TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/9 LVwG-2020/33/1609-1, LVwG-2020/33/1610-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.10.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71
AVG §32 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerden des Herrn AA, Adresse 1, Z, gegen

1. den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.06.2020, Zl  ***, betreffend die Nichtbewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sowie

2. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.06.2020, Zl ***, betreffend die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung vom 20.02.2020,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.06.2020 betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.06.2020 wird als unbegründet abgewiesen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.02.2020, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung der Eisenbahnkreuzungsverordnung vorgeworfen und wurde über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Gelstrafe in Höhe von Euro 120,00 verhängt.

Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 25.02.2020 zugestellt.

Mit E-Mail vom 13.05.2020 hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt sowie gleichzeitig Einspruch gegen die Strafverfügung vom 20.02.2020 erhoben. Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er mit E-Mail vom 08.03.2020 aufgefordert wurde, sich vierzehn Tage in Heimquarantäne zu begeben und diese am 22.03.2020 geendet hätte. Aufgrund der Heimquarantäne sei es ihm nicht möglich gewesen rechtzeitig den Einspruch einzubringen, da seine Arbeitsunterlagen ebenso wie die Strafverfügung an seinem Arbeitsplatz an der Universität Z bzw an seiner Büroadresse Adresse 2 gelegen seien. Das Hindernis sei mit Ablauf des 22.03.2020 weggefallen und hätte er folglich zwei Wochen Zeit den Antrag auf Wiedereinsetzung einzubringen und die versäumte Handlung nachzuholen. Aufgrund des zweiten bzw vierten COVID-19-Gesetzes war die Frist bis zum 30.04.2020 unterbrochen und habe die Frist zur Einbringung des Antrages auf Wiedereinsetzung somit am 15.05.2020 geendet.

Gleichzeitig wurde Einspruch erhoben und führte der Beschwerdeführer aus: „In offener Frist erhebe ich Einspruch gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.02.2020, zu ***.“

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.06.2020 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz nicht bewilligt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass ein Zuwarten auf den letzten Tag der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels und dann dieses durch ein angebliches Hindernis daran verhindert gewesen zu sein, stelle keinen ausreichenden Grund für eine Wiedereinsetzung den vorigen Stand dar. Aufgrund der Heimquarantäne sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, rechtzeitig Einspruch einzubringen, da seine Arbeitsunterlagen an seinem Arbeitsplatz an der Universität Z bzw an seiner Büroadresse Adresse 2 gelegen seien. Diese Verantwortung erscheine unglaubwürdig und stelle eine vollkommen ungeeignete Rechtfertigung dar.

Mit Bescheid vom 23.06.2020, Zl ***, wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung vom 20.02.2020 als verspätet zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass ein Einspruch binnen zwei Wochen nach Zustellung erhoben werden müsse. Der Einspruch könne auch mündlich erhoben werden.

Die Strafverfügung sei am 25.02.2020 persönlich übernommen worden und habe die zweiwöchige Einspruchsfrist am 10.03.2020 geendet. Trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung sei der Einspruch erst am 13.05.2020 eingebracht worden. Es folgen sodann Ausführungen, die bereits im Bescheid betreffend die Nichtbewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt worden sind. Da keine Gründe für die Wiedereinsetzung vorgelegen seien, war der Einspruch als verspätet zurückzuweisen.

Dagegen hat der AA fristgerecht Beschwerde erhoben und zwar gegen die Nichtbewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung sowie die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung. Darin hat der Beschwerdeführer wie folgt ausgeführt:

„Zuerst wird im Anhang die Bestätigung hinsichtlich Quarantäne angehängt, es wäre der Behörde jedoch ein Leichtes gewesen, diese auch direkt durch das Gesundheitsamt der Stadt Z bestätigt erhalten zu bekommen.

Weiters wird der - abstrusen - Ansicht der Behörde entgegengetreten, dass ja ein Großteil der Rechtsmittelfrist VOR DEM UNVORHERSEHBAREN EREIGNIS lag und somit ausreichend Zeit für die Einbringung des Einspruches bis zum UNVORHERSEHBAREN EREIGNIS vorhanden war.

