Entscheidungsdatum
06.03.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L515 2138614-2/37E
L515 2138608-2/33E
L515 2138611-2/33E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER über den Antrag von 1. XXXX , geb. am XXXX , vorher XXXX , StA. Georgien, 2. XXXX , geb. am XXXX , StA. Georgien, 3. XXXX , geb. am XXXX , StA. Georgien, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , geb. XXXX , alle vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Natascha VRABIÉ, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7.1.2020, Zlen. 1. L515 2138614-2/28E, 2. L515 2138608-2/24E, 3. L515 2138611-2/22E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:
Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Erstrevisionswerber brachte im Verfahren im Wesentlichen zusammengefasst zu den Ausreisegründen bzw. Rückkehrhindernissen vor, in Georgien einen Autoersatzteilhandel betrieben unter der Regierung von Saakaschwili auf Betreiben eines korrupten Finanzbeamten rechtswidrig enteignet worden zu sein. Er wäre auch fälschlich des Besitzes von Suchtmitteln beschuldigt und nach Zahlung einer hohen Summe zu einer verhältnismäßig geringen Strafe verurteilt worden. Nach der Haftentlassung hätte er die Rückgabe des Geschäfts betrieben, worauf er erheblichen Repressalien bis hin zu schwersten Misshandlungen und einer neuerlichen Inhaftierung und neuerlichen Geldforderungen ausgesetzt gewesen wäre. Als ein befreundeter Geschäftspartner von ihm, welcher ebenfalls „enteignet“ worden wäre, umgebracht wurde, hätte er sich entschlossen, Georgien zu verlassen. Die Zweit- und Drittrevisionswerber beriefen sich auf die Gründe des Erstrevisionswerbers und auf den gemeinsamen Familienverband, wobei die Zweitrevisionswerberin vorbrachte, ebenfalls misshandelt worden zu sein. Der Erstrevisionswerber brachte weiters vor, an Hepatitis A und C zu leiden. Ebenso brachten die Revisionswerber vor, im Bundesgebiet über relevante private Anknüpfungspunkte zu verfügen.
Die Anträge der Revisionswerber auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden der des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde in Bezug auf die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Republik Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Der Beschwerde wurde gem. § 18 (1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.
Seitens des ho. Gerichts wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit ho. Erkenntnis gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
Mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz brachten die revisionswerbenden Parteien eine Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7.1.2020, Zlen.: 1. L515 2138614-2/28E, 2. L515 2138608-2/24E, 3. L515 2138611-2/22E, in welchem insbesondere die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages der Revisionswerber auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt wurde und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, ein.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führten die revisionswerbenden Parteien Folgendes an:
„Durch das hier angefochtene Erkenntnis werden die von der Behörde gegenüber den Revisionswerbern erlassenen Rückkehrentscheidungen durchsetzbar (vgl dazu VwGH 13.12.2018, Ro 2018/18/0008, Rz 31). Damit droht den Revisionswerbern die Abschiebung nach Georgien und dort ihrem Vorbringen zufolge die Gefahr asylrelevanter Verfolgung und damit eine Verletzung in ihrem Recht auf Leben gemäß Art 2 EMRK und in ihrem Recht, keiner Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt zu werden.
Dahingehend erweist sich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als tunlich, um nicht die Effektivität der gegenständlichen Revision auszuhöhlen. Schließlich könnte der durch den Vollzug der angefochtenen Entscheidung drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der gegenständlichen Revision für den Fall von in Georgien eintretenden Verfolgungshandlungen gegenüber den Revisionswerbern nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Die gegenständliche Revision kann entsprechende Wirksamkeit nur dann entfalten, wenn ihr die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, sodass die Abschiebung der Revisionswerber nach Georgien während des anhängigen Revisionsverfahrens aufgeschoben werden kann. Die Revisionswerber erachten daher die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 VwGG für gegeben und beantragen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Dem entgegenstehende öffentliche Interessen sind nicht erkennbar.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrenshergang und den nachfolgenden Ausführungen.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der außer Zweifel stehenden und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage.
Rechtliche Beurteilung:
Die Revision hat gemäß § 30 Abs 1 Satz 1 VwGG keine aufschiebende Wirkung.
§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“
Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht hat über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden. Nach § 30a Abs. 7 VwGG sind Abs. 1 bis 6 leg cit nicht anzuwenden, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis oder Beschluss ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat den anderen Parteien sowie im Fall des § 29 VwGG dem zuständigen Bundesminister bzw. der Landesregierung eine Ausfertigung der außerordentlichen Revision samt Beilagen zuzustellen und dem Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision samt Beilagen unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen.
Entgegen Gruber § 30 VwGG Rz 4, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Verwaltungsgericht (auch) in Fällen außerordentlicher Revisionen zur Entscheidung über die aufschiebende Wirkung so lange zuständig ist, bis die Revision dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wird; vgl. etwa VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über einen Antrag auf aufschiebende Wirkung nach § 30 VwGG die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern – wenn das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist – zunächst, im Provisorialverfahren, von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Demnach ist die aufschiebende Wirkung nur zuzuerkennen, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potenzieller, sondern ein evidenter ist. Vgl. mwN VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493.
In dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof ferner zum wiederholten Male ausgesprochen, dass der Revisionswerber – um die vom Gesetz geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können – schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzulegen hat, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falls die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.
Schließlich kommt dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens für die nach § 30 Abs 2 VwGG vorzunehmende Interessenabwägung wesentliche Bedeutung zu; vgl. abermals VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493. In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof am 30.05.2019, Ra 2019/22/0104, bei der Interessenabwägung nach § 30 Abs 2 VwGG aus, die dortige Revisionwerberin beinträchtige durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, und gab dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht statt.
Im gegenständlichen Fall stammen die revisionswerbenden Parteien aus einem sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG, für den der Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt –woraus folgt, dass der georgische Staat gewillt und befähigt ist, Menschen, die sich auf dem von ihm kontrollierten Territorium befinden vor Übergriffen wirksam und nachhaltig zu schützen-, welcher im gegenständlichen Fall nicht erschüttert wurde und in dem sie über eine Existenzgrundlage verfügen. Es wurde in einem verwaltungsbehördlichen bzw. einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung festgestellt, dass die revisionsführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat keiner Gefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK, Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären und aufenthaltsbeendende Maßnahmen keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht- auf ein Privat- und Familienleben darstellen. Revisionen erwiesen sich regelmäßig als nicht zulässig.
Im gegenständlichen Fall sei auch auf den unionsrechtlich (insbes. RL 2013/32/EU vom 26.06.2013, Erwägungsgrund 40, sowie Art. 31 Abs. 8, 36f und 46 Abs. 6 und leg. cit) sich ergebenden, von den Mitgliedstaaten zwingend zu beachtenden Rechtsgrundsatz des effet utile hingewiesen und ergibt sich aus einer Zusammenschau unionsrechtlicher und nationaler Rechtsvorschriften ein zwingendes öffentliches Interesse an einer Umsetzung der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über eingebrachte außer-ordentliche Revision (vgl. zum Zeitpunkt der Zulässigkeit der Umsetzung aufenthalts-beendender Maßnahmen in Bezug auf sichere Herkunftsstaaten aus europarechtlicher Sicht auch VwGH 20.2.2019, Ro2019/20/0001). Aus dem im gegenständlichen Fall nicht erschütterten Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit der Republik Georgiens ergibt sich im gegenständlichen Einzelfall auch ein herabgesetztes Rechtsschutz-bedürfnis.
Aus den oa. Ausführungen ergibt sich ein zwingendes öffentliches Interesse, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegensteht.
Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses ist für die revisionswerbenden Parteien kein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden, zumal sie mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in Bezug auf einen sicheren Herkunftsstaat konfrontiert wären, für den im gegenständlichen Einzelfall der nicht erschütterte Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt, sie in der Republik Georgien über eine Existenzugrundlage verfügen, keine gesundheitsbedingten Abschiebe-hindernisse vorliegen und ihnen im Fall einer Stattgabe der Revision eine Wiedereinreise zu gestatten wäre.
Aus diesen Erwägungen war dem Antrag darauf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben und ist des den Revisionswerbern unter Beachtung sämtlicher Umstände des gegenständlichen Einzelfalles zumutbar, die Entscheidung über die Revision im Herkunftsstaat abzuwarten (vgl. hierzu auch VwGH 10.2.2020, RA 2019/21/0366-5).
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall außerordentliche Revision Familienverfahren Interessenabwägung öffentliche Interessen sicherer Herkunftsstaat VerwaltungsgerichtshofEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L515.2138608.2.01Im RIS seit
28.10.2020Zuletzt aktualisiert am
28.10.2020