TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/17 95/19/1430

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.1997
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §10 Abs1 Z7;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;
VStG §5 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1431

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden 1. des A B, geb. 1983, und 2. des D B, geb. 1989, beide in 1160 Wien und vertreten durch die Mutter I B, diese vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 6-8, gegen die Bescheid des Bundesministers für Inneres je vom 13. September 1995, 1. Zl. 303.078/3-III/11/95 und

2. Zl. 303.078/2-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den obzitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen. Die belangte Behörde ging dabei unter anderem vom Vorliegen des Ausschließungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 7 des Fremdengesetzes (FrG) aus. Die Beschwerdeführer seien zwar im Reisepaß ihrer Mutter miteingetragen, doch sei nur diese zur Einreise nach Österreich berechtigt gewesen. Da die Beschwerdeführer über keinen zur Einreise nach Österreich berechtigenden Sichtvermerk verfügten, sei anzunehmen, daß sie unter Umgehung der Grenzkontrolle (§ 10 Abs. 1 Z. 7 FrG) in das Bundesgebiet gelangt seien.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben. Sie erachten sich jeweils in "dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung des Aufenthaltes in Österreich gemäß den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes und des Fremdengesetzes verletzt".

Die belangte Behörde hat jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerden beantragt, von der Erstattung von Gegenschriften jedoch Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerdesachen erwogen:

In ihren den gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden "Erstanträgen" vom 25. Jänner 1994 und vom 24. Oktober 1994 haben beide Beschwerdeführer übereinstimmend eine Anschrift in Wien als ihre Wohnadresse angeführt.

Die belangte Behörde hat erstmals von dem Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG iVm § 5 Abs. 1 AufG Gebrauch gemacht, sodaß die Beschwerdeführer nicht gehindert gewesen wären, hiezu vor dem Verwaltungsgerichtshof auch auf der Sachverhaltsebene Stellung zu nehmen. Sie haben jedoch insoweit kein Vorbringen erstattet, sodaß die nicht der Aktenlage widersprechende Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführer seien unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist, vom Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrundegelegt wird.

Beide Beschwerdeführer sind unbestritten Staatsangehörige der "Bundesrepublik Jugoslawien". Als solche bedurften sie zu ihrer Einreise gemäß der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Aussetzung der Sichtvermerksfreiheit im Verhältnis zur "Bundesrepublik Jugoslawien", BGBl. Nr. 386a/1992, eines Sichtvermerkes. Hinweise auf eine Einreise zu einem anderen Zeitpunkt als dem der Geltung der erwähnten Kundmachung sind den Verwaltungsakten und auch dem Vorbringen der Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof nicht zu entnehmen. Desgleichen ist auch ein Sachverhalt, der der Verordnung des Bundesministers für Inneres über eine Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 407/1992, zu unterstellen wäre, nicht ersichtlich.

Es ist daher auch in rechtlicher Sicht vom Bestehen einer Sichtvermerkspflicht für die Beschwerdeführer auszugehen, sodaß auch insoweit der auf der Tatsachenebene gezogene Schluß der belangten Behörde, sie hielten sich nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet auf, gerechtfertigt erscheint.

Die Beschwerdeführer gehen im Hinblick auf die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit der bekämpften Bescheide übereinstimmend davon aus, daß ihnen gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet zukäme. Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der "Umgehung der Grenzkontrolle" im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG bestreiten die Beschwerdeführer - unter Hinweis auf ihr Alter - die "Absicht", gegen die österreichische Rechtsordnung zu verstoßen.

Nach § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

Nach § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden unter anderem nicht erteilt werden, wenn bei ihnen ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinn des § 10 Abs. 1 FrG gegeben ist. Nach § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält.

Schon aus dem Wortlaut der hier angesprochenen Bestimmungen folgt, daß bei Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes (wie jenes nach § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG) eine Aufenthaltsbewilligung selbst dann nicht zu erteilen ist, wenn ansonsten der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG verwirklicht sein sollte.

Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die - wie dargelegt - zutreffende Annahme der belangten Behörde, sie hätten den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG verwirklicht, mit dem Hinweis wenden, sie hätten nicht die "Absicht" gehabt, gegen die österreichische Rechtsordnung zu verstoßen, ist ihnen zu entgegnen, daß die Verwirklichung des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG nicht voraussetzt, daß das einschlägige Verhalten dem Fremden "schuldhaft zurechenbar" ist. Dieses Moment ist in einem Strafverfahren wegen unbefugten Aufenthaltes im Bundesgebiet (§ 82 Abs. 1 Z. 4 FrG) rechtlich bedeutsam, nicht jedoch in einem Administrativverfahren betreffend die Erteilung oder Versagung eines Sichtvermerkes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0384). Entscheidend ist lediglich, daß sich der Sichtvermerkswerber in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung zweiter Instanz nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/1208, mwN). Dies ist hier der Fall.

Insoweit den Beschwerden die Rüge einer Nichtberücksichtigung der Interessenabwägung nach Art. 8 MRK entnommen werden kann, ist ihnen entgegenzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, B 38/93, B 445/93 = ZfVB 1995/5/1729, ausgesprochen hat, daß die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG einen bereits vom Gesetzgeber vorbedachten zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben - auch im Hinblick auf Art. 8 MRK - darstellt und im Einzelfall deshalb nicht darauf einzugehen ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1997). Bei Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG ist daher von der Behörde auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden nicht einzugehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0823).

Aus diesen Erwägungen waren daher die Beschwerden als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der über den Sichtvermerksversagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem weiteren hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191430.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten