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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des SMN in Wien, geboren 1968, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1995, Zl. 110.617/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 30. August 1994 im Weg über die österreichische Botschaft in Preßburg die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. In diesem Antrag gab er als derzeitigen Wohnsitz eine Adresse in Wien und als Aufenthaltszweck ein Asylverfahren sowohl vor dem Verwaltungsgerichtshof als auch vor dem Verfassungsgerichtshof an. Der Antrag trägt den - offenbar amtlichen - Vermerk, "ist in Ö" und "durch Nachbar abgegeben".
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. September 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus abgewiesen und dazu begründend ausgeführt, daß das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus durch die Einbringung des Antrages durch eine dritte Person bei einer österreichischen Botschaft nicht erfüllt werde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an einer näher bezeichneten Adresse in Wien zugestellt und von diesem am 4. Oktober 1994 persönlich übernommen.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung wird der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland nicht bestritten. Der Beschwerdeführer bringt vor, durch die von ihm gewählte Vorgangsweise sei dem § 6 Abs. 2 AufG entsprochen worden; der Bescheid habe seine durch Art. 8 MRK gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Ebenso weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß er "nirgendwo anders Aufenthaltsrecht genieße", und auch in seine Heimat Afghanistan nicht zurück könne. Eine Berechtigung zur ausnahmsweisen Inlandsantragstellung wurde vom Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht vorgebracht.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 13 Abs. 1 und 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz abgewiesen worden sei. Somit habe der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes über keinerlei Aufenthaltsberechtigung verfügt. Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sei daher vom Ausland aus zu stellen gewesen. Der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz im Inland unterzeichnet und durch einen Vertreter bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingereicht. Als Ort der Antragstellung habe der Beschwerdeführer Wien angegeben und dies durch seine Unterschrift beurkundet. Das gesetzliche Erfordernis der Antragstellung vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus sei dadurch nicht erfüllt. Da aufgrund der Aktenlage keinerlei private und familiäre Beziehungen zur Republik Österreich bestünden, sei eine Abwägung im Sinne des Art. 8 MRK entbehrlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (6. November 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage in der Fassung der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 6 Abs. 2 AufG lautet in dieser Fassung:
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; ... schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. ..."
Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen zu überprüfen, ob die Ausnahmebestimmung gemäß § 3 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, Platz greife. Die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz bedeute nämlich nicht, daß auch eine Aufenthaltsberechtigung nach "allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes" nicht gegeben sei.
§ 3 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 lautet:
"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
2. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 Aufenthaltsgesetz aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind oder waren,
..."
Der Beschwerdeführer hätte aufgrund der zitierten Bestimmung ein Recht auf Antragstellung vom Inland aus gehabt, wenn er aufgrund einer allgemein anerkannten Regel des Völkerrechtes im Inland im Zeitpunkt der Antragstellung aufenthaltsberechtigt gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer reiste am 7. Februar 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 12. Februar 1993 einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Juli 1994 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer sowohl an den Verwaltungsgerichtshof als auch an den Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis vom 16. März 1995, B 1531/94-13, wurde der Bescheid, mit welchem der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Der Ersatzbescheid des Bundesministers für Inneres, mit dem die Berufung (neuerlich) abgewiesen wurde, wurde am 16. April 1997 erlassen.
Die Beschwerdeausführungen beziehen sich auf den Zeitpunkt der Antragstellung (30. August 1994), in dem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen war und berufen sich - erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - auf § 3 Z. 2 der obgenannten Verordnung und die darin ausnahmsweise normierte Möglichkeit der Inlandsantragstellung. Der Beschwerdeführer unterläßt es jedoch, darzulegen, welchen Tatbestand er in seiner Person als verwirklicht ansieht, auf Grund dessen er nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts ein "Aufenthaltsrecht gem. § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG" genieße. Zur Darlegung eines entsprechenden Aufenthaltsrechtes gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG (und damit der Möglichkeit der Inlandsantragstellung gemäß § 3 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995) sind die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde - wonach es die belangte Behörde unterlassen habe zu prüfen, "ob diese Ausnahmebestimmung Platz greift", da die Abweisung des Asylantrages nicht bedeute, "daß damit eine Aufenthaltsberechtigung nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes nicht gegeben sei" - daher nicht geeignet.
Die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer verfüge im Zeitpunkt der Bescheiderlassung über kein Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 1991, erweist sich angesichts der Aufhebung des (ersten) Bescheides des Bundesministers für Inneres durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. März 1995 als unzutreffend. Für den Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung somit gemäß § 7 Abs. 1 und 3 AsylG 1991 in Österreich aufenthaltsberechtigt war, ist daraus aber nichts gewonnen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind auf Fremde, welche sich in Österreich aufgrund eines Asylverfahrens rechtmäßig aufhalten, jedenfalls die Bestimmungen des § 1 Abs. 3 Z. 6, § 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 AufG anwendbar. Dies bedeutet, daß Fremden, die in Österreich einen Asylantrag stellen, auf Grund der Regelung des § 13 Abs. 2 AufG kein Recht auf Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz im Inland zukommt. Der Gesetzgeber normierte in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG lediglich für den Fall des Verlustes eines bereits zuerkannten Asyls die ausnahmsweise zulässige Antragstellung im Inland. Im Hinblick auf den aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erkennbaren Zweck der Norm ("... daß damit insbesondere die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung eines Asylantrages verhindert werden sollte ...") gibt der Gesetzgeber unmißverständlich zu erkennen, daß die öffentlichen Interessen im Falle abgewiesener (zurückgewiesener) Asylwerber für die Anwendung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG jedenfalls überwiegen (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738). Selbst wenn dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 AsylG zukommt, findet § 13 Abs. 1 AufG aus dem Grunde des Abs. 2 auf den Beschwerdeführer als einen gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufenthaltsberechtigten Fremden keine Anwendung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1997, Zl. 96/19/0219, vom 13. Juni 1997, Zl. 97/19/0855, u.a.).
Der Antragsteller hatte daher den Antrag vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde, die belangte Behörde habe übersehen, daß infolge fehlender Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers eine dritte Person den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer ausgefüllt habe. Der Beschwerdeführer selbst habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland aufgehalten und lediglich der Verfasser des dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Antrages habe sich in Wien befunden. Bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften (betreffend das Ermittlungsverfahren) durch die belangte Behörde wäre diese zum Ergebnis gekommen, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden hätte.
Damit macht der Beschwerdeführer den angeblichen Auslandsaufenthalt erstmals in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend. Er hätte dies aber bereits in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid (der sich ebenfalls auf § 6 Abs. 2 AufG stützte) gerichteten Berufung vorbringen und - etwa durch Vorlage einer Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers, aus welcher eine Ausreise ersichtlich wäre - entsprechend belegen können, sodaß sein diesbezügliches Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt. Die belangte Behörde hatte im übrigen schon aufgrund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer auf dem Antragsformular als derzeitigen Wohnsitz eine Wiener Adresse im 14. Gemeindebezirk angab und diese auch in seiner Berufung als Adresse nannte, ausreichend Gründe für die Annahme, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag im Inland gestellt und die Entscheidung über seinen Antrag im Inland abgewartet.
Da das in § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), erfolgte die Abweisung des entgegen § 6 Abs. 2 AufG gestellten Antrages zu Recht.
Insoweit der Beschwerdeführer auf seine in Österreich begründeten persönlichen Interessen verweist, ist ihm zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 bereits auf die privaten (und familiären) Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738). Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:
Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, sowohl abgewiesene Asylwerber (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396) als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines gedachten durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung persönlicher Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593).
Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wird, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192084.X00Im RIS seit
11.07.2001