Entscheidungsdatum
02.04.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W277 2222463-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Es wird gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige von XXXX , stellte am XXXX bei der Österreichischen Botschaft (in der Folge: ÖB) in XXXX einen Antrag auf Einreise XXXX da sich ihr minderjähriger Sohn, XXXX , im Bundesgebiet aufhalten würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) erteilte hinsichtlich dieses Antrags eine negative Stellungnahme.
2. Die BF stellte nach illegaler Einreise in Österreich am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am Folgetag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu den Fluchtgründen brachte sie vor, dass ihre Familie sie mit dem Tode bedroht hätte, da sie ohne Einwilligung ihrer Eltern geheiratet habe. Diese würde auch nicht wissen, dass sie mittlerweile bereits geschieden sei und wieder geheiratet habe. Die BF habe vor ungefähr XXXX Jahren ihre Geschwister adoptiert, weil ihr Vater ohne Arbeit gewesen sei und für sie nicht sorgen habe können. Sie habe die Obsorge vor Gericht erhalten. Die BF habe im XXXX für eine Organisation namens XXXX (offenkundig ein Schreibfehler und gemeint: XXXX ) gearbeitet, die sich für die XXXX eingesetzt habe. Sie sei von einer Miliz namens XXXX "mit dem Leben" (gemeint wohl: mit dem Tode) bedroht worden, wenn sie nicht aufhöre, sich für die XXXX einzusetzen. Der XXXX namens XXXX der BF sei anerkannter Flüchtling in Österreich und habe für den gemeinsamen Sohn um Familienzusammenführung angesucht. Die BF sei damit einverstanden gewesen und er habe den Sohn im September XXXX nach Österreich geholt. Der XXXX der BF habe wieder geheiratet. Die BF wolle jetzt wieder für ihren Sohn sorgen. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte die BF, getötet zu werden.
3. Am XXXX wurde die BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Sie gab im Wesentlichen zu ihren Fluchtgründen an, dass sie die XXXX gewesen sei. Diese habe XXXX verteidigt. Sie seien gegen jede Missachtung von XXXX und Traditionen, die die XXXX verletzen würden. Zum Beispiel habe in ihrem Herkunftsstaat eine Frau keinen Anspruch auf ein Erbe, es gebe eine Kleidervorschrift für Frauen, man dürfe nicht ohne Verhüllung hinausgehen. Ihr Stamm sei gegen ihre Tätigkeit gewesen, da für diese die Tradition sehr wichtig sei. Nach ihrer Tätigkeit in der Organisation habe die BF einen Brief ihres Stammes bekommen. Danach sei ihr Verein geschlossen worden, weil sie beschuldigt worden seien, dass ihre Organisation die Tradition und den religiösen Glauben beleidige und missachte. Die BF sei von ihrem Stamm ausgeschlossen worden. Wenn man ausgeschlossen werde, heiße dies, dass man mit dem Tod bedroht sei. Nach der Entscheidung des Stammes habe die BF sofort von XXXX fliehen müssen. Dies sei am XXXX gewesen. Danach sei sie nach XXXX weitergereist.
