der zitierten Judikatur mehrfach mit dem Richtsatz für die Ausgleichszulage; dem Kläger müssten zumindest noch Einkünfte in der Höhe von 714,49 EUR monatlich verbleiben, während ihm tatsächlich nur 598,18 EUR monatlich verbleiben würden. Nicht nur, dass die Judikatur im Richtsatz für die Ausgleichszulage keine starre Grenze erblickt (arg „im Allgemeinen“), übersieht der Kläger Folgendes:

[7]            4. Gerade im Oppositionsverfahren sind an die Behauptungspflicht und Beweispflicht des Klägers hohe Anforderungen zu stellen (RS0048064 [T2]). Dennoch hielt der Kläger den konkreten Behauptungen der Beklagten, er erfahre einen „Zugewinn“, weil er an den Gewinnen seines früheren Unternehmens partizipiere, weshalb er seine Alterspension gar nicht zur Bedarfsdeckung benötige, und er habe einen Gewinn aus der Veräußerung seines Unternehmens an seine Lebensgefährtin erzielt, weshalb unter Einschluss dessen die Annahme eines krassen Missverhältnisses zwischen zu leistendem Unterhalt und bezogenem Einkommen unbegründet sei (ON 3), nur eine allgemeine Bestreitung entgegen (ON 6: „Klagevertreterin bestreitet“). Bloßes unsubstantiiertes Bestreiten ist aber als Geständnis anzusehen, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung – wie hier – offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wird (RS0039927). Angaben im Rahmen der Parteienvernehmung können entsprechendes Vorbringen nicht ersetzen (RS0038037 [T26]).

[8]            5. Unter Berücksichtigung der somit als zugestanden anzusehenden Zuwendungen und der in der Revision nicht mehr bestrittenen (gemeint: kostenlosen) Wohnversorgung des Klägers stellt aber die Verneinung der Existenzgefährdung bei der vom Kläger monierten Differenz zum Richtsatz für die Ausgleichszulage von nur ca 116 EUR monatlich angesichts der gebotenen Gesamtschau keine unvertretbare Fehlbeurteilung dar.

[9]       6. Fragen der Anspannung des Klägers kommt somit keine Relevanz zu.

Textnummer

E129477

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00085.20A.0902.000

Im RIS seit

30.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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