TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/13 LVwG-AV-935/003-2017, LVwG-AV-936/004-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2020
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Entscheidungsdatum

13.08.2020

Norm

NAG 2005 §11
NAG 2005 §21 Abs6
EMRK Art8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von Frau B und mj. Herrn C, beide vertreten durch Rechtsanwalt A, ***, ***, gegen die Bescheide der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom jeweils 19. Juni 2017,
Zlen. *** und ***, zu Recht:

1.   Den Beschwerden wird stattgegeben, die angefochtenen Bescheide werden behoben und den Beschwerdeführern wird jeweils ein Aufenthaltstitel
„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Weitere Rechtsgrundlagen:

§ 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

§ 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)

Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.   Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Die nunmehrige Erstbeschwerdeführerin, Frau B, eine Staatsangehörige der Republik Nordmazedonien, stellte am 30. August 2016 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung einen Antrag auf erstmalige Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehemann.

Am selben Tag wurde auch für den Zweitbeschwerdeführer, den unmündigen Sohn der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes, ein Antrag auf erstmalige Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ eingebracht.

Des Weiteren wurden Zusatzanträge auf quotenfreie Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel eingebracht. Diese Zusatzanträge wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. September 2016 abgewiesen. Dagegen erhobene Beschwerden wurden in Folge zurückgezogen.

1.2. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 19. Juni 2017 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels abgewiesen (§ 11 Abs. 1 Z 5 iVm § 21 Abs. 6 NAG, § 11 Abs. 2 Z 1 iVm § 11 Abs. 4 Z 1 NAG, § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG). Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Hinsichtlich des gesicherten Lebensunterhaltes könne die Prognose nicht zu Gunsten der Erstbeschwerdeführerin ausfallen. Der Ehemann habe in der Vergangenheit ein zu geringes Einkommen bezogen und es liege sein aktuelles Gehalt deutlich über dem Kollektivlohn für Hilfskräfte und werde bezweifelt. Auch habe der Ehemann in der Vergangenheit mehr Zeiten im Arbeitslosengeld- und Notstandsbezug verbracht als in Arbeitsverhältnissen.

Des Weiteren sei durch Beamte der Landespolizeidirektion Niederösterreich festgestellt worden, dass sich die Erstbeschwerdeführerin am 26. Jänner 2017 unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten habe, was ihr auch bewusst gewesen sei. Es sei deshalb eine Verwaltungsstrafe über sie verhängt worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Pflicht verletzt, die Entscheidung über ihren Antrag im Ausland abzuwarten. Der länger andauernde unrechtmäßige Aufenthalt stelle zudem eine negative Beispielswirkung für andere Fremde dar und rechtfertige die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung.

Ein mit Blick auf Art. 8 EMRK relevanter Sachverhalt liege nicht vor, weil das Ermittlungsverfahren nicht ergeben habe, dass einem gemeinsamen Familienleben mit dem Ehemann im Herkunftsstaat wesentliche Hindernisse entgegenstünden. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Zuwanderungsbestimmungen überwiege das persönliche Interesse an der Neuzuwanderung.

1.3. Der Antrag des Zweitbeschwerdeführers wurde ebenso mit Bescheid vom selben Tag abgewiesen (§ 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 23 Abs. 4 NAG).

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich die Art und die Dauer des Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltstitel der Erstbeschwerdeführerin als Mutter richten würden. Da diese nicht zur Niederlassung berechtigt sei, sei die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht möglich.

1.4. Die Beschwerdeführer erhoben durch ihren Rechtsanwalt fristgerecht Beschwerden. Im Wesentlichen wird in diesen Folgendes ausgeführt:

Entgegen den Bescheiden könne keine Rede von einer Gefälligkeitsanstellung des Ehemannes bzw. Vaters der Beschwerdeführer sein. Dieser habe aber ohnehin inzwischen die Beschäftigung gewechselt und es entspreche das Familieneinkommen annähernd dem geforderten Betrag. Die Aufenthaltstitel seien auch im Hinblick auf den Schulbesuch des Zweitbeschwerdeführers zur Aufrechterhaltung des Familienlebens beantragt worden. Die Schulpflicht stehe den in der Vergangenheit gepflegten Besuchen im Rahmen der sichtvermerkfreien Zeit entgegen.

Auch bestehe im Herkunftsstaat keine eigenständige Wohnmöglichkeit mehr, das Haus des Ehemannes bzw. Vaters sei im Krieg zerstört worden und es seien die Beschwerdeführer auf freiwillige Aufnahme durch Angehörige beschränkt, wobei dies zukünftig nicht gesichert sei. Die Überschreitung des visumfreien Aufenthaltes stehe der Erteilung der Aufenthaltstitel nicht entgegen, zumal die Familie von einer kurzen Verfahrensdauer ausgegangen sei.

1.5. Die eingebrachten Beschwerden samt Verwaltungsakten wurden in Folge von der belangten Behörde – ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen – dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

1.6. Mit Schreiben vom 25. Jänner 2018 wurde seitens der Beschwerdeführer eine Urkundenvorlage erstattet und es führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 1. Februar 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung in den Rechtssachen der Beschwerdeführer durch. An der Verhandlung nahm der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer teil und es wurde der Ehemann bzw. Vater als Zeuge einvernommen. Seitens der belangten Behörde nahm kein Vertreter an der Verhandlung teil.

Der Rechtsanwalt gab abschließend im Wesentlichen an, dass – selbst bei einem zu geringen Einkommen – die Aufenthaltstitel im Sinne von § 11 Abs. 3 NAG zu erteilen seien. Bezüglich der Überschreitung des visumfreien Aufenthalts und der von der Behörde angenommenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung wurde darauf hingewiesen, dass sich die Familie in einer emotionalen Zwangslage befunden habe, weil sie den Zweitbeschwerdeführer nicht aus der Schule in Österreich nehmen hätten wollen, zumal ihnen eine kurze Verfahrensdauer in Aussicht gestellt worden sei. Auch sei die Inlandsantragstellung zulässig gewesen.

1.7. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gab mit Erkenntnis vom 14. Februar 2018 der Beschwerde statt und erteilte die beantragten Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten.

Begründend wurde – auf das Wesentlichste zusammengefasst – Folgendes ausgeführt:

Die verfahrensgegenständlichen Antragstellungen seien nach rechtmäßiger Einreise und während der Dauer des erlaubten visumfreien Zeitraumes erfolgt. Unstrittig hätten die Beschwerdeführer dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten, wobei am 26. Jänner 2017 eine Überschreitung um 94 Tage festgestellt worden sei. Es sei jedoch sodann eine Ausreise aus dem Schengen-Raum erfolgt und es liege nach dem festgestellten Zeitpunkt sowie im Entscheidungszeitpunkt keine Überschreitung mehr vor. Da auf den Entscheidungszeitpunkt abzustellen sei, sei der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG nicht verwirklicht worden.

Auch von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei nicht auszugehen, weil zwar der erlaubte visumfreie Aufenthalt überschritten worden sei, es sei aber die deswegen verhängte Verwaltungsstrafe akzeptiert und bezahlt worden und es sei keine weitere Überschreitung mehr erfolgt. Eine mangelnde Bereitschaft zur Respektierung fremdenrechtlicher Bestimmungen sei den Beschwerdeführern aktuell nicht vorzuwerfen und es führe nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung der unrechtmäßige Aufenthalt für sich alleine genommen auch nicht zum Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm § 11 Abs. 4 Z 1 NAG.

Auf Grund der vom Ehemann bzw. Vater ausgeübten Arbeitstätigkeiten sei auch von einem knapp über dem gesetzlichen Richtsatz liegenden Einkommen auszugehen. Ebenso seien auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und es würden keine Erteilungshindernisse vorliegen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil „die Rechtsfrage, ob § 11 Abs. 1 Z 5 NAG tatsächlich in einem Fall wie dem vorliegenden – in welchem in der Vergangenheit eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes vorlag, jedoch sodann eine Ausreise aus dem Schengener Raum und keine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes mehr erfolgte und insbesondere auch im Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegt – der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht entgegensteht, durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht abschließend geklärt“ sei.

1.8. Dagegen wurde von der Behörde eine ordentliche Revision erhoben, wobei ausgeführt wurde, dass der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht worden sei und dass demgemäß eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG durchgeführt hätte werden müssen. Seitens der Beschwerdeführer wurde dazu eine Revisionsbeantwortung eingebracht, in der vorgebracht wurde, dass der Versagungsgrund zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen müsse und dass dessen ungeachtet auch ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gegeben sei.

1.9. Der Verwaltungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 17. Juni 2019, Zl. ***, die hg. Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dies mit folgender Begründung:

„Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Februar 2018, Ra 2017/22/0154, Rn. 11, aussprach, ist der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG selbst dann erfüllt, wenn der Fremde nach sichtvermerkfreier Einreise rechtmäßig einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellte, die Dauer des erlaubten Aufenthaltes jedoch überschritt und erst zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Bundesgebiet ausreiste. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den unstrittigen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, dass die Mitbeteiligten nach rechtmäßiger Einreise über den sichtvermerkfreien Zeitraum in Österreich verblieben sind. Damit haben die Mitbeteiligten den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht. Dass der Aufenthaltstitel dennoch aus Gründen des Art. 8 EMRK (vgl. § 11 Abs. 3 NAG) zu erteilen gewesen sei, ist mangels diesbezüglicher Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht ersichtlich.“

1.10. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich forderte die Beschwerdeführer in Folge zur Darlegung auf, inwiefern aktuell die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel gegeben seien. Dabei wurde auch um Vorlage von aktuellen Reisepasskopien ersucht sowie eines Nachweises betreffend die Erfüllung des Modules 1 der Integrationsvereinbarung durch die Erstbeschwerdeführerin. Außerdem wurde um Mitteilung ersucht, sollte kein Interesse an den verfahrensgegenständlichen Anträgen mehr bestehen.

1.11. Die Beschwerdeführer legten dazu mit Schreiben vom 11. Mai 2020 und 24. Juni 2020 mehrere Unterlagen vor und sie führten im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Erstbeschwerdeführerin habe nach Erteilung des Aufenthaltstitels eine Beschäftigung angenommen, sie sei nunmehr aber auf Grund der Geburt ihrer Tochter in Karenz. Die Tochter verfüge über einen Aufenthaltstitel und bedürfe besonderer Pflege. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Integrationsprüfung abgeschlossen und es besuche der Zweitbeschwerdeführer die Schule in Österreich. Der Ehemann bzw. Vater habe sich inzwischen selbständig gemacht und es sei die Familie übersiedelt. Die Erteilung der Aufenthaltstitel sei auf Grund von Art. 8 EMRK notwendig, weil die Familie sonst zerrissen würde.

1.12. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 3. Juli 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. An dieser Verhandlung nahmen die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Tochter und ihrem Rechtsanwalt teil sowie eine Vertreterin der belangten Behörde. Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer wurde als Zeuge einvernommen.

Die Behördenvertreterin gab als Schlussausführung im Wesentlichen an, dass das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer sehr schwer wiege und dass die Beschwerdeführer bestens integriert seien. Sie spreche sich „eher für die Stattgabe der Beschwerde aus. Das heißt für die Erteilung der Aufenthaltstitel für 12 Monate“.

Der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer schloss sich dem an und er gab an, dass aus seiner Sicht – selbst wenn die eine oder andere Erteilungsvoraussetzung nicht vorliegen sollte – den Anträgen auf Grund von Art. 8 EMRK stattzugeben sei.

2.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Die am *** geborene Erstbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Nordmazedonien. Der am *** geborene Zweitbeschwerdeführer ist ebenfalls Staatsangehöriger der Republik Nordmazedonien.

Die Beschwerdeführer stellten persönlich am 30. August 2016 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Anträge auf erstmalige Erteilung der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehemann bzw. Vater.

Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer wurde am *** geboren und ist ebenfalls Staatsangehöriger von Nordmazedonien. Die Erstbeschwerdeführerin und er haben sich im Jahr 2002 in Nordmazedonien kennengelernt und dort am 12. September 2003 die Ehe geschlossen. Es handelt sich um eine rechtmäßige Eheschließung. Der Ehemann hält sich seit dem Jahr 1993 in Österreich auf und er verfügt hier über den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“.

Die Beschwerdeführer hielten sich ab 2012 immer wieder für kürzere Zeiträume in Österreich auf. Die Antragstellung erfolgte nach rechtmäßiger Einreise und während der Dauer des erlaubten visumfreien Zeitraumes. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Folge wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes rechtskräftig mit einer Verwaltungsstrafe in Höhe von 500,-- Euro bestraft. Konkret wurde seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 26. Jänner 2017 festgestellt, dass sich die Beschwerdeführer an diesem Tag bereits 94 Tage länger als im Rahmen der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes erlaubt im österreichischen Bundesgebiet aufhielten. Die Strafe wurde von der Erstbeschwerdeführerin akzeptiert und vollständig bezahlt. Es erfolgte sodann eine Ausreise der Beschwerdeführer aus dem Schengener Raum und keine weitere Überschreitung des visumfreien Aufenthaltes. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehemann gingen von einer kurzen Verfahrensdauer aus und haben sich von sich aus nicht konkret dahingehend erkundigt, ob sich die Beschwerdeführer auf Grund der Antragstellung in Österreich aufhalten dürfen.

Den Beschwerdeführern wurden mit hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2018, zugestellt am 21. Februar 2018, die beantragten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt, wobei für maßgeblich erachtet wurde, dass im Entscheidungszeitpunkt keine Überschreitung des visumfreien Aufenthaltes vorlag; die Beschwerdeführer erhielten daraufhin bis 21. Februar 2019 gültige Aufenthaltskarten ausgehändigt.

Der Verwaltungsgerichthof hob auf Grund einer von der Behörde erhobenen ordentlichen Revision diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 17. Juni 2019, Zl. ***, auf (s. Punkt 1.).

Den Beschwerdeführern wurde vor dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ihr Aufenthaltsrecht für zwölf Monate verlängert und es wurden ihnen Aufenthaltskarten mit einer Gültigkeit bis 21. Februar 2020 ausgehändigt. In weiterer Folge wurde ihnen das Aufenthaltsrecht erneut verlängert, wobei die Erstbeschwerdeführerin eine Aufenthaltstitelkarte mit Gültigkeit bis 21. Februar 2023 erhielt und der Zweitbeschwerdeführer eine mit Gültigkeit bis 1. Mai 2022.

Am *** brachte die Erstbeschwerdeführerin im Universitätsklinikum *** eine Tochter zur Welt. Vater ist der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin.

Der Tochter wurde ein von 12. März 2020 bis 11. März 2021 gültiger Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt.

Die Erstbeschwerdeführerin und die Tochter waren von 17. Jänner 2020 bis 9. März 2020 stationär im Universitätsklinikum *** aufgenommen. Der Entlassungsbericht vom 9. März 2020 weist als Aufnahmegründe Frühgeburt und Peripartale Asphyxie auf. Als Diagnosen bei der Entlassung sind angeführt:

?    P07.32 Frühgeborenes der Schwangerschaftswoche 33 +2

?    P21.1 Peripartale Asphyxie, Apgar 5/7/8

?    Q87.1 Prader-Willi-Syndrom (genetisch gesichert)

?    P94.2 Angeborene Muskelhypotonie

?    P28.5 Respiratorische Insuffizienz – CPAP für 3 Tage

?    P70.4 Hypoglykämie (Blutzucker 30)

?    Q21.1 PDA/ASD II

?    I07.1 Trikuspidalklappeninsuffizienz

?    Rektale Besiedlung mit Citrobacter freundii (AmpC, MRE)

Als empfohlene Medikation sind im Entlassungsbericht für das erste Lebensjahr Oleovit D3 Tropfen und Idroplurivit Tropfen genannt, weiters – mit Anpassung durch den Kinderfacharzt – Ferrum Hausmann Tropfen sowie bis 7. April 2020 Coffeincitrat.

Der Entlassungsbericht enthält folgende weitere Empfehlungen:

„Ernährungsempfehlungen:

PreNahrung über legende Magensonde. derzeit 8 x tgl. 63 ml

orofaziaie Stimulation und Saugversuche mit angefeuchtetem Schnuller oder Wattestäbchen zuhause wie mit der Logopädin besprochen und geübt weiter. Anpassung der Nahrungsmenge je nach Gewichtszunahme über den niedergel. Kinderfacharzt. Nächste Logopädie-Kontrolle nächste Woche wie vereinbart.

Heimmonitoring:

Ein Heimmonitoring mit Vitaguard 3100 Herz-Atem-Sättigungsmonitor ist bei laufender Coffeincitrattherapie erforderlich, eine Aufklärung für sicheres Schlafen ist erfolgt, eine Infobroschüre wurde mitgegeben. Die Eltern erhielten vor Entlassung eine Einschulung und einen Erste-Hilfe-Kurs.

Impfempfehlungen:

Wir empfehlen die lmmunisierung laut Österreichischem lmpfplan zum unkorrigierten Alter und ein Update des lmpfschutzes der betreuenden Personen beim Hausarzt.

Die RSV-Prophylaxe ist nach den gültigen Richtlinien empfohlen, die erste Teilimpfung wurde vor Entlassung am 26.2.2020 verabreicht. Die zweite Teilimpfung soll am 20.3.2020 beim Kinderfacharzt erfolgen.“

Betreffend Termine, Kontrollen und Wiederbestellung ist Folgendes festgehalten:

„Kontrollen laut Mutter-Kind-Pass zum unkorrigierten Zeitpunkt inkl. Kontrolle der Hüftsonographie mit korrigiert 6 Wochen.

Regelmäßige Gewichtskontrollen über den niedergelassenen Kinderfacharzt und Anpassung der Ernährungsmenge, weiters Synagis-Impfungen über den niedergel. Kinderfacharzt für den Rest der Wintersaison 2020. Nächste Gabe um den 20.3. empfohlen. Bewilligung des Impfstoffes vorher notwendig!

Physiotherapie und Logopädie ambulant weiter hierorts. nächster Termin am 16.3.2020 um 10 Uhr. (Haus *** *** Stock)

Frühgeborenen-Ambulanz am 31.3.2020 um 11 Uhr: klinische Kontrolle. Blutbild- und Retikulozytenkontrolle. Monitorauslesung

Kontrolle an der Sehschule der Augenabteilung:

Ende April wie empfohlen. Terminvereinbarung erfolgt über die Mutter, hat Info-Zettel der Augenabteilung erhalten.

Am 13.4.2020 um 16 Uhr stationäre Aufnahme auf KA1 zur OCRG-Kontrolle. 5 Tage vorher Coffein absetzen wie besprochen! (Haus ***)

Am Folgetag, 14.4.2020 um 9 Uhr Kontrolle in der Frühgeborenenambulanz.

Entwicklungskontrolle: Am 9.6.2020 um 9 Uhr bei Frau D in der Entwicklungsambulanz. anschließend um 10 Uhr Kontrolle in der Endokrinologie-Ambulanz bei Fr. E. (Haus ***, ***)

Echokardiographie-Kontrolie 6.5.2020 um 9:30 Uhr in der Herzecho-Ambulanz der Kinderabteilung. (Haus ***, ***)

Hausfrühförderung wird empfohlen, ein Infofolder wurde mitgegeben. Anmeldung und Terminvereinbarung durch die Mutter im Ambulatorium ***.

Bitte zu den ambulanten Kontrollen eine ärztliche Zuweisung mitbringen.

Best. am   Best. um  Ambulanz

31.03.2020   10:30:00   KiJu Frühgeburten Nachsorge

14.04.2020   09:00:00   KiJu Frühgeburten Nachsorge

06.05.2020   09:30:00   KiJu Ultraschall u. Echo-Amb.

09.06.2020           09:00:00   KiJu ENW Ambulanz

09.06.2020   10:00:00   KiJu Endokri/Stoffwechs. Amb.“

Bei der Zusammenfassung des bisherigen Aufenthaltes ist u.a. noch festgehalten, dass der Erstbeschwerdeführerin eine Einschulung in das Legen und die Pflege der Sonde gegeben wurde und dass die Erstbeschwerdeführerin dies selbständig zu Hause durchführen müsse; ebenso die orofaziale Stimulation. Weiters ist festgehalten, dass engmaschige Kontrollen und Therapieeinheiten durch die Logopädie und Physiotherapie geplant sind und dass auch bereits Logopädie, Physiotherapie und Musiktherapie erfolgt sind. Als Entlassungszustand ist im Bericht angeführt: Gebessert.

Die Tochter wird auch aktuell noch mit der Magensonde ernährt und sie wird mit dem Herz-Atem-Sättigungsmonitor überwacht. Sie wird einmal pro Woche mit Physiotherapie bzw. Logopädie im Universitätsklinikum *** bzw. im Ambulatorium *** in *** behandelt und sie hat monatliche Kontrollen. Im Herbst 2020 ist eine Untersuchung der Tochter betreffend das Prader-Willi-Syndrom durch spezialisierte Ärzte in *** vorgesehen, im Oktober 2020 außerdem eine Kontrolle betreffend den Monitor.

Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer ist in Österreich seit 1993 arbeitstätig, wobei er aber auch immer wieder Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezog. Kurzzeitig bezog er zu Beginn des Jahres 2017 auf Grund der Folgen eines Bandscheibenvorfalles bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Bei der hg. Aufenthaltstitelerteilung im Februar 2018 war der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer im Bereich Bodenverlegung Vollzeit mit Winterpause beschäftigt und zusätzlich geringfügig bei einem anderen Arbeitgeber im Rahmen des Winterdienstes. Es wurde hg. von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.962,54 Euro ausgegangen.

Der Ehemann bzw. Vater hat sich mit 1. Juni 2018 selbständig gemacht. Dies in folgenden Geschäftsbereichen: Entrümpler, Güterbeförderung, Hausbetreuung. Gemäß der vorgelegten kurzfristigen Erfolgsrechnung per 31. Dezember 2019 wurde im Jahr 2018 ein Gewinn in Höhe von 1.265,37 Euro erzielt und im Jahr 2019 ein Gewinn in Höhe von 5.646,65 Euro. Nach den Angaben in der Verhandlung waren die Monate März 2020 bis Mai 2020 auf Grund der COVID-19-Situation schwierig, es ist allerdings das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit im Steigen begriffen.

Die Erstbeschwerdeführerin war in Österreich zunächst von 11. Juni 2018 bis 30. Juni 2018 geringfügig bei der F GmbH beschäftigt und ab 1. Juli 2018 Vollzeit. Während der Schwangerschaft bezog sie in den Zeiträumen 11. November 2019 bis 25. November 2019 und 30. November 2019 bis 31. Dezember 2019 Krankengeld, ab 8. Jänner 2020 bezog sie dann Wochengeld (784,84 Euro). Aktuell ist die Erstbeschwerdeführerin auf Grund der Geburt der Tochter für zwei Jahre in Karenz, wobei sie ca. 450,-- Euro monatlich an Kinderbetreuungsgeld erhält. Sie beabsichtigt nach der Karenz, wenn die Tochter in einem Kindergarten betreut wird, wieder arbeiten zu gehen. Weiters erhält sie für die beiden Kinder Familienbeihilfe in Höhe von monatlich 269,70 Euro und Kinderabsetzbetrag in Höhe von monatlich 116,80 Euro.

Des Weiteren hat die Erstbeschwerdeführerin auf Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tochter für diese eine „Pension“ in Höhe von rund
450,-- Euro beantragt (gemeint wohl: Pflegegeld der Stufe 3 in Höhe von 459,90 Euro). Diesbezüglich hat die Erstbeschwerdeführerin allerdings noch keine Rückmeldung erhalten.

Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehemann haben nach ihren Angaben aktuell folgende regelmäßige monatlich Aufwendungen: 760,-- Euro für Wohnungsmiete und Heizung, 150,-- Euro für Strom, 29,-- Euro für Internet, 10,-- Euro für ein Wertkartenhandy.

Die Beschwerdeführer wohnten in Österreich bis 1. Juli 2019 in einer Mietwohnung an der Adresse ***, ***. Seither wohnen sie an der Adresse *** in ***. Es handelt sich bei der aktuellen Unterkunft um eine Wohnung, die vom Ehemann bzw. Vater und der Erstbeschwerdeführerin im Juni 2019 angemietet wurde. Der Mietvertrag ist bis 30. Juni 2023 befristet. Die Wohnung besteht aus einer Wohnfläche von ca. 70 m2 samt dazugehörigem Kellerabteil, ist in gutem Zustand und wird nur von den Beschwerdeführern, dem Ehemann bzw. Vater und der Tochter bewohnt.

Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist für die Beschwerdeführer gegeben.

Die Erstbeschwerdeführerin hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren ein A1-Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds vom 24. Oktober 2016 im Original vorgelegt. Weiters hat sie im Beschwerdeverfahren ein Zeugnis zur Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds vom 11. August 2018 vorgelegt. Sie verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache, die ihr eine problemlose Verständigung in der am 3. Juli 2020 durchgeführten Verhandlung ermöglichten.

Die Erstbeschwerdeführerin trifft sich einmal im Monat mit Freundinnen bzw. Kolleginnen und manchmal auch mit Müttern der Freunde des Zweitbeschwerdeführers. Der Zweitbeschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2018/2019 die dritte Klasse der *** Volksschule in *** und im Schuljahr 2019/2020 die vierte Klasse. Er weist gute Noten auf und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Auch der Ehemann bzw. Vater verfügt über Freunde und Bekannte in Österreich. Das Verhältnis des Ehemannes bzw. Vaters zum Zweitbeschwerdeführer ist sehr gut und es kümmert sich der Ehemann bzw. Vater auch immer wieder um die Tochter.

Die Beschwerdeführer weisen an Verwandten in Österreich den in *** wohnenden Bruder samt Familie des Ehemannes bzw. Vaters auf, zu dem der Ehemann bzw. Vater alle ein bis drei Wochen persönlichen Kontakt hat. Weiters leben Cousins des Ehemannes bzw. Vaters in Österreich. Der Ehemann bzw. Vater hat an Verwandten in Nordmazedonien drei Schwestern, Cousins, Onkel und Tanten. Es besteht telefonischer Kontakt. Die Erstbeschwerdeführerin hat an Verwandten in Nordmazedonien ihre 74-jährige Mutter und vier Schwestern. Die Mutter wohnt dabei mit einer Schwester in einem kleinen Haus, das im Wesentlichen aus einem Zimmer und einer Küche besteht. Die anderen Schwestern sind verheiratet und wohnen woanders.

Die Beschwerdeführer lebten in Nordmazedonien vor der hg. Aufenthaltstitelerteilung bei Verwandten, die letzten eineinhalb Jahren bei der Mutter und der genannten Schwester der Erstbeschwerdeführerin. Bei einer Rückkehr würden sie wieder bei der Mutter und der Schwester wohnen. Das (geerbte) Familienhaus des Ehemannes bzw. Vaters in Nordmazedonien wurde 2001 gewaltsam zerstört.

Die Beschwerdeführer waren seit der hg. Aufenthaltstitelerteilung nicht mehr in Nordmazedonien. Der Ehemann bzw. Vater war seit rund sechs Jahren nicht mehr in Nordmazedonien.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführer liegen nicht vor. Ebenso wenig eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet. Die Beschwerdeführer sind gerichtlich unbescholten und es sind auch die vorliegenden Bestätigungen zum mazedonischen Strafregister negativ. Im Schengener Informationssystem scheint ebenfalls keine Vormerkung auf. Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde ist nicht erkennbar.

Quotenplätze für die Beschwerdeführer liegen vor.

Der Reisepass der Erstbeschwerdeführerin weist eine Gültigkeit bis 1. Mai 2027 auf.

Der Reisepass des Zweitbeschwerdeführers weist eine Gültigkeit bis 1. Mai 2022 auf.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich – ebenso wie der dargelegte Verfahrensgang – auf die Inhalte der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten inklusive der beiden am 1. Februar 2018 und am 3. Juli 2020 durchgeführten Verhandlungen. Festzuhalten ist, dass in der erstgenannten Verhandlung der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer einvernommen wurde, in der zweitgenannten Verhandlung neben dem Ehemann bzw. Vater auch die Erstbeschwerdeführerin. Sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch der Ehemann bzw. Vater haben keinen unglaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen und es sind keine Gründe zu erkennen, weshalb ihre Angaben der vorliegenden Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden sollten. Seitens der belangten Behörde wurden diesbezüglich auch keine Bedenken vorgebracht. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

Die getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer und des Ehemannes bzw. Vaters ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten Unterlagen (insb. Geburtsurkunden, Reisepässe, Heiratsurkunde). Zum Kennenlernen ist auf die Angaben des Ehemannes bzw. Vaters zu verweisen (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 9), zur Eheschließung auf die vorgelegte Heiratsurkunde sowie darauf, dass im Verfahren kein Sachverhalt hervorgekommen ist, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eheschließung erwecken würde (vgl. dazu etwa VwGH 24.11.2000, 2000/19/0126, mH auf EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80 ua.). Dass sich der Ehemann bzw. Vater seit 1993 in Österreich aufhält, hat er selbst angegeben (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 6 und 10; Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 11) und es ergibt sich dies etwa auch aus den aktenkundigen Versicherungsdatenauszügen. Zum Aufenthaltsrecht des Ehemannes bzw. Vaters in Österreich ist auf die im Verfahren vorgelegte Kopie seiner Aufenthaltstitelkarte sowie auf die im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Daten zu verweisen.

Die Feststellung, dass sich die Beschwerdeführer ab 2012 immer wieder für kürzere Zeiträume in Österreich aufhielten entspricht der gegebenen Aktenlage, etwa den Daten im Zentralen Melderegister oder auch den Beschwerdeangaben (S 3). Dass die Antragstellung nach rechtmäßiger Einreise und während der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes erfolgte, ergibt sich daraus, dass für eine Überschreitung im Antragszeitpunkt keine stichhaltigen Beweisergebnisse vorliegen. Seitens des Beschwerdeführervertreters wurde eine Überschreitung im Antragszeitpunkt bestritten und es wurde dies auch vom Ehemann bzw. Vater verneint (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 3, 5 und 12; Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 2). Auch den vorliegenden Reisepasskopien lässt sich eine erfolgte Überschreitung im Antragszeitpunkt nicht entnehmen, zumal laut Reisepass die letzte Einreise in den Schengenraum vor Antragstellung mit 27. Juli 2016 erfolgte. In Übereinstimmung damit wurde auch von der belangten Behörde keine Überschreitung im Antragszeitpunkt festgestellt und es wurde von Behördenseite eine Überschreitung zu keiner Zeit vorgebracht. Zur Bestrafung der Erstbeschwerdeführerin wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes ist insbesondere auf die aktenkundige Sachverhaltsdarstellung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 9. Februar 2017 und auf die aktenkundige Zahlungsbestätigung vom 10. Mai 2017 zu verweisen. Dass eine Ausreise aus dem Schengener Raum erfolgte, ergibt sich aus dem aktenkundigen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 28. Mai 2017 und aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Reisepasskopien samt den dabei aufscheinenden Stempeln. Dass die Beschwerdeführer die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes in Folge nicht mehr überschritten haben, ergibt sich ebenso aus den Reisepasskopien sowie den Verhandlungsangaben (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 3 und 8). Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass § 11 Abs. 1 Z 5 NAG als Versagungsgrund konzipiert ist, sodass es Sache der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts ist, Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Dauer des erlaubten Aufenthaltes darzutun, wobei verbleibende Zweifel nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen (vgl. VwGH 20.12.2019, Ra 2017/22/0221). Dass die Erstbeschwerdeführerin und der Ehemann bzw. Vater von einer kurzen Verfahrensdauer ausgingen und sich von sich aus nicht konkret dahingehend erkundigt haben, ob sich die Beschwerdeführer auf Grund der Antragstellung in Österreich aufhalten dürfen, ergibt sich insbesondere aus den Angaben in der Verhandlung am 1. Februar 2018 (S 4).

Zum hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2018, zur Zustellung, und zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Aktenlage zu verweisen. Zur den Beschwerdeführern ausgehändigten Aufenthaltskarten und zu den sodann erfolgten Verlängerungen des Aufenthaltsrechtes ist insbesondere auf die im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Informationen zu verweisen.

Betreffend die Feststellungen zur Tochter bzw. Schwester der Beschwerdeführer ist insbesondere auf die vorgelegte Geburtsurkunde, den Entlassungsbericht des Universitätsklinikums *** vom 9. März 2020, die vorgelegte Kopie ihrer Aufenthaltstitelkarte, sowie auf die im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Daten zu verweisen. Dass die Tochter bzw. Schwester auch aktuell noch mit der Sonde ernährt und mit dem Monitor überwacht wird, ergibt sich insbesondere aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 4 und 7); ebenso hat die Erstbeschwerdeführerin die durchgeführten und geplanten Behandlungen, Untersuchungen und Kontrollen geschildert (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 4 f.).

Die Feststellung, dass der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer in Österreich seit 1993 arbeitstätig ist, ist anhand der Angaben des Ehemannes bzw. Vaters (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 4) und vor allem anhand der aktenkundigen Versicherungsdatenauszüge zu treffen; aus den Versicherungsdatenauszügen ergibt sich dabei auch, dass er immer wieder Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezog. Zum kurzzeitigen Bezug von Mindestsicherung ist auf den aktenkundigen Kontoauszug vom 4. April 2017 zu verweisen sowie auf die Angaben des Ehemannes bzw. Vaters (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 6 f.). Die Feststellungen zum Einkommen des Ehemannes bzw. Vaters bei der hg. Aufenthaltstitelerteilung im Februar 2018 ergeben sich aus den S 7 und 21 f. des damaligen Erkenntnisses. Zur nunmehrigen Selbständigkeit ist insbesondere auf die Versicherungsdatenauszüge zu verweisen, auf die WKO-Firmenabfrage, sowie auf die Verhandlungsangaben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3 und 9). Die Erfolgsrechnung wurde mit Urkundenvorlage vom 24. Juni 2020 übermittelt. Dass die Monate März 2020 bis Mai 2020 auf Grund der COVID-19-Situation schwierig waren, das Einkommen allerdings im Steigen begriffen ist, wurde vom Beschwerdeführervertreter bzw. vom Ehemann bzw. Vater angegeben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 1 und 9).

Die Feststellungen zur Arbeitstätigkeit der Erstbeschwerdeführerin basieren auf den vorgelegten Gehaltsnachweisen und den sie betreffenden Versicherungsdatenauszügen. Die Höhe des Wochengeldes ergibt sich aus dem vorgelegen Kontoauszug vom 25. Mai 2020, ebenso die (Gesamt-)Höhe von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag. Die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes und dass sie nach ihrer Karenz, wenn die Tochter in einen Kindergarten geht, wieder zu arbeiten beabsichtigt, ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3 und 7). Zur „Pension“ ist auszuführen, dass die Erstbeschwerdeführerin angab, dass sie eine monatliche „Pension“ wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihrer Tochter erhalte; der Ehemann bzw. Vater gab an, dass sie „etwas“ beantragt, aber Corona-bedingt noch keine Rückmeldung erhalten hätten (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3 und 15). Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um Pflegegeld der Stufe 3 handelt.

Zu den regelmäßigen Aufwendungen ist hinsichtlich der Miete zunächst auf den Mietvertrag sowie auf den Kontoauszug vom 25. Mai 2020 zu verweisen und überdies auf die Verhandlungsangaben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3 und 10). Zu den Stromkosten ist festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin diese mit „450 Euro alle drei Monate“ beziffert hat (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3), der Ehemann bzw. Vater hat hingegen angegeben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 10): „Wir haben Ausgaben für Miete in Höhe von 760 Euro, mit Strom sind das knapp über 800 Euro.“ Da sich dem Kontoauszug vom 25. Mai 2020 zuletzt am 19. Mai 2020 eine Überweisung an die G AG mit 485,59 Euro entnehmen lässt, wurden diesbezüglich die Angaben der Erstbeschwerdeführerin herangezogen. Die Erstbeschwerdeführerin hat weiters die Kosten für Internet mit 29,-- Euro angegeben und außerdem, dass sie für ein Wertkartenhandy jedes Monat 10,-- Euro bezahlt (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3 und 8). Von Autoversicherungsaufwendungen wird nicht ausgegangen, da der Beschwerdeführervertreter wiederholt angegeben hat, dass diese Kosten bereits bei der Ermittlung des Einkommens des Ehemannes bzw. Vaters berücksichtigt wurden (s. Urkundenvorlage vom 24. Juni 2020; Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 3 und 11).

Zur Wohnsituation ist neben den aktenkundigen Mietverträgen wiederum auf die Verhandlungsangaben zu verweisen (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 4 und 10 f.).

Des Weiteren ist der Anspruch auf einen alle Risken abdeckenden und in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz für die Beschwerdeführer nicht zweifelhaft (vgl. auch § 123 Abs. 1 ASVG). Betreffend die Deutschkenntnisse der Erstbeschwerdeführerin ist auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Original vorgelegte Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds zu verweisen und weiters auf das im Beschwerdeverfahren vorgelegte Zeugnis zur Integrationsprüfung. In der am 3. Juli 2020 durchgeführten Verhandlung war eine Verständigung mit der Erstbeschwerdeführerin problemlos möglich.

Die Treffen mit Freundinnen bzw. Kolleginnen und anderen Müttern hat die Erstbeschwerdeführerin angegeben, ebenso, dass der Zeitbeschwerdeführer Freunde hat und gute Noten in der Schule sowie gute Deutschkenntnisse aufweist (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 6 f.). Vorgelegt wurde im Beschwerdeverfahren auch das Jahreszeugnis vom 28. Juni 2019, welches als Beurteilungsstufen nur Sehr gut bzw. Gut aufweist. Dass auch der Ehemann bzw. Vater über Freunde und Bekannte in Österreich verfügt, hat er selbst angegeben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 11). Er hat auch angegeben, dass die Beziehung zum Zweitbeschwerdeführer sehr gut sei und dass er sich natürlich auch um die Tochter kümmere (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 12): „Natürlich. Wenn meine Frau die Zeit nicht hat, wechsle ich etwa die Windeln oder wenn das Gerät läutet, dann gehe ich nachschauen. Ich bin bereit, alles zu tun.“ Zu den Verwandten ist wiederum auf die Verhandlungsangaben zu verweisen (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 6 und 12 ff.). Dass die Beschwerdeführer vor der hg. Aufenthaltstitelerteilung bei Verwandten lebten, wurde mehrfach im Verfahren angegeben, etwa in den Beschwerden oder in der Verhandlung am 1. Februar 2018 (S 9). Dass sie bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien wieder bei der Mutter leben müssten, hat die Erstbeschwerdeführerin angegeben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 6). Dass das Familienhaus des Ehemannes bzw. Vaters in Nordmazedonien 2001 gewaltsam zerstört wurde, wurde vom Ehemann bzw. Vater angegeben (Verhandlungsschrift 1.2.2018, S 9) und es wurde dies auch mit einem Formular „Rehabilitation of conflict damaged residential houses“ samt Fotos belegt.

Zu den Aufenthalten in Nordmazedonien ist wiederum auf die Verhandlungsangaben hinzuweisen (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 6).

Die Feststellung, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführer nicht vorliegen, ergibt sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (s. dazu insbesondere auch die aktenkundigen Abfragen des Zentralen Fremdenregisters). Ebenso wenig haben sich Anhaltspunkte für eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet ergeben. Im Strafregister der Republik Österreich scheint keine Verurteilung auf und es sind die im Verfahren vorgelegten Bestätigungen zum mazedonischen Strafregister negativ. Die Erstbeschwerdeführerin hat auch angegeben, keine Strafe bekommen zu haben (Verhandlungsschrift 3.7.2020, S 6). Im Schengener Informationssystem scheint keine Vormerkung auf. Dafür, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde, liegen keine Anhaltspunkte vor. Zu den Quotenplätzen ist auf die entsprechenden behördlichen Aktenvermerke zu verweisen, zur Gültigkeit der Reisepässe auf die vorgelegten Reisepasskopien.

3.   Maßgebliche Rechtslage:

3.1. § 11 Abs. 1 bis Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (NAG) lautet:

„§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

3.2. § 21 Abs. 6 NAG lautet:

„§ 21. […]

(6) Eine Inlandsantragstellung nach Abs. 2 Z 1, Z 4 bis 9, Abs. 3 und 5 schafft kein über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Ebenso steht sie der Erlassung und Durchführung von Maßnahmen nach dem FPG nicht entgegen und kann daher in Verfahren nach dem FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.“

4.   Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zur Erteilung der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“:

4.1.1. Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages der Erstbeschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels
„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ auf § 11 Abs. 1 Z 5 iVm § 21 Abs. 6 NAG (Überschreitung des visumfreien Aufenthaltes), § 11 Abs. 2 Z 1 iVm § 11 Abs. 4 Z 1 NAG (Gefährdung der öffentlichen Ordnung) und § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG (finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft).

Die Abweisung des Antrages des Zweitbeschwerdeführers wurde damit begründet, dass die Erstbeschwerdeführerin als Mutter nicht zur Niederlassung in Österreich berechtigt sei (§ 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 23 Abs. 4 NAG). Hinzuweisen ist diesbezüglich, dass § 23 Abs. 4 NAG zwischenzeitig mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 aufgehoben wurde und dass damit auch der Vater des Zweitbeschwerdeführers als Zusammenführender in Betracht kommt (vgl. auch RV 1523 BlgNR 25. GP, S 9).

4.1.2. Zum Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG:

Gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthaltes im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 NAG vorliegt.

Gemäß § 21 Abs. 6 NAG schafft eine Inlandsantragstellung nach (u.a.) § 21 Abs. 2 Z 5 NAG kein über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Ebenso steht sie der Erlassung und Durchführung von Maßnahmen nach dem FPG nicht entgegen und kann daher in Verfahren nach dem FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, erfolgten die verfahrensgegenständlichen Antragstellungen der Beschwerdeführer nach rechtmäßiger Einreise und während der Dauer des für Staatsangehörige von Nordmazedonien erlaubten visumfreien Zeitraumes (bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen). In Weiterer Folge wurde jedoch – was seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 26. Jänner 2017 festgestellt wurde – die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten. Die nachfolgende Ausreise aus dem Schengen-Raum und die sodann erfolgte Einhaltung des visumfreien Zeitraumes vermag daran nach dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtshofes nichts zu ändern (s. VwGH 17.6.2019, Ro 2018/22/0014).

Der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG wurde sohin von den Beschwerdeführern verwirklicht.

4.1.3. Zur Frage der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG iVm § 11 Abs. 5 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Der Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes knüpft dabei an die Richtsätze des § 293 ASVG an (vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0186).

Aktuell beträgt der Ehegattenrichtsatz 1.524,99 Euro (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG iVm § 727 Abs. 2 ASVG) und der Richtsatz für ein minderjähriges Kind weitere 149,15 Euro (§ 293 Abs. 1 lit.a ASVG iVm BGBl. II Nr. 348/2019). Fü

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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