Entscheidungsdatum
30.09.2020Index
90/02 FührerscheingesetzNorm
FSG 1997 §1 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des AA, geb ***, wohnhaft in Z., Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.01.2020, Zl ***, betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem FSG und dem KFG, aufgrund durchgeführter Beschwerdeverhandlug
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und werden die Verwaltungsstrafverfahren nach dem FSG und dem KFG gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde folgende Verwaltungsübertretungen angelastet:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Tatzeit: 03.01.2019 um 19.30 Uhr
Tatort: Gemeinde X, Adresse 1
Fahrzeug(e): PKW ***
1. Sie haben das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl Sie nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, waren, da Ihnen diese mit Bescheid entzogen wurde. Bezirkshauptmannschaft Y, Bescheid vom 14.11.2016 , GZ.: ***
2. Sie haben als Zulassungsbesitzerin des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von AA gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass beim PKW der vordere rechte Fahrtrichtungsanzeiger nicht funktionierte.
3. Sie haben sich als Lenkerin, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass am PKW keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war. Die Gültigkeit der Plakette *** mit der Lochung 05/18 war abgelaufen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1. § 37 Abs 1 FSG iVm § 1 Abs 3 FSG
2. § 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm § 19 Abs 1 KFG
3. § 102 Abs 1 iVm § 36 lit e u § 57a Abs 5 KFG
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Euro falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. 2180,00 42 Tage 28 Tagen § 37 Abs 1 FSG iVm § 1
Abs 3 FSG
2. 50,00 10 Stunden §134 Abs 1 KFG
3. 100,00 20 Stunden §134 Abs 1 KFG
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
• für je ein Tag Freiheitsstrafe wird € 100,00 angerechnet, das sind in der Summe € 2.800,00
€ 280,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % des Tagessatzes
• € 238,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher:
€ 2.848,00“
In der rechtzeitig dagegen eingebrachten Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Die vom Beschwerdeführer beantragte Verhandlung wurde am 28.09.2020 durchgeführt. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerdeverhandlung nicht erschienen. Der die Polizeikontrolle leitende Polizeibeamte der Polizeiinspektion W Herr GI BB, gab in der Beschwerdeverhandlung als Zeuge befragt zum Sachverhalt Folgendes an:
„Ich habe mir zur Vorbereitung auf die heutige Verhandlung die von meiner Kollegin CC erstattete Anzeige und ihre Stellungnahme durchgelesen. Ich kann mich an den Vorfall noch etwas erinnern. Ich war damals Kommandant der Patrouille. Wir sind mit einem Dienstfahrzeug zu dritt Patrouille gefahren. Wir fuhren im Schritttempo im dortigen Gewerbegebiet von X. Ich sah dann das parkende Auto, das der Beschwerdeführer immer verwendet. Mir ist das Auto von früheren Kontrollen her bekannt. Das Auto des Beschwerdeführers kennt fast jeder Beamte der Polizeiinspektion wegen des häufigen Einschreitens gegen den Beschwerdeführer. Das Auto stand am Parkplatz mit laufendem Motor. Da ich das Auto gekannt habe, forderte ich meine Kollegen auf stehenzubleiben, um eine Kontrolle durchzuführen. Der Beschwerdeführer saß im Auto, er hatte das Handy in der Hand und war mit dem Handy beschäftigt. Er hat sich vielleicht etwas angesehen. Er hat uns sofort wahrgenommen. Wir haben dann die Kontrolle durchgeführt. Ein Fahren oder Lenken haben wir nicht festgestellt. Die Angaben in der Anzeige meiner Kollegin entsprechen voll dem festgestellten Sachverhalt. Es war so, wie sie es beschrieben hat. Auch die Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 16.04.2019 entsprechen dem festgestellten Sachverhalt. Ein Lenken konnte nicht festgestellt werden. Er hat aber auch nicht gesagt, dass das Auto von seiner Frau dorthin gefahren wurde und er hat auch nicht gesagt, dass seine Frau im Hotel DD in der Nähe arbeiten würde. Dass er das Auto nicht gefahren habe, hat er bei der Kontrolle so angegeben. Also ein Lenken wurde nicht eingestanden. Der Beschwerdeführer ist nach Abnahme der Schlüssel sicherlich beim Auto verblieben und hat sich ins Auto gesetzt und vermutlich auf seine Frau gewartet. Das Auto versperrt bzw den Beschwerdeführer ausgesperrt haben wir sicher nicht. Ich möchte noch festhalten, dass der Beschwerdeführer selbst nicht Zulassungsbesitzer des PKWs war. Zulassungsbesitzerin war immer die Ehefrau des Beschwerdeführers.“
Zu Spruchpunkt 1.:
Der Beschwerdeführer hat bei der Polizeikontrolle am 03.01.2019, bei der Beschuldigtenvernehmung am 04.04.2019 bei der belangten Behörde und in der Beschwerdeschrift jeweils bestritten, dass er das verfahrensgegenständliche Auto gefahren habe. Weder aus der Anzeige vom 04.01.2019 noch aus der ergänzenden Stellungnahme vom 16.04.2019 noch aus der Zeugenaussage des den Polizeieinsatz leitenden Polizeibeamten vom 28.09.2020 ergibt sich ein Fahren oder Lenken des Beschwerdeführers zur angegebenen Tatzeit am angegebenen Tatort. Ein Lenken oder Fahren zur angelasteten Tatzeit am angelasteten Tatort konnte daher weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol nachgewiesen werden. Es war daher der Beschwerde stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren nach dem FSG einzustellen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer für das Inbetriebnehmen des angeführten Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand rechtskräftig nach der StVO bestraft wurde (siehe Erkenntnis des LVwG Tirol vom 17.01.2020, Zahl LVwG-2019/13/1016-8).
Zu Spruchpunkt 2.:
Dem Beschwerdeführer wurde eine Verwaltungsübertretung als Zulassungsbesitzer angelastet, obwohl nicht der Beschwerdeführer, sondern dessen Ehefrau die Zulassungsbesitzerin ist. Auch konnte ein Lenken (Fahren) des Beschwerdeführers zur angegebenen Tatzeit am angegebenen Tatort – wie unter Spruchpunkt 1. bereits ausgeführt – nicht nachgewiesen werden.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren nach dem KFG einzustellen.
Zu Spruchpunkt 3.:
Die angelastete Verpflichtung, sich vor Antritt der Fahrt zu überzeugen, dass eine gültige Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht ist, lag ebenfalls nicht vor, da eine Fahrt oder ein Lenken zur angegebenen Tatzeit am angegebenen Tatort – wie bereits unter Spruchpunkt 1. näher ausgeführt – vom Beschwerdeführer stets bestritten und auch im durchgeführten Verfahren nicht nachgewiesen werden konnte. Es war daher auch zu Spruchpunkt 3. der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach dem KFG einzustellen.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dr. Rieser
(Richter)
Schlagworte
Verwaltungsübertretung nicht nachweisbar;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.30.0456.10Zuletzt aktualisiert am
23.10.2020