Die BF legte im Zuge der Einvernahme folgende Unterlagen vor:
-Heiratsurkunde vom XXXX ;
-Verzichtserklärung vor der Botschaft für die Obsorge des mj. Sohnes;
-Urkunde, Vormundschaft für XXXX Geschwister vom XXXX ;
-Stammesbrief der XXXX vom XXXX ;
-Brief der Miliz vom XXXX ;
-Stellungnahme des Vereins XXXX über dessen Schließung vom XXXX ;
-Deutschpass XXXX ;
-Medical Report, XXXX , ohne Ausstellungsdatum;
-Schriftstück des Ministeriums für Sozialangelegenheiten & Arbeit zu XXXX XXXX in der Funktion als Generalsekretär des Vereins, ausgestellt am XXXX , gültig bis XXXX ;
-Verein XXXX Ermächtigungsurkunde;
-Genehmigung für Ortsvereine, XXXX Sozial- und Wohltätigkeitsverein für Entwicklung der Frauen und Kinder, Gründung am XXXX ;
-Angaben über Verlängerung der Genehmigung der Jahre XXXX ;
-Antrag auf Auszahlung zur Unterstützung des XXXX -, Sozial- und Wohltätigkeitsvereins, für das Jahr XXXX ;
-Auszahlung (Scheck) an Vereinsvorstand, ohne Datum, ohne Summe;
-Schreiben der XXXX Ministerium für Planung & Internationale Zusammenarbeit/Unterstützungszusage für Projekte vom XXXX ;
-Schreiben an Ministerium für Sozialangelegenheiten & Arbeit, Ersuchen um Unterstützung für Lebensmittelpakete im Ramadan und Eyd-Kleidung, ohne Datum;
-Schreiben an Genossenschaftsbank zur Kontoeröffnung, ohne Datum;
-Schreiben der Rep. XXXX , Ministerium für Planung & Internationale Zusammenarbeit,
-Unterstützungszusage für Herstellung von Weihrauch, Parfüms und Kosmetik sowie Süßwaren, vom XXXX ;
-Bestätigung von XXXX , vom XXXX .
4. Mit Stellungnahme vom XXXX legte die BF ein Konvolut an Dokumenten betreffend die Arbeitstätigkeit der BF und die Bedrohung im XXXX in Kopie samt beglaubigter Übersetzung vor. Gleichzeitig gab die BF bekannt, dass einige Originaldokumente betreffend Eheschließung und Ehescheidung am Postweg bei einem Brand zerstört worden seien und legte eine Bestätigung des Frachtunternehmens in Kopie sowie einen diesbezüglichen Medienbericht vor.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, und unter Spruchpunkt III. wurde ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt.
6. Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
7. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die BF durch ihren Rechtsvertreter, XXXX , binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die BF bis zu ihrer Flucht für den Verein XXXX gearbeitet und diese Tätigkeit detailliert geschildert habe. Sie sei erst am XXXX nach XXXX geflohen, es handle sich bei der Protokollierung der Einvernahme um einen Ziffernsturz. Die Tätigkeit der BF stehe der Ideologie der XXXX entgegen, mit welchen ihr Stamm kooperiere. Die Weigerung der BF, von ihrer Arbeit Abstand zu nehmen, habe zur Eskalation geführt. Weiters sei der erste Ehemann der BF ein XXXX gewesen, weshalb der BF auch aus diesem Grund Verfolgung drohe. Die BF habe diverse Urkundenkopien zur Untermauerung ihres Vorbringens vorgelegt. Weiters wurde im Beschwerdeschriftsatz der Beweiswürdigung des BFA aus dort näher genannten Gründen im Einzelnen entgegengetreten und moniert, dass die Einvernahme durch das BFA unstrukturiert geführt worden sei. Beantragt wurde die Befragung des ersten Ehemannes der BF als Zeugen.
8. Mit XXXX wurde die BF aufgrund ihrer Ortsabwesenheit aus der Grundversorgung in Österreich entlassen. Im Zentralen Melderegister wurde die BF am XXXX im Bundesgebiet amtlich abgemeldet.
Da keine aufrechte Wohnsitz- bzw. Obdachlosenmeldung im Bundesgebiet vorlag und auch nach Rückfrage bei dem Rechtsvertreter dieser bekannt gab, seit XXXX keinen Kontakt zur BF zu haben, wurde das Verfahren mit Beschluss vom XXXX eingestellt.
9. Mit Schriftsatz vom XXXX gab die BF ihren neuen Aufenthaltsort bekannt und beantragte die Fortsetzung des Verfahrens. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde das Verfahren fortgesetzt.
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.
II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person der BF
Die BF ist eine volljährige, XXXX Staatsangehörige. Sie gehört der arabischen Volksgruppe an und ist sunnitisch-muslimischen Glaubens. Sie spricht arabisch. Sie hat XXXX Jahre die Schule besucht.
Die BF wurde in XXXX geboren und hat dort bis zu ihrem XXXX Lebensjahr gelebt. Danach war sie circa XXXX Jahre lang in XXXX aufhältig, bevor sie im XXXX in den XXXX zurückkehrte und im XXXX nach XXXX ausreiste. Sie hat im Herkunftsstaat als Sekretärin und Lehrerin gearbeitet und war bei einer XXXX tätig. Ihre Eltern und die Geschwister leben in der Umgebung von XXXX (AS 5).
Die BF ist gesund.
Sie ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF
Die BF wurde nicht aufgrund ihrer Eheschließung von ihrer Familie bedroht.
Der BF droht aufgrund ihrer vormaligen Tätigkeit für eine XXXX im Herkunftstaat eine asylrelevante Verfolgung durch die XXXX .
Sonstige Gründe einer konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat XXXX sind nicht hervorgekommen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Jemen
Aus den ins Verfahren eingeführten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom XXXX (in der Folge: LIB) zitierten Länderberichten zur Lage in XXXX ergibt sich Folgendes:
1.3.1. Politische Lage
Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: einerseits britische Kolonialherrschaft und danach sozialistische Einflüsse im Süden, andererseits konservative muslimische Herrschaft und Stammesgesellschaft im Norden (DW - Deutsche Welle (30.1.2018): Separatisten erobern Regierungssitz des Jemen).
1.3.2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage ist im ganzen Land ausgesprochen volatil. Die Sicherheit kann durch staatliche Behörden nicht gewährleistet werden. Der bewaffnete Konflikt zwischen XXXX aus dem Nordwesten des Landes und der Regierung und ihren Unterstützern, darunter die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition, dauert weiter an (AA - Auswärtiges Amt (28.8.2019): Jemen: Reisewarnung).
Die staatlichen Institutionen sind landesweit nur noch sehr eingeschränkt funktionsfähig. Bereits im September 2014 hatten XXXX en die Kontrolle über weite Landesteile, darunter auch die Hauptstadt XXXX , übernommen und auch Teile der Sicherheitskräfte unter ihre Kontrolle gebracht. Die staatlichen Sicherheitsorgane sind nur bedingt funktionsfähig und können im Einzelfall keinen ausreichenden Schutz garantieren. Die Spannungen zwischen XXXX und die zunehmende Fragmentierung des Landes tragen zur Instabilität des Landes bei (AA 28.8.2019).
Im ganzen Land leiden Zivilisten an einem Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, an der sich verschlimmernden Wirtschaftskrise, sowie am Nicht-Funktionieren der Verwaltung, des Gesundheits-, Bildungs- und Justizsystems (HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - XXXX ).
1.3.3. XXXX
Die XXXX - offiziell bekannt als XXXX (wörtl. "Bewegung der Helfer Gottes") - sind eine vom Iran unterstützte, schiitisch-muslimische militärische und politische Bewegung. Ihre Mitglieder, die sich der Minderheit der Zaiditen des schiitischen Islam zugehörig fühlen, setzen sich für die regionale Autonomie der Zaiditen im Nordjemen ein. Die Gruppe hat seit 2004 eine Reihe blutiger Aufstände gegen die jemenitische Regierung ausgeführt, die zu einem Sturz des Regimes Anfang 2015 geführt haben. Die XXXX begann als Versuch, die Autonomie der Stämme im Nordjemen aufrechtzuerhalten und gegen den westlichen Einfluss im Nahen Osten zu protestieren. Heute streben die XXXX eine größere Rolle in der jemenitischen Regierung an und setzen sich weiterhin für die Interessen der zaiditischen Minderheit ein. Die XXXX sind für ihre heftige anti-amerikanische und antisemitische Rhetorik bekannt (CEP - Counter Extremism Projekt (2019): Houthis). Sie sind außerdem durch die von ihnen so wahrgenommene wirtschaftliche Diskriminierung während der Saleh-Herrschaft motiviert (DW - Deutsche Welle (1.10.2019): XXXX Who are they and what do they want?). Die Ziele der XXXX umfassen auch Entschädigungen für die Schäden während der Saada-Kriege [Anm.: Kriege zwischen Huthi und Regierung im Gouvernement Saada zwischen 2004 und 2010], die Interessensvertretung [der Zaiditen] innerhalb der Zentralregierung, und die Garantie, dass die Gruppe vor zukünftiger politischer und wirtschaftlicher Marginalisierung geschützt wird. Nicht alle Zaiditen im Jemen identifizieren sich mit der XXXX (CT - Critical Threats (2019): al Houthi Movement). Die Huthi-Bewegung besteht heute aus verschiedenen militärischen Kräften, darunter auch circa 60 Prozent ehemalige Angehörige der jemenitischen Armee unter Ex-Präsident Saleh. Schätzungen zufolge sollen die XXXX militärisch 180.000 bis 200.000 Mann stark sein und über verschiedene Waffensysteme verfügen (DW 1.10.2019). In den nördlichen Gebieten, die traditionell unter zaiditischer Kontrolle standen, gibt es Berichte über fortgesetzte Bemühungen der XXXX ihre religiösen Bräuche auch Nicht-Zaiditen aufzuzwingen, unter anderem durch ein Musikverbot und die Forderung, dass Frauen eine Voll-Verschleierung tragen müssen (USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report in International Religious Freedom: Yemen). Bewaffnete Huthi-Kräfte nahmen häufig Geiseln und begingen andere ernsthafte Missbräuche an Personen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden (HRW - Human Rights Watch (25.9.2018): Yemen: Houthi Hostage-Taking).
1.3.4. Rechtsschutz / Justizwesen
Im XXXX gibt es keine funktionierende Zentralregierung, und alle staatlichen Institutionen, die noch intakt sind, werden von nicht gewählten Beamten oder bewaffneten Gruppen kontrolliert. Durch das Fehlen eines effektiven Gerichtswesens greift die Bevölkerung häufig auf stammesrechtliche Formen von Justiz oder Gewohnheitsrecht zurück, besonders seit der Einfluss der Regierung schwächer wird (FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Yemen).
Neben dem bestehenden Gerichtssystem gibt es ein Stammesrechtssystem für Fälle, die nicht unter das Strafrecht fallen [Anm. d.h. z.B. Familienrecht, etc.]. Stammesrichter, meist angesehene Scheichs, entscheiden jedoch auch oft in Kriminalfällen auf stammesrechtlicher Basis. Zu diesen Fällen kommt es gewöhnlich in Folge öffentlicher Beschuldigungen, nicht in Folge von formell eingereichten Anklagepunkten. Stammes-Mediation betont oft den sozialen Zusammenhalt mehr als Bestrafung. Die Öffentlichkeit respektiert die Ergebnisse von Stammesprozessen oft mehr als das formelle Gerichtssystem, das von vielen als korrupt und nicht unabhängig angesehen wird (USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Yemen).
1.3.5. Sicherheitsbehörden
Die XXXX übernahmen 2014 die Kontrolle über das Verteidigungs- und Innenministerium in Sanaa (EASO - European Asylum Support Office (15.10.2019): COI Query, Background on the XXXX armed forces). Wie andere staatliche Institutionen auch, teilten sich Sicherheits- und Nachrichtendienste wie die PSO in parallele Strukturen auf; ein Teil wird von den XXXX kontrolliert, der andere Teil von der Hadi-Regierung. Die Dienste operieren jeweils in einem von ihrer Seite im Bürgerkrieg kontrollierten Gebiet (FH 4.2.2019).
1.3.6. Folter und unmenschliche Behandlung
XXXX , die jemenitische Regierung, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und die von den VAE unterstützten XXXX inhaftieren willkürlich Menschen, einschließlich Kinder, misshandeln Gefangene und halten sie unter schlechten Bedingungen fest, und lassen Menschen gewaltsam verschwinden, die als politische Gegner oder Sicherheitsbedrohungen wahrgenommen werden (HRW 17.1.2019).
1.3.7. Allgemeine Menschenrechtslage
Obwohl in der Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit vorgesehen ist, darf die Staatsführung nicht kritisiert werden. Die Huthi-Rebellen respektierten diese Rechte nicht, und die Hadi-Regierung konnte ihre Einhaltung nicht durchsetzen. Alle Konfliktparteien schränkten das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019). Journalisten und Aktivisten sind mit gewaltsamen Angriffen und Verschwindenlassen vonseiten aller Konfliktparteien konfrontiert (FH 4.2.2019; vgl. RoG - Reporter ohne Grenzen (13.8.2019): Total of journalists abducted in Yemen in past five years reaches 20). Allen Bevölkerungsgruppen mangelt es unter den gegenwärtigen Bedingungen im XXXX an politischen Rechten. Reguläre politische Aktivität wird durch die Präsenz unzähliger bewaffneter Gruppen im Land verhindert. Der Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen wurde in Folge des Krieges stark reduziert. Einige NGOs sind noch im Land aktiv, ihre Funktionsfähigkeit wird jedoch in der Praxis durch Einmischung durch bewaffnete Gruppierungen eingeschränkt. Seit 2015 unterdrücken die XXXX in den von ihnen kontrollierten Gebieten politischen Widerspruch brutal. 2018 gab es sowohl Proteste gegen die XXXX , als auch gegen die Hadi-Regierung (FH 4.2.2019; vgl. HRW 17.1.2019).
1.3.8. Todesstrafe
Am 9. Juli 2019 verurteilte das Sonderstrafgericht in Sanaa 30 Akademiker, Studenten und Politiker aufgrund konstruierter Anklagen, wie z.B. Spionage für die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition, zum Tode. Einer der 30 zum Tode verurteilten Männer ist der politisch aktive 45-jährige Professor der Sprachwissenschaften Youssef al-Bawab (AI - Amnesty International (16.7.2019): 30 Oppositionelle zum Tode verurteilt; vgl. OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (12.7.2019): Press briefing note on Yemen).
1.3.9. Frauen
Frauen sind mit tiefgreifender Diskriminierung durch das Gesetz sowie im täglichen Leben konfrontiert. Mechanismen, um Schutz zu gewährleisten, sind schwach, und die Regierung kann sie nicht effektiv umsetzen (USDOS 13.3.2019). XXXX belegt beim Gender Equality Index des UNDP und dem Global Gender Gap Index des WEF, in denen die Situation in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Bildung, wirtschaftlicher und politischer Teilhabe und Schutz vor geschlechtsbasierter Gewalt bewertet wird, jeweils den letzten Platz. Besonders häusliche Gewalt und Kinderehen waren schon vor Ausbruch des Konflikts ein großes Problem (HRC - UN Human Rights Council (3.9.2019): Situation of human rights in XXXX , including violations and abuses since September 2014; Report of the detailed findings of the Group of Eminent International and Regional Experts on XXXX ). Nur sechs Prozent der Frauen gehen Erwerbsarbeit nach (USDOS 13.3.2019).
Der anhaltende Konflikt verschärfte die ungleiche Behandlung von Frauen und Mädchen im XXXX noch weiter. Seit 2016 setzt die de facto-Regierung zunehmend patriarchale Normen und Gesetze durch. Die Gewalt gegen Frauen ist angestiegen, und das Vorgehen gegen diese Gewalt durch das Justizsystem brach 2019 weiter zusammen. 2018 waren laut Schätzungen der UN drei Millionen Frauen und Mädchen dem Risiko von Gewalt ausgesetzt. Zwangsehen, darunter auch Kinderehen, sind häufiger geworden. Einige Strafverfolgungsbehörden, Streitkräfte und bewaffnete Gruppierungen stellen eine direkte Bedrohung für die Sicherheit von Frauen dar (HRW 17.1.2019; vgl. HRC 3.9.2019; vgl. AI - Amnesty International (26.2.2019): Human Rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018, XXXX ). Frauen und Mädchen sind überproportional von der humanitären Krise und den daraus resultierenden Einschränkungen im Bereich Gesundheitsversorgung, Ernährung und sichere Unterkunft betroffen. Von den 24,1 Millionen Jemeniten, die Hilfe benötigen, sind 18,2 Millionen Frauen und Kinder (HRC 3.9.2019).
Im XXXX ist die untergeordnete Rolle von Frauen und Mädchen in der Gesellschaft im Gesetz verankert. Frauen können nicht ohne die Erlaubnis ihres männlichen Vormunds heiraten und haben keine gleichen Rechte auf Scheidung, Erbschaft oder Sorgerecht. Der Mangel an Rechtsschutz setzt sie häuslicher und sexueller Gewalt aus. Es gibt kein Mindestalter für Eheschließungen (HRW 17.1.2019). Frauen werden in Bereichen wie Beschäftigung, Kreditvergabe, Lohn, Besitz oder dem Führen von Unternehmen, Bildung, Wohnen und vor Gericht diskriminiert (USDOS 13.3.2019). Eine Frau braucht die Erlaubnis ihres Ehemannes oder Vaters, um einen Pass zu beantragen und ins Ausland zu reisen (FH 4.2.2019). Männliche Verwandte haben lebenslang die Vormundschaft ("wilaya") über eine Frau. Eine Frau soll ihrem Ehemann gehorchen (HRC 3.9.2019). Das Gesetz sieht Strafen für Vergewaltigung von bis zu 25 Jahren vor, doch die Regierung setzt das Gesetz nicht wirksam durch. Es gibt keine brauchbaren Statistiken zu Vergewaltigung. Innerhalb der Ehe ist die Vergewaltigung straffrei, weil das Gesetz besagt, dass eine Frau die sexuelle Beziehung zu ihrem Ehemann nicht ablehnen darf. Nach dem Gesetz können die Behörden Vergewaltigungsopfer wegen Unzucht verfolgen, wenn die Behörden keinen Täter anklagen. Ohne Geständnis des Täters muss die Überlebende einer Vergewaltigung laut Gesetz vier männliche Zeugen für das Verbrechen haben. Das Gesetz sieht die Exekution eines Mannes vor, wenn er wegen Mordes an einer Frau verurteilt wird. Das Strafgesetzbuch sieht im Falle eines "Ehrenmordes" mildernde Umstände vor. Nachsicht wird gegenüber Tätern gewaltet, wenn sie eine Frau für als "unanständig" oder "trotzig" wahrgenommenes Verhalten angreifen oder töten. Andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt wie Schläge, Zwangsisolierung, Einsperren, Früh- und Zwangsheirat, werden im Gesetz nicht behandelt. Opfer häuslicher Gewalt wenden sich selten an Polizei und Justiz. Strafverfahren bei Fällen häuslicher Gewalt sind selten (USDOS 13.3.2019; vgl. HRC 3.9.2019).
1.3.10. Bewegungsfreiheit
Die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes wird durch Kampfhandlungen, Schäden an der Infrastruktur und durch Kontrollpunkte behindert, an denen verschiedene bewaffnete Gruppen Schikanen und Erpressungen verüben (FH 4.2.2019). Es gibt eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig willkürliche Kontrollen durchführen. Überlandstraßen und Autobahnen wie auch Grenzübergänge sind zeitweise gesperrt (AA 28.8.2019). Frauen genießen keine volle Bewegungsfreiheit, wenngleich die Einschränkungen lokal unterschiedlich sind (FH 4.2.2019). In der Vergangenheit mussten Frauen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds, wie z.B. des Ehemannes, einholen, bevor sie einen Pass beantragen oder das Land verlassen konnten. Ein Ehemann oder ein männlicher Verwandter kann eine Frau an der Ausreise hindern, indem er den Namen der Frau auf eine "Flugverbotsliste" setzt, die auf Flughäfen geführt wird. Vor dem Konflikt haben die Behörden diese Vorschrift strikt durchgesetzt, wenn Frauen mit Kindern reisten. 2018 gab es keine Meldungen darüber, dass die Behörden diese Vorschrift durchgesetzt haben. Es gab jedoch Versuche von XXXX , ähnliche Beschränkungen für den internationalen Reiseverkehr von Frauen durchzusetzen. Angesichts der Verschlechterung der Infrastruktur und der konfliktbedingt mangelnden Sicherheit lehnen viele Frauen Berichten zufolge eine Reise ohne Begleitung ab (USDOS 13.3.2019).
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur Person der BF
2.1.1. Die Identität der BF steht aufgrund der Vorlage ihres kriminaltechnisch untersuchten, XXXX Reisepasses fest.
2.1.2. Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF sowie ihrer Herkunft gründen sich auf ihre insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. ihren Kenntnissen der arabischen Sprache. Die Feststellung über ihren im Herkunftsstaat absolvierten Schulbesuch ergibt sich aus ihren insoweit konsistenten und glaubhaften Angaben.
2.1.3. Die Feststellungen zum Geburtsort, und den Wohn- und Aufenthaltsorten der BF (AS 89ff) stützen sich auf die glaubhaften Angaben der BF sowie Auszügen aus dem zentralen Fremdenregister. Ihre Angaben zum Aufenthaltsort der Eltern und Geschwister (AS 97) und zur Arbeitstätigkeit der BF im Herkunftsstaat sind widerspruchsfrei (AS 5, 97f.),
Die BF gab an, am XXXX XXXX , geb. XXXX , geheiratet zu haben, welcher sich aktuell in XXXX aufhalte (AS 89 ff.). Weiters gab sie an, dass sich die Heiratsurkunde bei Ihrem Vater im XXXX befinden würde. Der Aufforderung hierzu Dokumente im Original vorzulegen, kam sie nicht nach. In einer schriftlichen Mitteilung an das BFA gab die BF an, dass die Dokumente am Weg nach Österreich verbrannt worden wären. Mangels Vorlage von Originalunterlagen kann -wie vom BFA richtigerweise beurteilt- keine, diesbezügliche Feststellung getroffen werden (belangter Bescheid, S.46).
2.1.4. Die Feststellung, dass die BF gesund ist, gründet sich auf ihrer Aussage und es hat sich im Verfahren auch nichts ergeben, dass daran zweifeln ließe.
2.1.5. Die Feststellung, dass die BF strafgerichtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.
2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.1. Die Feststellung, dass die BF nicht von ihrer Familie mit dem Tode bedroht wurde, weil sie ohne Einwilligung ihrer Eltern geheiratet habe, folgt daraus, dass ihr diesbezügliches Vorbringen insoweit nicht glaubhaft und widersprüchlich war. Die BF gab im Rahmen der Erstbefragung an, unter anderem aus diesem Grund geflohen zu sein ("Meine Familie hat mich mit dem Umbringen bedroht. Da ich ohne die Einwilligung meiner Eltern geheiratet habe. Sie wissen auch nicht, dass ich bereits mittlerweile geschieden bin und wieder geheiratet habe.", AS 11), führte sodann aber in der Einvernahme aus, dass ein Protokollierungsfehler vorliege. Sie habe nicht gesagt, dass ihre Familie sie bedrohe, sondern ihr Stamm (AS 89). Dies ist jedoch angesichts des Wortlautes des Protokolls der Erstbefragung nicht nachvollziehbar, zumal sie im weiteren Verfahren zu keinem Zeitpunkt vorbrachte, wegen ihrer Eheschließungen Probleme gehabt zu haben. Sie gab weiters selbst an, dass die Ehe mit ihrem zweiten Ehemann in Stellvertretung durch ihren Vater geschlossen worden sei (AS 89f), weshalb insoweit betreffend eine Verfolgung durch Ihre Familie von einer untauglichen Schutzbehauptung der BF auszugehen ist.
2.2.2. Die Feststellung, dass die BF im Übrigen einer konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat XXXX ausgesetzt ist, ergibt sich daraus, dass die BF in ihrem Vorbringen, im XXXX für eine Organisation tätig gewesen zu sein, welche sich für die XXXX eingesetzt habe, und sie deshalb im Falle einer Rückkehr einer Bedrohung und Verfolgung ausgesetzt wäre, glaubhaft und widerspruchslos war. Diese vormalige Tätigkeit der BF in dieser Organisation im Herkunftsstaat wurde vom BFA dem Grunde nach auch nicht bezweifelt, zumal die BF dies glaubhaft zu schildern vermochte und durch zahlreiche Unterlagen belegen konnte. Vor dem Hintergrund der Länderberichte, die deutlich vor Augen führen, dass gerade im von den XXXX kontrollierten Gebiet, aus dem die BF stammt, zahlreich schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen werden, die sich gerade auch und gezielt gegen Frauen und Aktivisten richten, ist die BF, die beides in sich vereint, nachvollziehbar besonders gefährdet. Eine Schutzmöglichkeit durch staatliche Sicherheitsbehörden ist vor dem Hintergrund der Länderberichte für den konkreten Fall der BF nicht gegeben.
Widerspruchsfrei sind auch die Angaben, dass die BF von ihrem Stamm aufgrund ihrer Tätigkeit in dieser Organisation ausgeschlossen wurde, weshalb ein Schutz durch ihren Stamm zwar nicht undenkbar, jedoch in erheblichen Maße nicht wahrscheinlich ist.
2.2.3. Andere Fluchtgründe wurden von der BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen.
2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat Jemen
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem aktuellen LIB. Dieses gründet sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter Punkt 1.3. zitiert.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt A)
3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
3.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."
Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).
3.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.5. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.1.6. Gemäß § 6 leg.cit. ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt, einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt, aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
3.1.7. Umgelegt auf den vorliegenden Fall folgt daraus, dass die BF, die - wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt wurde -für eine Organisation tätig war, welche sich für die Rechte der Frauen im XXXX einsetzte, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben ist. Im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch die XXXX (Drohungen gegen Leib und Leben, Entführung oder Ermordung). Zudem wurde die BF von ihrem Stamm ausgeschlossen, weshalb eine Unterstützung durch eben diesen nicht wahrscheinlich ist.
Die BF war in ihrem Vorbringen insoweit persönlich glaubhaft, ihre Antworten widerspruchsfrei bzw. in den Erklärungen plausibel und es ist kein gesteigertes Fluchtvorbringen betreffend Ihre Tätigkeit in einer XXXX zu erkennen. Die Aussagen erwecken insgesamt auch nicht den Eindruck, dass sie einstudiert oder vorbereitet sind, und ihre Beweggründe der Flucht sind klar und gleichlautend. Zudem untermauern die vorgelegten Unterlagen zu der vormaligen Existenz dieser Organisation ihr Vorbringen.
Aufgrund der Länderberichte zur Lage der Frauen in XXXX und der sich ebenso aus diesen ergebenden erzkonservativ-patriarchalen Gesellschaftsvorstellungen der XXXX , mit denen auch weite Teile der XXXX Bevölkerung konformgehen, sowie verschärfend dem Stammesausschluss der BF, durch den sie auch etwaigen Schutz durch diesen verlor, ist die wohlbegründete Furcht im vorliegenden Fall nachvollziehbar.
Die die BF treffende Verfolgungsgefahr findet ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Die Verfolgung droht ihr wegen ihrer Tätigkeit in einer Organisation, welche sich für die Rechte der Frauen im XXXX einsetzte. Sie gründet sich daher zum einen auf die politische Gesinnung, zum anderen auf die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am XXXX orientierten XXXX Frauen.
Zwar handelt es sich bei ihren Verfolgern um nicht-staatliche Akteure, doch kann angesichts der Berichtslage bzw. der nur äußerst schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen in XXXX nicht davon ausgegangen werden, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden im vorliegenden Fall ausreichend schutzfähig und schutzwillig wären, um die die BF treffende Verfolgungsgefahr genügend zu unterbinden, zumal die anerkannte Regierung keine Kontrolle über die Herkunftsregion der BF hat.
Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt aufgrund des der BF zukommenden Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat XXXX nicht in Betracht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
Es haben sich keine Hinweise auf das Bestehen von Asylausschlussgründen iSd § 6 AsylG 2005 ergeben. Die BF ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
Aufgrund des Bestehens einer aktuellen, maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, ist der BF der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird diese Entscheidung mit der Feststellung verbunden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.1.8. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sind im gegenständlichen Fall erfüllt. Folglich ist im gegenständlichen Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterblieben.
3.2. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter 3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Es ist somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit politische Aktivität politische Gesinnung soziale Gruppe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung westliche Orientierung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W277.2222463.1.01Im RIS seit
23.10.2020Zuletzt aktualisiert am
23.10.2020