TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/20 L507 2202050-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2020
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Entscheidungsdatum

20.02.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

1) L507 2202049-1/7E

2) L507 2202051-1/7E

3) L507 2202050-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerden des 1) XXXX , geb. XXXX , der 2) XXXX , geb. XXXX , und der 3) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Türkei, alle vertreten durch die Brehm und Sahinol Rechtsanwälte OG, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.01.2020,

A)

I. den Beschluss gefasst:

Die Verfahren hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. der angefochtenen Bescheide zu
Zlen. XXXX und XXXX werden wegen Zurückziehung der Beschwerden gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

1. In Stattgebung der Beschwerden gegen Spruchpunkte IV. der angefochtenen Bescheide zu
Zlen. XXXX und XXXX werden diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides zu
Zl. XXXX wird gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 und § 46 FPG als unbegründet abgewiesen.

3. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu
Zl. XXXX wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf 18 Monate herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) sowie dessen Ehegattin, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), und deren minderjährige Tochter, die Drittbeschwerdeführerin (BF3), stellten am 16.01.2018 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde Anträge auf Verlängerung ihrer "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit".

2. Die Niederlassungsbehörde teilte dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben vom 19.04.2018 mit, dass aus behördlicher Sicht weder die Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich des BF1 nach § 11 NAG noch jene für die BF2 und BF3 erfüllt seien. Im Hinblick darauf wurden dem BFA gemäß § 25 Abs. 1 NAG die Verfahrensunterlagen der Beschwerdeführer mit der Bitte um Prüfung der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß §§ 52 ff FPG übermittelt.

3. Am 24.05.2018 wurden der BF1 und die BF2 beim BFA unter Beiziehung eines Dolmetschers und im Beisein ihres vormaligen anwaltlichen Vertreters niederschriftlich einvernommen.

4. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 13.06.2018 wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF1 ein auf die Dauer von 3 Jahren, gegen die BF2 und BF3 ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV).

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 13.06.2018 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater beigegeben.

6. Gegen die am 18.06.2018 zugestellten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihren vormaligen rechtsfreundlichen Vertreter mit 13.07.2018 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang.

Der Beschwerde wurden verschiedene Beweismittel beigelegt.

7. Am 09.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Beschwerdeführer eine öffentlich mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Sie sind Staatsangehörige der Türkei und moslemischen Glaubens. Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet, die BF3 ist die gemeinsame minderjährigen Tochter der beiden.

Die Beschwerdeführer reisten im Jänner 2015 unter Verwendung türkischer Dienstpässe sichtvermerkfrei in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF1 seither in Österreich aufhältig. Die BF2 und BF3 waren bis August 2019 in Österreich aufhältig.

Den Beschwerdeführern wurden von der zuständigen Niederlassungsbehörde Aufenthaltstitel

"Aufenthaltsbewilligung – Sonderfälle unselbständige Erwerbstätigkeit" erteilt. Am 16.01.2018 beantragten sie jeweils eine Verlängerung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständige Erwerbstätigkeit", über diese Anträge wurde bisher nicht entschieden.

Der BF1 absolvierte in der Türkei eine Ausbildung zum moslemischen Seelsorger (Imam). Als solcher wurde er türkischer Staatsbediensteter, sein Arbeitgeber ist die staatliche Religionsbehörde Diyanet. Den Beruf moslemischen Seelsorgers übte er zunächst in der Türkei aus, ehe er als solcher von Diyanet für eine Dauer von fünf Jahren nach Österreich entsandt wurde, wo er im Auftrag der "Türkischen Islamischen Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich" (ATIB) – auf Grundlage eines zwischen ATIB und "Diyanet Belgique" abgeschlossenen Rahmenvertrags – in einer Moschee in Enns bis dato diese Tätigkeit ausübt. Der Verein ATIB haftet auf der Grundlage einer Haftungserklärung für allfällige Kosten der Allgemeinheit, die aus dem Aufenthalt der Beschwerdeführer resultieren sollten. Der BF1 bezieht als Imam aktuell ein monatliches Nettogehalt in Höhe von € 2.105 ,-, das ihm vom der türkischen Vertretungsbehörde in Österreich ausbezahlt wird. Darüber hinaus bezieht der Beschwerdeführer nach wie vor seinen Gehalt als türkischer Staatsbediensteter.