In einfachen Worten: Der Beschwerdeführer hätte in Kenntnis, dass jederzeit ein UNVORHERSEHBARES Ereignis stattfinden kann, nicht die bis zum UNVORHERSEHBAREN Ereignis vertriebene Rechtsmittelfrist verstreichen lassen sollen, sondern gefälligst bereits am ersten Tag und nicht erst am drittvorletzten Tag einer Frist ein Rechtsmittel einbringen sollen.

Es dürfte wohl offensichtlich sein, dass eine derartige Rechtsansicht ja gerade den Zweck der entsprechenden Norm konterkariert.

§71 des AVG 1991 lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.

die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.

die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen."

Folglich ist zuerst zu prüfen ob eine Frist versäumt wurde. Die Behörde bestätigt selbst, dass die Rechtsmittelfrist mit 10.03.2020 abgelaufen sei. Ebenso wurde der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig eingebracht und glaubhaft gemacht (bzw. bewiesen), dass ein unvorhersehbares Ereignis (Quarantäne) eingetreten ist.

Auch die Behauptung, der Beschuldigte müsse sich entscheiden, wo dieses Schriftstück auflag wurde getroffen. So lag das Schriftstück selbst am Arbeitsort seiner unselbstständigen Tätigkeit an der Universität Z auf, welcher aufgrund meiner Quarantäne daher nicht aufgesucht werden konnte. Weiters lag das für die Abschätzung der Aussichten des Erfolges des Einspruch dienliche Schriftstück des Vorverfahrens – da dieses gegen meine Frau gerichtet war - im Büro meiner selbstständig tätigen Frau am Adresse 2 auf. Darin enthalten waren insbesondere die im Rahmen der von meiner Frau beantragten Einsicht angefertigten

Kopien der automatischen Kamera, die zeigen - wie nach Einsicht in dieses Schriftstück zweifellos erkenn bar, dass die vorgeworfene Übertretung nicht stattgefunden haben kann. Folglich war für die Entscheidung sowohl das Schriftstück zu *** (eigenes Verfahren) sowie *** (Vorverfahren mit den relevanten Akteninhalten aus der Einsichtnahme meiner Frau) erforderlich. Da sich aber beide Schriftstücke an Orten befanden, die ich aufgrund meiner Quarantäne nicht erreichen konnte, war auch eine entsprechende Handlung (Einspruch unter Angabe der Strafverfügung, Datum, Geschäftszahl, etc.) nicht möglich. Informativ wird darüber hinaus mitgeteilt, dass aufgrund

der damaligen Empfehlung der Landessanitätsdirektion auch meine Frau in freiwillige Quarantäne begeben hat.

Überdies führe ich meinen Fristenkalender eben entsprechend der Unterlagen dort, wo sich diese Unterlagen befinden. Erst durch Einsicht in den Fristenkalender am 09.03.2020 wäre ich über die am 10.03.2020 ablaufende Frist erinnert worden und hätte dann fristgerecht am 09.03. oder 10.03. den Einspruch unter Angabe aller erforderlichen Inhalte machen können.

Aus diesem Grund habe ich ja ein Büro und ich bezweifle dass der Sachbearbeiter des gegenständlichen Bescheides seine zu bearbeitenden Bescheidunterlagen bei sich zu Hause aufbewahrt und ebenfalls zu Hauses den Fristenkalender führt. Aufgrund meiner Tätigkeit erhalte ich im Jahresverlaufdurchschnittlich an die 200 Bescheide die ich bearbeiten und auch deren Fristen beachten muss. Da sich darunter sowohl private als auch zahlreiche beruflich induzierte Bescheide (wie der gegenständliche) finden, erledige ich meine Fristigkeiten eben an meinem Arbeitsplatz, wo neben der Aktenordnung auch die entsprechenden Unterlagen (Literatur, Telekommunikationsausstattung, PC) bereit stehen. Die bloße Zustelladresse erfordert nicht, dass auch jeder Bescheid an dieser Adresse bearbeitet wird, andernfalls mein Bruder als Rechtsanwalt wohl kaum seinen Beruf ausüben könnte.

