TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/6 L501 2123130-3

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Veröffentlicht am 06.03.2020
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Entscheidungsdatum

06.03.2020

Norm

AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L501 2123130-3/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch RAe Dr. Martin Dellasega & Dr. Max Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2018, Zl. 15 - 1079264907/150908137, wegen Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde über die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) wegen mutwilliger Inanspruchnahme, absichtlicher Verschleppung und unrichtiger Angaben eine Mutwillensstrafe in der Höhe von Euro 726,00 verhängt. Begründend wurde nach Zitierung der rechtlichen Grundlage ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei trotz mehrfacher Belehrungen über die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht falsche Personaldaten angegeben sowie behauptet habe. Des Weiteren habe sie gefälschte Dokumente (Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis) in Vorlage gebracht und mit ihrem Gesamtverhalten die Tätigkeit des BFA offenbar mutwillig in Anspruch genommen und somit absichtlich das Verfahren verschleppt. Bei ihrer Einvernahme am 25.1.2018 habe sie angegeben, dass der Reisepass beim Schlepper verblieben sei und sie über keine Kopie verfüge. Die von ihr vorgelegten Dokumente, Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis, hätten sich als Totalfälschungen herausgestellt. Am 9.4.2018 sei von der Staatsanwaltschaft Innsbruck Anklage wegen Urkundenfälschung erhoben worden. Am 18.6.2018 habe die beschwerdeführende Partei eine Kopie Ihres Reisepasses vorgelegt und ein Schreiben von der irakischen Botschaft, welche die Echtheit des von ihr dort vorgelegten Personalausweises nach genauer Überprüfung bestätigt habe. Über Aufforderung habe die beschwerdeführende Partei am 1.8.2018 ihren Reisepass vorgelegt und sei dieser am 7.8.2018 von der EGFA als echt bestätigt worden. Dies ließe nur den Schluss zu, dass die beschwerdeführende Partei während des gesamten Verfahrens vorsätzlich und mutwillig falsche Angaben gemacht habe, um das Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen oder zu verschleppen und einen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet solange es möglich ist, aufrecht zu erhalten.

In ihrer mit Schreiben vom 29.8.2018 erhobenen Beschwerde brachte die beschwerdeführende Partei vor, dass es nicht nachvollziehbar sei, wieso die Behörde annehme, sie würde falsche Personaldaten angeben und dadurch mutwillig falsche Angaben machen und das Verfahren verschleppen, wenn sowohl die Botschaft Iraks als auch die EGFA den vorgelegten Reisepass als echt bestätigt hätten und somit die Identität feststehe. Auch wenn die Dokumente Fälschungsmerkmale aufwiesen, könnten die Abweichungen von der Norm auch von den irakischen Behörden verschuldet sein und habe sie nicht davon ausgehen müssen, dass es sich um Fälschungen handle. Aufgrund dieses Sachverhalts hätte niemals eine Mutwillensstrafe gegen sie verhängt werden dürfen. Die belangte Behörde habe in ihrer Begründung nichts zu den von der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien für die Verhängung einer Mutwillensstrafe ausgeführt. Die Entscheidung sei daher willkürlich. Ohne jegliche Begründung sei auch die Höchststrafe verhängt worden, diese sei weder tat-noch schuldangemessen und entspreche auch nicht den wirtschaftlichen Verhältnissen, da sie von der Grundversorgung in der Höhe von monatlich Euro 250,00 lebe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei stellte im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet an 21.07.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 23.7.2015 gab sie an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehörige des Irak zu sein. Sie sei am XXXX geboren.

Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, am 25.1.2018 gab sie neuerlich an, den Namen XXXX zu führen. Sie legte einen Staatsbürgerschaftsnachweis mit dem Ausstellungsdatum 23.04.2015 und der Nummer S/0006736 sowie einen Personalausweis mit dem Ausstellungsdatum 21.04.2015, der aus arabischen Ziffern bestehenden Nummer A-10/00938887, dem links oben stehenden Hinweis „erneuert“ und der darunter handschriftlich vermerkten Zahl 00175039. Die Nichtvorlage Ihres Reisepasses erklärte sie damit, dass dieser beim Schlepper verblieben sei.

Eine durch das Bundeskriminalamt durchgeführte urkundentechnische Untersuchung ergab, dass es sich sowohl beim Personalausweis als auch beim Staatsbürgerschaftsnachweis um eine Totalfälschung handelt.

Am 18.6.2018 legte die beschwerdeführende Partei eine Kopie Ihres Reisepasses vor sowie ein Schreiben der irakischen Botschaft vor, in welchem die Echtheit des Personalausweises mit der Nr. 00175039, ausgestellt am 21.4.2015, bestätigt wurde. Über Aufforderung des BFA legte die beschwerdeführende Partei am 1.8.2018 ihren Reisepass vor; dieser wurde am 7.8.2018 von der EGFA als echt bestätigt.

Am 04.06.2018 wurde die beschwerdeführende Partei wegen dem Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB verurteilt.

Mit Bescheid vom 14.08.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der bP auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten als auch einer subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak fest (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, L501 2123130-2/17E, vom heutigen Tag insofern Folge gegeben als der bP gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt wurde.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Abführung einer mündlichen Verhandlung unter Einschluss und Zugrundelegung des dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verfahrensakts sowie der hg. Akten L501 2123130 -2 und L501 2123130 -3.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Zu A)

II.3.1. Der mit "Mutwillensstrafe" betitelte § 35 AVG lautet:

"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. VwGH vom 28.10.2019, Ra 2019/16/0135, mwN).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden.

Vom Verwaltungsgerichtshof wird zu § 35 AVG wiederholt betont, dass mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen und ein derartiger Vorwurf nur dann am Platz ist, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe komme demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 16.02.2012, 2011/01/0271; 29.06.1998, Zl. 98/10/0183).

II.3.2. Die bP ist vor der belangten Behörde durchgehend mit ihren korrekten Personalien aufgetreten und hat – etwa durch Erhebung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 BVG - auf ein zügiges Führen ihres Asylverfahrens hingewirkt. Dem Vorwurf im angefochtenen Bescheid, die bP habe falsche Personaldaten angegeben, kann sohin nicht gefolgt werden. Es kann auch nicht erkannt werden, inwiefern die bP in ihrem Gesamtverhalten die Tätigkeit der belangten Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen und das Verfahren absichtlich verschleppt haben soll, zumal nähere Ausführungen fehlen und lediglich pauschal auf den gesamten Akteninhalt verwiesen wird. Sofern sich die belangte Behörde auf die Vorlage gefälschter Dokumente bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine falschen Identitätsangaben aufwiesen, sohin nicht geeignet waren, die Behörde bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes in die Irre zu leiten, eine rasche Beendigung ihres Asylverfahren zu vereiteln oder - nach der Abweisung ihres Asylantrages als unbegründet - ihre Außerlandesbringung zu erschweren oder gar zu verhindern, sodass auch in diesem Umstand eine Verschleppungsabsicht nicht erkannt werden kann.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Mutwillensstrafe Personaldaten Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2123130.3.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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