TE Vwgh Beschluss 1997/10/17 96/19/1471

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Veröffentlicht am 17.10.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4 Z1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088 ;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, in der Beschwerdesache der 1974 geborenen P L in Thailand, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1996, Zl. 115.913/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 21. März 1995 bei der österreichischen Botschaft in Bangkok die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung an. Sie legte einen Firmenbuchauszug vor, aus dem hervorging, daß sie persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft mit dem Unternehmensgegenstand "Verwaltung eigenen Vermögens" sei.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. April 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und verwies darauf, eine Gesellschaft gegründet zu haben, die mit der Verwaltung eigenen Vermögens beschäftigt sei und so der Beschwerdeführerin das nötige Einkommen verschaffen "könne, solle und werde".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. März 1996 wies die belangte Behörde diese Berufung ohne weitere Erhebungen gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens aus, gemäß § 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) sei "bei Unternehmensbeteiligung" der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die Erscheinungsform dafür entscheidend, ob eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG vorliege. Bezüglich des "vorhergehenden Sachverhaltes" stehe somit fest, daß es sich im konkreten Fall um eine beschäftigungsbewilligungspflichtige Tätigkeit handle. Die Gründung der gegenständlichen Gesellschaft stelle "nach den vorliegenden Unterlagen" ein Scheingeschäft dar, mit der die Beschwerdeführerin ihren "weiteren" Aufenthalt in Österreich ermöglichen wolle. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0598, ausgesprochen, daß die Eingehung eines solchen Scheingeschäftes sogar ein Aufenthaltsverbot rechtfertige. Umsomehr sei davon auszugehen, daß dadurch der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht werde. Damit sei jedoch die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 5 Abs.1 AufG ausgeschlossen. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte zunächst, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 1. September 1997 teilte die belangte Behörde mit, daß der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung mit Geltungsdauer vom 30. Oktober 1996 bis 30. Oktober 1997 erteilt worden sei.

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes erklärte die Beschwerdeführerin, es sei zutreffend, daß diese Bewilligung erteilt worden sei, und sie erachte sich als klaglos gestellt.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichshof im zitierten Beschluß vom 9. April 1980 darlegte, zB auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080 = ZfVB 1986/2/749, vom 23. Mai 1989, Zl. 84/08/0189 = ZfVB 1990/3/1282, vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006 = ZfVB 1992/6/2166, und vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weshalb die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen war.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, waren die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Dies ist aus folgenden Überlegungen die Beschwerdeführerin:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

§ 2 Abs. 2 und 4 AuslBG lauten:

"§ 2. ...

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

a)

in einem Arbeitsverhältnis,

b)

in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,

c)

in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeit nach § 3 Abs. 5,

d)

nach den Bestimmungen des § 18 oder

e)

überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

...

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2. ....

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."

Die belangte Behörde hat erstmals vom Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221).

Dieses Gebot, der Beschwerdeführerin Parteiengehör zu gewähren, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet.

Dieser Verfahrensfehler wird in der Beschwerde zutreffend gerügt. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, sie hätte bei Gewährung von Parteiengehör dargelegt, daß sie tatsächlich den Willen gehabt habe, ein Gesellschaftsverhältnis einzugehen. Die Gesellschaft verfüge auf ihrem Bankkonto über ein Guthaben von S 500.850,41.

Dieses Vorbringen zeigt die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in tauglicher Weise auf, weil sie unter Bedachtnahme auf das wiedergegebene Vorbringen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

In diesem Zusammenhang sei noch festgehalten, daß die Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht einmal dafür ausreichten, um die Vermutung des § 2 Abs. 4 Z. 1 AuslBG für das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. zu begründen, weil nicht festgestellt wurde, daß von der Beschwerdeführerin für die Gesellschaft Arbeitsleistungen erbracht werden, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden. Selbst wenn aber die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 AuslBG gegeben wären und die (unwiderlegte) Vermutung nach dieser Gesetzesbestimmung für das Vorliegen einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG streiten würde, rechtfertigte dieser Umstand für sich allein noch nicht die Annahme, die Beschwerdeführerin sei das Gesellschaftsverhältnis zivilrechtlich nur zum Schein eingegangen. Das Vorliegen eines Scheingeschäftes würde vielmehr voraussetzen, daß die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Erklärung im Gesellschaftsvertrag keine Gesellschaft, sondern in Wahrheit ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Vertragspartner eingehen wollte und dies dem anderen Vertragsteil auch bekannt war. Gesetzliche Vermutungen, die für einen solchen Sachverhalt sprächen, bestehen nicht. Nur die mit der Eingehung eines Scheingeschäftes verfolgte Absicht, Dritte (insbesondere Behörden) über das in Wahrheit Gewollte zu täuschen, rechtfertigte nach der von der belangten Behörde zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden.

Aufgrund dieser Erwägungen wäre der angefochtene Bescheid bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben gewesen, sodaß der Beschwerdeführerin gemäß § 58 Abs. 2 VwGG die Verfahrenskosten zuzusprechen waren.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §56 erster Satz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996191471.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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