Und dass ich als einer der ersten Bürger Tirols überhaupt unter Quarantäne gestellt wurde, hat - äusser natürlich der hellseherischen Behörde bzw. dem den gegenständlichen Bescheid ausgefertigten hellseherischen Sachbearbeiter - am 08.03.2020 oder davor niemand vorhergesehen.

Die Behörde mag daran erinnert werden, dass am 08.03.2020 in Österreich NIEMAND von einem "Lockdown" Kenntnis oder auch nur eine Ahnung hatte. Schon allein, dass dieses E-Mail am 08.03.2020 (Sonntag!) um 19:01 an mich gerichtet war, gefolgt von einem persönlichen Anruf durch den Vizerektor für Infrastruktur der Universität Z zeigt doch recht deutlich, dass die Universität und ganz Österreich doch "etwas" überrascht waren. Zur Information, in der Woche nach dem 08.03.2020 fand weiterhin Präsenzunterricht an der Universität statt und erschienen sämtliche Mitarbeiter und Studenten (mit Ausnahme der von der Quarantäne betroffenen) an der Universität Z. Wenn dieses Ereignis nicht unvorhersehbar war, dann weiß ich nicht welches es dann sein soll.

Auch die Ansicht der Behörde, dass im Falle der Heimquarantäne "notwendige Besorgungen" erledigt werden könnten entbehrt nicht einer gewissen Komik, da gerade das Verlassen der Heimquarantäne vom Gesundheitsamt unter drastische Strafen gestellt wird und überdies von

der Landespolizeidirektion selbst zum damaligen Zeitpunkt die Einhaltung der Quarantäne mehrmals täglich überprüft wurde. Es darf auch auf die erst kürzlich erfolgte strafrechtliche (!!) – nicht verwaltungsstrafrechtliche - Verurteilung einer Wienerin hingewiesen werden, die lediglich Geld am Bankomaten holte und wegen Gemeingefährdung verurteilt wurde. Weiters hätte ich eine direkteWeisung eines Vorgesetzten missachten müssen, und die Universität trotz

Quarantäne aufsuchen müssen.

Und selbst wenn diese - abstruse - Ansicht, dass NOTWENDIGE BESORGUNGEN durchgeführt werden hätten können, so fallen hierunter mit Sicherheit nicht Besorgungen, die aufgrund der geltenden Rechtslage ohne Weiteresnachgeholt werden können und daher KEINE NOTWENDIGE BESORGUNGEN sind. Es wäre sicher im Interesse der Allgemeinheit gewesen, für die Einhaltung einer behördlichen Frist, die jederzeit nachgeholt werden könnte, zuerst zwei unterschiedliche öffentliche Verkehrsmittel zu und dann eines der am dichtesten besetzten Gebäude in Z zu betreten und dabei hunderte bis Tausende Pendler, Mitarbeiter und Studenten potentiell zu gefährden!

Es ist daher hochinteressant, dass genau jene Behörde die selbst unzählige wenn nicht tausende unrechtmäßige Massnahmen unter Berufung auf unrechtmäßige Verordnungen setzte, nun sogar in einem Bescheid dazu auffordert eine Verwaltungstraftat und eine potentielle Straftat (und zwar das Brechen der Quarantäne selbst und der potentiellen Gefährdung anderer Menschen mit einer ansteckenden Krankheit) zu begehen.

ANTRAG:

Es wird daher beantragt den Bescheid aufzuheben, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt zu geben. Weiters wird die Abhaltung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung beantragt.

B) Bescheid über die Zurückweisung des Einspruches vom 13.05.2020 gegen die Strafverfügung vom 20.02.2020 zu ***

BEGRÜNDUNG:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist rechtzeitig und berechtigt, der Einspruch daher ebenfalls rechtzeitig und berechtigt.

ANTRAG

Es wird daher beantragt den Bescheid aufzuheben, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt zu geben und dem Einspruch gegen den zugrundeliegenden Bescheid zu folgen. Weiters wird die Abhaltung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit freundlichen Grüßen

AA“

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zahl ***.

II.      Rechtsgrundlagen:

Die hier wesentliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG – lautet wie folgt:

„§ 71.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

III.     Erwägungen:

Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach § 71 Abs 2 AVG muss ein solcher Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

Als Hindernis im Sinne des § 71 Abs 2 AVG ist dabei jenes Ereignis nach § 71 Abs 1 Z 1 AVG zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat; in dem Zeitpunkt, in dem ein allfälliger Tatsachenirrtum erkannt werden konnte und musste, rette das Hindernis auf. Von einer solchen „Kenntnisausführung“ ist bereits dann auszugehen, sobald die Partei die Verspätung „bei gehöriger Aufmerksamkeit“ erkennen konnte und musste (vgl dazu in Hinsicht auf die vergleichbaren Regelungen des § 46 Abs 1 und 3 VwGG den Beschluss vom 23.09.1994, 94/02/0270).

Die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer am 25.02.2020 zugestellt. Die Einspruchsfrist hat daher am 10.03.2020 geendet. Mit E-Mail vom 08.03.2020 ist der Beschwerdeführer informiert worden, dass er die folgenden vierzehn Tage in Heimquarantäne zu verbringen hat. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen rechtzeitig den Einspruch einzubringen, da seine Arbeitsunterlagen an seinem Arbeitsplatz an der Universität Z bzw an seiner Büroadresse Adresse 2 gelegen seien.

Somit war zu überprüfen, ob es sich dabei um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehandelt hat und der Beschwerdeführer dabei kein Verschulden bzw nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Ob die angeordnete Heimquarantäne für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gewesen ist, ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer trotzdem zumutbar gewesen wäre, sich durch einen Vertreter bzw durch seine Ehegattin die Strafverfügung entweder aus seinem Büro mit der Adresse Adresse 2 bzw von seinem Arbeitsplatz an der Universität Z abholen zu lassen. Dadurch wäre es ihm auch möglich gewesen rechtzeitig Einspruch zu erheben. Einen ausführlichen Einspruch hat der Beschwerdeführer auch jetzt nicht abgegeben, sondern hat lediglich ausgeführt, dass er in offener Frist Einspruch gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.02.2020 erhebt. Selbst wenn eine Abholung vom Arbeitsplatz bzw der Büroadresse nicht möglich gewesen sein sollte, wäre es dem Beschwerdeführer trotz allem zumutbar gewesen, bei der Landespolizeidirektion Tirol zu hinterfragen, welche Geschäftszahl die gegen ihn erlassene Strafverfügung aufweist und dann eben von zu Hause aus Einspruch zu erheben.

Somit ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, einen Einspruch zu erheben, da dies mit den einfachen Worten „Ich erhebe Einspruch“ zu bewerkstelligen ist. Die belangte Behörde hat daher zurecht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt.

Zu Spruchpunkt 2.:

Gegenstand der Prüfung durch das Landesverwaltungsgericht Tirol ist im vorliegenden Fall die Frage, ob gegen die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.02.2010, Zl ***, vom nunmehrigen Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel des Einspruches erhoben worden ist oder nicht.

Die Strafverfügung enthält eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung. Danach ist der Einspruch gegen die Strafverfügung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft Y einzubringen.

Die Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 25.02.2020 zugestellt, die Einspruchsfrist hat daher am 10.03.2020 geendet. Der am 13.05.2020 eingebrachte Einspruch erweist sich somit als verspätet

Da kein Wiederaufnahmegrund vorliegt und die belangte Behörde zurecht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt hat und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu Zahl LVwG.2020/33/1609-1, als unbegründet abgewiesen wurde, hat sie auch zurecht mit Bescheid vom 23.06.2020 den Einspruch vom 13.05.2020 gegen die Strafverfügung vom 20.02.2020 als verspätet zurückgewiesen.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Visinteiner

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung;
Quarantäne;
Abweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.33.1609.1

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten