TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/17 I415 2206113-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.03.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §34 Abs3 Z1
BFA-VG §40 Abs1 Z1
BFA-VG §5
BFA-VG §7 Abs1 Z3
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs3
VwGVG §35 Abs4

Spruch

I415 2206113-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch XXXX, wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Anlegen von Hand- und Fußfesseln) durch Organe der Landespolizeidirektion XXXX zu Recht:

I. Die Maßnahmenbeschwerde wird, soweit sie sich gegen das Anlegen von Hand- und Fußfesseln richtet, als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch XXXX, wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Vorenthalten ärztlicher Behandlung und Nichtbeiziehen einer Vertrauensperson) durch Organe der Landespolizeidirektion XXXX:

I. Die Maßnahmenbeschwerde wird, soweit sie sich gegen das Vorenthalten ärztlicher Behandlung und Nichtbeiziehen einer Vertrauensperson richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei LPD XXXX) gemäß § 35 Abs 3 und 4 VwGVG iVm § 1 Z 1 und Z 2 der VwG-Aufwandsersatzverordnung Kosten in Höhe von 57,40 Euro (Vorlageaufwand) und 368,80 Euro (Schriftsatzaufwand), insgesamt: 426,20 Euro, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im Jänner 2013 gemeinsam mit seiner Familie ins Bundesgebiet ein und wurden ihre Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2014 – mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.05.2014 – für den Beschwerdeführer unter der Zl. W129 1437114-1/8E – abgewiesen. Die Verfahren wurden zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA gemäß § 75 Abs 20 AsylG 2005 zurückverwiesen.

Im insoweit fortgesetzten Verfahren wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer und seine Familie Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht, für den Beschwerdeführer unter der Zl. W221 1437114-2/7E, mit Erkenntnis vom 17.03.2015, als unbegründet ab. Diesbezügliche Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung von (außerordentlichen) Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16.05.2015 wegen Aussichtslosigkeit ab.

Am 13.07.2015 stellte die Familie neuerlich Anträge auf internationalen Schutz, die vom BFA mittels Bescheiden vom 30.09.2016 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Der dagegen erhobenen Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht sodann mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 14.11.2016, u.a. Zl. W237 1437114-3/2E für den Beschwerdeführer, keine Folge.

Am 01.12.2016 wurde seitens der rechtsfreundlichen Vertretung der Familie mit der Begründung eine Säumnisbeschwerde eingebracht, dass es das Bundesamt unterlassen habe, gemeinsam mit der Zurückweisung der Asylfolgeanträge eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Dem trug das Bundesamt innerhalb der dreimonatigen Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG insofern Rechnung, als es mit Bescheiden vom 13.02.2017 in Bezug auf alle Familienmitglieder aussprach, dass ihnen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Unter einem wurden gegen sie gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG Rückkehrentscheidungen verbunden mit einem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf zwei Jahre befristete Einreiseverbote erlassen. Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Schließlich wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und den Beschwerden gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die gegen diese Bescheide mit einem gemeinsamen Schriftsatz erhobene Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 20.03.2017 – für den Beschwerdeführer unter der Zl. W226 1437114-4/3E – als unbegründet ab, wobei es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aussprach, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Den dagegen erhobenen (außerordentlichen) Revisionen wurden mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.05.2017 die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuerkannt, wobei die Revisionen in weiterer Folge mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.06.2017, Zl. XXXX, zurückgewiesen wurden.

Nach Ausstellung von Heimreisezertifikaten für den Beschwerdeführer und seine Familie musste die Abschiebung storniert werden, da sich die Familie nicht an ihrer angegebenen Adresse aufhielt.

Der Beschwerdeführer begab sich am 07.02.2018 in stationäre Behandlung in einem Bezirkskrankenhaus, wobei die Diagnosen „akute Belastungsstörung“ und „posttraumatische Belastungsstörungen“ festgestellt wurden. Der Aufenthalt dauerte bis 23.02.2018 an und konnte eine weitere geplante Abschiebung (gebuchter Charterflug) deshalb erneut nicht effektuiert werden.

Am 14.02.2018 stellten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK und in eventu auf Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen Plus gemäß § 56 AsylG 2005. Diese wurden letztlich mit Bescheiden vom 21.09.2018 zurück- bzw. abgewiesen.

Der am 11.04.2018 mittels Mandatsbescheid aufgetragenen Anordnung zur Unterkunftnahme kam die Familie nicht nach, der Beschwerdeführer suchte am 13.04.2018 stattdessen wieder ein Krankenhaus auf und ließ sich wegen posttraumatischer Belastungsstörung und akuter Belastungsreaktion bis 04.05.2018 stationär behandeln.

Mit Mandatsbescheid vom 14.09.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde seinem Rechtsvertreter am selben Tag elektronisch übermittelt bzw. zur Abholung bereitgestellt.

Gleichzeitig erging ein Festnahmeauftrag des BFA an die LPD XXXX zum Zweck der Durchsetzung der Schubhaft und Überstellung ins Polizeianhaltezentrum XXXX, Wien. Es wurde „ersucht, in den frühen Morgenstunden des 17.09.2018 die Festnahme des“ Beschwerdeführers zu vollziehen und ihm den Schubhaftbescheid sowie das Informationsblatt auszuhändigen.

Gegen die Gattin und die drei Kinder wurde das gelindere Mittel gewählt und ihnen aufgetragen, sich aus Eigenem in eine Familienunterkunft zu begeben.

Die Festnahme des Beschwerdeführers erfolgte am 17.09.2018 nach vorheriger Observation um 08:00 Uhr, die Dokumente wurden ihm um 08:06 Uhr in der Polizeidienststelle ausgehändigt. Der Beschwerdeführer sprach mit seiner Vertrauensperson, verletzte sich dann selbst und wurde anschließend ins PAZ XXXX überstellt.

Die durch seinen Rechtsvertreter beim Bundesverwaltungsgericht am 29.10.2018 eingebrachte Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Beamte der PI XXXX. Als belangte Behörde wurde das BFA XXXX bezeichnet.

Da sich die Beschwerde nicht gegen den Festnahmeauftrag als behördliche Verfügung, sondern gegen die Modalitäten bzw. die Durchführung der Festnahme und Verbringung ins PAZ XXXX richtet, war diese der LPD XXXX als belangte Behörde zur Kenntnis zu bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren.

Der Gegenschrift wurden ein Bericht des BPK XXXX über die erfolgte Festnahme an die Staatsanwaltschaft, die Verständigung der Staatsanwaltschaft vom Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und sämtliche Anhalteprotokolle angeschlossen.

Der Beschwerdeführer wurde aus der Schubhaft am 25.09.2018 per Charterflug abgeschoben, die anhängige Schubhaftbeschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.08.2019 rechtskräftig abgewiesen und festgestellt, dass die Anhaltung in Schubhaft von 17.09.2018 bis 25.09.2018 rechtmäßig war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der soeben wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und wird, um Wiederholungen zu vermeiden, nachfolgend teils zusammengefasst, ergänzend oder zur besseren Übersicht festgestellt:

Gegenständliche Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen die Durchführung einer Festnahme durch Organe der LPD XXXX über Auftrag des BFA XXXX zum Zweck der Sicherung der Abschiebung. In Beschwerde gezogen sind das Anlegen von Handfesseln, die Nichteinbeziehung einer Vertrauensperson, das Anlegen von Fußfesseln und die Verwehrung medizinischer Hilfe, sohin gegen die Modalitäten einer Festnahme und Verbringung in ein Polizeianhaltezentrum. Belangte Behörde ist die LPD XXXX.

Am 14.09.2018 erging eine behördliche Verfügung des BFA an die LPD, wonach der Beschwerdeführer festzunehmen, ihm der Schubhaftbescheid und weitere Schriftstücke auszuhändigen seien und er ins PAZ XXXX zu verbringen sei.

1.2. Zum Ablauf der Festnahmen:

Die Festnahme des Beschwerdeführers erfolgte, nachdem er sein Kind in den Kindergarten gebracht hat, am Parkplatz einer Supermarktkette in XXXX. Die Festnahme wurde ausgesprochen und dem Beschwerdeführer Handfesseln vorne angelegt. Er wurde anschließend in einem zivilen Dienstauto auf die PI XXXX verbracht. Der Schubhaftbescheid und die weiteren Dokumente wurden ihm dort um 08:06 Uhr ausgehändigt, die Unterschrift wurde verweigert. Die Verständigung von Rechtsbeistand und Vertrauensperson veranlasste die Ehegattin. Für den Schubtransport wurden administrative Vorbereitungen getroffen, Anhalteprotokolle I und II wurden angefertigt. Es fand keine Vernehmung statt und wurde daher kein Protokoll darüber angefertigt. Gegen 09:10 Uhr konnte der Beschwerdeführer mit seiner Vertrauensperson sprechen. Nach Verabschiedung sprang der Beschwerdeführer auf, stürmte mitsamt den vorne angelegten Handfesseln in Richtung eines vergitterten Fensters, ergriff am dortigen Schreibtisch einen Kugelschreiber und verletzte sich dabei im linken Halsbereich. Es entstand eine oberflächliche Abschürfung mit Hautrötung, medizinischer Behandlungsbedarf war nicht gegeben. Der Beschwerdeführer wurde von Beamten überwältigt, zu Boden gebracht, kurzzeitig in Bauchlage fixiert und wurden ihm um 09:25 Uhr Fußfesseln angelegt. Der Beschwerdeführer wurde gegen 10:00 Uhr in einem Arrestantenwagen ins PAZ XXXX überstellt. Die Fahrt verlief ohne Vorkommnisse. Fußfesseln wurden ihm um 15:40 Uhr, Handfesseln um 15:45 Uhr im PAZ abgenommen. Es erfolgte anschließend die Untersuchung zum polizeiamtsärztlichen Gutachten (Anhalteprotokoll III) im PAZ.

1.3. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Er stellte zwei Asylanträge, die jeweils nach Rechtsgängen bis zu den Höchstgerichten negativ abgeschlossen wurden. Ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde ebenso negativ beschieden. Die Entscheidungen enthalten jeweils eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, seit Abschluss des zweiten Asylantrages besteht außerdem ein Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer. Er kam seiner Ausreiseverpflichtung und der Anordnung zur Unterkunftnahme nicht nach und entzog sich den geplanten Abschiebungen durch Abwesenheit von seiner bekannten Adresse und durch stationäre Aufenthalte im Bezirkskrankenhaus.

Der Beschwerdeführer litt zum Zeitpunkt der Festnahme an posttraumatischer Belastungsstörung, Suizid- und Selbstverletzungsgefahr lag nicht vor. Er war transport- und haftfähig. Rückkehrwilligkeit war nicht, Fluchtgefahr sehr wohl gegeben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus den eingesehenen Gerichtsakten zu den bisherigen Verfahren des Beschwerdeführers und seiner Familie zu Zlen. W129 1437114-1, W221 1437114-2, W237 1437114-3, W226 1437114-4, W182 1437114-6 und W174 2206113-1.

Der Verfahrensgegenstand ergibt sich aus der Maßnahmenbeschwerde, die sich gegen die Modalitäten der Durchführung der Festnahme bis zur Verbringung in Schubhaft im PAZ XXXX richtet. Dass die Festnahme durch Beamte des BPK XXXX über behördliche Verfügung des BFA durchgeführt wurde, ergibt sich aus dem Festnahmeauftrag und den Polizeiberichten und ist ebenso unbestritten. Dass die LPD XXXX daher als belangte Behörde heranzuziehen war, ist eine rechtliche Beurteilung und wird an dieser Stelle auf Pkt. 3.1. verwiesen.

2.2. Zum Ablauf der Festnahme:

Auch der Ablauf der Handlung ist soweit unbestritten, da sich die Geschehnisse übereinstimmend aus der Maßnahmenbeschwerde, dem Bericht des BPK XXXX, dem Gedächtnisprotokoll der Vertrauensperson und den Anhalteprotokollen ergeben.

Die Übergabe des Schubhaftbescheides um 08:06 Uhr an den Beschwerdeführer wurde bereits im Erkenntnis über die Schubhaftbeschwerde, Zl. W174 2206113-1, rechtskräftig festgestellt und auch, dass damit eine rechtswirksame Zustellung erfolgte. Auf das Vorbringen in der gegenständlichen Beschwerde, wonach die Festnahme ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei, weil der Schubhaftbescheid dem Rechtsvertreter erst danach zugestellt wurde, muss daher nicht weiter eingegangen werden.

Zu den weiteren Vorbringen:

Moniert wurde auch, dass die Vertrauensperson nicht von der Polizei, sondern von der Ehegattin verständigt wurde und nicht bei einer Vernehmung anwesend sein durfte. Aus dem Bericht des BPK XXXX vom 31.10.2018 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausführte, dass die Verständigung von Rechtsbeistand und Vertrauenspersonen seine Gattin veranlassen werde und wurde dies auch im Anhalteprotokoll II übereinstimmend protokolliert. Eine Vernehmung des Beschwerdeführers fand nicht statt, es handelte sich um administrative Vorbereitungen für den Transport nach Wien. Die Vertrauensperson hatte ab ca. 09:10 Uhr die Möglichkeit mit dem Beschwerdeführer zu sprechen. Der Zeuge gab in seinem Gedächtnisprotokoll übereinstimmend mit dem Polizeibericht an, mit dem Beschwerdeführer gesprochen zu haben und geht sein diesbezügliches Vorbringen somit ins Leere.

Strittig bleibt, ob das Anlegen von Hand- und Fußfesseln gerechtfertigt war. Unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer um 08:00 Uhr bei der Festnahme bereits Handfesseln vorne angelegt wurden und er diese auch während der Anhaltung in der Polizeidienststelle trug. Der Zeuge schilderte in Übereinstimmung mit dem Bericht vom 31.10.2018, dass der Beschwerdeführer nach Verabschiedung aufsprang, in Richtung eines Fensters lief, sich am dortigen Schreibtisch einen Kugelschreiber nahm und sich damit am linken Halsbereich verletzte. In der Maßnahmenbeschwerde wird dabei von einem Suizidversuch ausgegangen. Diesem Vorbringen ist aus folgenden Überlegungen nicht beizupflichten:

Zunächst ist festzuhalten, dass zu diesem Zeitpunkt keine Suizid- und Selbstverletzungsgefahr vorlagen. Dies wurde rechtskräftig mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.08.2019 über die Schubhaftbeschwerde, Zl. W174 2206113-1, festgestellt und ergibt sich auch in Zusammenschau mit den vorgelegten psychiatrischen Befunden. Haft- und Transportfähigkeit ergeben sich aus dem polizeiamtsärztlichen Gutachten (Anhalteprotokoll III).

Die Ausführungen in der Maßnahmenbeschwerde, wonach der Beschwerdeführer versuchte, sich in den Hals zu stechen, passen nicht zu den dokumentierten Verletzungen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei suizidaler Absicht bloß eine oberflächliche Abschürfung mit Hautrötung die Folge eines Angriffs mit einem Kugelschreiber ist. Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer in seinem Bewegungsradius durch die angelegten Handfesseln vorne eingeschränkt gewesen ist, trotzdem ist nicht davon auszugehen, dass bei mehrmaligem Zustechen, wie es in der Maßnahmenbeschwerde dargetan wurde, keine Stichverletzung entstand und es bei einer Hautrötung blieb. Aufgrund bloß oberflächlicher Abschürfung war auch kein ärztlicher Behandlungsbedarf gegeben und wurde auch im Anhalteprotokoll III durch den Polizeiarzt keine zu behandelnde Verletzung dokumentiert. Vielmehr ist von einem Fluchtversuch auszugehen, indem der Beschwerdeführer versuchte, mit dem Kugelschreiber auf die Jalousien, die das vergitterte Fenster dahinter verdeckten (Bericht BPK XXXX), einzustechen. Dass er dabei, auch aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit durch die Handfesseln, seinen Hals streifte und oberflächliche Abschürfungen davontrug, ist lebensnaher als ein Suizidversuch. Von weiteren Handlungen konnte der Beschwerdeführer durch sofortiges Einschreiten der Beamten abgehalten werden und ergibt sich das weitere Vorgehen, nämlich das kurzzeitige Fixieren in Bauchlage und das Anlegen von Fußfesseln aus dem Polizeibericht in Übereinstimmung mit dem Anhalteprotokoll I und den Angaben in der Maßnahmenbeschwerde. Darin wurden auch der reibungslose Transport ins PAZ XXXX und die polizeiärztliche Untersuchung dokumentiert. In Zusammenschau mit den vereitelten Festnahme- und Abschiebeversuchen, dem Nichtbefolgen von Anordnungen zur Unterkunftsnahme, dem beharrlichen Verweilen im Bundesgebiet trotz mehrfach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot und dem Verhalten in der Polizeidienststelle konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jedenfalls nicht rückkehrwillig war und eine sich allenfalls bietende günstige Situation zur Flucht nutzen könnte.

Die weiteren Feststellungen zur Person, den bisherigen Verfahren, dem Verbleib im Bundesgebiet trotz Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot und die Vereitelungen von geplanten Abschiebungen ergeben sich aus den bereits oben angeführten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere aus dem Erkenntnis über die Schubhaftbeschwerde vom 01.08.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen, insbesondere Zuständigkeiten:

Wie oben angesprochen, muss an dieser Stelle ausgeführt werden, weshalb die LPD XXXX als belangte Behörde geführt wird und nicht wie vom Beschwerdeführer bezeichnet das BFA:

Vom BFA wurde am 14.09.2018 ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs 3 Z 1 BFA-VG erlassen und wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD XXXX gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BFA-VG ins PAZ XXXX überstellt.

Der Vollzug Anhaltung eines Fremden gemäß § 40 BFA-VG obliegt gemäß § 5 BFA-VG der Landespolizeidirektion, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (dazu gehören der Festnahmeauftrag gemäß § 34 BFA-VG und die Festnahme gemäß § 40 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (dazu gehört die Schubhaft nach § 76 FPG) kommt gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof (17.11.2016, Ro 2016/21/0016) führt dazu aus, dass dies auch insoweit gilt, als sich eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht gegen die Maßnahme als solche, sondern gegen deren Modalitäten richtet. § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG sieht nun aber gerade für "allgemeine" Maßnahmenbeschwerden eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes vor; es gibt keinen Grund, diese Regelung nur auf Beschwerden gegen die Maßnahmen als solche und nicht auch auf Beschwerden gegen die Modalitäten ihrer Durchführung zu beziehen. Allerdings können die Modalitäten der Durchführung einer anderen Behörde zuzurechnen sein als die Maßnahme als solche, sodass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht jeweils unterschiedliche belangte Behörden zu bezeichnen und beizuziehen wären.

Hinsichtlich der Angelegenheiten des 1. Hauptstücks des 2. Teiles des BFA-VG und des 7. und 8. Hauptstücks des FPG ist die Zuständigkeit des BFA - einer Bundesbehörde - zur Vollziehung vorgesehen (vgl. insbesondere § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-G). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Die Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen - etwa dem Festnahmeauftrag, aber auch der Anhaltungen nach § 40 BFA-VG - obliegt gemäß § 5 BFA-VG den Landespolizeidirektionen. Auch dabei handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung.

Das Bundesverwaltungsgericht war daher für die Entscheidung über die Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers insoweit zuständig, als sie sich gegen die Modalitäten der Festnahme und Anhaltung richtete. Als belangte Behörde war zu diesem Beschwerdegegenstand freilich nicht das BFA, sondern die örtlich zuständige Landespolizeidirektion - der die Modalitäten der Festnahme und Anhaltung zuzurechnen waren - am Verfahren zu beteiligen.

Über die Maßnahmenbeschwerde gegen den Festnahmeauftrag gemäß § 34 BFA-VG in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Abs 5) wurde bereits unter einem mit Schubhafterkenntnis vom 01.08.2019 (Zlen. W174 2206113-1 und W174 2206368-1) abgesprochen.

3.2. Zur Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde:

Ein Verwaltungsakt in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124; VwGH 29.09.2009, 2008/18/0687, mwN).

Die bekämpften Maßnahmen des Anlegens von Handschellen vorne und Fußfesseln stellen zweifellos Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Diese gilt jedoch nicht für das Vorenthalten ärztlicher Behandlung und Nichtbeiziehen einer Vertrauensperson, zumal dabei seitens der Organe der belangten Behörde keine Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt wurde. Zudem wurde kein ärztlicher Behandlungsbedarf einer oberflächlichen Abschürfung am Hals nach Selbstverletzung festgestellt und der Beschwerdeführer ohnehin im PAZ polizeiärztlich untersucht. Alle Anhalteprotokolle wurden ordnungsgemäß angefertigt und eine Vertrauensperson beigezogen. Soweit sich die Maßnahmenbeschwerde also darauf bezieht war sie daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.3. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliegt die Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse denselben grundsätzlichen Einschränkungen wie der im Waffengebrauchsgesetz geregelte Waffengebrauch; sie muss demnach für ihre Rechtmäßigkeit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und darf nur dann Platz greifen, wenn sie notwendig ist, um Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen (vgl. § 6 Abs 1 Waffengebrauchsgesetz) und Maß haltend vor sich geht; es darf jeweils nur das gelindeste Mittel, das zum Erfolg, etwa zur Abwehr eines Angriffes, führt, angewendet werden (VwGH 24.03.2011, 2008/09/0075 mwH).

Die Fesselung mit Handschellen im Rahmen einer Amtshandlung ist eine Vorgangsweise, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie "unbedingt erforderlich (unabdingbar) ist" (vgl VwGH 08.08.2002, 99/11/0327). Eine Fesselung mit Handschellen ist etwa dann nicht gerechtfertigt, wenn auf Grund der näheren Umstände eine konkrete Gefährdung der körperlichen Sicherheit der einschreitenden Behördenorgane nicht ernstlich zu befürchten ist oder es diesen auf eine maßvollere Weise als durch Anlegen von Handfesseln möglich wäre, dem Widerstand einer Person zu begegnen (vgl VwGH 18.05.2010, 2006/11/0086). Das Anlegen von Handfesseln durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist gerade deshalb vorgesehen, um damit Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen.

Die Handfesselung war im gegenständlichen Fall geeignet, da sich der Beschwerdeführer bereits mehrfach einer geplanten Abschiebung bzw. Festnahme entzog und hinlänglich bekannt war, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachkommen wird. Der Beschwerdeführer hat sich der bisherigen Flüchtlingsunterkunft entzogen, ist seiner amtlichen Meldeverpflichtung nicht nachgekommen und hat seine private Unterkunft auch nicht der Grundversorgungsstelle mitgeteilt. Geplante Abschiebetermine verhinderte er dadurch, dass er sich wiederholt in stationäre Behandlung begab. Der Festnahmeauftrag erging zur Sicherstellung der Schubhaft und war vor allem aufgrund der bisherigen Weigerungen, den behördlichen Anordnungen (wie Unterkunftsnahme zur Sicherung der Abschiebung) nachzukommen, nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer freiwillig, dh ohne Anlegen von Handfesseln, zum Zweck der Überstellung in Schubhaft auf die Dienststelle mitgekommen wäre. Diese Annahme war auch aufgrund seiner Aussagen vom 11.04.2018 vor dem BFA, wonach er Panikattacken bekommen habe, „nachdem am 05.02.2018 die Polizei zu uns gekommen ist wegen der Abschiebung.“ gerechtfertigt.

Das Anlegen von Handfesseln zur tatsächlichen Effektuierung einer Überstellung in Schubhaft erscheint im Lichte der Verhältnismäßigkeit gemessen an der Bedeutung des geschützten Rechtsgutes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wozu auch die Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und die Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften zählen, geeignet, erforderlich und angemessen. Durch das Anlegen der Handfesseln vorne und der Eskorte im Zivilfahrzeug wurde dabei das schonendste Mittel gewählt.

Bei der Durchführung der Festnahme wurde auch darauf Bedacht genommen, dass diese erst erfolgte, als das Kind des Beschwerdeführers bereits im Kindergartengebäude war. Eine Konstellation wie im Fall EGMR A/Russland, 12.11.2019, 37735/09 liegt daher gerade nicht vor. Diesbezüglich wurde eine Verletzung des Art 3 [festgestellt], weil ein neunjähriges Kind miterleben musste, wie sein Vater von der Polizei unter Gewaltanwendung vor der Schule festgenommen, obwohl die einschreitenden Sicherheitsbehörden wussten, dass das Kind anwesend sein würde.

3.4. Gemäß § 26 Abs 2 Anhalteordnung, BGBl. II Nr. 128/1999 idgF BGBl. II Nr. 439/2005, ist die Verwendung anderer Fesselungsmittel als der Handfessel oder zusätzlicher Fesselungsmittel nur unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und nur dann zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, der Häftling werde auf Grund einer psychischen Krankheit oder durch Gewalttätigkeit sein Leben oder seine Gesundheit, andere Personen oder Sachen gefährden und eine Handfesselung allein dem Sicherungszweck nicht genügen werde.

Durch das unerwartete Aufspringen, Ergreifen eines Kugelschreibers und Einstechens damit in Richtung des Fensters hat der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt, das Grund zur Annahme gibt, der Beschwerdeführer werde sich selbst oder die Gesundheit anderer Personen, insbesondere die der Beamten, gefährden. Bei der Handlung hat sich der Beschwerdeführer bereits selbst im Halsbereich oberflächlich verletzt und musste er von zunächst zwei Beamten von weiteren Taten abgehalten werden. Dabei gingen der Beschwerdeführer und ein Beamter auch zu Boden und musste er von weiteren einschreitenden Beamten kurzzeitig in Bauchlage am Boden fixiert werden. Es war daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Amtshandlung durch Selbst- und Fremdgefährdung weiter zu vereiteln versucht (Abs 2 Z 1 und 4 leg. cit.) und, wie oben bereits festgestellt und ausgeführt wurde, auch bei der Überstellung eine sich allenfalls bietende günstige Situation zur Flucht nutzen könnte. Zu Recht konnte vom Vorliegen einer Fluchtgefahr gemäß § 26 Abs 2 Z 3 AnhO ausgegangen werden und war es daher angemessen, zusätzlich zur Hand- auch Fußfesseln zum Sicherungszweck anzulegen.

Da die Handlungen des Beschwerdeführers augenscheinlich wiederum darauf abzielten, die eingeleiteten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu verhindern, war der mit Hand- und Fußfessel geschlossene Transport bis zur erfolgten Unterbringung in Schubhaft im PAZ XXXX (gemäß dem Festnahmeauftrag des BFA) auch notwendig und angemessen.

Gemäß § 26 Abs 5 AnhO iVm § 10 Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993 idgF BGBl. II Nr. 155/2012, wurde jede Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zur späteren Nachvollziehbarkeit dokumentiert. Der Bericht des BPK XXXX vom 31.10.2018 wurde an die Staatsanwaltschaft übermittelt und von dieser von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, weil kein Anfangsverdacht bestand.

3.5. Insgesamt konnte keine Unverhältnismäßigkeit erkannt werden und war die Maßnahmenbeschwerde daher als unbegründet abzuweisen und die Ausübung der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt durch die der belangten Behörde zurechenbare Organe in Form von Anlegen von Hand- und Fußfesseln am 17.09.2018 als zulässig zu erklären.

3.6. Die belangte Behörde beantragte in der Stellungnahme vom 08.01.2019 Aufwandersatz. Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Als Aufwendungen gemäß gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Gemäß § 35 Abs 3 und 4 VwGVG iVm § 1 Z 1 und Z 2 der VwG-Aufwandsersatzverordnung war dem Beschwerdeführer daher ein Kostenersatz aufzuerlegen. Die im Spruchpunkt II. angeführte Kostenentscheidung gründet auf die eben dargestellten Rechtsbestimmungen. Demnach ist die belangte Behörde als obsiegende und der Beschwerdeführer als unterlegene Partei anzusehen und ist Ersatz des Vorlageaufwandes in Höhe von € 57,40 und Ersatz des Schriftsatzaufwandes der belangten Partei in Höhe von € 368,80, sohin insgesamt € 426,20 zu leisten.

3.7. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Zum einen konnten entscheidungsrelevante Feststellungen aus dem rechtskräftigen Erkenntnis über die Schubhaftbeschwerde herangezogen werden, zum anderen lagen in den Berichten und Anhalteprotokollen der belangten Behörde und den vom Rechtsvertreter zum Beweis beigebrachten Gedächtnisprotokolle der Zeugen keine Unstimmigkeiten vor. Die weiteren zum Beweis angebotenen Zeugen hätten nur Angaben zu den nicht einer Maßnahmenbeschwerde zugänglichen Fakten (Beiziehen einer Vertrauensperson und Vorenthalt ärztlicher Versorgung) machen können und waren damit im gegenständlichen Verfahren nicht zu hören. Der Beschwerdeführer selbst wurde bereits vor Einbringung der Maßnahmenbeschwerde in seinen Herkunftsstaat abgeschoben und wäre seine Einvernahme in gegenständlicher Rechtssache zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der zu belangenden Behörde bei Maßnahmenbeschwerden gegen Modalitäten einer Festnahme und Anhaltung, zur Definition von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder zur Frage der Verhältnismäßigkeit bei Anwendung von Körperkraft bzw. Befehls- und Zwangsmitteln nach der AnhO, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung ärztliche Untersuchung Aufwandersatz Befehls- und Zwangsgewalt Festnahme Festnahmeauftrag Fluchtgefahr Kostenersatz Maßnahmenbeschwerde Schriftsatzaufwand Schubhaft Überstellung Unzulässigkeit der Beschwerde Vertrauensperson Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2206113.2.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten