TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W231 1431073-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W231 1431073-2/11E

W231 1431074-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von

I. XXXX (BF1), geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Schmelz Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben. Die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. werden ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 27.09.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 27.09.2020 erteilt wird.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

II. XXXX (BF2), geboren am XXXX , vertreten durch die Schmelz Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben. Die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (BF2), geboren am XXXX , vertreten durch die Schmelz Rechtsanwälte OG, gegen Spruchpunkt III des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX (Abweisung des Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Beschluss:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs.1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.1. Verfahrensgang:

I.1.1. Die Beschwerdeführer (BF), eine Mutter und ihr damals minderjähriger Sohn, reisten am 05.03.2012 schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am folgenden Tag Anträge auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin (BF 1) wurde dazu am Tag der Antragstellung von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

I.1.2. Am 13.03.2012 fand vor dem Bundesasylamt, EASt West, eine niederschriftliche Einvernahme der BF 1 statt. Dabei gab sie im Wesentlichen an, aus einer namentlich genannten Stadt in der Provinz Kunduz zu stammen. Sie sei verwitwet, Afghanistan habe sie aus Furcht, die Taliban könnten ihren Sohn entführen, verlassen.

I.1.3. Mit Bescheiden vom 19.11.2012, Zlen. XXXX (ad BF1) und XXXX (ad BF2) wies das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (jeweils Spruchpunkt I.), erkannte BF1 (originär) gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und BF2 im Familienverfahren gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu (jeweils Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 19.11.2013 (jeweils Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde führte aus, dass im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte für eine glaubhafte und aktuelle asylrelevante Verfolgung der BF festzustellen gewesen seien.

I.1.4. Gegen die Versagung von Asyl erhoben die BF innerhalb offener Frist Beschwerden.

I.1.5. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 23.04.2015 wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 10.11.2016, Zlen. W197 1431073-1/10E und W197 1431074-1/11E die Beschwerden als unbegründet ab.

Festgestellt wurde, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat mit den Behörden oder der Polizei nie Probleme hatten, ebenso keine Schwierigkeiten auf Grund ihrer politischen Gesinnung, ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF in Afghanistan jemals der Gefahr einer Entführung ausgesetzt waren oder im Falle einer Rückkehr einer solchen Gefahr ausgesetzt sein könnten. Ebenso wenig war eine westliche Orientierung von BF1 festzustellen.

I.1.6. Den Anträgen der BF auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde fortwährend stattgegeben und ihre Aufenthaltsberechtigungen zuletzt bis 19.11.2018 verlängert.

I.1.7. Mit Ladung vom 04.12.2018 wurden die BF zur Einvernahme vor der belangten Behörde geladen. Am 14.01.2019 wurden die BF vor der belangten Behörde einvernommen.

I.1.8. Mit den angefochtenen Bescheiden erkannte die belangte Behörde den mit Bescheiden vom 19.11.2012 zuerkannten Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AslyG 2005 von Amts wegen ab (jeweils Spruchpunkt I). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde entzogen (jeweils Spruchpunkt II), und die Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 27.09.2018 abgewiesen (jeweils Spruchpunkt III). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den BF nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt IV). Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 4 FPG 2005 erlassen (jeweils Spruchpunkt V). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (jeweils Spruchpunkt VI). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 festgelegt (jeweils Spruchpunkt VII).

Hinsichtlich BF1 wird die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten damit begründet, dass die Voraussetzungen für die weitere Zuerkennung des Schutzstatus nicht mehr vorlägen. Ihr sei dieser Status damals zuerkannt worden, weil sie als Witwe, angesichts ihrer fehlenden Schul- und Berufsausbildung und des Umstandes, dass sie damals für ein minderjähriges Kind sorgen musste, ihre Existenzgrundlage nicht in ausreichendem Maß hätte sichern können. Es sei aber eine Schwester in Mazar-e-Sharif aufhältig, eine befreundete Nachbarin lebe in Kunduz, eine Rückkehr nach Herat und Mazar-e-Sharif sei mittlerweile zumutbar, auch weil ihr Sohn mittlerweile volljährig sei, einen Schulabschluss absolviert habe, eine Lehre mache und somit Berufserfahrung erlangt habe. Es sei dem Sohn BF2 daher zumutbar, dass er eine Tätigkeit in Afghanistan in diesem Bereich aufnehme und für seinen Aufenthalt und den seiner Mutter (BF1) aufkomme.

Hinsichtlich BF2 heißt es, dass ihm der Schutzstatus im Familienverfahren zuerkannt worden sei. Sodann verweist die belangte Behörde darauf, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (für BF1 und auch BF2) nicht mehr vorlägen.

I.1.9. Gegen diese Bescheide erhoben die anwaltlich vertretenen BF fristgerecht die zulässigen, verfahrensgegenständlichen Beschwerden. Die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen rechtswidrig erfolgt. Es sei keine wesentliche Änderung im Tatsächlichen eingetreten: Weder hinsichtlich der (Sicherheits)Lage in Afghanistan, noch der Situation am afghanischen Arbeitsmarkt und auch nicht in der Person der BF sei es zu wesentlichen Änderungen gekommen, die eine Aberkennung des Schutzstatus rechtfertigen würden. Die belangte Behörde habe einen im Wesentlichen unveränderten Sachverhalt unzulässiger Weise mit einer geänderten rechtlichen Beurteilung versehen. Schließlich hätte die belangte Behörde bei korrekter Interessenabwägung zu dem Schluss kommen müssen, dass eine Rückkehrentscheidung zu Lasten der BF dauerhaft unzulässig sei und es wäre den BF ein Aufenthaltstitel zu gewähren gewesen.

I.1.10. Die Beschwerden und die zugehörigen Verwaltungsakten langten am 19.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung wurde für den 21.10.2019 anberaumt und auf Ersuchen der anwaltlichen Vertretung um Vertagung auf den 04.11.2019 verlegt. Am 04.11.2019 wurden die BF im Beisein ihrer anwaltlichen Vertretung einvernommen. Eine Vertreterin der belangten Behörde wohnte der mündlichen Verhandlung ebenfalls bei. Die erkennende Richterin konnte sich einen persönlichen Eindruck von den BF verschaffen.

I.1.11. Am 04.11.2019 erging ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien zu Zl. VWG-151/033/8307/2019-7, mit dem der Beschwerde des BF2 gegen die Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Daueraufenthalt EG (int. Schutzberechtigte“ gem. § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG stattgegeben wurde und dem BF gem. § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltsteilt „Daueraufenthalt - EU“ erteilt wurde. Dieses übermittelten die BF samt einer Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht.

I.1.12. Dieses Erkenntnis wurde der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht; die belangte Behörde hat dazu keine Stellungnahme übermittelt.

I.1.13. Am 06.12.2019 wurde den BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung 13.11.2019 zur Stellungnahme übermittelt. Die BF haben davon Abstand genommen, eine Stellungnahme zu erstatten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Die BF sind Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sind sunnitische Moslems. Sie stammen aus Kunduz, Afghanistan, ihre Muttersprache ist Dari.

BF1 ist die leibliche Mutter von BF2. BF1 ist verwitwet, ihr Ehemann verstarb vor etwa 20 Jahren, als BF2 ca. 6 Monate alt war. Nach dem Tod ihres Ehemannes mietete BF1 in der Nachbarschaft ihres Elternhauses, das von ihrem Bruder und seiner Familie bewohnt wurde, ein Zimmer, in dem sie mit BF2 lebte. Ihren Lebensunterhalt finanzierte sie mit den Einnahmen aus der Vermietung des familieneigenen Geschäfts (Lebensmittel- bzw. Videoverleihgeschäft), das ihr nach dem Tod des Ehemannes zufiel. Vor der Ausreise verkaufte BF1 dieses Geschäft gegen den Willen des Schwagers an den bisherigen Mieter, lukrierte aus dem Verkauf ca. 20.000 USD und finanzierte damit die Fluchtreise für sich und ihren Sohn nach Europa. Rund um den Verkauf des familieneigenen Geschäfts (Lebensmittel- bzw. Videoverleihgeschäft) durch BF1 zur Finanzierung der Fluchtreise nach Europa kam es mit dem Bruder des verstorbenen Ehemannes von BF1 (also ihrem Schwager bzw. Onkel von BF2) zu Streit und Bedrohung der BF, weil er selbst das Geschäft haben wollte.

BF1 hat noch eine Schwester in Mazar-e-Sharif, die dort seit ihrer Eheschließung vor etwa 20 Jahren lebt. Dass BF1 und/oder BF2 zu dieser Frau in Mazar-e-Sharif Kontakt haben bzw. in den letzten Jahren hatten, konnte nicht festgestellt werden. Der Bruder von BF1 bzw. Onkel von BF2 litt an Diabetes und verstarb 2017 an einem Schlaganfall. BF1 hat weiters insgesamt sieben Cousins und Cousinen, die in Kunduz-Stadt bzw. im Heimatdorf in Kunduz wohnen. Die Cousins verrichten Hilfs- bzw. Gelegenheitsarbeiten. BF1 hat, nachdem sie in Österreich ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wieder Kontakt zu ihrer ehemaligen Nachbarin in Kunduz aufgenommen und hält diesen nach wie vor telefonisch in Abständen von ca. 3 Monaten aufrecht.

1.1.2. Die BF leben seit etwa acht Jahren in Österreich.

BF1 hat Alphabetisierungskurse, drei Kurse zum Spracherwerb Niveau A1, einen Werte- und Orientierungskurs, das Modul „Sicherheit & Polizei“ und einen Kompetenzcheck zur beruflichen Integration absolviert. Derzeit besucht BF1 einen Deutschkurs Niveau A2. BF1 hat sich grundlegende Sprachkenntnisse angeeignet, die zwischen dem Sprachniveau A1 und A2 eingeordnet werden können. Über konkrete Inhalte des Werte- und Orientierungskurses, des Moduls „Sicherheit & Polizei“ und insbesondere des „Kompetenzchecks zur beruflichen Integration“ konnte BF1 nur vage Auskunft geben.

BF1 hat eine „Vereinbarung zur aktiven Vermittlungsunterstützung“ unterzeichnet und vorgelegt. Sie hat in den letzten Jahren über Vermittlung des AMS 3 Monate im Jahr 2016, 3 Monate im Jahr 2017 und 2 Monate im Jahr 2018 vollbeschäftigt als Reinigungskraft gearbeitet. Weiters hat sie 2012/2013 ehrenamtlich in einem Sozialmarkt in Linz ausgeholfen. Seit Sommer 2019 arbeitet BF1 geringfügig als Reinigungskraft bei einem Unternehmen.

BF1 bestreitet ihren Unterhalt aus der Mindestsicherung in Höhe von derzeit 400 EUR/monatlich und aus dem Entgelt ihrer geringfügigen Beschäftigung (389 EUR/monatlich).

Bei BF1 sind eine „Skoliose“ und ein „retropartielles Überlastungssyndrom bei Genua vara“ diagnostiziert, die mittlerweile gut behandelt und ausgeheilt sind. BF1 hat diesbezüglich keine Probleme mehr, nimmt keine Medikamente und absolviert keine Therapien.

BF1 ist in Österreich unbescholten.

BF2 ist als Minderjähriger mit seiner Mutter (BF1) eingereist und mittlerweile volljährig. Er ist gesund.

BF1 hat mehrere Deutschkurse absolviert und sich bereits gute Deutschkenntnisse angeeignet.

Er hat den Hauptschulabschluss absolviert und eine polytechnische Schule besucht, in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019 die Berufsschule. Seine Leistungen in den Pflichtgegenständen werden durchwegs gut beurteilt, an einer unverbindlichen Übung hat BF2 teilgenommen.

Seit 01.10.2017 absolviert BF1 über Vermittlung des Vereins TW eine Ausbildung im Lehrberuf Metallbearbeitung bei einer Gesellschaft, befindet sich derzeit im 2. Lehrjahr und bezieht eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von 765,79 EUR/monatlich. BF2 hat 2018 am Berufswettbewerb einer ÖBB Lehrwerkstätte in seinem Lehrberuf teilgenommen und den 2. Platz erreicht. Er hat von seinem Lehrbetrieb aktuell keine fixe Einstellungszusage, würde aber gerne dort weiterarbeiten. BF2 hat Ersparnisse in der Höhe von 3.000 EUR, die er sich seit 2017 zusammengespart hat.

Mit Erkenntnis des LVwG Wien vom 04.11.2019 wurde BF2 gem. § 45 Abs. 12 NAG rechtskräftig ein Aufenthaltsteilt „Daueraufenthalt - EU“ erteilt („Asylberechtigten, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen über den Status des Asylberechtigten verfügten und subsidiär Schutzberechtigten, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter rechtmäßig aufhältig waren, kann ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt werden, wenn sie 1. Die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und 2. Das Modul der Integrationsvereinbarung (§10 IntG) erfüllt haben“). Bei BF2 lägen alle diese Voraussetzungen vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BF2 hat österreichische Freunde über seine Lehrstelle gefunden, mit denen er auch außerhalb des Lehrbetriebes etwas unternimmt, sie gehen etwa spazieren oder spielen am Computer.

BF2 ist in Österreich unbescholten.

BF1 und BF2 wohnen in Österreich im selben Haus in derselben Straße, aber in unterschiedlichen kleinen Wohnungen. Ihr Verhältnis zueinander ist gut, sie unterstützten sich, auch finanziell, wenn notwendig gegenseitig. BF1 besucht BF2 öfters in seiner Wohnung.

BF1 geht manchmal spazieren, betreibt sonst keinen Sport, B2 besucht regelmäßig das Fitness-Center und trainiert dort, er spielt auch Fußball.

BF1 und BF2 haben in Österreich an afghanischen Hochzeiten und Kulturveranstaltungen teilgenommen, und sonst noch keine kulturellen Veranstaltungen besucht; beide sind nicht Mitglied in einem Verein. BF1 und BF bekundeten beide ein Interesse für österreichische Geschichte, Kultur und Politik. BF1 konnte dieses Interesse nicht weiter substantiieren, BF2 konnte grundlegende Angaben zur österreichischen Tagespolitik machen.

BF1 besuchte bis Mitte Dezember 2019 am Vormittag den A2-Deutschkurs, geht anschließend, wenn notwendig, einkaufen, und arbeitet am Nachmittag. In der Zeit, in der sie weder einen Deutschkurs besucht noch gearbeitet hat, hat BF1 versucht, über Stellenanzeigen aus Zeitungen und das AMS eine Arbeit zu finden. Sie hat einen Kreis aus afghanischen Freundinnen, die Frauen besuchen einander gegenseitig oder gehen zusammen im Park spazieren. 2018 lernte BF1 im Park eine ältere österreichische Frau kennen, mit der sie sich auf Deutsch zur Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse unterhielt; aktuell besteht kein Kontakt mehr zu dieser Frau.

Der Tagesablauf von BF2 gestaltet sich so, dass er von 7 Uhr bis 15:30 Uhr arbeitet, dann Zeit zu Hause verbringt, und um 20 oder 21 Uhr für zwei bis drei Stunden trainieren geht.

II.1.2. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 19.11.2012 wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, der Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde den BF jedoch zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Diese Bescheide sind rechtskräftig.

II.1.2.1. Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an BF1 stützte sich auf folgende Feststellungen zur Rückkehrsituation (Bescheid betreffend BF1 vom 19.11.2012, Seite 17):
„Zu Ihrer Situation im Fall der Rückkehr:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sind.

Es bestehen Gründe für die Annahme, dass Ihnen im Fall der Verbringung in Ihren Herkunftsstaat ein reales Risiko der Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, droht.“

Dazu korrespondiert folgende Beweiswürdigung, die hier auszugsweise wiedergeben wird (Bescheid betreffend BF1 vom 19.11.2012, Seite 65ff):

„betreffend die Feststellung Ihrer Situation im Fall der Rückkehr:

Wie oben ausgeführt, könnte eine Gefährdung hinsichtlich asylrelevanter Umstände nicht erkannt werden, sodass auch im Falle einer Rückkehr eine diesbezügliche Gefährdung nicht als gegeben anzusehen war.

Wenngleich in Ihrem Fall eine asylrelevante Verfolgung nicht vorliegt, so bleibt für die Behörde doch zu befinden, dass sich Afghanistan in einer schwierigen Lage befindet, besonders die Sicherheitslage in manchen Provinzen mangelhaft ist und daher eine Prüfung des Zumutbarkeitskalküls geboten ist (…).

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan ist auszuführen, dass Sie am XXXX in der Stadt Kunduz geboren wurden. Sie sind nicht zur Schule gegangen. Sie sind Analphabetin. Ihr Ehemann ist vor 13 Jahren verstorben. Mit Ihrem Sohn leben Sie in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Sie haben nicht gearbeitet und waren zuhause. Nach dem Tod Ihres Ehemannes bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt mit erhaltenden Maßnahmen. Ihre Schwester lebt in Mazar-e Sharif. Der Bruder lebt in Kunduz. Im Falle der Rückkehr nach Kunduz könnten Sie vorübergehend beim Bruder leben und vom ihm Unterhalt erhalten.

(…)

Zur Sicherheitslage in Kunduz bleibt auszuführen, dass die ISAF Regionalkommandos West und Nord unverändert zu den vergleichsweise befriedeten Gebieten des Landes gehören, Nordafghanistan verzeichnet weniger als 4% der landesweit registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle.

Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan wären Sie als Frau nicht oder nur unter nicht zumutbaren Verhältnissen in der Lage sich in ausreichendem Maß ihre Existenzgrundlage zu sichern. Zwar ist die Sicherheitslage in Kunduz laut den Länderfeststellungen vergleichsweise gut und gehört der Norden zu den vergleichsweise befriedeten Gebieten in Afghanistan. Anzumerken ist jedoch, dass Sie über keine Schulbildung verfügen. Sie sind Analphabetin. Sie haben keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Ihr Ehemann als Familienoberhaupt ist vor dreizehn Jahren verstorben. Lediglich der in Kunduz ebenfalls verweilende Bruder könnte Ihnen als Stütze bei der Bewältigung des Lebens in Afghanistan dienen. Zu berücksichtigen ist weiters, dass Sie auch für Ihren minderjährigen Sohn (BF2) das Auskommen sichern müssen. Ebenso zu erwähnen ist, dass sich die Inanspruchnahme medizinischer Behandlung angesichts der noch immer zu geringen Anzahl vorhandener weiblicher Ärztinnen für Sie schwierig gestalten könnte.

Diese angeführten persönlichen Faktoren lassen die ha. Behörde zum Befinden kommen, dass derzeit im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Herkunfts- und Heimatstaat die Kriterien für eine ausweglose Lage vorliegen.“

In der rechtlichen Beurteilung (Bescheid betreffend BF1 vom 19.11.2012, Seite 73) kommt die Behörde unter Verweis auf die Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz derzeit vorlägen.

II.1.2.2. Hinsichtlich BF2 stellte die Behörde fest, dass seiner Mutter mit Bescheid vom 19.11.2012 gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, und BF2 als Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 den gleichen Schutz erhalte (Bescheid BF2 vom 19.11.2012, Seite 17). Beweiswürdigend wird ebenfalls auf diesen Umstand der Familienangehörigkeit verwiesen (Bescheid BF2 vom 19.11.2012, Seite 54). Rechtlich wird ausgeführt, es liege gegenständlich ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG 2005 vor, BF2 erhalte als Familienangehöriger den gleichen Schutz (Bescheid BF2 vom 19.11.2012, Seite 56, 60).

II.1.3. Zur Lage in Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 – LIB; EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 - EASO):

Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

Sicherheitslage in Kunduz (LIB, Kapitel 4.19)

Die Provinz Kunduz war schon immer ein strategischer Knotenpunkt. Darüber hinaus verbindet die Provinz Kunduz den Rest Afghanistans mit seiner nördlichen Region und liegt in der Nähe einer Hauptstraße nach Kabul.

Die Sicherheitslage der Provinz hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Sowohl 2015 als auch 2016 kam es zu einer kurzfristigen Einnahme der Provinzhauptstadt Kunduz City durch die Taliban und auch Ende August 2019 nahmen die Taliban kurzzeitig Teile der Stadt ein. Kunduz war die letzte Taliban-Hochburg vor deren Sturz 2001.

Die Taliban waren im Jahr 2018 in den Distrikten Dasht-e-Archi und Chahar Darah aktiv, wo sich die staatliche Kontrolle auf kleine Teile der Distriktzentren und einige benachbarte Dörfer beschränkte. Die Taliban hatten laut Quellen im Februar 2019 im Distrikt Dasht-e-Archi eine parallele Schattenregierung gebildet, die einen Distriktgouverneur, Bildungsleiter, Justiz, Gesundheit, Öffentlichkeitsarbeit, Militär und die Finanzkomitees umfasst. Diese Posten werden von jungen Paschtunen und Usbeken aus dem Distrikt besetzt. In Ali Abad, Imam Sahib und Khan Abad erreichte die Präsenz der Regierung fast die Hälfte der Distrikte, während die restlichen Teile umstritten waren. Aqtash, Calbad und Gultipa standen, zum Berichtszeitraum November 2018, weitgehend oder vollständig unter der Kontrolle der Taliban.

Außerdem soll eine aufständische Gruppe namens Jabha-ye Qariha ("die Front derer, die den Quran auswendig gelernt haben", die Qaris), die als Militärflügel von Jundullah bekannt ist, im Distrikt Dasht-e-Archi aktiv sein. Obwohl Jundullah eine unabhängige Gruppe ist, ist sie mit den Taliban verbündet. In den vergangenen Monaten sind Zellen der Islamischen Staates in der nördlichen Provinz Kunduz aufgetaucht; auch soll der IS dort Basen und Ausbildungszentren unterhalten.

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 337 zivile Opfer (105 Tote und 232 Verletzte) in der Provinz Kunduz.

Balkh (LIB, Kapitel 3.5).

Balkh liegt im Norden Afghanistans. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz hat 1.475.649 Einwohner (LIB, Kapitel 3.5).

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet.

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh.

Herat (LIB Kapitel 4.13.)

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden.

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban.

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul.

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger.

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt.

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat.

Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

Frauen (LIB Kapitel 19.1.):

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten. Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte von Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte. Nach wie vor gilt Afghanistan als eines der weltweit gefährlichsten Länder für Frauen (LIB Kapitel 19.1.)

Während sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft insgesamt ein wenig verbessert hat, können sie ihre gesetzlichen Rechte innerhalb der konservativ-islamischen, durch Stammestraditionen geprägten afghanischen Gesellschaft oft nur eingeschränkt verwirklichen. Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder aufgrund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Bewegungsfreiheit (LIB Kapitel 19.1.)

Seit dem Fall der Taliban wurden jedoch langsam Fortschritte in dieser Hinsicht erreicht, welche hauptsächlich in urbanen Zentren wie z.B. Herat-Stadt zu sehen sind. Das Stadt-Land-Gefälle und die Sicherheitslage sind zwei Faktoren, welche u.a. in Bezug auf Frauenrechte eine wichtige Rolle spielen. Einem leitenden Mitarbeiter einer in Herat tätigen Frauenrechtsorganisation zufolge kann die Lage der Frau innerhalb der Stadt nicht mit den Lebensbedingungen der Bewohnerinnen ländlicher Teile der Provinz verglichen werden. Daher muss die Lage von Frauen in Bezug auf das jeweilige Gebiet betrachtet werden. Die Lage der Frau stellt sich in ländlichen Gegenden, wo regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv sind und die Sicherheitslage volatil ist, anders dar als z.B. in Herat-Stadt (LIB Kapitel 19.1.)

