Entscheidungsdatum
24.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
L519 2175758-2/11E
schriftliche ausfertigung des am 6.11.2019 verkündeten erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 9.4.2019, Zl. 1095243208-151758281, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6.11.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 9, § 46, § 55 und § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z. 1 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, brachte am 12.11.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er aus einer armen Familie stammt und sein ganzes Hab und Gut verkauft hat, um ins Ausland zu reisen. Er sei in den Irak geflogen, um dort zu arbeiten. Als im Irak immer mehr Bomben fielen, habe er beschlossen, nach Europa zu reisen.
Beim BFA gab der BF zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst an, dass er aus Bangladesch aufgrund politischer Verfolgung geflüchtet sei. Eines Tages seien politische Angehörige zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn geschlagen. Nach 3 bis 5 Tagen habe es eine Anzeige gegen den BF gegeben. Er musste dann Geld zahlen, das er nicht hatte. Er sei dann nach XXXX und habe dort gearbeitet und sich versteckt. Da er Angst um sein Leben und ein komisches Gefühl hatte, sei er nach XXXX , weil es dort viele Schlepper gab und habe seine Ausreise vorbereitet.
Über Nachfragen gab der BF an, dass seine ganze Familie die BNP bevorzugt habe, weshalb es zu Hause immmer Konflikte und Unruhen gegeben habe. Leute der AW seien immer wieder gekommen, hätten einmal den BF geschlagen und 2 bis 3 Mal Zerstörungen im Haus angerichtet. Nach den Zerstörungen habe es immer Bedrohungen gegeben, danach sei auch die Polizei gekommen und habe vom BF eine Geldstrafe verlangt, obwohl er nichts getan habe. Deshalb sei der BF in den Irak. Die Schlägerei sei im März 2012 passiert, die Belästigungen hätten 2010 begonnen, seit 2012 sei es regelmäßig gewesen.
Der BF legte im Zuge dieser Einvernahme Anzeigen vor, wonach er beschuldigt werden soll, Parteimitglieder der AW am Weg zur Arbeit mit einigen anderen geschlagen zu haben. Außerdem habe XXXX den BF angezeigt, dass er diesen auf dem Weg zur Arbeit aufgehalten habe und dass es durch den BF Bombenangriffe gegeben habe. Laut 3. Anzeige habe es illegale Waffenanwendung und damit verbunden einen Mordfall gegeben. Die Familie des BF in Bangladesch werde immer noch von AW-Leuten belästigt. Der BF selbst würde bei einer Rückkehr sofort verhaftet, da es Haftbefehle gegen ihn gäbe.
I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.9.2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z.3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des BF zu seinem Fluchtgrund nicht glaubhaft ist, da der BF ein höchst vages und abstraktes Vorbringen erstattet hat. Es sei ihm nicht gelungen, ein substantiiertes und fundiertes Vorbringen rund um etwaige Fluchtgründe im Herkunftsland darzulegen. Angesichts dessen könnten auch die vorgelegten Schriftstücke nicht zur Untermauerung und Bekräftigung des Vorbringens dienlich sein. Erschwerend komme hinzu, dass die Fälschung von Dokumenten in Bangladesch sehr leicht möglich sei. Von einer Übersetzung bzw. Echtheitsprüfung konnte daher seitens der belangten Behörde Abstand genommen werden.
I.3. Der gegen diesen Bescheid vom BF mit Schriftsatz vom 11.10.2017 fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des BVwG vom 4.12.2017, L519 2175758-1, gem. § 28 Abs. 3 VwGVG Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
I.3.1. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das BFA nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass der BF als Analphabet ein niedriges Bildungsniveau aufweist. Ungeachtet dessen wären aber das Konvolut an vorgelegten bengalischen Schriftstücken und die Anzeigebestätigungen des bengalischen Gerichtes zu übersetzen uns allenfalls in Bangladesch zu überprüfen gewesen. Es reiche nicht aus, lediglich darauf hinzuweisen, dass laut LIB gefälschte Dokumente in Bangladesch problemlos erhältlich sind. Der maßgebliche Sachverhalt sei daher nicht ausreichend ermittelt worden.
I.4. Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz mit im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde erneut gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z.3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
I.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Die Feststellung, dass der BF nicht von staatlichen Behörden oder Dritten in Bangladesch verfolgt wird, wurde aufgrund seiner Angaben im Zuge der Erstbefragung vor der LPD und der unglaubwürdigen, widersprüchlichen und nicht zuletzt vagen und detailarmen Angaben im Zuge der niederschtiftlichen Angaben vor dem BFA in Verbindung mit der persönlichen Unglaubwürdigkeit des BF getroffen.
Zusammengefasst gab der BF an, dass er in Bangladesch auf Seiten der BNP an politischen Demonstrationen teilgenommen habe. Es sei zu Auseinandersetzungen mit der AL gekommen. Der BF sei in der Folge von BNP-Anhängern geschlagen und verletzt worden und man habe ihn mit dem Tod bedroht. Der BF habe sich im Zuge der Ereignisse gezwungen gesehen, nach XXXX zu fliehen. Seine Gegner sollen in der Folge falsche Anzeigen gegen ihn eingebracht haben., worauf sich der BF gezwungen gesehen habe, nach XXXX zu fliehen, von wo aus er Bangladesch letztlich verlassen habe.
Eingangs der Einvernahme zu seinen Fluchtgründen sei der BF aufgefordert worden, alle Gründe anzuführen, weshalb er das Heimatland verlassen hat und weshalb er in Österreich einen Asylantrag gestellt hat. Im vorliegenden Fall konnte der BF den Vorausetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht entsprechen. Die präsentierte Fluchtgeschichte sei tatsächlich zu blass, wenig detailreich, zu oberflächlich, widerspüchlich und daher in der Folge keinesfalls glaubhaft. Das BFA verkenne dabei nicht den niedrigen Bildungsgrad des BF. Aber aus Sicht der Behörde sei der BF durchaus und in erheblichem Masse dazu in der Lage gewesen, bezüglich der Nebenumstände kräftigst zu manipulieren und zu konstruieren. ZB habe er am 19.9.2017 gegenüber dem BFA angegeben, völlig legal von Bangladesch in den Irak gereist zu sein. Am 28.3.2019 gab er hingegen an, er sei illegal mit einem gefälschten Reisepass unter Leistung von Bestechungsgeld von Bangladesch in den Irak gekommen.
Offensichtlich ist dem BF im Verlauf seines Aufenthaltes im Bundesgebiet unter nur allzu naheliegender Einflussnahme und der offensichtlichen Beratung durch die bengalische Community – wie schon bei der Steigerung der bei der Erstbefragung gemachten Angaben (wirtschaftliche Gründe) – zu Bewusstsein gekommen, dass eine legale Ausreise aus Bangladesch das Fluchtvorbringen (behördliche Verfolgung unter Ausstellung von 3 Haftbefehlen wegen Kapitalverbrechen) konterkarieren würde. Eine solche Ausreise von einem internationalen Flughafen wäre den allgemeinen Denkgesetzen folgend wohl nicht möglich, würde der BF tatsächlich mit 3 Haftbefehlen gesucht.
Der allgemeinen Lebenerfahrung entsprechend, könne wohl davon ausgegangen werden, dass der BF bei Kontrollen, die auf jedem internationalen Flughafen durchgeführt werden, aufgefallen wäre. Den allgemeinen Denkgesetzen folgend hätte die Polizei den BF, den sie wegen schwerer Verbrechen, darunter Mordversuch, sucht, diese Ausschreibung des BF an die Kontrollorgane (Zoll, Grenzkontrollbehörden) auf sämtlichen internationalen Flughäfen in Bangladesch weitergegeben, und sich diesbezüglich versichert, dass der BF Bangladesch auf diesem Weg nicht verlassen kann. Anders ließe sich nicht erklären, weshalb die Behörden von Bangladesch den enormen Aufwand von der Erstinformationsberichten, 3 Anklageschriften und 3 Haftbefehlen betreiben sollte, um des BF habhaft zu werden.
In Bezug auf die angeblichen Geschehnisse um seine politische Verfolgung zeigte sich der BF nicht so eloquent. Wie bereits dargelegt, blieb er trotz mehrmaliger Nachfrage bezüglich der Geschehnisse, die ihn zum Verlassen der Heimat bewogen haben, äußerst kurz gehalten, vage, unkonkret und überdies auch lebensfremd.
Er habe lebensfremde Angaben gemacht, wie es dazu gekommen sein soll, dass die 14 bis 15 Angreifer, die den BF vermeintlich zusammmengeschlagen haben und mit „so etwas wie Stichmessern“ in den Rücken gestochen haben, vom BF abgelassen hätten. Es sei nicht glaubhaft, dass lediglich das Schreien der Mutter des BF und seiner Gattin den aufgebrachten Mob davon abhehalten hätten, die beabsichtigte Tat zu vollenden.
Der BF habe überdies keine Angaben dazu gemacht, wie er zu einem Arzt ins Spital gekommen wäre. Auch bezüglich seiner Gefühlswelt blieb der BF vollkommen blass. Aus Sicht der belangten Behörde müsse auch unter Bedachtnahme auf das niedrige Bildungsniveau des BF davon ausgegangen werden können, dass er einen tatsächlich erlebten Sachverhalt, der Angst – ja sogar Todesangst – hervorgerufen haben muss, beschreiben könnte, Schmerzen, die zwangsläufig durch die Stiche in den Rücken entstanden sein müssen, ein Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit nach den angeblichen Schlägen auf den Kopf, eine wohl zwingend vorhandene Orientierungslosigkeit etc. etc. Nichts davon habe der BF beschrieben. Völlig emotionslos sei der BF zu einem Arzt ins Spital gegangen, wo er wieder von seinen Peinigern aufgesucht worden sein soll, sodass es nicht einmal möglich gewesen sein soll, dem BF einen Entlassungsschein aus dem Spital auszufolgen. Anlässlich der Befragung am 19.9.2017 wusste der BF über derartige Vorkommnisse, die die Verhinderung der Ausfolgung des Entlassungsscheines zur Folge gehabt hätten, nichts zu berichten.
In Bezug auf die vorgelegten Beweismittel verweise die belangte Behörde zunächst auf die diesbezüglichen Feststellungen der Staatendokumentation. Dabei werde nicht verkannt, dass es sich bei den in den Länderfeststellungen angeführten Tatsachen in bezug auf Dokumente aus Bangladesch nicht um eine konkrete Überprüfung der vom BF vorgelegten Beweismittel handelt. Dementsprechend hat die belangte Behörde versucht, die Beweismittel verifizieren zu lassen. Gemäß der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ist aber eine Überprüfung solcher Beweismittel konkret nicht (nicht mehr) möglich. Dennoch sei den Beweismitteln des BF jeglicher Beweiswert anzusprechen. Die belangte Behörde sehe sich durch die Angaben, die der BF zu diesen Beweismitteln gemacht hat, in Verbindung mit den Länderfeststellungen bestätigt. Aufgrund der völlig unzusammenhängenden Angaben in diesen Dokumenten, den Kopierfehlern, den Angaben zu den beteiligten Personen, dem nicht nachvollziehbaren Ordnungszahlensystem, konnte die belangte Behörde davon ausgehen, dass den Beweismittel kein Glauben zu schenken ist.
Selbst bei hypothetischer Echtheit sind die vom BF eingebrachten Beweismittel nicht dazu geeignet, um eine Verfolgung des BF zu verifizieren. Es sei nur zu offensichtlich, dass die Identität des BF nicht feststeht und auch nicht feststellbar ist. Der BF führe 3 Identitäten und habe der Behörde eine Geburtsurkunde vorgelegt, in der er nunmehr XXXX sein soll, ergo die 4. Identiät. Der BF sei auch wegen Fälschung eines bengalischen Führerscheins angezeigt worden, von einer Verfolgung sei die StA unter Setzung einer Probezeit von 2 Jahren lediglich vorläufig zurückgetreten. Der BF gab gegenüber der Behörde auch an, ein falsches Reisedokument lautend auf XXXX …. anfertigen haben zu lassen und dieses auch verwendet zu haben- ergo die vermeintlich 5. Identität. Den allgemeinen Denkgesetzen folgend könne nun nicht festgestellt werden – selbst bei hypothetischer Echtheit der Beweismittel – wovon die Behörde aber absolut nicht ausgehe, dass die vorgelegten Unterlagen tatsächlich den BF betreffen.
Zusammenfassend komme die Behörde zum Schluss, dass den Beweismitteln des BF, seinem Fluchtvorbringen und seiner Person keinesfalls Glauben geschenkt werden könne. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der BF bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt hat, wonach er aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Europa gekommen ist. Er habe dann versucht, unter Steigerung seines Fluchtvorbringens unter Beibringung falscher, ge- oder verfälschter Beweismittel den Status eines Asylberechtigten zu erschleichen.
I.4.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.
Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.
I.5. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist erneut Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Ausführungen vorgebracht, dass die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt habe, indem sie den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe. Die Länderfeststellungen seien unvollständig und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF beschäftigen. Die belangte Behörde habe sich nur am Rande mit der Verfolgung von Oppositionellen durch die Regierung beschäftigt (s. HRW, Crackdown as Elections Loom vom 13.12.2018; RDC Legal Aid Board Bangladesh vom 25.6.2018, ODHIKAR, Coalition for Human Rights: Bangladesh Freedoms of Expression, Assembly and Association are under serious Threat vom 29.5.2017; Jean Luc Racine: Abrechnung in Bangladesch; Le monde diplomatique vom 8.12.2016; ARC: Bangladesh Query Response: AL and supporters of BNP vom 15.12.2016; AI: 28 Männer als vermeintlich homosexuell festgenommen; Deutsches BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; OMCT: Human Rights Commitee concluding observations on the initial country report vom 29.3.2017; Reiseinformation des BMEIA; Bangladesh- Researched and compiled by the Refugee Documentation Centre of Ireland vom 17.2.2017; DFAT: Country Information Report Bangladesh vom 2.2.2018).
Zudem sei die Beweiswürdigung mangelhaft. Der BF habe nicht gewusst, dass er bei der Erstbefragung sämtliche Fluchtgründe ansprechen hätte können. Außerdem sei er erst kurz im Bundesgebiet und müde gewesen.
Zu den vorgelegten Beweismitteln hätte der BF zusätzlich angeben können, dass seine Mutter einen Rechtsanwalt beauftragt hat, um diese zu beschaffen. Er könne aber keine näheren Angaben zu Nummerierung und Echtheit machen, erteile aber seine Zustimmung zur Überprüfung auf Echtheit. Hinsichtlich des zu erwartenden Urteils hätte der BF angeben können, dass Gerichtsverfahren in Bangladesch sehr lange dauern und er sich bemühen werde, über seine Mutter das Urteil zu erhalten. Von der Fälschung seines Führerscheins wisse der BF nichts, in Bangladesch habe er damit auch bei einer Polizeikontrolle kein Problem gehabt.
Dem BFA wäre es bei den Einvernahmen des BF problemlos möglich gewesen, die Alias-Identitäten des BF als verschiedene Schreibweisen seines Namens zu verifizieren. Der volle Name laute XXXX , wobei XXXX der Vatersname ist.
Der BF habe seine Probleme so genau wie möglich geschildert. Allerdings sei es ihm aufgrund seines Bildungsgrades kaum möglich, die Fluchtgeschichte chronologisch und stringent wiederzugeben, ohne dazu durch konkrete Fragen angeleitet zu werden. Der BF sei Unterstützer der BNP gewesen, seine Gegner hätten ihn mehrfach aufgesucht, wobei er einmal von 10 bis 15 Personen gefunden und attackiert wurde. Der BF habe nur überlebt, da die Angreifer von Dorfbewohnern verjagt wurden, die den bewußtlosen BF auch ins Krankenhaus brachten.
Im Übrigen sei der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig.
I.6. Für den 6.11.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der der BF mit seiner Rechtsvertretung teilnahm.
I.7. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführer:
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Staatsangehörigen von Bangladesch, welcher zur Volksgruppe der Bengalen gehört und sich zum sunnitischen Islam bekennt. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger.
Der BF ist ein verheirateter, junger, weitgehend gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer in Bangladesch – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage.
Der BF stammt aus dem Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz XXXX , wo er in seinem Elternhaus gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Frau sowie den beiden gemeinsamen Kindern gelebt hat. Ein Haus, das dem BF und seinen 4 Geschwistern gehört hat, wurde verkauft. Zuletzt hielt sich der BF vor seiner Ausreise in XXXX bzw. XXXX auf, von wo aus er auch seiner Ausreise antrat.
Zuletzt hat der BF in Bangladesch als Kraftfahrer gearbeitet. Eine Schule hat er nach eigener Angabe nicht besucht. Er spricht Bengali auf muttersprachlichem Niveau.
Der BF hat laut eigener Angabe Diabetes und nimmt deshalb täglich eine Tablette, deren Namen er nicht angeben kann.
Außer der Mutter des BF, seiner Gattin und seinen beiden Kindern leben in Bangladesch noch 3 verheiratete Schwestern des BF, seine Schwiegereltern sowie Onkel und Tanten, die neben dem Bruder des BF, der in Malaysia lebt, die Familie des BF derzeit unterstützen.
Der BF reiste legal aus Bangladesch aus und illegal und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein.
Er hat 3 Deutschkursbesuchsbestätigungen des Flüchtlingprojektes Ute Bock vorgelegt, aber kein Sprachdiplom. Er bezieht Grundversorgung und hat keine österreichischen Freunde oder Bekannten. Der BF war in Österreich bei Muslim Hands tätig.
Der BF hat keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.
Die Identität des BF steht nicht fest.
Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Bangladesch:
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch werden folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).
Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt. (HRW 13.12.2018). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
2014 trat die BNP aus Protest gegen Verfahrensfehler bei der Organisation der Wahlen nicht zur Wahl an und forderte die Bevölkerung, ihre eigenen Parteimitglieder und Wähler zu einem Generalstreik (Hartal) auf. Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).
Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 12.2018).
Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL in 176 Bezirken als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016). Die kommenden Kommunalwahlen werden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 stattfinden (bdnews24 3.2.2019). Am ersten Wahltermin wurden in den 78 Upazilas eine geringe Wahlbeteiligung beobachtet. Die Wahl wird von der BNP und einigen anderen Parteien boykottiert (DS 10.3.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019
bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019
BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019
BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
DS – Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019
DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019
DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019
DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019
DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019
FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 7.3.2019
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019
Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019
Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 7.3.2019
NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019
ÖB DEL – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019
RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019
WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern – mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
AI – Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019
BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019
FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
UKHO – UK Home Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019
USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).
Quellen:
FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019
ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 20.4.2018).
Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.10.2017). Misstrauen gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten hält viele Bürger davon ab, Unterstützung zu suchen oder Verbrechen anzuzeigen. Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 20.4.2018). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 12.2018).
Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 12.2018).
Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“. Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach (AI 23.5.2018; siehe auch Abschnitt 6.). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 27.10.2017).
Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 12.2018):
Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt 14 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 12.2018; vgl. RAB o.D.). Ihnen werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z. B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.10.2017). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 12.2018). Trotz Vorwürfen von Verstößen, einschließlich einer Audioaufzeichnung einer außergerichtlichen Hinrichtung durch Mitglieder des RAB, haben die Behörden es versäumt, die Verantwortlichen auszuforschen und zu verfolgen (HRW 17.1.2019).
Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 12.2018).
Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 12.2018).
Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 12.2018).
Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.10.2017).
Die Zivilbehörden haben eine effektive Kontrolle über das Militär und die Regierung verfügt über die notwendigen Mechanismen, um Missbrauch und Korruption zu ahnden. Allerdings macht sie hiervon immer weniger Gebrauch. Faktisch hat der Sicherheitsapparat ein Eigenleben entwickelt, das kaum mehr von der Regierung kontrolliert wird (AA 27.10.2017).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 7.3.2019
ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
RAB – Rapid Action Battalion Bangladesh (o.D.): Contact Us, http://www.rab.gov.bd/english/contact-us/, Zugriff 11..2019
USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste (USDOS 20.4.2018). Im Fokus der Kritik bezüglich Folter wie auch extralegaler Tötungen stehen dabei insbesondere die Angehörigen der Rapid Action Battalions (RAB) (ÖB 12.2018). Die Behörden gehen entsprechenden Anzeigen nur selten nach. Das Gesetz zur Verhinderung von Folter und Tod in Gewahrsam (Torture and Custodial Death Prevention Act) aus dem Jahr 2013 wird aufgrund mangelndem politischen Willen und Unkenntnis der Strafvollzugsbehörden unzureichend umgesetzt (AI 23.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Missbrauch durch Sicherheitsbeamte bleibt weitgehend straflos (USDOS 20.4.2018).
Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Sicherheitsbehörden wenden Bedrohungen, Schläge, Kneecapping [Anm.: Schüsse ins Bein oder Knie] und Elektroschocks sowie manchmal Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe an, um Informationen von mutmaßlichen Aufständischen und Oppositionellen zu erlangen (USDOS 20.4.2018). Zahlreiche Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung erscheinen politisch motiviert und manchmal werden Familienmitglieder von politischen Gegnern zu Opfern (HRW 17.1.2019). Doch auch vulnerable Gruppen und normale Bürger sind von Folter betroffen (OMCT 26.6.2018).
Gemäß der bangladeschischen NGO Odhikar starben im Jahr 2017 13 Personen an den Folgen von Folter; weiters werden für 2017 155 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 86 Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen berichtet (Odhikar 12.1.2018).
Trotz internationaler Verpflichtungen hat Bangladesch bisher keine Schritte zur Etablierung eines effektiven Opfer- und Zeugenschutzes getätigt und auch keine Prozeduren eingeleitet, die es Opfern ermöglicht ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen. Folteropfer und deren Familien werden nach Anzeigen gegen Sicherheitsbeamte häufig bedroht und in vielen Fällen wird ihnen Geld angeboten, damit sie die Beschwerde zurückziehen. In den wenigen Fällen, die vor Gericht gelangen, sind die Opfer mit einem dysfunktionalen und parteiischem Justizsystem konfrontiert (OMCT 26.6.2018). In Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 27.10.2017).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
AI – Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019
ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
Odhikar (12.1.2018): Bangladesh Annual Human Rights Report 2017, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2018/01/Annual-HR-Report-2017_English.pdf, Zugriff 1.3.2019
OMCT – World Organisation Against Torture (26.6.2018): Bangladesh: Torture prevails due to deeply rooted culture of impunity, http://www.omct.org/statements/bangladesh/2018/06/d24943/, Zugriff 6.3.2019
USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Korruption
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.10.2017; vgl. LIFOS 25.2.2019). Der Vorsitzende der Antikorruptionsbehörde, Iqbal Mahmood, wird mit den Worten zitiert, die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass er ratlos sei, wie er sie reduzieren könne (AA 27.10.2017). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2018 den 149. Platz unter 180 untersuchten Staaten, das ist eine Verschlechterung von sechs Plätzen im Vergleich zum Jahr 2017 (143/180) (TI 29.1.2019).
Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 12.2018).
Laut Transparency International haben im Jahr 2015 47 % der befragten Haushalte und 49 % der befragten Unternehmen Bestechungsgeld gezahlt (TI 30.5.2016). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf (AA 27.10.2017).
Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als „eher zahnloser Papiertiger“ sowie „reines Aushängeschild“ beurteilt (ÖB 12.2018). Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Beamte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 27.10.2017). Im Gegenzug wird der Regierung vorgeworfen, die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung zu nutzen (USDOS 20.4.2018), beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 1.2018).
Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weitverbreiteten Polizeikorruption (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):