Die BF2 und BF3 sind im August 2019 in die Türkei zurückgekehrt, weil die BF3 die Volksschule in Österreich absolviert hatte und im August 2019 in der Türkei mit dem Besuch der Mittelschule begonnen hat.

Die Entsendung des BF1 nach Österreich bzw. sein Vertrag für seine Tätigkeit als moslemischer Seelsorger in Österreich wäre mit 20.01.2020 abgelaufen und wäre der BF1 nach dem 20.01.2020 in die Türkei zurückgekehrt. Der Vertrag des BF1 wurde Anfang Jänner 2020 bis Juli 2020 verlängert, weshalb der BF1 nicht in die Türkei zurückgekehrt ist.

Die Beschwerdeführer sind bzw. waren in Österreich nicht sozialversicherten. Eventuell anfallende Kosten für medizinische Behandlungen oder Medikamente werden bzw. wurden den Beschwerdeführern von den türkischen Vertretungsbehörden ersetzt. Die Beschwerdeführer sind in der Türkei sozialversichert.

Der BF1 ist in Österreich nicht lohnsteuerpflichtig.

Der BF1 pflegt soziale Kontakte im Rahmen seiner seelsorgerischen Tätigkeit sowie innerhalb der Moschee. Die Beschwerdeführer haben bzw. hatten im Bundesgebiet sonst keine familiären Anknüpfungspunkte. Die BF2 und BF3 sowie die übrigen Verwandten des BF1 leben in der Türkei.

Der BF1 ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde zur allgemeinen Lage in der Türkei werden auch der gg. Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt.


2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF1 und der BF2, der bekämpften Bescheide, des Beschwerdeschriftsatzes, der vorgelegten Beweismittel, sowie durch Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu den Feststellungen oben, die insgesamt unstrittig waren, zumal sie sich auf die persönlichen Angaben des BF1 und der BF2, auf die vorgelegten Urkunden und das Ergebnis der mündlichen Beschwerdeverhandlung stützten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG sowie § 9 Abs. 2 des FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Zu A) I.

Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. bis III. der angefochtenen Bescheide betreffend die BF2 und BF3 wurden von deren rechtsfreundlichen Vertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.01.2020 zurückgezogen, weshalb die hg. Beschwerdeverfahren darüber beschlussmäßig einzustellen waren. Die diesbezüglich angefochtenen Entscheidungen des BFA erwuchsen damit in Rechtskraft

Zu A) II.

1.1. § 24 Abs. 1 NAG lautet:

Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet.

§ 25 NAG lautet:

(1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde – gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hierzu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden – zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.

§ 11 NAG lautet:

(1) ...

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. ...

6. ...

7. ...

(3) ...

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. ...

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO) übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

§ 52 FPG lautet:

(1) ...

(2) ...

(3) ...

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. ...

1a. ...

2. ...

3. ...

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht ...

5. ...

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) ...

(6) ...

(7) ...

(8) ...

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

§ 9 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Art. 8 EMRK lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

1.2. Die zuständige Niederlassungsbehörde verständigte im Zuge der bei ihr anhängig gewordenen Verfahren auf antragsgemäße Verlängerung der den Beschwerdeführern bisher zukommenden Aufenthaltstitel das BFA über das Fehlen der dafür notwendigen Voraussetzungen bzw. das Vorliegen von Versagungsgründen iSd § 25 NAG, woraufhin dieses Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen die Beschwerdeführer einleitete.

Das BFA als hier belangte Behörde stützte seine gg. Rückkehrentscheidungen auf
§ 52 Abs. 4 Z 4 FPG, indem es zum einen darauf abstellte, dass der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführer ein Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG entgegenstand.

Die diesbezüglich festzustellende Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet resultiere nach Ansicht des BFA im Wesentlichen aus dem § 6 Abs. 2 IslamG 2015, der vorgibt, dass die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit einer Religionsgemeinschaft und Kultusgemeinde (erg. auf österr. Bundesgebiet) im Inland zu erfolgen hat und daher eine Finanzierung von Personalkosten aus dem Ausland und der Einsatz öffentlicher Bediensteter, unabhängig davon in wessen Diensten diese stehen, unzulässig ist, und der Feststellung im gg. Fall, dass im Gegensatz dazu die Tätigkeit des BF1 als Imam in Österreich aus dem Ausland finanziert wird.

Darüber hinaus sei nicht feststellbar gewesen, dass der Leistungsumfang der ausländischen Krankenversicherung der Beschwerdeführer dem eines alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutzes einer in Österreich leistungspflichtigen Versicherung iSd § 11 Abs. 2 Z 3 NAG entspricht.

Schließlich würde die Entlohnung des BF1 für seine Tätigkeit als Imam in Österreich durch eine ausländische Einrichtung den Vorgaben des IslamG widersprechen und sei daher dieses insoweit als unerlaubt zu qualifizierende Einkommen nicht in die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel iSd § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG einzubeziehen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer iSd § 9 BFA-VG ihre durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen auf rechtswidrige Weise verletzen würde, seien nicht feststellbar gewesen.

1.3. In der Beschwerde wurde der Sichtweise der belangten Behörde im Hinblick auf
§ 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG und § 6 Abs. 2 IslamG zum einen dahingehend widersprochen, dass sich die letztgenannte Bestimmung ausschließlich an Religionsgemeinschaften und Kultusgemeinden – als Normadressaten – richtet, nicht jedoch an einen Seelsorger persönlich. Mangels Pflichtverletzung durch diesen sei daher auch nicht der Tatbestand der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt erfüllt.

Die belangte Behörde verwies ihrerseits auf den Normzweck des § 6 Abs. 2 IslamG, der – wie es schon in der Regierungsvorlage zu diesem Regelwerk dargestellt worden sei – gewährleisten soll, dass die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit einer Religionsgemeinschaft und Kultusgemeinde, so auch der Personalkosten, im Inland erfolgt. Dieses Verbot einer Auslandsfinanzierung diene der Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit von ausländischen Einrichtungen und der Hintanhaltung von – auch staatlicher – Einflussnahme von außen.

Der Verfassungsgerichtshof unterstrich diese Sichtweise in seiner Entscheidung vom 13.03.2019, E 3830-3832/2018-24 und E 4344/2018-20, über die Beschwerden gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Dezember 2018, L519 2201426-1/15E, L519 2201429-1/14E und L519 2201427-1/10E, sowie vom 25. September 2018, L504 2203360-1/4E, indem er – die Verfassungskonformität des § 6 Abs. 2 IslamG bejahend – u.a. ausführte:

"Der § 6 Abs. 2 IslamG konkretisiert den Grundsatz der Selbsterhaltungsfähigkeit, wie er in
§ 4 Abs. 1 Islamgesetz 2015 und § 5 iVm § 1 Abs. 2 Anerkennungsgesetz zum Ausdruck kommt, in spezifischer Form für die islamischen Religionsgesellschaften bzw. Kultusgemeinden (vgl. RV 446 BlgNR 25. GP, 4). Die Art und Weise der Aufbringung der Mittel für die Finanzierung der Tätigkeiten gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften ist vom Schutzbereich der korporativen Religionsfreiheit erfasst. Sie wird auf verfassungsrechtlicher Ebene durch Art. 15 StGG und Art. 9 EMRK geschützt.

§ 6 Abs. 2 Islamgesetz 2015 greift (zwar) in die korporative Religionsfreiheit zwar ein, indem die Möglichkeiten der Finanzierung der Tätigkeiten im Schutzbereich des Grundrechtes beschränkt werden. Die Bestimmung bildet aber (entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer) weder einen unzulässigen Eingriff in die inneren Angelegenheiten der islamischen Religionsgesellschaften iSd Art. 15 StGG noch einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK.

Die Wahrung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften vom Staat, aber insbesondere auch von anderen Staaten und deren Einrichtungen, bildet ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel. Diese Autonomie ist auch von der durch Art. 15 StGG grundrechtlich geschützten korporativen Religionsfreiheit erfasst und sichert die selbständige und unabhängige Besorgung der inneren Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgesellschaften, letztlich aber auch die individuelle Religionsausübungsfreiheit der einzelnen Mitglieder einer Kirche oder Religionsgesellschaft. Vor diesem Hintergrund bildet es ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel, die Finanzierung der gewöhnlichen Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der Mitglieder zur Wahrung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit einer Religionsgesellschaft grundsätzlich durch finanzielle Mittel aus dem Inland zu sichern (vgl. RV 446 BlgNR 25. GP, 5).

Obgleich die Aufbringung und Verwendung finanzieller Mittel durch gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften grundsätzlich zum Bereich der inneren Angelegenheiten iSd Art. 15 StGG zählt, sichert das (hier vorliegende) Verbot der Mittelaufbringung durch eine laufende Finanzierung aus dem Ausland – d.h. das Erfordernis der Sicherstellung hinreichender Mittel im Inland – die Autonomie der islamischen Religionsgesellschaften bzw. Kultusgemeinden gegenüber Einwirkungen anderer Staaten und deren Einrichtungen – im konkreten Fall: des Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei (Diyanet Isleri Baskanligi)."

Aus diesen Ausführungen ist abzuleiten, dass nicht nur das Verbot der Auslandsfinanzierung einer islamischen Kultusgemeinde als solche durch das IslamG im öffentlichen Interesse gelegen ist, sondern naturgemäß auch das Verbot der Bestreitung z.B. ihrer Personalaufwendungen in Form von (laufenden) Gehaltszahlungen an ihre Seelsorger direkt aus ausländischen Mitteln, ansonsten der § 6 Abs. 2 IslamG diesbezüglich wirkungslos wäre.

Die belangte Behörde gelangte insoweit zu Recht zum Schluss, dass der weitere Aufenthalt des BF1, der für die Dauer seiner Entsendung als Imam seine seelsorgerische Tätigkeit im Rahmen bzw. in den Räumlichkeiten von ATIB ausübt und dafür in einer vom IslamG verpönten Form eine fortlaufende Gehaltszahlung persönlich vereinnahmt, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 4 Z. 1 NAG darstellt.

Eine andere, in der Beschwerde pro futuro in Aussicht gestellte rechtliche Konstruktion in Form einer im Inland bestehenden Privatstiftung, aus der ein Imam, der mit dieser ein Dienstverhältnis nach inländischen arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen eingehen und von dieser auch entlohnt werden sollte, wurde offenkundig bis dato nicht realisiert.

1.4. Im Lichte des Gesagten waren die Fragen, ob ein Versagungsgrund iSd § 11 Abs. 2 Z 3 NAG wegen des Fehlens eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes oder ein solcher iSd
§ 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG wegen des Fehlens ausreichender legaler Unterhaltsmittel vorlag, nicht mehr entscheidungswesentlich.

1.5.1. Andererseits wurde in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass die Entscheidung der belangten Behörde eine offenkundige Verletzung des Unionsrechts, in concreto von Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats und von Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, darstelle.

1.5.2. Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation (Assoziierungsabkommen). Am 23. November 1970 verabschiedeten die Vertragsparteien das "Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation" (im Folgenden: ZP), das am 1. Januar 1973 in Kraft trat. In weiterer Folge wurde am 19.09.1980 durch den Assoziationsrat (dem durch das ZP Normsetzungskompetenz übertragen wurde) der Beschluss Nr. 1/80 über die Entwicklung der Assoziation (kurz: ARB 1/80) gefasst, welcher den vorangegangenen Beschluss Nr. 2/76 weitgehend ablöste.

In Art. 6 ARB 1/80 werden die Rechte türkischer Staatsangehöriger geregelt, welche je nach Beschäftigungsdauer in Österreich bestimmte Ansprüche im Hinblick auf ihre Weiterbeschäftigung und letztlich ihren Aufenthalt ableiten können:

"Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."

Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

Gemäß Art. 14 ARB 1/80 Abs. 1 gilt dieser Abschnitt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Gemäß Abs. 2 leg. cit. berührt er nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder zweiseitigen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergeben, soweit sie für ihre Staatsangehörigen eine günstigere Regelung vorsehen.

1.5.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26.06.2012, 2010/09/0234, Bezug nehmend auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (hier: Urteil vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-1/97, Birden), ausgeführt, dass "für die Zugehörigkeit eines türkischen Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 es darauf ankommt, ob das Arbeitsverhältnis des Betreffenden im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats lokalisiert werden kann oder eine hinreichende Verknüpfung in diesem Gebiet aufweist, wobei insbesondere der Ort der Einstellung des türkischen Staatsangehörigen, das Gebiet, in dem oder von dem aus die Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt wird, und die nationalen Vorschriften im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen sind (Randnr. 37)"... "Zweck und Systematik des Beschlusses Nr. 1/80 sind auf die Förderung der Integration türkischer Staatsangehöriger im Aufnahmemitgliedstaat gerichtet (Randnr. 40)".

Der BF1 hat vor der belangten Behörde dargetan und blieb dies auch in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen, dass er sich während seiner seelsorgerischen Tätigkeit als Imam in Österreich durchgehend in einem Dienstverhältnis mit der türkischen staatlichen Religionsbehörde Diyanet befindet. Dass die Realisierung seiner seelsorgerischen Tätigkeit durch einen Rahmenvertrag zwischen Diyanet Belgique und dem Verein ATIB, in dessen Räumlichkeiten er Unterkunft nahm und seine religiösen Aufgaben wahrnimmt, ermöglicht wurde, tut dieser Feststellung keinen Abbruch. Insofern bezieht er sein Gehalt auch nicht von einem inländischen Arbeitgeber, sondern von seiner türkischen Dienstbehörde im Wege des türkischen Generalkonsulats und ist er daher in Österreich auch weder lohnsteuer- noch sozialversicherungspflichtig. Im Lichte dessen gehört er ganz offenkundig nicht dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich an. Auch ist seine Tätigkeit hierorts nicht darauf ausgerichtet, ihm eine dauerhafte Integration zu ermöglichen, sondern von vornherein als befristete und nur vorübergehende Entsendung gerade für diese gedacht.

In Ansehung dieser Umstände kommen dem BF1 per se keine Vergünstigungen des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei zugute, weshalb er sich keineswegs auf die dort normierten Rechte und Stillhalteklauseln berufen kann. Das anderslautende Beschwerdevorbringen, wonach Art 13 ARB 1/80 auch ohne Zugehörigkeit des Fremden zum regulären Arbeitsmarkt gelte, entbehrt jeglicher Grundlage.

1.6.1. Bei der Setzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF1 auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellen.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Wie der Verfassungsgerichtshof in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),


die Bindungen zum Heimatstaat,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigen das Recht auf Privatsphäre eines Fremden dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

1.6.2. Der BF1 hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte.

Es war damit nicht vom Bestehen einer familiären Nahebeziehung in Österreich auszugehen.

Es war daher (nur) zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF1 im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Der BF1 ist seit seiner Einreise im Jänner 2015 bis dato im Bundesgebiet aufhältig, seit der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels im Jänner 2015 bis heute auch rechtmäßig.

Es waren hinsichtlich des BF1 keine Hinweise auf eine, über seine Tätigkeit als Imam hinausgehende, sonstige außergewöhnliche Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Sicht feststellbar.

Der BF1 hat den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurden dort sozialisiert und spricht die dortige Landessprache. Der BF1 steht nach wie vor in einem Dienstverhältnis mit der türkischen staatlichen Religionsbehörde Diyanet und war in der Türkei auch schon als Imam erwerbstätig, weshalb die Selbsterhaltungsfähigkeit des BF1 in der Türkei angenommen werden konnte. Ebenso war festzustellen, dass der BF1 in der Türkei über weitere Bezugspersonen in Form von Ehegattin, Tochter, Eltern und Geschwistern verfügt. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es ihm unmöglich gewesen wäre sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Den privaten Interessen des BF1 im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich standen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen sowie der Hintanhaltung von strafbarem Verhalten, gegenüber.

Diesbezüglich war vor allem in Betracht zu ziehen, dass die Fortsetzung der Tätigkeit des BF1 als moslemischer Seelsorger in oben festgestellter Form im Lichte des § 6 Abs. 2 IslamG eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellte, weshalb ihm ein weiterer Aufenthaltstitel versagt wurde.

1.6.3. Nach Maßgabe einer im Sinne des § 9 BFA-VG durchgeführten Interessensabwägung ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF1 im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwog und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorlag.

1.7. Da sohin die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG vorlagen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

1.8. Im Lichte der oben angeführten Entscheidung des VfGH vom 13.03.2019, E 3830-3832/2018-24 und E 4344/2018-20 bestanden für das erkennende Gericht keine Zweifel an der Verfassungskonformität von § 6 Abs. 2 IslamG, weshalb nicht näher auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2.1. Im Hinblick auf § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG war abzuwägen, ob allenfalls konkrete Anhaltspunkte dahingehend hervorkamen, dass eine Abschiebung des BF1 in den Herkunftsstaat iSd § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Maßstab dafür stellen die Art. 2 und 3 EMRK dar, wobei darauf abzustellen ist, dass die mögliche Gefahr einer Verletzung dieser Schutznormen nicht von bestimmten Akteuren iSd Art. 6 Statusrichtlinie ausgeht, sondern eine (bloße) Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland darstellt.

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Im Fall Paposhvili vs. Belgium (41738/10) vom 20.04.2015 hat der EGMR weiterführend dargelegt, dass "andere sehr außergewöhnliche Fälle im Sinne des Urteils N./GB so verstanden werden sollten, dass sie sich auf eine Ausweisung einer schwer kranken Person betreffende Situationen beziehen, in denen stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass sie, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder des fehlenden Zugangs zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt."

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137). Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Der VwGH hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

2.2. Weder aus dem Vorbringen des BF1 noch aus dem sonstigen Akteninhalt sind konkrete Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass seine Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig gewesen wäre. Weder lag im gg. Fall für den BF1 eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), vor, noch sind gravierende akute Erkrankungen des BF1 hervorgekommen. Der BF1 verfügt in der Heimat über familiäre Anknüpfungspunkte, über Berufserfahrung und ist der BF1 erwerbsfähig. Dass der BF1 dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Folter, der Todesstrafe oder einer sonstigen Gefahr für sein Leben ausgesetzt wäre, war nicht feststellbar. Auch ansonsten war eine Gefährdung des BF1 im Falle der Rückkehr in die Türkei nicht ersichtlich. Durch eine Abschiebung in den Herkunftsstaat würde der BF1 somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt worden sein.

2.3. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat vorlagen, war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 55 FPG lautet:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) ...

(5) ...

3.2. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG.

Für die in der Beschwerdeverhandlung behauptete Notwendigkeit einer bis Juli 2020 zu erstreckende Frist zur freiwilligen Ausreise, fanden sich aus Sicht des erkennenden Gerichts keine maßgeblichen Anhaltspunkte. Weder der bisherige Aufenthalt des BF1 in Österreich seit Jänner 2015, noch die prekäre Versorgung der muslimischen Gemeinden in Österreich mit muslimischen Seelsorgern ließen eine Erstreckung der Ausreisefrist bis zum Juli 2020 als erforderlich erscheinen, insbesondere da dem BF1 seit Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. seit der Entscheidung des VfGH vom 13.03.2019 sein unsicherer Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst sein musste. Im Hinblick darauf hätte der BF1 auch einer Vertragsverlängerung seines Vertrages bis Juli 2020 nicht zustimmen dürfen und bereits nach Ablauf seines Vertrages im Jänner 2020 in die Türkei zurückkehren sollen, was ihm auch – aus Sicht des Bundeswartungsgerichtes – zumutbar gewesen wäre.

3.3. Die Beschwerde war sohin auch hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4.1. § 53 FPG lautet:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. ...

2. ...

3. ...

4. ...

5. ...

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. ...

8. ...

9. ...

(3) ...

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) ...

(6) ...

4.2. In Spruchpunkt IV. der bekämpften Bescheide erließ die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF1 und ein auf die Dauer von jeweils 18 Monaten befristetes Einreiseverbot gegen die BF2 und BF3.

Das BFA erachtete diesen Tatbestand zum einen angesichts des Fehlens hinreichender Unterhaltsmittel iSd § 53 Abs. 2 Z 6 FPG als erfüllt, zumal die vom BF1 behaupteten Gehaltszahlungen aus ausländischen Quellen dem § 6 Abs. 2 IslamG zuwiderliefen und daher als aus "illegaler Quelle" stammend nicht für den Nachweis solcher Unterhaltsmittel zu berücksichtigen gewesen seien. Wie schon oben zur Frage der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer im Hinblick auf § 11 Abs. 5 NAG dargelegt, gelang es den Beschwerdeführern nicht diesen Nachweis zu erbringen. Es war der belangten Behörde daher auch im Hinblick auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG im Ergebnis Recht zu geben.

Im Hinblick auf die Erwägungen oben zu § 11 Abs. 2 Z 3 NAG, nämlich dem Erfordernis, dass der Betreffende "... über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist", war der belangten Behörde auch dahingehend beizutreten, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß § 53 Abs. 2 FPG auch aus dem fehlenden Nachweis für die Erfüllung dieser Voraussetzung eines entsprechenden Versicherungsschutzes abgeleitet werden konnte.

Insbesondere war aber der Behörde insoweit zu folgen, als das Kernelement des Aufenthaltszwecks des BF1 im Bundesgebiet, nämlich seine – angesichts der festgestellten Auslandsfinanzierung – gegen den § 6 Abs. 2 IslamG verstoßende berufliche Tätigkeit als Imam, die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Fortsetzung derselben auch iSd § 53 Abs. 2 FPG indizierte.

4.3. Zutreffend berücksichtigte die belangte Behörde in ihrer Entscheidungsbegründung auch das hiesige Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer. Auch die Erlassung eines Einreiseverbotes bedarf nämlich einer Abwägung der im gg. Fall betroffenen Interessen in Form einer Gesamtbeurteilung des bisherigen Verhaltens der Beschwerdeführer und ihrer privaten bzw. allenfalls auch familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

Angesichts fehlender Bindungen der Beschwerdeführer im Bundesgebiet und trotz eines per se seit Jänner 2015 legalen Aufenthalts kam der aus dem eben dargestellten Sachverhalt abzuleitenden Gefährdungsprognose zu Lasten des BF1 ein höheres Gewicht zu, weshalb sich das von der belangten Behörde verhängte Einreiseverbot auch dahingehend als rechtskonform erwies.

4.4. Die belangte Behörde stellte bei der Festsetzung der Dauer des verhängten Einreiseverbots darauf ab, dass der § 53 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine maximale Dauer desselben von 5 Jahren vorsieht, andererseits sich ein solches im Lichte der Judikatur des VwGH – sofern es nicht überhaupt zu unterbleiben hat – an einer Untergrenze von 18 Monaten orientieren sollte.

In seinem auch im gg. Bescheid des BFA genannten Erkenntnis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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