Die afghanische Regierung wird von den Vereinten Nationen (UN) als ehrlicher und engagierter Partner im Kampf gegen Gewalt an Frauen beschrieben, der sich bemüht Gewalt gegen Frauen – beispielsweise Ermordung, Prügel, Verstümmelung, Kinderheirat und weitere schädliche Praktiken – zu kriminalisieren und Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht festzulegen. Wenngleich die afghanische Regierung Schritte unternommen hat, um das Wohl der Frauen zu verbessern und geschlechtsspezifische Gewalt zu eliminieren, bleibt die Situation für viele Frauen unverändert, speziell in jenen Regionen wo nach wie vor für Frauen nachteilige Traditionen fortbestehen (LIB Kapitel 19.1.).

Seit dem Fall der Taliban wurden mehrere legislative und institutionelle Fortschritte beim Schutz der Frauenrechte erzielt. Um Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen zu bekämpfen, hat die Regierung in Afghanistan die Position eines stellvertretenden Generalstaatsanwalts geschaffen, der für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Kinder zuständig ist. Es wurden Kommissionen gegen Belästigung in allen Ministerien eingerichtet. Des Weiteren hat der Oberste Gerichtshof eine spezielle Abteilung geschaffen, um Fälle von Gewalt gegen Frauen zu überprüfen. Darüber hinaus waren in mehr als 20 Provinzen Sondergerichte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen tätig. So hat die afghanische Regierung unter anderem, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft verschiedene Projekte zur Reduzierung der Geschlechterungleichheit gestartet. Das „Gender Equality Project“ der Vereinten Nationen soll die afghanische Regierung bei der Förderung von Geschlechtergleichheit und Selbstermächtigung von Frauen unterstützen (LIB Kapitel 19.1.).

Im Zuge der Friedensverhandlungen (siehe Abschnitt…) bekannten sich die Taliban zu jenen Frauenrechten, die im Islam vorgesehen sind, wie zu Lernen, zu Studieren und sich den Ehemann selbst auszuwählen. Zugleich kritisierten sie, dass „im Namen der Frauenrechte“ Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden. Die Taliban haben während ihres Regimes afghanischen Frauen und Mädchen Regeln aufoktroyiert, die auf ihren extremistischen Interpretationen des Islam beruhen, und die ihnen ihre Rechte – einschließlich des Rechts auf Schulbesuch und Arbeit – vorenthalten und Gewalt gegen sie gerechtfertigt haben. Restriktive Einstellung und Gewalt gegenüber Frauen betreffen jedoch nicht nur Gegenden, welche unter Taliban-Herrschaft stehen, sondern hängen grundsätzlich mit der Tatsache zusammen, dass die afghanische Gesellschaft zum Großteil sehr konservativ ist. Gewalt gegenüber Frauen ist sehr oft auch innerhalb der Familien gebräuchlich. So kann bezüglich der Behandlung von Frauen insbesondere in ländlichen Gebieten grundsätzlich kein großer Unterschied zwischen den Taliban und der Bevölkerung verzeichnet werden. In den Städten hingegen ist die Situation ganz anders (LIB Kapitel 19.1.).

Einem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen 2.286 Frauen registriert (LIB Kapitel 19.1.)

Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (LIB, Kapitel 23).

Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit in Afghanistan Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Die Feststellungen zur familiären Situation der BF wurden grundsätzlich bereits im Verfahren über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz festgestellt; dass der in Kunduz aufhältig gewesene Bruder von BF1 (Onkel von BF2) mittlerweile an einem Schlaganfall verstorben ist, BF1 (und BF2) keinen Kontakt zur Schwester in Mazar-e-Sharif haben, seit diese dort seit ihrer Eheschließung lebt, und dass es rund um den (heimlichen) Verkauf des Geschäfts zur Finanzierung der Flucht mit dem Schwager von BF1 Streit und Bedrohung gab, hat sich auf Basis der glaubwürdigen Angaben von BF1 im Gerichtsverfahren ergeben. BF1 wurde dazu eingehend befragt und gab vor Gericht insgesamt nachvollziehbar an, dass ihr Schwager Interesse an dem Geschäft seines verstorbenen Bruders hatte und es selbst übernehmen wollte. Die Aussagen von BF1 sind auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen plausibel: Wie festgestellt, enthält das Personenstandsgesetz diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug u.a. auf Erbschaft und Bewegungsfreiheit. Dass ein Verkauf des geerbten Geschäftes durch BF1 gegen den Willen des Schwagers problematisch ist, erweist sich auch deswegen als glaubhaft. Als BF1 das Geschäft zur Finanzierung ihrer Flucht heimlich verkaufte, erzeugte dies beim Schwager somit großen Unmut; unter diesen Umständen scheint es auch nicht abwegig, dass es auch Jahre nach diesem Vorfall zu Spannungen und Bedrohungen seitens des Schwagers gegenüber BF1 kommen würde.

Substantiierte Zweifel, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen, haben sich nicht ergeben.

Die in Österreich absolvierten Ausbildungsmaßnahmen von BF1 und BF2 sind durch entsprechende Unterlagen nachgewiesen (u.a. Beilagen zur VH-Schrift vom 04.11.2019, Konvolut ./A und ./B). Ebenso beruhen die Feststellungen zur Integration der BF in Österreich auf ihren Aussagen in der mündlichen Verhandlung am 04.11.2019 (insb. 18ff).

Die Feststelllungen zur Berufstätigkeit und Sicherung der Existenz in Österreich sind durch entsprechende Unterlagen (Lehr- und Ausbildungsvertrag, Dienstzettel über die geringfügige Beschäftigung von BF1 vom 08.08.2019, Lohn/Gehaltsabrechnungen bzw. Entgeltsabrechnung, Konvolut ./A und ./B, Beilage zur VH-Schrift) untermauert.

Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand der BF im Entscheidungszeitpunkt ergibt sich auf Basis ihrer Aussagen in der mündlichen Verhandlung (VH 04.11.2019, 4).

Die Feststellungen zur aktuellen Wohnsituation der BF gründen auf den diesbezüglich glaubwürdigen Aussagen der BF und den vom Bundesverwaltungsgericht erstellten aktuellen Auszügen aus dem ZMR (Beilagen zur VH-Schrift 04.11.2019).

Dass BF2 rechtskräftig ein Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU erteilt wurde, folgt aus dem im Gerichtakt einliegenden Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien (OZ 8), das der belangten Behörde auch zur Kenntnis gebracht wurde.

Dass die BF in Österreich nicht straffällig geworden sind, zeigt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht erstellten aktuellen Auszügen aus dem Strafregister.

II.2.2. Die Feststellungen über den Zeitpunkt der Asylantragstellung, den Gegenstand des Bescheides des Asylbehörde, den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft dieser Bescheide, die Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigungen sowie den Gegenstand der angefochtenen Bescheide stützen sich auf die Inhalte der Verwaltungs- bzw. Gerichtsakte.

Die Gründe, aus denen die Behörde den BF den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat, ergeben sich zweifelsfrei aus den aktenkundigen Bescheiden vom 19.11.2012.

II.2.3. Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Afghanistan beruhen auf den oben angeführten Quellen. Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich hierbei einer ausgewogenen Auswahl verschiedener – im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zitierter – Quellen staatlichen und nichtstaatlichen Ursprungs, um sich so ein möglichst umfassendes Bild über die Lage in Afghanistan machen zu können. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Das LIB in der Fassung Gesamtaktualisierung 13.11.2019 wurde den Parteien zugestellt; die haben dazu keine Stellungnahme abgegeben.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der §§ 2, 8, 9 und 34 AsylG 2005 lauten (auszugsweise) wie folgt:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.       der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.       dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

…“

„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2.       er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.       er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1.       einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.       der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.       der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2.

einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3.

einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

dieser nicht straffällig geworden ist und

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten