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E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des O T in Feldkirch, geboren 1943, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995, Zl. 115.003/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 8. September 1993 bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Auf dem Antragsformular gab der Beschwerdeführer im Feld für den Ort der Antragstellung "Feldkirch" an.
Mit Schreiben vom 24. September 1993 hielt die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch dem Beschwerdeführer vor, daß es sich bei seinem Antrag nicht um einen Verlängerungsantrag handle, weil er sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen zu diesem Vorhalt eine Stellungnahme abzugeben bzw. seine persönlichen Verhältnisse darzulegen. In seiner Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer auf die MRK und führte aus, daß ihm auch die beantragte Aufenthaltsberechtigung zu erteilen sein werde, weil schon das Aufenthaltsverbot gegen ihn aus übergeordneten menschenrechtlichen Gründen aufzuheben gewesen sei. Im Betreff seines Schreibens führte der Beschwerdeführer wörtlich "Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" an.
Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch wies den Antrag des Beschwerdeführers im Namen des Landeshauptmannes von Vorarlberg mit Bescheid vom 22. März 1995 gemäß § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte sie aus, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 3. Juni 1991 sei gegen den Fremden ein bis zum 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet erlassen worden. Der dagegen eingebrachten Berufung sei seitens der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg keine Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch bestätigt worden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1992, Zl. 92/18/0266-6, als unbegründet abgewiesen worden. Da sich der Beschwerdeführer seit 17. September 1992 unter Mißachtung des § 15 FrG im Bundesgebiet aufhalte, stelle sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar. Da im Falle des Beschwerdeführers wegen seines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes des im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht von einem Überleitungsfall im Sinne des § 13 AufG gesprochen werden könne, hätte der Beschwerdeführer den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 AufG vom Ausland aus zu stellen gehabt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Als Betreff seines Berufungsschreibens führte der Beschwerdeführer "Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" an. Berufung wurde erhoben an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, in eventu an das Bundesministerium für Inneres. Begründend führte der Berufungswerber dazu aus, er erfülle die Voraussetzungen nach dem Abkommen zwischen der EWG und der Türkei vom 12. September 1963 iVm dem Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates. Nach dieser Bestimmung habe jeder türkische Staatsbürger nach vier Jahren erlaubter Beschäftigung im Inland einen Rechtsanspruch auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Luxemburg (gemeint wohl: der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) habe bereits mehrfach entschieden, daß sich daraus auch das Recht auf Aufenthaltsnahme im Inland ableiten läßt. Nach § 31 FrG dürften gegen derartige Gastarbeiter auch nur mehr aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt werden, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei.
Anschließend führte der Beschwerdeführer wörtlich folgendes aus:
"Es wird daher
beantragt,
den Erstbescheid dahingehend abzuändern, daß dem beantragten Ausländer ein Aufenthaltssichtsvermerk nach § 28 Fremdengesetz erteilt bzw. ausgesprochen wird, daß er aufgrund des Assoziationsabkommens zum sichtvermerksfreien Aufenthalt in Österreich berechtigt ist.
Aus reiner advokatorischer Vorsicht stellt der Antragsteller in eventu den
ANTRAG;
den Erstbescheid dahingehend abzuändern, daß ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wird, da es sich bei seiner Situation nur um einen Verlängerungsantrag handelt, er in Österreich erwerbstätig und aufhältig ist, die Wohnverhältnisse passen, das Einkommen ausreicht und er seit Jahren nicht mehr straffällig geworden ist."
Mit Bescheid vom 19. Juli 1995, zugestellt am 26. Juli 1995, wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 6 Abs. 2 AufG iVm § 13 Abs. 1 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, es werde davon ausgegangen, daß mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 3. Juni 1991 gegen den Beschwerdeführer ein bis zum 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Der Berufung des Beschwerdeführers sei mit Bescheid der Sichterheitsdirektion für Vorarlberg vom 10. Jänner 1992 keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt worden. Die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof sei mit Erkenntnis vom 17. September 1992, Zl. 92/18/0266, als unbegründet abgewiesen worden.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 6. August 1993 sei das Aufenthaltsverbot gemäß §§ 26 und 20 Abs. 2 FrG aufgehoben worden. Da sich der Beschwerdeführer trotz des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufgehalten habe, stelle diese Tatsache eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar, weil sein Aufenthalt kein rechtmäßiger gewesen sei (vgl. § 15 FrG). § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung.
Es stehe fest, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes und seiner Antragstellung über keinerlei Aufenthaltsberechtigung verfügt habe und sich daher illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe. Es sei somit in seinem konkreten Fall kein Verlängerungsantrag im Sinne des § 13 AufG zu stellen gewesen, sondern ein Erstantrag. Dieser habe jedoch gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu erfolgen. Aus oben angeführtem Grund und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen; auf das Vorbringen des Beschwerdeführers sei
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auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen
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nicht weiter einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG. Er erachtete sich durch den Bescheid sowohl im Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 MRK als auch im Recht auf Aufenthalt nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Rates nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei iVm Art. 8 MRK verletzt.
Der Beschwerdeführer sei Inhaber eines Befreiungsscheines, er sei seit 31. Oktober 1977 in Feldkirch als Metzger beschäftigt. Davor sei er mehrere Jahre an verschiedenen anderen Arbeitsplätzen in Österreich erlaubt beschäftigt gewesen. Nach Abweisung seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot habe der Beschwerdeführer in der Folge einen Vollstreckungsaufschub beantragt, der ihm auch bewilligt worden sei. Aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshof ergebe sich, daß auch bei einer Entscheidung über eine Aufenthaltsberechtigung eine Abwägung nach Art. 8 Abs. 2 MRK stattzufinden habe. Im Erkenntnis B 1611-1614/95 vom 16. Juli 1995 sei der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen, daß § 6 Abs. 2 AufG an Art. 8 MRK zu messen und anhand dieser Bestimmung verfassungskonform zu interpretieren sei. Da der Beschwerdeführer mehr als die Hälfte seines Erwerbslebens in Österreich erwerbstätig gewesen sei und sich insbesondere auch in den letzten Jahren keinerlei Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung mehr zu schulden kommen habe lassen, liege der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG offenkundig nicht vor. Es spiele europarechtlich und menschenrechtlich in diesem Zusammenhang keine Rolle, daß dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid "bloß" die Aufenthaltsberechtigung versagt werde, da dieser Bescheid für ihn bedeute, daß er aus Österreich ausreisen müßte, wenn der angefochtene Bescheid nicht aufgehoben würde.
Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 12. Oktober 1995, B 2804/95-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und am 10. November 1995 an den Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abgetreten hatte, ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde. Der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer in den einfachgesetzlichen Rechten auf Erteilung der Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz, auf Feststellung der Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Fremdengesetz, auf Feststellung der Aufenthaltsbewilligung nach dem Fremdengesetz, im Recht auf ordnungsgemäße Sachverhaltsfeststellung sowie im Recht auf ordnungsgemäße Beweiswürdigung. Der angefochtene Bescheid leide an inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid das Assoziationsabkommen EWG-Türkei oder den dazu ergangenen Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 mit keinem Wort erwähnt. Der Bescheid sei daher schon wegen des kapitalsten Fehlers, den eine Behörde begehen könne, aufzuheben, da sie nämlich nicht einmal erkannt habe, welche Normen sie bei der Entscheidung anzuwenden gehabt hätte. Die belangte Behörde habe überdies die entscheidungswesentliche Tatsache nicht festgestellt, ob bzw. daß der Beschwerdeführer nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 in Österreich arbeitsmarktintegriert sei. Soweit die belangte Behörde weiters feststelle, daß sich der Beschwerdeführer illegal im Bundesgebiet aufhalte, zeige sich, daß der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Feststellung eines bestehenden Rechts, nämlich als aufenthaltsberechtigter Ausländer nach dem Europarecht einen Anspruch auf deklaratorischer Feststellung der Aufenthaltsberechtigung, habe. Auf diesen Umstand habe der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung hingewiesen, indem er ausdrücklich Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg erhoben habe. Überdies habe er ausdrücklich nicht nur die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung beantragt, sondern auch alternativ dazu begehrt, daß ausgesprochen werde, daß er auf Grund des Assoziationsabkommens zum sichtvermerksfreien Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Der Beschwerdeführer werde durch den angefochtenen Bescheid daher jedenfalls in seinen Rechten auf Feststellung der Aufenthaltsberechtigung und möglicherweise auch auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer rügt, durch den angefochtenen Bescheid auch im Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt zu sein.
1.1. Wie sich aus der Berufung des Beschwerdeführers vom 5. April 1995 ergibt, erhob er ausdrücklich Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, in eventu an das Bundesministerium für Inneres.
Gemäß § 6 Abs. 4 AufG entscheidet über den Antrag, außer in den Fällen des § 7, der nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die nach dem beabsichtigten Aufenthalt des Fremden zuständige Bezirksverwaltungsbehörde mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden. Im Falle des Beschwerdeführers hat die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Behörde erster Instanz für den Landeshauptmann auf Grund der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. Nr. 32/1993, entschieden. Da die Bezirksverwaltungsbehörde im Namen des Landeshauptmannes zu entscheiden hat, ist eine derartige Entscheidung als erstinstanzliche Entscheidung des Landeshauptmannes im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG anzusehen, weshalb in dieser Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung der Instanzenzug mangels anderer bundesgesetzlicher Regelung an den zuständigen Bundesminister, im vorliegenden Fall an den Bundesminister für Inneres, geht. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, an die der Beschwerdeführer seine Berufung richtete, war unzuständige Behörde.
Wie sich aus dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370, ergibt, kommt der Bezeichnung der Berufungsbehörde (daher auch einer falschen) in einer Berufung keine Bedeutung zu. Der Verwaltungsgerichtshof geht in dem erwähnten Erkenntnis davon aus, daß Behörden, bei denen eine Berufung eingebracht wird, von Amts wegen wahrzunehmen haben, welche Berufungsbehörde für die Erledigung der in Frage stehenden Berufung die örtlich und sachlich zuständige ist. Die Vorlage der Berufung an den Bundesminister für Inneres durch die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch erfolgte demnach zu Recht. Die vom Beschwerdeführer gerügte Unzuständigkeit der belangten Behörde bestand daher in diesem Punkt nicht.
1.2. Der Beschwerdeführer weist in seiner Beschwerdeergänzung ausdrücklich darauf hin, daß er in der Berufung nicht nur die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, sondern auch "alternativ" dazu beantragt habe auszusprechen, daß er auf Grund des Assoziationsabkommens EWG-Türkei zum sichtvermerksfreien Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Wie der eingangs wiedergegebene Wortlaut der maßgeblichen Passage des Berufungsschreibens zeigt, beantragte der Beschwerdeführer zunächst, es möge der Erstbescheid dahingehend abgeändert werden, daß ihm ein Aufenthaltssichtvermerk nach § 28 FrG erteilt bzw. ausgesprochen werde, daß er auf Grund des Assoziationsabkommens EWG-Türkei zum sichtvermerksfreien Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Aus rein advokatorischer Vorsicht stellte der Antragsteller "in eventu" den Antrag, den Erstbescheid dahingehend abzuändern, daß ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werde. Im vorliegenden Fall war "Sache" des Berufungsverfahrens angesichts des klar auf den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (einer Bewilligung nach dem AufG) begrenzten Abspruchs der ersten Instanz nur dieser Abspruch (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1978, Zl. 1032/77, in dem in Slg. Nr. 9673/A, nicht veröffentlichten Teil, sowie das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/1468). Das im Berufungsantrag formulierte Erstbegehren auf Feststellung einer Aufenthaltsberechtigung ging daher über die "Sache" des Berufungsverfahrens - anders als das Eventualbegehren - hinaus. Da der Berufungswerber von der Berufungsinstanz nur eine andere Entscheidung in derselben "Sache", nicht aber die Entscheidung einer anderen "Sache" begehren kann, ist ein in der Berufung gestellter Antrag auf Entscheidung in einer anderen Sache kein zulässiger Berufungsantrag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1969, Slg. Nr. 7655/A). Im vorliegenden Fall durfte sich somit die belangte Behörde mit dem Antrag auf Abänderung des Erstbescheides dahingehend, daß ein Aufenthaltssichtvermerk nach § 28 FrG erteilt bzw. ausgesprochen werde, daß der Beschwerdeführer auf Grund des Assoziationsabkommens EWG-Türkei zum sichtvermerksfreien Aufenthalt in Österreich berechtigt sei, inhaltlich nicht befassen. Hätte die Berufung des Beschwerdeführers nur diesen Antrag, der kein zulässiger Berufungsantrag gewesen wäre, gestellt, hätte dem Anbringen mangels begründeten Berufungsantrages gemäß § 63 Abs. 3 AVG der Charakter einer zulässigen Berufung gefehlt, weshalb sie ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1969).
Eine Zurückweisung der Berufung war jedoch im vorliegenden Fall durch die belangte Behörde nicht zulässig, weil der Berufungsantrag als zulässiges "Eventualbegehren" die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides in Richtung auf eine Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung enthielt. Damit lag eine zulässige Berufung vor. Daß die belangte Behörde über diese Berufung in der Sache entschieden hat, ohne sich explizit mit dem "Erstbegehren" zu beschäftigen, verletzte den Beschwerdeführer nicht im Recht auf Wahrung der gesetzlichen Zuständigkeit.
2. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgebend. Die §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten (auszugsweise):
"§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der
Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine
Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.
...
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."
§ 3 Z. 3 der am 27. Juni 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lautet:
§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und"
§ 15 Abs. 1 FrG lautet:
"15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.
wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2.
wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder
3.
solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.
(2) ...
(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden richtet sich nach
1.
der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
2.
der Befristung der Bewilligung oder des Sichtvermerkes."
Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegen, er habe sich zum Zeitpunkt seiner Antragstellung im Inland aufgehalten. Er tritt auch der Feststellung der belangten Behörde nicht entgegen, daß gegen ihn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes ein rechtmäßiges Aufenthaltsverbot bestanden hat, das erst mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 6. August 1993 aufgehoben wurde. Er hält der belangten Behörde jedoch entgegen, daß ihre Feststellung, er habe sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, unzutreffend sei, weil sein Aufenthalt nach unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Gemeinschaft rechtmäßig gewesen sei. Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
Der Beschwerdeführer hätte die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften nur dann beantragen können, wenn er sich gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz AufG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Dies war jedoch im Hinblick auf das - unbestritten gebliebene
- Aufenthaltsverbot der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch nicht der Fall. Ein allenfalls erteilter Vollstreckungsaufschub ist keine "Berechtigung zum Aufenthalt" im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG. Am 1. Juli 1993 konnte dem Beschwerdeführer schließlich auch kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zustehen.
Eine Antragstellung vom Inland aus konnte für den Beschwerdeführer demnach nur noch in Frage kommen, wenn er gemäß § 6 Abs. 2 AufG ausnahmsweise zur Antragstellung aus dem Inland berechtigt gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, er erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, fiele der Beschwerdeführer jedoch nicht unter § 3 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995, weil, wie die Neufassung des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG zeigt, die Wendung "gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1
Aufenthaltsgesetz auf Grund ... eines Staatsvertrags
aufenthaltsberechtigt" in der zitierten Verordnungsbestimmung solche Personen nicht erfaßt, die aufgrund unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft zum Aufenthalt berechtigt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897).
In der Beschwerde wird weiters darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer über Befreiungsscheine verfügte. Da der Beschwerdeführer aber - unbestritten - nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, fiel er auch nicht unter § 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 408/1995. Sein als Verlängerungsantrag bezeichneter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde von der belangten Behörde daher zu Recht als "Erstantrag" gewertet, für den die Erfolgsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich waren.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Eine derartige Antragstellung hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde jedoch nicht behauptet. Da das in § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), hat die belangte Behörde den unter Mißachtung des § 6 Abs. 2 AufG gestellten Antrag zu Recht abgewiesen.
An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das durch Art. 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nichts zu ändern. Der Gesetzgeber der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, hat mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von unselbständig beschäftigten Fremden bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch anläßlich der vorliegenden Fallkonstellation keine Bedenken, daß die Umschreibung des begünstigten Personenkreises durch die oben erwähnten Vorschriften des AufG und der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 351/1995 zu eng wäre und den Erfordernissen des Art. 8 Abs. 1 MRK nicht entspräche, zumal das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch nur mit Wirkung "ex nunc" aufgehoben wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0277).
Soweit sich der Beschwerdeführer auf ein ihm als türkischem Staatsbürger behauptetermaßen zustehendes Recht auf Grund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424), beruft, stünde ihm ein solches Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein danach allenfalls bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Daher ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549, und vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0963).
Ebensowenig kann der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in den von ihm so bezeichneten Rechten auf Feststellung der Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Fremdengesetz sowie auf Feststellung der Aufenthaltsbewilligung nach dem Fremdengesetz verletzt sein. Wie bereits unter 1.2. ausgeführt wurde, war "Sache" des Berufungsverfahrens ausschließlich der durch den Bescheid der Behörde erster Instanz erfolgte Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Auch die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nur über diesen Antrag entschieden. Eine Verletzung durch diesen Bescheid in den vom Beschwerdeführer behaupteten einfachgesetzlichen Rechten kann daher nicht erfolgt sein. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/1468, dargelegt hat, stellt die Erlassung eines Feststellungsbescheides gegenüber der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein "aliud" dar.
Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht auch den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG herangezogen hat, nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVGWahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen UnzuständigkeitInstanzenzug Zuständigkeit AllgemeinInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191472.X00Im RIS seit
02.05.2001Zuletzt aktualisiert am
27.06.2011