TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/9 L524 2223734-1

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Veröffentlicht am 09.03.2020
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Entscheidungsdatum

09.03.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z1

Spruch

(1.) L524 2223734-1/7E

(2.) L524 2223736-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde der (1.) XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, und des (2.) XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, beide vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2019, (1.) Zl. 1120175105-190203353/BMI-BFA_NOE_RD und (2.) Zl. 1214228805-190203434/BMI-BFA_NOE_RD, betreffend Rückkehrentscheidung und Erlassung eines befristeten Einreiseverbots, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 13.08.2019, (1.) Zl. 1120175105-190203353/BMI-BFA_NOE_RD und (2.) Zl. 1214228805-190203434/BMI-BFA_NOE_RD, wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Aus der Begründung ergibt sich, dass das Einreiseverbot nicht auf § 53 Abs. 2 Z 1 FPG, sondern vielmehr auf § 53 Abs. 2 Z 3 FPG gestützt wurde.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

II. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Ehegatten und türkische Staatsangehörige. Drei Töchter der Beschwerdeführer leben in der Türkei. Eine Tochter, die türkische Staatsangehörige ist, lebt mit ihrem Ehegatten und dem gemeinsamen Kind in Österreich. Sie verfügt über einen Aufenthaltstitel (Daueraufenthalt – EU). Die Beschwerdeführer haben nie in Österreich gelebt. Sie waren in Österreich nicht erwerbstätig und nicht Mitglieder in Vereinen oder sonstigen Organisationen. Deutschkenntnisse können nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführer sind gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Den Beschwerdeführern wurde ein für die Dauer von 64 Tagen im Zeitraum 13.12.2018 bis 01.03.2019 gültiges Visum für die Schengen-Staaten erteilt.

Die Beschwerdeführer reisten am 14.12.2018 in Österreich ein und reisten am 23.02.2019 aus Österreich aus. Die Beschwerdeführer hielten sich insgesamt 72 Tage in Österreich auf. Das ihnen erteilte Visum war auf Grund ihrer Einreise am 14.12.2018 bis 15.02.2019 gültig. Von 16.02.2019 bis 23.02.2019 verfügten die Beschwerdeführer über kein Visum.

Wegen ihres Aufenthalts vom 16.02.2019 bis 23.02.2019 ohne gültigen Aufenthaltstitel wurde gegen die Beschwerdeführer mit Strafverfügungen der LPD Niederösterreich vom 25.02.2019, Zl. VStV/919300362872/2019 und VStV/919300362871/2019, wegen Verletzung von §§ 31 Abs. 1a, 31 abs. 1 iVm § 120 FPG eine Geldstrafe von jeweils € 500,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 19 Stunden) verhängt. Diese Strafverfügungen erwuchsen am 25.07.2019 in Rechtskraft.

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum erteilten Visum, zur Überschreitung der Aufenthaltsdauer, zu den Strafverfügungen sowie dem Eintritt der Rechtskraft ergeben sich aus IZR-Auszügen, den Strafverfügungen, der Mitteilung über den Eintritt der Rechtskraft und den Angaben der Beschwerdeführer. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen in der Türkei und in Österreich und den Lebensumständen der Beschwerdeführer ergeben sich aus deren eigenen Angaben.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         - 2. …
3.         wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4.         - 9. …

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.“

§ 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise:

„Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

2. Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide):

