Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin O*****, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwalt in Graz, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin C*****, vertreten durch Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 22. April 2020, GZ 4 R 52/20a-289, mit dem der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Fürstenfeld vom 5. Februar 2020, GZ 19 S 40/16b-272, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Einschreiterin und der Masseverwalter haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der am 16. 2. 2014 verstorbene H***** ist (noch) als Alleineigentümer einer Liegenschaft im Grundbuch eingetragen. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 10. 3. 2016 wurde seine Verlassenschaft seiner Tochter und der Schuldnerin als Erbschaftskäuferin mit der Wirkung eingeantwortet, dass beide zur Hälfte Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen wurden. Die Einverleibung ist unterblieben.
Im Lastenblatt der Grundbuchseinlage der Liegenschaft ist ein Wiederkaufsrecht zugunsten der Einschreiterin einverleibt. Mit Schreiben vom 25. 9. 2019 ersuchte der Insolvenzverwalter die Einschreiterin um Bekanntgabe, ob sie von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch machen wolle und – für diesen Fall – um Übermittlung eines Kaufanbots bis 1. 10. 2019, da ein Verkauf der Liegenschaft beabsichtigt sei. Die Einschreiterin antwortete mit Schreiben vom 14. 10. 2019, in dem sie auf ein „30 Jahre gültiges“ Urteil des Bezirksgerichts verwies, aufgrund dessen zu ihren Gunsten ein Wiederkaufsrecht an der Liegenschaft gegen Zahlung eines Wiederkaufspreises bestehe. Der Insolvenzverwalter entgegnete darauf mit Schreiben vom 23. 10. 2019: „Für den Fall, dass Sie durch das Schreiben zum Ausdruck bringen, Ihr Wiederkaufsrecht ausüben zu wollen, erkläre ich aus advokatorischer Vorsicht in die zwischen der Schuldnerin und Ihnen bestehende Vereinbarung gemäß § 21 IO nicht einzutreten.“
Am 4. 11. 2019 schloss der Insolvenzverwalter mit G***** einen Kaufvertrag über die Liegenschaftsanteile. Mit Schriftsatz vom 30. 1. 2020 beantragte der Insolvenzverwalter beim Erstgericht die konkursbehördliche Genehmigung dieses Kaufvertrags.
Mit Beschluss vom 5. 2. 2020 (ON 272) genehmigte das Erstgericht den Kaufvertrag. Weiters bestätigte es, dass der Insolvenzverwalter berechtigt gewesen sei, den Kaufvertrag namens der Schuldnerin rechtsgültig zu unterfertigen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Einschreiterin gegen diesen Beschluss zurück. Der Klägerin komme weder als Wiederkaufsberechtigte noch als Wiederkäuferin ein Rekursrecht zu. Im Übrigen habe sie nach ihrem Vorbringen das Wiederkaufsrecht bereits 1992 ausgeübt, damit sei es aber durch Ausübung erloschen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt. Den Revisionsrekurs ließ es zu, da es keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage gebe, ob einem Wiederkaufsberechtigten ein Rekursrecht gegen einen Beschluss des Insolvenzgerichts zustehe, mit dem die freihändige Veräußerung der mit seinem Wiederkaufsrecht belasteten Liegenschaft genehmigt werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Einschreiterin mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und auszusprechen, dass die Einschreiterin die Liegenschaft zu den im Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz enthaltenen Bedingungen abzüglich ihrer Kosten in diesem Verfahren erwerben kann. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Insolvenzverwalter beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Die Einschreiterin macht geltend, dass sich „durch die angefochtene Entscheidung und die damit verbundene Löschung des Wiederkaufrechts“ ein direktes Rechtsschutzinteresse ergebe. Sie habe eine vertraglich gesicherte Rechtsposition erworben. Der Masseverwalter trete bewusst nicht in einen Vertrag ein. Es wäre dahin zu entscheiden, dass der Masseverwalter das Grundstück zu den im Urteil zu AZ 2 C 2619/91b genannten Bedingung an sie hätte verkaufen müssen.
Rechtliche Beurteilung
1. Im Insolvenzverfahren ist grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der in seinem Recht verletzt wird; ein bloßes wirtschaftliches Interesse genügt nicht (RIS-Justiz RS0065135).
Beim Genehmigungsbeschluss nach § 117 IO sind das nach herrschender Ansicht der Insolvenzverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Schuldner (Jelinek in KLS § 117 Rz 63 mwN).
2. Das wird damit begründet, dass jemand, der nicht zur Wahrung der rechtlichen Interessen aller Insolvenzgläubiger oder des Schuldners berufen ist, durch die insolvenzgerichtliche Genehmigung eines zwischen dem Insolvenzverwalter und einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags nur in seinen wirtschaftlichen Interessen berührt werden kann (RS0065135 [T8]; 8 Ob 39/15s). Der einzelne Insolvenzgläubiger hat kein Individualmitwirkungsrecht und daher auch keine Rechtsmittelbefugnis im Verwertungsverfahren (RS0102114). Ebenfalls kein Rekursrecht haben Vertragspartner des Schuldners oder Freihandkäufer (vgl Jelinek in KLS § 117 Rz 65 mwN).
3.1. Unter einem Wiederkaufsrecht
(§§ 1068–1070 ABGB) versteht man das dem Verkäufer eingeräumte Recht, die verkaufte Sache zu einem bestimmten Preis wieder zurückzukaufen. Die Ausübung des Wiederkaufsrechts als Gestaltungsrecht führt dazu, dass mit der Abgabe der Erklärung unmittelbar der obligatorische Anspruch auf Eigentums- und Besitzrückübertragung entsteht. Der Wiederkaufsberechtigte erwirbt damit nicht bereits (wiederum) das Eigentum an der Liegenschaft. Durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts ändert sich nicht die sachenrechtliche Lage (RS0020771 [T1]).
3.2. Das Wiederkaufsrecht kann auch im Grundbuch eingetragen werden mit der Wirkung, dass die Sache „auch einem Dritten abgefordert werden kann“. Es wird durch die Verbücherung ein absolutes, jedoch kein dingliches Recht. Das verbücherte Wiederkaufsrecht erschöpft sich in der absolut wirkenden Absicherung des Rückkaufanspruchs gegen Dritte, deren Rechtserwerb es aber nicht hindert (5 Ob 58/17s; 1 Ob 544/87). Das Wiederkaufsrecht beinhaltet weder ein Belastungs- noch ein Veräußerungsverbot (5 Ob 58/17s; 1 Ob 544/87). Die Einverleibung des Wiederkaufsrechts begründet auch keinen Rang für den Eigentumserwerb (5 Ob 58/17s).
4. Die Einschreiterin bestreitet in ihrem Rechtsmittel nicht, dass sie – wie vom Rekursgericht – ausgeführt, ihr Wiederkaufsrecht bereits vor Insolvenzeröffnung ausgeübt hat. Damit entstand aber, wie bereits dargelegt, unabhängig von der Verbücherung des Wiederkaufsrechts nur ein obligatorischer Anspruch auf Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft (8 Ob 61/08s auch dazu, dass kein Aussonderungsanspruch besteht). Weder die Prüfung der inhaltlichen Berechtigung dieses Anspruchs noch die Zulässigkeit des vom Insolvenzverwalters erklärten Rücktritts nach § 21 IO (2 Ob 278/97i) sind aber im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 117 IO zu klären.
Die aus der Ausübung des Wiederkaufsrechts resultierenden schuldrechtlichen Ansprüche der Einschreiterin begründen daher auch kein rechtliches Interesse im Rekursverfahren über die Genehmigung nach § 117 IO.
Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht somit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
5. Der Rekurs war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
Ein Kostenersatzanspruch besteht im Insolvenzverfahren nicht (§ 254 Abs 1 Z 1 IO). Die Parteien haben daher die Kosten des Rechtsmittelverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Textnummer
E129473European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00052.20K.0928.000Im RIS seit
30.10.2020Zuletzt aktualisiert am
30.10.2020