Die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist die Reaktion auf den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen. Sie knüpft nach Neufassung dieser Bestimmung durch das FNG-AnpassungsG 2014 nicht mehr zwingend an einen aktuellen inländischen Aufenthalt des betreffenden Drittstaatsangehörigen an. Eine Rückkehrentscheidung ist nämlich gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG seither auch dann anzuordnen, wenn sich der Drittstaatsangehörige bereits außerhalb des Bundesgebietes befindet, sofern er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde. Die in § 52 Abs. 8 erster Satz FPG umschriebene normative Wirkung einer Rückkehrentscheidung (Verpflichtung des Drittstaatsangehörigen zur (unverzüglichen) Ausreise) steht dazu nur scheinbar in einem Spannungsverhältnis. Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG bleiben – ua – Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG nämlich 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht (vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0131), sodass die angesprochene Wirkung auch bei bereits erfolgter Ausreise – im Falle einer neuerlichen Einreise des Fremden nach Österreich – nicht von vornherein ins Leere geht (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Im vorliegenden Fall hielten sich die Beschwerdeführer ab 16.02.2019 nicht rechtmäßig in Österreich auf und reisten am 23.02.2019 aus Österreich aus. Die Einleitung des Rückkehrentscheidungsverfahrens erfolgte spätestens am 19.03.2019 mit der Verständigung der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme und damit innerhalb von sechs Wochen ab der Ausreise der Beschwerdeführer. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ist daher rechtmäßig.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Die Beschwerdeführer hielten sich 64 Tage legal in Österreich auf. Weitere acht Tage hielten sich die Beschwerdeführer ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich auf. Die Beschwerdeführer waren in Österreich nicht erwerbstätig und nicht Mitglieder in einem Verein oder sonstigen Organisationen. Deutschkenntnisse können nicht festgestellt werden. In Österreich lebt eine Tochter der Beschwerdeführer mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind. Hingegen verbrachten die 60-jährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres bisherigen Lebens in der Türkei, sind dort aufgewachsen und haben dort ihre Sozialisation erfahren. Zudem leben in der Türkei drei Töchter der Beschwerdeführer. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung der Beschwerdeführer zur Türkei auszugehen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer vermag weder das persönliche Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253 unter Hinweis auf VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070, mwN).

Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Aus der Lage in der Türkei ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 50 FPG unzulässig wäre. Die Beschwerdeführer haben diesbezüglich auch kein Vorbringen erstattet.

3. Einreiseverbot (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 unter Hinweis auf VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311, Rn. 12 und 19, mwN).

Im vorliegenden Fall wurden die Beschwerdeführer wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich von acht Tagen mit Strafverfügungen wegen Verletzung von §§ 31 Abs. 1a, 31 abs. 1 iVm § 120 FPG rechtskräftig bestraft. Es ist damit § 53 Abs. 2 Z 3 FPG erfüllt. Die Erfüllung eines Tatbestands nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Nach den ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 23 f) soll das Bundesamt "fortan im Einzelfall, zB bei einem nur einmaligen, geringfügigen Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen, auch ein 18 Monate unterschreitendes Einreiseverbot erlassen" können. Die genannten 18 Monate werden zwar im § 53 Abs. 2 legcit (idF BGBl. I Nr. 68/2013) nicht mehr erwähnt (vgl. demgegenüber § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005). Nach der gesetzgeberischen Intention kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) – oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes – regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige "bloß" einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 FPG erfüllt. Ist dagegen davon auszugehen, dass es sich um einen Drittstaatsangehörigen handelt, von dessen Aufenthalt iSd § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, so wird in aller Regel – freilich abhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalles – ein längerfristiges Einreiseverbot zu verhängen sein (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

In der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde bereits darauf hingewiesen, dass der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (vgl. vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125 unter Hinweis auf VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207 u.a., mwN und die dortige Darstellung der bisherigen Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall hielten sich die Beschwerdeführer nur acht Tage unrechtmäßig in Österreich auf. Aus dieser sehr kurzen Dauer kann nicht darauf geschlossen werden, dass von den Beschwerdeführern eine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht.

Die belangte Behörde begründet ihre Ansicht, dass das Fehlverhalten der Beschwerdeführer schwer sei, nicht in nachvollziehbar Weise. Es finden sich lediglich Textbausteine, die keinen Bezug zu den Beschwerdeführern aufweisen. Die Ausführungen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführer bei einer neuerlichen Visaerteilung die erlaubte Aufenthaltsdauer wieder überschreiten werden, ist rein spekulativ und mit den Angaben der Beschwerdeführer, dass die Überschreitung der Aufenthaltsdauer auf einem bloßen Irrtum (wonach sie sich bis 01.03.2018 in Österreich aufhalten dürften) beruhte, nicht vereinbar.

Auf Grund des bloß unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich, der auch nur acht Tage dauerte, wird von den Beschwerdeführern die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht derart gefährdet, dass die Erlassung eines Einreiseverbots erforderlich wäre. Es war daher Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel Ausreiseverpflichtung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Teilbehebung Familienverfahren Interessenabwägung Irrtum öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.2223734.1.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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